Der Eurasische Wirtschaftsraum 12.07.2015 19:59
d.a. Während kaum eine Woche vergeht, ohne dass Russland als Aggressor gebrandmarkt wird,
vom NATO-Oberbefehlshaber Philip Breedlove am 22.
März die
Aufforderung erging, den Propaganda-Krieg mit Russland in den Medien zu
verstärken und General Joseph Dunford, der designierte
Nachfolger von Generalstabschef Martin Dempsey, Russland jetzt auch noch als eine
Bedrohung für die USA bezeichnet hat, die grösser sei als diejenige, die vom IS
ausgehe, strebt
Putin neben der Annährung an China die Verwirklichung seines Projekt einer
Eurasischen Währungsunion an. Beim Gipfel der Gründungsmitglieder Russland,
Weissrussland und Kasachstan in Kasachstans Hauptstadt Astana im März dieses
Jahres, erklärte Putin, dass die Zeit gekommen sei, um die Möglichkeit zu
erörtern, eine Eurasische Einheitswährung einzuführen. Allerdings,
wurde hierzu in der Presse vermerkt, »ist es fraglich, ob Putins Pläne für eine
gemeinsame Währung die gewünschte Dynamik entfalten werden.« [1] Hingegen hat der Währungsexperte Thomas
Bachheimer den US-Dollar wie folgt eingestuft: »Der Greenback hängt mittlerweile
schwer angeschlagen in den Seilen und hält sich nur mehr durch militärische
Erpressung auf den Beinen«, und Folker Hellmeyer, der Chefvolkswirt der Bremer
Landesbank geht davon aus, dass sich die Achse Moskau-Peking langfristig
durchsetzen wird.
Angesichts
der zunehmenden Konfrontation mit der USA, der NATO und der EU treibt Putin seine
Bündnisse mit China, Indien, Brasilien und anderen Staaten voran; mit diesen
sollen die Führungsansprüche des Westens infrage gestellt werden. In der 1.300 km
südöstlich von Moskau gelegenen Industriemetropole Ufa fand am 8. 7. 15 der 7.
Brics-Gipfel statt. Die Gipfelgäste, unter ihnen Brasiliens Präsidentin Dilma
Rousseff, seien der ›beste Beweis‹ dafür, dass der Westen mit seinen
Versuchen einer Isolation Russlands gescheitert sei, sagte ein Putin-Berater. Putin
traf sich in Ufa auch mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Wie es
heisst, ging es in Ufa auch um das umstrittene iranische Atomprogramm und den
Konflikt in der Ukraine. Mit der Unterstützung Chinas will Russland seine
Vorstellung von einer multipolaren Weltordnung gegen die politischen und
wirtschaftlichen Führungsansprüche von USA, NATO und EU voranbringen. Laut ›Handelsblatt‹ [2] kritisierten die Brics-Staaten in ihrer
Abschlusserklärung auch die ›neoliberale
Globalisierung‹, da diese weltweit
Arbeitsplätze sowie Ökosysteme vernichte. Laut Deklaration sehen sich die
Brics-Staaten als ›Struktur einer
neuen globalen Steuerung‹. Chinas
Staatschef Xi Jinping nannte den Prozess ›unumkehrbar‹.
Bei dem ersten Treffen der Brics-Führer in
Jekaterinburg im Ural im Juli 2009 war schon damals ausgiebig darüber
diskutiert worden, wie man auf der Weltbühne mehr Gewicht bekommen und sich aus
der Dollar-Abhängigkeit lösen könne, wobei vereinbart wurde, dass sich die
Mitglieder gegenseitig ihre eigenen Staatsanleihen abkaufen sollten, was den Verkauf
von US-Staatspapieren erschweren würde. Während der UNO-Vollversammlung
in New York am 15. 9. 14 hatten die Staats-und Regierungschefs der Brics-Gruppe
und ihre Verbündeten deutlich gemacht, dass sie entschlossen seien, ihre Völker
durch wirtschaftliche Entwicklung zu schützen und sich dem Diktat der Finanzoligarchie
der Wall Street und der Londoner City nicht zu beugen.
Laut ›Strategic Alert‹ [3] vom
10. Juni »plant China Großprojekte, um im Rahmen der Seidenstraßeninitiative ›Ein Gürtel, eine Straße‹ die
Wirtschaftsplattform für 60 Nationen auszubauen. Insgesamt will China international
mehr als 1 Billion $ investieren; es sind bis zu 6 Korridore vorgesehen:
China-Mongolei-Rußland Neue Eurasische Landbrücke China-Zentralasien-Westasien China-Indochina China-Pakistan Bangladesch-China-Indien-Myanmar Diese Korridore würden sich in mehreren Richtungen verzweigen und
enorme wirtschaftliche Veränderungen anstoßen. Laut ›China Daily‹ sollen zur Finanzierung die derzeit in
Gründung befindliche Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und
der Neue-Seidenstraßen-Fonds herangezogen werden. Offensichtlich soll die AIIB hierfür ein
Vielfaches ihres Kapitals einsetzen. Chinas Handelsvolumen mit den 64 Staaten entlang der bezeichneten
Routen, von denen viele Entwicklungsländer sind, ist seit 2001 im Schnitt jährlich um 22 %
gewachsen. Auch die China Development Bank (CDB) will eine aktivere Rolle in
den Gürtel und Straße-Initiativen einnehmen und hat angekündigt, in über 900
Projekte in 60 Ländern mehr als 890 Mrd. $ zu investieren.«
Wie
einem Artikel von F. William Engdahl [4] von Mitte Juni zu entnehmen ist, hat Rußland
eingewilligt, sibirisches Ackerland, das nahe der Grenze zur Mongolei und China
in der Region, die seit 2008 als ›Transbaikalien‹ bekannt ist, liegt, an ein chinesisches
Unternehmen zu verpachten, was sich ausgezeichnet in den Plan einfügt, das
weltgrößte Infrastrukturprojekt, den Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel,
voranzubringen. Dieser soll ein Netz von neuen
Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverbindungen über ganz Eurasien von China über die
Mongolei nach Rußland und weiter bis in die EU einschließen.
Wie
Engdahl schreibt, »ist die Region dünn besiedelt, mit etwas mehr als einer
Million Russen auf einer Fläche von 432 000 Quadratkilometern. Der dortige
Ackerboden gehört zu den fruchtbarsten der Welt. China hingegen kämpft mit
fortschreitender Desertifikation, Wasserproblemen und anderen Schwierigkeiten
bei der Sicherung der Ernährung. Außerdem hat China die Menschen und das Geld,
in lohnende Projekte zu investieren; an beidem mangelt es entlegeneren Regionen
der Russischen Föderation seit dem Kalten Krieg und besonders seit den Jahren
der verheerenden Krise unter Jelzin. Die Regierung von Transbaikalien hat jetzt
mit dem chinesischen Unternehmen Zoje Resources Investment und dessen Tochterfirma
Huae Sinban einen Pachtvertrag für 115 000 Hektar Ackerland unterschrieben; die
Laufzeit des Vertrags beträgt 49 Jahre. Das chinesische Unternehmen wird in der
Region über 24 Milliarden Rubel in die Entwicklung der Landwirtschaft
investieren, um russische und chinesische Märkte mit Agrarprodukten zu
beliefern. Geplant ist der Anbau von Futtermitteln, Getreide und Ölsamen, aber
auch der Aufbau der Geflügel-, Fleisch- und Milchproduktion in der russischen
Baikal-Region.
Das
Projekt ist in zwei Stufen unterteilt. Sofern die erste Stufe bis 2018
erfolgreich abgeschlossen ist, erhält das chinesische Unternehmen einen zweiten
Pachtvertrag, die Gesamtfläche wird dann 200 000 Hektar umfassen. Für Rußland
und die Region wird es ein Gewinn. Das Land, auf dem das Projekt startet, ist
seit fast 30 Jahren nicht mehr bestellt worden; um es wieder in fruchtbare
Anbauflächen zu verwandeln, werden 3000 Arbeiter gebraucht. Von Bedeutung ist
außerdem, daß sich das chinesische Unternehmen gemeinsam mit mehreren anderen
chinesischen Firmen und Unternehmen aus Südkorea, Neuseeland und sogar den
Vereinigten Staaten um den Vertrag beworben hatte. Wang Haiyun, Berater beim
Chinesischen Institut für Internationale Strategische Studien, bezeichnete den
Vertrag als Beispiel für das sich entwickelnde Vertrauen zwischen beiden
Ländern; das berichtet die chinesische Zeitung ›Huanqiu Shibao‹. Daß russische
Behörden zugestimmt hätten, ein so riesiges Gebiet für 49 Jahre zu verpachten,
beweise laut Wang, daß Moskau keine
ideologischen Vorurteile gegen Peking hege. Der jüngste Pachtvertrag in
Transbaikalien folgt anderen positiven Entwicklungen in der
landwirtschaftlichen Kooperation zwischen Rußland und China. Im Mai dieses
Jahres verkündigte Kirill Dmitriew, der Chef des staatlichen russischen Fonds
für Direktinvestitionen (RDIF), der Fonds habe sich mit dem Russia-China
Investment Fund und der Regierung der chinesischen Provinz Heilongjiang auf die
Schaffung eines Investmentfonds speziell für die Landwirtschaft geeinigt. Das
Volumen betrage rund 2 Milliarden $, das Geld komme vornehmlich von
institutionellen chinesischen Anlegern, darunter einige mit viel Erfahrung in
Investitionen im Agrarsektor. Die Einigung auf die Schaffung einer gemeinsamen
Investmentbank werde helfen, chinesisches Kapital nach Rußland zu bringen, und
es russischen Unternehmen erleichtern, auf chinesische Märkte vorzudringen. Die
chinesische Provinz Heilongjiang liegt östlich von Transbaikalien.«
Wie
Engdahls Artikel im weiteren aufzeigt, »gehört Transbaikalien, dessen Mineralvorkommen
jedoch bislang nur unzureichend erschlossenen wurden, zu den rohstoffreichsten
Regionen Rußlands; die größte Kupferlagerstätte Rußlands in Udokanskoje in der
Region umfaßt 20 Millionen Tonnen. Darüber hinaus lagern in der Region Gold, Molybdän,
Zinn, Blei, Zink und Kohle. Angebaut werden derzeit Weizen, Gerste und Hafer.
Die Region ist reich gesegnet mit Wasser und großen Flüssen. Zur gleichen Zeit
hat Peking die Schaffung eines 16-Milliarden-$ -Fonds für die Entwicklung von
Goldbergwerken entlang der Eisenbahnroute von Rußland über Zentralasien nach China
angekündigt. Eines der größten Hindernisse bei der Nutzung des enormen
landwirtschaftlichen Reichtums und der Bodenschätze in Rußland war bisher der
Mangel an moderner Infrastruktur, um die Produkte auf den Markt zu
bringen.
Beim
Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit im September 2014 in
Duschanbe hatten sich Chinas Präsident Xi, Putin und Tsachiagiin Elbegdordsch
aus der Mongolei darauf geeinigt, Pekings Initiative eines Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels
in Rußlands Plan für ein transkontinentales Eisenbahnnetz und in das
mongolische Prairie-Road-Programm zu integrieren und gemeinsam einen
chinesisch-mongolisch-russischen Wirtschaftskorridor zu errichten. Dadurch könnte
die Mongolei zum »Transitkorridor« werden, der die chinesische und russische
Wirtschaft miteinander verbindet. Die Mongolei ist größer als Japan, Frankreich
und Spanien zusammen. Die drei asiatischen Länder diskutieren über Fragen wie
Verkehrsverbindungen, die Erleichterung von Frachtfreigabe und Transport sowie
über die Machbarkeit eines transnationalen Stromnetzes.«
Was
die Mongolei angeht, so gehört das zentralasiatische Land zu den
ressourcenreichsten Staaten der Welt; allein der Wert der Bodenschätze in den 10
größten Lagerstätten wird auf 2,7 Billionen $ geschätzt. Die Mongolei besitzt
hochwertige Kohle, Kupfer, Gold, Silber, aber auch Uran und vor allem große
Mengen an Seltenen Erden.
Die Geburtsstunde der Eurasischen Wirtschaft »Das Potential
der neuen Vereinbarungen über eine Wirtschaftskooperation zwischen den beiden
großen eurasischen Ländern Rußland und China«, legt Engdahl dar, »stellt fraglos die
interessanteste wirtschaftliche Entwicklung in der heutigen Welt dar. Während
die US-Sanktionen Rußland zwingen, sich zunehmend seinem östlichen Nachbarn China zuzuwenden,
haben militärische Provokationen der USA im Ostchinesischen Meer China dazu
gezwungen, die eigene strategische Orientierung komplett zu überdenken. Das
Ergebnis ist die Entwicklung von Überlandverbindungen in dem riesigen
Wirtschaftsraum. Frei nach dem alten chinesischen Sprichwort: ›Richtig betrachtet bietet jede Krise neue Chancen‹. Peking diskutiert schon seit Jahren über den Bau
verschiedener Eisenbahnverbindungen in Eurasien, aber erst in den letzten 18
Monaten, seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Xi Jinping, wird dem
höchste Priorität eingeräumt, insbesondere dem Aufbau des
Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels. Präsident Xi hat das Projekt Seidenstraße zur
zentralen Aufgabe seiner Amtszeit erklärt. Beim Treffen zwischen Xi und Putin
am 8. Mai in Moskau unterzeichneten beide Präsidenten eine gemeinsame Erklärung
ݟber die Kooperation bei der Koordinierung der
Entwicklung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU) und des Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels‹ in Eurasien, einschließlich eines
Freihandelsabkommens zwischen der EEU und China. Chinas Außenminister Wang Yi
erklärte kürzlich, das Handelsvolumen zwischen China und Rußland werde 2015
voraussichtlich 100 Milliarden $ erreichen. Die Zukunftsaussichten sind
angesichts des Baus des Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetzes atemberaubend. Märkte,
und zwar alle Märkte, sind menschengemachte Produkte mehr oder weniger bewußter
Entscheidungen von Personen und normalerweise Regierungen. Der Aufbau eines
billionenschweren Wirtschaftsraums quer über Eurasien macht Fortschritte. Der
chinesisch-russische Pachtvertrag ist ein Zeichen dafür, daß Rußland eine
qualitativ neue Phase einläutet.
In der Welt der Mathematik kennt man Win-Win als ›Nicht-Nullsummenspiel‹, bei dem
es normalerweise eine Matrix verschiedener Gewinne für alle Beteiligten gibt.
Genau das bahnt sich im eurasischen Raum offenkundig an – schneller, als man es
noch vor zwei Jahren für möglich gehalten hätte.«
Gabor
Steingart, Leiter des ›Spiegel‹- Hauptstadtbüros und laut Publizist
und Fernsehmoderator Roger Willemsen ›die
Verkörperung eines Wandels des Spiegels seit den 90ern hin zu neokonservativen
und neoliberalen Themen‹, erkannte
offenbar schon im Januar 2007, dass ›im
Weltkrieg um den Wohlstand‹ eine
transatlantische Freihandelszone ›heute
das Einzige sein würde, was Hoffnung böte, der asiatischen Konkurrenz etwas
entgegenzusetzen.‹ Es ist somit mit
Spannung zu beobachten, zu wessen Gunsten sich dieser Wettstreit entscheiden wird,
zumal das TTIP in vielerlei Hinsicht noch immer stark umstritten ist.
Siehe
hierzu auch
Chinas
Präsident setzt die »Neue Seidenstrasse« wieder auf die Tagesordnung
Die
neue Bedrohung
München
- 51. NATO-Sicherheitskonferenz
[1] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/redaktion/putin-will-eine-eurasische-waehrungsunion.html 23. 3. 15
Putin will eine Eurasische Währungsunion
[2] http://www.handelsblatt.com/politik/international/brics-gipfel-in-ufa-russland-china-und-co-kritisieren-den-westen/12034880.html 9. 7. 15
[3] Strategic Alert Jahrgang 28, Nr. 24 vom 10.
Juni 2015
[4] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/russland-und-china-vertiefen-das-gegenseitige-win-win.html;jsessionid=2E3AF34926B9165D59F25118ED55EE97 Russland
und China vertiefen das gegenseitige Win-Win
- Von F. William Engdahl
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