Der Putsch in der Türkei 24.07.2016 21:17
Aus den Fragen, die die Redaktion des Kopp-Verlags im Zusammenhang
mit dem Umsturzversuch des 15. Julis an
den US-Autor und geostrategischen Analysten F. William Engdahl richtete, ergab
sich der nachfolgende Sachverhalt:
»Die Aktion«, so Engdahl, »war bekanntlich ein Fehlschlag; dies
sowohl für die Armeeoffiziere als auch für ihre Förderer, die weit weg in
Langley, Virginia, und in Saylorsburg, Pennsylvania, saßen - dort versteckt sich der türkische Polit-Manipulator
Fethullah Gülen unter dem Schutz der CIA. Dabei geht es um die gewaltige geopolitische Verschiebung, die der oftmals
unberechenbare Polit-Überlebenskünstler und Noch-Präsident Recep Tayyip Erdogan
gerade in Gang gebracht hatte, als Gülens Anhänger ihren verzweifelten
Umsturzversuch unternahmen.« Auf die Frage, ob man damit
rechnen können hätte, dass die Armee einen Umsturz versucht, antwortet Engdahl:
»Der Putschversuch war eine Reaktion auf die dramatische geopolitische
Kehrtwende, die Erdogan gerade vornimmt. Angefacht wurde sie
von CIA-treuen Netzwerken in der Türkei. Es handelt
sich ganz offensichtlich um ein verzweifeltes und schlecht vorbereitetes
Unterfangen des Armee-internen Netzwerks von Anhängern der Bewegung Fethullah Gülens. Gülen ist ein Agent, der zu 100 % von der CIA gesteuert
wird und Teil eines seit Jahrzehnten laufenden, durchgeknallten Projekts der
CIA, den politischen Islam als Waffe für Regierungswechsel zu nutzen. Erinnern
wir uns an 2013: Damals gab es in Istanbul und anderswo Massenproteste gegen
Erdogan. Gülen, der zuvor mit Erdogans AKP ein Abkommen getroffen hatte,
scherte damals aus und kritisierte Erdogan in den von ihm kontrollierten Medien - wie die Tageszeitung ›Zaman‹ - als Tyrannen. Seit damals arbeitet Erdogan
daran, seinen gefährlichsten internen Konkurrenten Gülen und dessen Freunde
auszurotten. Dazu greift er auch zu Mitteln wie Polizeidurchsuchungen bei ›Zaman‹ und anderen von
Gülen beherrschten Medien. Es geht hier nicht um einen Kampf zwischen einem
Weißen und einem Schwarzen Ritter. Es ist ein nackter Machtkampf in der
türkischen Politik. Wenn Sie die Einzelheiten zum Gülen-CIA-Projekt
interessieren, empfehle ich Ihnen mein Buch ›Amerikas heiliger Krieg‹.«
Zu der Frage, ob die Ereignisse in der
Türkei in einen Bürgerkrieg münden könnten, erklärt der Autor
folgendes: »Das
bezweifle ich. Erdogan und sein Geheimdienstchef haben den Einfluß der Gülen-Bewegung in
den vergangenen zwei Jahren durch Säuberungsaktionen und so weiter stark
beschneiden können. Und die traditionelle ›Atatürk-Armee‹ als Wächter des Staates gehört seit den 1980er Jahren längst der
Vergangenheit an. Es wird jetzt interessant sein, Erdogans Außenpolitik zu
verfolgen: Eine Wiederannäherung an Rußland und eine Wiederaufnahme der
Gespräche mit Rußland zur Erdgaspipeline ›Turkstream‹, die zur griechischen Grenze verlaufen soll. Gleichzeitig erfolgt
eine Wiederannäherung Erdogans an Netanjahu. Und vor allem ist Erdogan offenbar
auf die Bedingungen eingegangen, die Putin für eine Wiederaufnahme der Beziehungen
gestellt hat:
Die Türkei soll ihre Bemühungen, Assad zu stürzen,
einstellen und nicht länger heimlich den IS oder andere Terroristen in Syrien
unterstützen, sie in der Türkei ausbilden und
ihr Öl auf dem Schwarzmarkt verkaufen.
Für Obama [möglicherweise der inkompetenteste Präsident
in der amerikanischen Geschichte und das, obwohl er mit George W. Bush und Clinton
ernsthafte Konkurrenz hatte] ist das
geopolitisch eine schwere Niederlage.«
Hätte Erdogan Ihrer Meinung nach tatsächlich auf diese Weise
gestürzt werden können? »Sehr unwahrscheinlich. Bereits in den ersten Stunden, als Erdogan
gegenüber den Medien erklären konnte, daß Gülen hinter dem
Putschversuch steckt, war ich von einem Scheitern Gülens überzeugt. Jetzt steht
die CIA da wie die Doofen und Obama und die NATO versuchen, darüber hinwegzutäuschen,
indem sie dem ›demokratisch gewählten Erdogan‹ ihre Unterstützung aussprechen. Daß im
Februar 2014 Wiktor Janukowitsch der ›demokratisch
gewählte Präsident‹ der
Ukraine war, hat sie auch nicht gestört, auch nicht die CIA, als diese auf dem
Maidan ihren Umsturz durchführte. Und was für ein Durcheinander
hat Washington mit seinen Bemühungen angerichtet, einen Keil zwischen Rußland und die EU zu treiben. Meinen Äußerungen ist ja klar zu
entnehmen, daß Washington hinter dem Staatsstreich steckt. Es war Amerikas
ohnmächtige Reaktion auf die massive geopolitische Verlagerung, die seit Juni stattfindet.
Damals entließ Erdogan Ahmet Davutoglu als Ministerpräsidenten und ernannte
seinen Getreuen Binali Yildirim zu dessen Nachfolger. Damals wandte sich Erdogan
gleichzeitig von der Anti-Assad-Strategie Washingtons in Syrien ab, in Richtung
Israel [das in geopolitischen Fragen derzeit einer dezidiert anderen Meinung
als Washington ist], und hin zu Rußland, und jetzt sogar hin zu Assad in
Syrien.«
Bezüglich der NATO erklärt Engdahl, »daß Washington die Türkei für seine globale Strategie unbedingt
benötigt, vor allem, wenn es darum geht, die Ölströme des Nahen Ostens und jetzt
auch sein Erdgas zu kontrollieren. Deshalb haben sich Obama und
Konsorten auch beeilt, ihren ›Freund‹ Erdogan schnellstmöglich zu ›umarmen‹, sobald klar war, daß der Putsch scheitern würde. Das nennt man
Schadensbegrenzung.« Was den Flüchtlingsstrom angeht, so lässt
sich Engdahl zufolge im Augenblick noch nichts sagen: »Wenn sich Erdogan und Assad auf Vermittlung von Putins Rußland
hin - und vielleicht unter einiger
Mitwirkung Israels - auf einen echten Frieden in Syrien
verständigen können, könnte der Flüchtlingsstrom aus dem Kriegsgebiet
versiegen. Die Menschen wollen nach Hause zurückkehren und sich ihr Leben in
ihrem eigenen Land neu aufbauen.« [1]
Anmerkung politonline d.a. 1998
war Gülen vor der türkischen Militärregierung ins politische Exil geflohen,
nachdem ihm wegen des Versuchs des Aufbaus eines islamisch-religiösen Staats in
der Türkei Hochverrat vorgeworfen worden war; er landete ausgerechnet in den Pocono-Bergen
in Pennsylvania. Den Darlegungen Engdahls zufolge lebt Fetullah Gülen in einem
ländlichen, geschützten und von Anhängern streng bewachten Anwesen in Saylorsburg,
Pennsylvania. 2008 schaffte es Gülen gegen den Einspruch des FBI, des US-Aussenministeriums
und des Heimatschutzministeriums, eine permanente Aufenthaltsgenehmigung,
die berühmte Green Card, zu erhalten. Das verdankt er niemand anderem als dem ›pensionierten‹ hohen CIA-Beamten Graham E. Fuller, ehemaliger CIA-Agent in
Istanbul und Gülen-Unterstützer, der ihm 2008 zur Aufenthaltsgenehmigung in der
USA verhalf. Beide, Fuller und Morton Abramowitz, hatten sich für ihn verwendet.
Laut der ehemaligen FBI-Übersetzerin und Whistleblowerin Sibel Edmonds ›gehört Abramowitz, ein bekannter
Neokonservativer, Israel-Lobbyist, Agent der CIA und des Aussenministeriums,
sowie Unterzeichner der Erklärung für ein ›Neues Amerikanisches Jahrhundert‹, zu
den wichtigsten Betreuern und Unterstützern von Fetullah Gülen‹. Tatsächlich ist dieses Netz aus
Abramowitz, CIA, Neokonservativen und Gülen genau das ›aus dem Ausland
gesteuerte‹ Netzwerk, dem Erdogan vorwirft, ihn aus dem Amt jagen zu wollen.
Gülen
und seine Bewegung, so Engdahl ferner, sind durch und durch CIA. Beide nutzen
einander für ihre jeweiligen Ziele. Unter dem Titel die ›CIA-Hand in der Türkei‹
hatte Engdahl Anfang März 2014 folgendes aufgezeigt: »Chinas uigurische
Bevölkerung ist ihrer ethnischen Herkunft nach turkisch, was die CIA eifrig
nutzt, um über das ›ETIM‹ [nach dem Englischen ›East Turkestan Islamic Movement‹]
- die verbotene Islamischen Bewegung Ost-Turkestans - Unruhen innerhalb Chinas anzuzetteln.
Letztere ist ein Joint Venture Gülens und der CIA. Bemerkenswert ist die
Tatsache, daß die Uiguren in China bis 1990 eine fromme apolitische Spielart
des Islams praktiziert hatten. Das änderte sich allmählich, als Gülens Kader
nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in das islamisch geprägte Zentralasien
ausschwärmten. In den 1990er Jahren gründete die Gülen-Bewegung besonders in
den jetzt unabhängigen turkischen Republiken Zentralasiens und Rußlands
Koranschulen. Die
zentralasiatischen Koranschulen wurden als Ausbildungszentren für al-Qaida
genutzt und dienten als Alibi für verdeckte Agenten von CIA und US-State Department, die in der Region tätig waren.« [2]
Schon am 29. 7. 2014 hatte Engdahl
berichtet, dass Erdogan eine Annäherung an Russland anstrebt: »Eine Richtungsänderung Erdogans, der mit Gülen und Gülens einflußreichem
Block innerhalb der türkischen Polizei und des Justizsystems der Türkei in
blutigem Streit liegt, könnte für Washingtons neokonservative Kriegsfalken und
ihrem derzeitigen Feldzug, im gesamten Nahen und Mittleren Osten, in Eurasien
und in anderen Regionen Konflikte zu schüren, einen schweren Schlag bedeuten.
Seit die Briten Mitte des 19. Jahrhunderts den Krimkrieg manipulierten, um
Spannungen zwischen dem russischen Reich und dem osmanisch-türkischen Reich
anzuheizen, war und ist es anglo-amerikanische Politik, dafür zu sorgen, daß die geostrategisch wichtige Türkei ein Feind Rußlands bleibt.« [3]
Die deutsche
Professorin und renommierte Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann von
der Universität Marburg nennt die Gülen-Bewegung ›die wichtigste und gefährlichste
islamistische Bewegung in Deutschland. …… Sie sind überall.‹ Auch Engdahl zählt die Gülen-Bewegung zu den
einflussreichsten islamischen politischen Bewegungen in Deutschland. Wie einem in der ›Welt‹ erschienenen Artikel von Günther Lachmann zu entnehmen ist, hat
die Islamkritikerin Necla Kelek Fethullah Gülens Bewegung
als ›die einflußreichste politisch-religiöse Geheimorganisation der
Türkei‹ bezeichnet. ›Die
Fethullahcis‹, wie sie sie nennt, ›seien eine Sekte mit Konzernstruktur‹. Nicht weniger hart urteilt
der aus dem Libanon stammende Islamwissenschaftler Ralph Ghadban. »Unter dem pseudo-modernistischen
Lack steckt eine islamistische Auffassung«, schreibt er und »fürchtet, daß die ›Fethullahci‹ durch ihre
perfekte Geheimbündelei vermutlich unfassbar‹ seien.« Weltweit, so Lachmann, wird die Zahl der Gülen-Sympathisanten auf
über 10 Millionen geschätzt. Zwischen 10 und 15 % der türkischen Bevölkerung
sollen der Bewegung, die sich selbst ›Hizmet‹ [Dienst] nennt, angehören. Sie betreibt Medienhäuser,
Bildungseinrichtungen, Versicherungen, und sogar eine Bank. Wie viele Menschen
in Deutschland inzwischen Teil der weltweiten Gülen-Gemeinde sind, ist schwer
zu sagen.
Wie
Lachmann des weiteren schreibt, »wurde Fethullah Gülen 1941 als Sohn des Dorf-Imams
Ramiz Gülen in dem anatolischen 600-Seelen-Dorf Korucuk geboren; wie der Vater
gibt er sich ganz dem Studium des Korans hin. Angeblich spricht er bereits mit 10
Jahren fließend Arabisch und hält mit 14 Jahren seine erste Predigt. Nach dem
Koran studiert Gülen die Schriften des Sufi-Predigers Said Nursi. Seine
Anhänger sagen heute, daß er darin das logische und wissenschaftliche Fundament
für eine Art Transformation des Islams in die Moderne fand. Derart
intellektuell gerüstet, zieht er dann als Wanderprediger durch das von
Militärputschen und politischen Unruhen erschütterte Land. Er tritt für Dialog
und Frieden ein, verurteilt Terror und Gewalt, und zitiert dabei die großen
Meister der islamischen Mystik, Muhyiddin-i Ibn Arabi und Mevlana Celaleddin
Rumi, die den ›Weg der wahren
Erkenntnis durch Spiritualität und Liebe‹
aufgezeigt hätten. Von den achtziger Jahren an widmet er sich dann ganz dem
Aufbau seiner Bewegung und erregt durch bedeutende Versöhnungsgesten Aufsehen
in der islamischen Welt. Unter anderem reicht er Papst Johannes Paul II. die
Hand. Vor allem bei der aufstrebenden anatolischen Mittelschicht kommt die Idee
von Glauben und Geldverdienen an. Sie schickt ihre Kinder auf die von ihm
gegründeten Schulen und Universitäten. Mit ihnen drängen erstmals auch die
tiefgläubigen ›Schwarztürken‹ in die mondänen Clubs der bis dahin
ausschließlich von den sogenannten ›Weißtürken‹ dominierten großstädtischen
Schickeria. Gülen hat nicht nur dazu aufgerufen, die Sprache der Länder zu
lernen, in denen die türkischen Auswanderer leben - denn erst die Sprache mache dialog- und
konfliktfähig - sondern auch zum Bau von
Schulen anstelle von Moscheen.« Mit der von Engdahl genannten ›Zaman‹ gibt die Gülen-Bewegung z.B. in der BRD die in über 30.000 der
türkischen und türkischstämmigen Haushalte gelesene auflagenstärkste türkische
Tageszeitung heraus. Daneben betreibt sie mit grossem Erfolg eigene
Fernsehsender; so war 2010 mit ›Ebru
TV‹ das erste deutsch-englisch-sprachige
Programm auf Sendung gegangen. [4]
Im Februar 2014 schrieb Günter Seufert in ›Le Monde Diplomatique‹: »Glaubt man dem türkischen Ministerpräsidenten, sieht die Türkei sich
heute einer besonders perfiden Verschwörung gegenüber. Denn dieses Mal hat das
feindliche Ausland eine fünfte Kolonne von Leuten engagiert, die in Habitus und
Geisteshaltung - islamische Frömmigkeit,
stolzes Türkentum und patriarchalische Sozialmoral - den Wählern und Parteifreunden Erdogans
gleichen wie ein Ei dem anderen. Es sind die Anhänger des türkischen Predigers Fethullah
Gülen, die sich laut Erdogan heimlich und unbemerkt in Polizei und Justiz
eingenistet und weitere Bereiche der Bürokratie infiltriert haben. Durch Korruptionsvorwürfe,
die allesamt aus der Luft gegriffen seien, würden diese Gülen-Kader die
Regierung unterminieren. Und zwar im Interesse jener Staaten - an ihrer Spitze
Israel und die USA - die der Türkei den Zugewinn an Macht und Wohlstand neiden
und das Land deshalb attackieren und schwächen wollen. Das Besondere an Gülen
ist, daß er grundlegende
Strebungen und Orientierungen der Türken bündeln kann wie kein anderer. Gülen
kann Islam und türkischen Nationalismus verschmelzen, weil er vermittelt, daß sich die religiöse Lehre und eine typisch
türkische Moralität gegenseitig perfektionieren. Der türkische Islam sei nicht
radikal, nicht gewaltorientiert und damit ›menschlicher‹
als die saudisch-wahhabitische oder die iranisch-schiitische Tradition. Was die
politische und gesellschaftspolitische Orientierung seiner Anhänger betrifft,
schuf Gülen ebenfalls eine neue Synthese: Er teilt die von konservativen
religiösen Gemeinschaften der Türkei bekannte Haltung, die staatliche Autorität
nicht infrage zu stellen, und lehnt oppositionellen politischen Aktivismus ab,
weil er Zwietracht unter den Gläubigen stifte. Seit
den 1970er Jahren wendet er sich gegen die direkte Politisierung des
Islams und gegen die Indienstnahme der Religion durch eine Partei. Die
Fethullah-Gülen-Gemeinde erscheint als national-religiöse
Modernisierungsbewegung: sie ist das muslimische Gegenstück zum Kemalismus, dem
säkularistisch-nationalistischen Modernisierungsprogramm des Staatsgründers
Mustafa Kemal, des späteren Atatürk.« [5]
In einem Artikel des Kolumnisten von ›Today’s Zaman‹ und Mitbegründer der ›P24 Platform for Independent
Journalism‹, Yavuz
Baydar, in ›Le
Monde Diplomatique‹ vom Februar 2014 war folgendes vermerkt:
»Für Eingeweihte war schon seit Juni
2013 klar, daß die AKP-Regierung und Erdogan persönlich durch umfassende Korruptionsermittlungen
unter Druck geraten würden. Bei den Verhaftungen vom 17. Dezember ging es unter
anderem um Vorwürfe wegen Geldwäsche von mehreren Milliarden $ und um
Bestechungssummen von mehr als 60 Millionen $, die mutmaßlich an vier Minister
und ihre Söhne flossen. Seit jenem Tag begann sich Erdogans Traum, zum
unbesiegbaren unersetzlichen Führer der Nation zu werden, in einen Albtraum zu
verwandeln. Nur eine Woche später bereiteten die Strafverfolger weitere
Festnahmen vor, die auch Erdogans Sohn Bilal treffen sollten. Aber dank einer
Serie bürokratischer Manöver konnte der Regierungschef verhindern, daß die
Ermittler ihm noch dichter zu Leibe rückten. In der Folge hatte Erdogan unter
anderem auch eine Säuberung der staatlichen Institutionen angeordnet, die in
der Geschichte des türkischen Staats ihresgleichen sucht: Bis Anfang Februar
2014 wurden mindestens 6 000
Polizeioffiziere und fast 200 Staatsanwälte versetzt beziehungsweise
ausgewechselt. Die Begründung lautete, sie seien alle mit der Gülen-Bewegung
vernetzt. Die für Erdogan peinlichen Ermittlungsfälle wurden den
Staatsanwälten, die sie angestoßen hatten, entzogen und anderen Kollegen
übertragen, die sofort erklärten, daß man die Untersuchungen völlig neu
aufrollen müsse.«
[6]
Was die der Regierung Erdogan im
Dezember 2013 zum Vorwurf gemachte Korruption angeht, so hatte Engdahl
folgendes dargelegt: »Erdogan, bei all seinen Exzentrizitäten
ein kampflustiger Politiker, kämpft zurück und erklärt, ›ausländische Mächte‹ stünden hinter
seinem heutigen Gegner, dem ehemaligen Imam Fetullah Gülen, den die
US-Botschaft in Ankara als mächtigsten Mann der Türkei betrachtet. Was sich
zurzeit in der Türkei abspielt, ist viel interessanter als ein normaler
Bestechungsskandal. Es ist offene Kriegsführung, aber nicht für die Zukunft der
Demokratie in der Türkei - davon gibt es kaum eine Spur. Vielmehr ist es
ein Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West um die Zukunft eines
Schlüssellandes an der geopolitischen Wegscheide zwischen Asien, Europa und dem
Nahen und Mittleren Osten. Der interne Konflikt in der Türkei besteht zwischen
Justiz und Polizei auf der einen und Familienmitgliedern und Kumpanen Erdogans
auf der anderen Seite. In Wirklichkeit ist es eine Art
Stellvertreterkrieg zwischen einer Washingtoner Fraktion aus CIA und einem
harten Kern von Dick-Cheney-Neokonservativen, deren Mann in der Türkei Fetullah
Gülen ist. Diesem mächtigen Team gegenüber steht Erdogan, der entschlossen ist,
zu überleben, und ein sich abzeichnendes Bündnis aus Iran, China und sogar Putins Rußland.« [7]
Bei der jetzigen Verhaftungswelle sind
Berichten zufolge 2.800 Militärs verhaftet und 2'700 Richter und Staatsanwälte
entlassen worden. Ferner wurden zwei Verfassungsrichter festgenommen, Alparslan
Altan und Erdal Tezcan; diese werden beschuldigt, an dem Putsch beteiligt
gewesen zu sein. Darüber hinaus ist es laut einer Meldung der Nachrichtenagentur
des Erdogan-Regimes beabsichtigt, 626 Privatschulen und andere Institutionen zu
schliessen.
Wie nicht anders zu erwarten, hat Präsident
Obama Vorwürfe, seine Regierung habe irgendetwas mit dem Putsch zu tun, restlos
zurückgewiesen. Dazu gehört seine Aussage, dass auch die Geheimdienste des
Landes nicht die geringsten Hinweise auf einen bevorstehenden Putsch gehabt
hätten. Wie die ›Deutschen Wirtschafts
Nachrichten‹ am 23. 7. schrieben, »haben die Russen Erdogan
offenbar in letzter Sekunde gewarnt, weshalb der Putsch rasch in sich
zusammenfiel.« [8]
Jeder,
der die Feststellungen Engdahls und die Fakten zu Gülen gelesen hat, kann
Obamas Erklärung, »die USA stünde in voller
Unterstützung für die Demokratie in der Türkei und hätte nicht die geringsten
Verbindungen zu den Putschisten« in beiderlei Punkten nur noch als blanken Hohn empfinden ……
Von F. William Engdahl finden sich
zahlreiche überaus aufschlussreiche Artikel auf unserer homepage.
[1]
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/redaktion/ein-blick-hinter-die-kulissen-des-verzweifelten-cia-putsches-in-der-tuerkei.html 22. 7. 16
Ein Blick hinter die Kulissen des verzweifelten CIA-Putsches in der Türkei - Redaktion
[2] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/uigurischer-terroranschlag-in-kunming-islamistische-gruppe-nimmt-china-ins-visier.html;jsessionid=AC386B015C684CA24E825F622FDC2DE5
5. 3. 14 Uigurischer Terroranschlag in
Kunming: Islamistische Gruppe nimmt China ins Visier - F.
William Engdahl
[3]
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/f-william-engdahl/der-tuerkische-ministerpraesident-erdo-an-betreibt-annaeherung-an-russland.html 29. 7. 14 Der türkische Ministerpräsident Erdogan
betreibt Annäherung an Russland - F. William Engdahl
[4]
http://www.welt.de/politik/ausland/article13384879/Islam-Bewegung-breitet-sich-in-Deutschland-aus.html 21. 5. 11
Günther Lachmann - Islam-Bewegung breitet sich in Deutschland aus
[5] ›Le Monde diplomatique‹ Nr. 10336 vom 14. 2.
2014
Der mächtige Herr Gülen - Wie ein Prediger mit seiner Bewegung zum
Gegenspieler der türkischen Regierung wurde - Von Günter Seufert
[6] ›Le Monde Diplomatique‹ Nr. 10336 vom 14. 2. 2014 Türkei – Putsch in Zeitlupe - von Yavuz Baydar
[7] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/f-william-engdahl/der-wirkliche-korruptionsskandal-in-der-tuerkei.html 4. 2. 14
Der wirkliche Korruptionsskandal in der Türkei
- Von F. William Engdahl
[8]
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/07/23/obama-us-regierung-hat-mit-dem-putsch-in-der-tuerkei-nichts-zu-tun/ 23. 7. 16
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