Keine friedliche Koexistenz mit China 01.12.2019 21:00
Die frisch gewählte deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
macht neuen Druck auf China zur Chefsache und
kündigt für ihren ersten Arbeitstag am Sonntag, 1. 12., ein Telefongespräch mit
Beijing zum Thema ›Menschenrechte‹ an. Anlass sind die Vorwürfe
gegen die Volksrepublik im Zusammenhang mit dem chinesischen ›Anti-Terror-Krieg‹ gegen den Jihadismus in
Xinjiang. Auch das Europaparlament wird sich in seiner nächsten Plenarsitzung Mitte
Dezember mit der Lage in Xinjiang beschäftigen, teilt der deutsche Vorsitzende
des Auswärtigen Parlamentsausschusses, David McAllister, mit. In Berlin geht
die transatlantisch orientierte Opposition dazu über, Sanktionen zu fordern: Wahlweise
gegen chinesische Politiker oder gegen chinesische High-Tech-Konzerne, die
bereits von US-Sanktionen betroffen sind. Kommentatoren sowohl in den USA als
auch in Deutschland vergleichen China mit dem NS-Reich. In einer ehemals
liberalen deutschen Tageszeitung heißt es, es könne »langfristig
keine friedliche Koexistenz« mit
der Volksrepublik geben.
Anti-Terror-Kriege
Berliner Regierungsmitglieder sowie Politiker der
transatlantisch orientierten Opposition erhöhen unter Bezug auf die Lager in
Xinjiang den Druck auf Beijing. Die internationale Gemeinschaft könne vor den
Lagern dort »nicht die Augen verschließen«,
erklärte bereits zu Wochenbeginn Außenminister Heiko Maas: Die Volksrepublik
müsse umgehend Unabhängigen Zugang zu der Region gewährleisten. »Menschenrechte
sind nicht verhandelbar und universell gültig«,
äußerte Maas. Der Minister hatte zuletzt Ende Oktober Ägypten bereist, um die
Kooperation mit der Kairoer Regierung nicht zuletzt in der Migrationsabwehr zu intensivieren. Dem stand aus Maas' Sicht
nicht im Weg, dass in Ägypten bei der Niederschlagung der Proteste gegen den
Putsch vom Juli 2013 mutmaßlich mehr als 3.000 Zivilisten von staatlichen
Repressionskräften umgebracht worden waren und dass dort anschließend bis heute
gut 60.000 Personen aus politischen Gründen inhaftiert worden sowie über 1.500
Menschen aus staatlichem Gewahrsam verschwunden sind. Für die Diskrepanz
zwischen den hehren Menschenrechtsforderungen des Außenministers gegenüber
Beijing und seiner Billigung eklatanter Menschenrechtsverbrechen seitens
verbündeter Staaten liegen zahlreiche weitere Beispiele vor - abgesehen davon,
dass die Staatsverbrechen des westlichen Anti-Terror-Kriegs, dessen
chinesisches Gegenstück derzeit in Xinjiang stattfindet, bis heute nicht
aufgearbeitet sind.
Sanktionen
Dabei werden aus der transatlantisch orientierten
Opposition inzwischen auch Forderungen nach Sanktionen gegen China, nach einem
Rückzug deutscher Konzerne aus Xinjiang sowie nach einem Boykott chinesischer
Unternehmen aus der Überwachungsbranche laut. Bereits am 25. 11. hatte die
Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin
Göring-Eckardt, ›individuelle
EU-Sanktionen gegen die Verantwortlichen‹
für die Lager gefordert. Am 26. 11. schloss
sich dann FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg an: In der Boulevardpresse
erklärte sie, Europa müsse ›den
Wert von Freiheit und Menschenrechten›
deutlich machen und dürfe künftig »keine
Aufträge mehr an chinesische Unternehmen vergeben, deren Produkte Kern des
Systems uferloser Massenüberwachung in China sind«.
Das richtet sich gegen chinesische High-Tech-Konzerne, die die
Trump-Administration kürzlich mit Sanktionen ähnlich denjenigen gegen Huawei
belegt hat, um den weiteren Aufstieg chinesischer Firmen auf dem Gebiet
avanciertester Informations- und Kommunikationstechnologie zu stoppen. Zudem
werden Forderungen nach dem Rückzug deutscher Konzerne aus Xinjiang laut. So
wirft etwa die Menschenrechtssprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis
90/Die Grünen, Margarete Bause, Volkswagen ›Mitunterstützung
der Menschenrechtsverletzungen in der Region‹
vor, da die Firma ein Werk in Xinjiang betreibt. Implizit stellt sie damit die
Forderung nach einem Rückzug des Konzerns in den Raum.
Pogrome in Ost-Turkestan
Befeuert werden die Sanktionsforderungen
insbesondere vom ›World
Uyghur Congress‹
(WUC), einem Dachverband diverser Organisationen der Exiluiguren, der in
München ansässig ist. Wie der Präsident des ›WUC‹, Dolkun Isa, erklärt, seien
Sanktionen »das Mindeste, was die EU und
Deutschland tun müssen«; wünschenswert seien »gezielte
finanzielle Sanktionen gegen chinesische Unternehmen, die den Überwachungsapparat in
der Uiguren-Region ermöglichen«.
Aus den Reihen der Exiluiguren wird traditionell immer wieder die Abspaltung
Xinjiangs als ››Ost-Turkestan‹ gefordert. Der Gründungspräsident
des ›WUC‹, Erkin Alptekin, hatte schon
in der Zeit des Kalten Kriegs für den CIA-nahen US-Propagandasender Radio Free
Europe / Radio Liberty (RFE/RL) in München gearbeitet sowie später stets
Beziehungen nicht nur zu deutschen, sondern auch zu US-Außenpolitikern
gepflegt. Dem ›WUC‹ wird unter anderem vorgeworfen,
in die Vorbereitung eines mörderischen Pogroms von Uiguren gegen Han-Chinesen
im Juli 2009 in Xinjiangs Hauptstadt Urumqi involviert gewesen zu sein. Damals
brachten marodierende Uigurenbanden binnen kürzester Zeit mindestens 134
han-chinesische Zivilisten um und versetzten die nicht-uigurische Bevölkerung
in Angst und Schrecken.
In dem Kommentar heißt es weiter, zuletzt hätten
zwar »Deutschland und 22 weitere Nationen« das
Regime in Beijing kritisiert; die Volksrepublik erhalte jedoch Rückendeckung
von 37 Staaten: »Diese Gruppe eint nichts außer
ihrer Verachtung von Freiheit und Bürgerrechten. Es ist eine Allianz von
Autokraten«, dies der neue Kampfbegriff für die
Volksrepublik und sämtliche mit ihr kooperierenden Staaten, an deren Spitze
China steht. Das Blatt druckt ein Bild zweier Blöcke, die grafisch durch einen
Riss getrennt werden: Links 22 Staaten Europas, Nordamerikas plus Australien,
Neuseeland und Japan; rechts 37 Staaten aus vier Kontinenten, die als ›Verteidiger des chinesischen
Vorgehens‹
gebrandmarkt werden. »Weltweit verschiebt
China im Interesse seiner politischen Agenda die Machtverhältnisse«,
heißt es in dem erwähnten Kommentar: »Der
Klub der Despoten dominiert immer häufiger Debatten in den Vereinten Nationen«.
Dem müsse man sich widersetzen: »Die
deutschen Beziehungen zu Peking müssen grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt
werden«. »Im
Umgang mit China sei mittlerweile keine Rückkehr zur normalen Tagesordnung mehr
möglich«.
Der Brandkommentar schließt mit der Prognose einer
dramatischen, womöglich kriegerischen Konflikteskalation: »Es
kann langfristig keine friedliche Koexistenz beider Systeme geben«.
[1]
Bereits Anfang November hatte die deutsche
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Entsendung deutscher Soldaten
nach Ost- und Südostasien zu einer Machtdemonstration gegen die Volksrepublik
China gefordert. »Unsere Partner im
Indo-Pazifischen Raum fühlten sich von Beijing zunehmend bedrängt«,
behauptete in ihrer Grundsatzrede an der Münchner Bundeswehr-Universität am 7.
11.; es sei daher »an der Zeit, mit
unseren Verbündeten Präsenz in der Region« zu
zeigen. Die USA, Großbritannien und Frankreich demonstrieren seit geraumer Zeit
im Südchinesischen Meer per Kanonenbootpolitik ihre militärische Macht. Darüber
hinaus sprach sie sich generell für eine Ausweitung der deutschen
Militäreinsätze aus; außerdem müßten ein Nationaler Sicherheitsrat geschaffen
sowie der Wehrhaushalt deutlich aufgestockt werden. Laut Kramp-Karrenbauer wird
die Bundesregierung die deutsche EU-Ratpräsidentschaft in den Dienst der
Militarisierung stellen und ein ›E3-Format‹ etablieren, das es
ermöglicht, eine deutsch-französisch-britische Führung über die
EU-Militärpolitik zu etablieren. [2]
Anmerkung:
Ganz sicherlich wird sich wohl niemand mit Verstand den Forderungen der Verteidigungsministerin anschliessen
wollen, geschweige denn das Kriegsbeil gegen China ausgraben …..
[1] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8119/ 28. 11. 19
[2] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8099/ 8. 11. 19 The
Germans to the front
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