Post für die Regierenden

politonline d.a. Von den zahlreichen Briefen, die an die BDR-Regierung gerichtet wurden und die das aussprechen, was von offizieller Seite unerwähnt bleibt, veröffentlichen wir hier die nachfolgenden beiden.

Eines zeichnet sich für jeden erkennbar ab: Selbst weltweite Proteste erlangen kein Gehör, was einmal mehr aufzeigt, daß bei Entscheidungen über Krieg oder Frieden jegliche Demokratie übergangen wird. Nicht umsonst schreibt »SaarBreaker« unter Bezugnahme auf die in Gaza aufgenommenen Bilder: »Diese Kriegsverbrechen werden Sie in Deutschland niemals zu sehen bekommen, weil sie in enger Abstimmung mit unseren Regierungseliten vollzogen werden.«  
 
An den Bundesminister  des Auswärtigen Amtes, Herrn Frank-Walter Steinmeier
 
Lieber Genosse Frank-Walter,
J’accuse! Ein einmalig barbarisches, menschenverachtendes und »einzigartiges«
Kriegsverbrechen, das alle rote Linien der Ethik überschritten hat!!! Als Deutsch-Palästinenser bin ich erschrocken und erschüttert über Deinen konkreten »Arbeitsplan« für einen Waffenstillstand im Nahen Osten und das Angebot an Ägyptens Präsidenten Hosni Mubarak zur Unterstützung bei der Sicherung der Grenze zum Gazastreifen, damit der  Waffenschmuggel für den legitimen Freiheitskampf der Palästinenser unterbunden wird. Wir ahmen damit das Beispiel der Neokons der Bush-Administration nach, da sich zahlreiche CIA-Offiziere für denselben Zweck bereits in Ägypten befinden. Auf der anderen Seite  haben diese Neokons Ausschreibungen rausgeschickt, um Israel wieder neu oder weiter und noch besser zu bewaffnen, um noch mehr meiner Landsleute auf grausame Weise zu massakrieren. Welch eine Ironie des Schicksals!
 
Zunächst beantworte ich Deine einseitigen Ausschweifungen mit einem Zitat aus der VN-Resolution aus dem Buch »Die VN-Resolutionen zum Nahost-Konflikt«, Berlin, Verlag Völkerrecht und Politik, Band 5: Generalversammlung - Resolution 2649 (XXV) vom 30. November 1970 [diese Resolution beruft sich immer wieder auf zahlreiche vorangegangene Resolutionen, die bis 1948 zurückreichen]:
 
Auszug: Die Generalversammlung
 
- bestätigt die Rechtmäßigkeit des Kampfes von Völkern unter kolonialer und fremder Herrschaft, deren Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht anerkannt ist, um für die Wiederherstellung dieses Rechts mit allen Mitteln, die ihnen zu ihrer Verfügung stehen, vorzugehen;
 
- fordert alle Regierungen, die Völkern unter kolonialer und fremder Herrschaft das Selbstbestimmungsrecht versagen, auf, dieses Recht anzuerkennen und zu beachten, im Einklang mit den einschlägigen internationalen Dokumenten und den Prinzipien sowie dem Geist der Charta (gemeint die VN-Charta);
 
- verurteilt diejenigen Regierungen, die das Selbstbestimmungsrecht von Völkern, deren Anspruch darauf anerkannt ist - insbesondere der Völker des südlichen Afrikas und Palästinas (Südafrika ist inzwischen frei, nur Palästina nicht) - bestreiten;
 
An diesem Text gibt es, wie ich meine, nichts zu deuteln und nichts zu rütteln. Jede andere
Deutung kann man als Doppelmoral, Parteinahme und Heuchelei bezeichnen. Anders gesagt, lieber Genosse Steinmeier: man muß die Palästinenser bei der Erlangung ihrer Freiheit und ihres Selbstbestimmungsrechts massiv unterstützen.
 
Ich meine, es ginge auch anderes: Man sollte den Palästinensern die gleichen Waffen, die etwa 500 atomaren Sprengköpfe und das gewaltige Potential an B- und C-Waffen Israels nicht zu vergessen, zur Verfügung stellen, dann käme ein ebenbürtiger Kampf zustande und die gepeinigten Menschen müßten sich nicht für Selbstmordattentate zur Verfügung stellen.
 
Nicht die aus höchster Not selbstgebastelten Raketen der Palästinenser und der sogenannte »palästinensische Terror« sind die Ursache der Gewalt, sondern die seit fast 42 Jahren andauernde völkerrechtswidrige israelische Besatzung. Seit die Hamas die Wahl im Januar 2006 gewonnen hat, leben die Palästinenser im Gazastreifen unter einem Boykott der westlichen Welt, obwohl westliche Beobachter, ja sogar der frühere US-Präsident Jimmy Carter, zugegen gewesen waren und absolut demokratisch durchgeführte Wahlen bescheinigten. Dieser Boykott wird von mehreren arabischen Staaten wohlwollend flankiert, allen voran von Ägyptens Mubarak und, nach dem innerpalästinensischen Zwist  zwischen Abbas Fatah und der Hamas im Sommer 2007, sogar vom Mahmud Abbas und seinen Mannen in Ramallah. Die unmenschliche Blockade durch Israel dauert schon fast drei Jahre und Merkel und Du haben diesen menschenverachtenden Boykott noch unterstützt.
 
Acht Tage nach Beendigung der Waffenruhe zwischen Hamas und Israel griff Israel am Sabbat an, obwohl es eine Frist bis Sonntag gab. Der Angriff erfolgte durch F16-Bomber.  Mehr als 200 Palästinenser wurden getötet und genauso viele verwundet. In diesem Moment konnte keiner die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland davon abhalten, zu den Mikrophonen der Presse zu eilen - Amerikas Bush folgend - um zu verkünden: »Die Hamas sei an allem Schuld.« Sie ist Physikerin und hat keine Ahnung vom Völkerrecht, geschweige denn von der 4. Genfer Konvention von 1949 oder von der Haager Landeskriegsordnung von 1899 und 1907. Aber sie hat doch sicher Berater. Oder müssen auch sie die Wahrheit verschweigen? Frau Merkel hätte es beinah geschafft, wenn sie damals Kanzlerin geworden wäre, deutsche Soldaten in den irakischen Sumpf zu schicken. Aber nein, Ursache und Wirkung, Täter und Opfer werden wegen einer häßlichen wie charakterlos pro-israelischen Haltung absichtlich verwechselt. 
 
Die israelische Propaganda, die von westlichen Medien wie stets pflichtschuldig nachgeäfft wird, behauptet, das sei nur eine »Vergeltung« für die wieder aufgenommenen Raketenangriffe der Hamas. Sie unterschlägt allerdings, daß die Waffenruhe von Israel durch die außergerichtliche Tötung von einem Hamasaktivisten gebrochen wurde. Israel unterschlug auch, daß es vor dem bestialischen Angriff keinen einzigen Fall von Personenschaden auf israelischer Seite gegeben hat. Ebenso wurde verschwiegen, daß Israel durch ständige tödliche Luftangriffe die Waffenruhe schon davor mehrmals gebrochen hatte, zuletzt am 4. November 2008, als Israel in den Gazastreifen eingefallen ist und sechs Palästinenser ermordet hat.
 
Genosse Steinmeier trifft sich auf palästinensischer Seite mit dem Auslaufmodell und Quisling Abbas (am 9. Januar 2009 endete seine Amtsperiode), jedoch nicht mit den demokratisch gewählten und legitimen Volksvertretern von Hamas in Gaza. Hast Du die Millionen Menschen und Volksmassen weltweit, die gegen das Unrecht und die Kriegsverbrechen Israels und das Schweigen der politischen Klasse und ihrer einseitigen pro-israelischen Haltung in fast allen  Ländern der Welt protestieren und nicht mehr schweigen wollen, nicht gesehen? Willst Du das etwa übersehen haben? Nein, Du willst lieber die eingeschlossenen und blockierten Menschen in Gaza austrocknen und den Waffenschmuggel mit deutscher Unterstützung unterbinden lassen, damit sie den Kriegsverbrechern Israels ganz und gar ausgeliefert werden. Haben Dich die Bilder getöteter Kinder nicht bewegt? Hast Du den Paragraph 39 zum Schutz der Kinder von 1989 nicht gelesen? Ist es nicht unsere Pflicht, sie zu schützen, für sie zu sorgen und ihr seelisches wie soziales Umfeld so zu gestalten, daß sie normal aufwachsen können? Israel hat unseren Kindern das Leben vernichtet, sie gemordet und den Überlebenden von ihnen ihre Kindheit geraubt.
 
Ich klage diese heuchlerische Parteinahme an! Die Deutschen hängen aus falsch verstandenen Schuldgefühlen einem romantischen Israel-Bild an, das es in der Realität gar nicht gibt. Ich möchte meinen Landsleuten hier nur empfehlen, endlich den Kriechgang aufzugeben, um den menschenverachtenden Unverschämtheiten des rassistisch-zionistischen Staates Israel aufrechten Hauptes entgegenzutreten und seinen Größenwahn in demokratische Grenzen zu weisen. 
 
Ich hoffe, daß Dich meine kurzen Ausführungen zum Nachdenken, Verständnis und zu mehr Engagement für die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes anregen werden.
Mit freundlichen Grüßen 
Dr. Izzeddin Musa, Bonn am 13. Januar 2009 i.musa@gmx.de
 
 
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
 
ich habe mir Ihre Neujahrsansprache verkniffen, weil ich mir Ihre stets langweilig vorgetragenen Gemeinplätze nicht zumuten mochte. Konkret und richtig lebhaft werden Sie ja immer erst dann, wenn Sie die Akzeptanz bei der eigenen Bevölkerung auf einen Weltkrieg an der Seite Israels maximieren wollen. Sie lassen hierbei keine Gelegenheit psychologischer Kriegsführung aus, indem Sie die »unverbrüchliche« Treue des deutschen Volkes als Kriegs-Countdown gegen den Iran beschwören. Sie laden uns zu einer unverbrüchlichen Herzlichkeit mit Leuten wie Ascher Ginzberg (Achad Haam genannt) ein, der in einer neuro-wissenschaftlichen Anthropologie die Überzeugung geäußert hat, daß es auf der Schöpfungsleiter folgende Stufen gebe: »Mineralien, Pflanzen, Tiere, Menschen und zuoberst Juden« [siehe Wolfgang Eggert: »Im Namen Gottes - Israels Geheimvatikan«, Band 2, Seite 19, Chronos Medien Vertrieb, München]. Dementsprechend ist auch die Art der Arroganz, mit der sich »Ihre« (und nicht meine) Freunde sowohl in Palästina als auch gegenüber dem Rest der Welt aufführen. Die von Ihnen und Ihren zionistischen Lieblingen mit zynischer Rabulistik vorgetragene Anschuldigung, die Eskalation des Krieges »eindeutig und ausschließlich« der Hamas zuzuschieben, ist schon deswegen unverschämt, weil es sich tatsächlich um die ununterbrochene Fortsetzung der am 10. März 1948 beschlossenen ethnischen Säuberung Palästinas durch die Irgun- und Hagana-Truppen von seiner angestammten Bevölkerung handelt. 
 
Als die Briten im Februar 1947 beschlossen, Palästina zu verlassen, trat ein Plan von 1946 (der »Elimelech-Plan«) in Kraft, der sich bis zum heutigen Tage als roter Faden durch die Geschichte der Kolonialisierung Palästinas zieht. »Zweck solcher Aktionen sollte die Abschreckung der palästinensischen Bevölkerung gegen Angriffe auf jüdische Siedlungen und die Vergeltung für Übergriffe auf jüdische Häuser, Straßen und Verkehr sein.« Plan C sagte klar und deutlich, was solche Strafaktionen beinhalten sollten:
 
Töten der palästinensischen politischen Führung
Töten der palästinensischen Anstifter und ihrer finanziellen Unterstützer
Töten der Palästinenser, die gegen Juden vorgehen
Töten hoher palästinensischer Beamter und Bediensteter (der Mandatsverwaltung)
Zerstörung palästinensischer Transportmittel
Zerstörung lebenswichtiger palästinensischer Einrichtungen: Brunnen, Mühlen etc.
Angriffe auf benachbarte palästinensische Dörfer, die künftige Angriffe wahrscheinlich unterstützen könnten
Angriffe auf palästinensische Clubs, Kaffeehäuser, Treffpunkte etc.
 
Plan C ergänzte, daß alle erforderlichen Informationen für die Durchführung dieser Aktionen in den Dorfdossiers zu finden seien: Listen der Anführer, Aktivisten - potentielle menschliche Ziele - die genaue Lage der Dörfer usw. Innerhalb weniger Monate entstand jedoch ein weiterer Plan: Plan D (der »Dalet«-Plan). Dieser Plan besiegelte das Schicksal der Palästinenser in dem Territorium, das die zionistischen Führer für ihren zukünftigen jüdischen Staat ins Auge gefaßt hatten. Unabhängig davon, ob diese Palästinenser sich entschließen würden, mit ihrem jüdischen Staat zusammenzuarbeiten oder gegen ihn zu opponieren, forderte Plan Dalet »ihre systematische und vollständige Vertreibung aus ihrer Heimat« (Ilan Pappe: »Die Ethnische Säuberung Palästinas«, Verlag Zweitausendeins, Frankfurt Main).
 
In Ben Gurions Tagebuch (Eintragung vom 7.10.1947) ist zu lesen: »Es ist jetzt notwendig, energisch und brutal zu reagieren. Wir müssen Zeitpunkt, Ort und die, die wir angreifen, sorgfältig auswählen. Wenn wir eine Familie beschuldigen, müssen wir erbarmungslos gegen sie vorgehen, Frauen und Kinder eingeschlossen. Sonst ist es keine effektive  Reaktion. Während der Operation ist es nicht nötig, zwischen schuldig und unschuldig zu unterscheiden.« (Ilan Pappe: »Die Ethnische Säuberung Palästinas«). Damals wie heute zeichnet sich dasselbe Muster ab, mit der Landraub, die dazu notwendigen Greueltaten und das Massenmorden gerechtfertigt werden und dazu von Ihnen, samt Ihrer Regierung gutgeheißen werden, Frau Merkel. Dazu besitzen Sie noch die Frechheit, im Namen aller Deutschen zu sprechen. Am 7. Dezember 2003 belehrten Sie uns in einem Vortrag vor dem 5. Europäischen Dialog: »Wir haben unsere Demokratie auch auf den Lehren aus der Geschichte aufgebaut. Dazu gehört unverrückbar die Anerkennung der Singularität des Holocaust. Sie war und ist die Voraussetzung dafür, daß wir frei und souverän sein können. Aus diesem Verständnis der Einzigartigkeit des Holocaust erwächst eine ganz spezielle Beziehung Deutschlands zu Israel….. Daraus folgt, daß wir grundsätzlich für die Anliegen Israels eintreten….. Deutschland muß  eine Politik machen, die im Zweifelsfall für die Belange Israels eintritt und keine Neutralitätsbeurteilung zuläßt.« Mir drängt sich allerdings der Eindruck auf, daß Sie nichts aus der Geschichte gelernt haben, Frau Merkel.
 
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. Januar 2006 lesen wir, die Kanzlerin habe Israel in einer byzantinischen Hymne einen »kostbaren Schatz« genannt. Einen, wie es in der Überschrift heißt, »unbezahlbaren Schatz«! Dem kann man nur zustimmen. Die Aufbauarbeiten in einem verwüsteten Gaza werden wir Deutsche zu bezahlen haben. Aus diesem Grunde schließe ich mich zahlreichen Briefschreibern an und verbiete Ihnen, mich in Ihre philosemitische Euphorie einzubeziehen. Denn: »Ethnische Säuberung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und Menschen, die es begehen, gelten heute als Verbrecher, die es vor spezielle Tribunale zu bringen gilt.« (Ilan Pappe). Auch derjenige, der bei einem Bankraub Schmiere steht, macht sich mitschuldig.
 
Als Zeichen meiner Mißachtung übersende ich Ihnen symbolisch eine Tasse, die ebenso symbolisch mit palästinensischem Kinderblut gefüllt ist. Ich habe aber noch einen halben Teelöffel Zyankali beigemischt. Vielleicht geben Sie auch Herrn von Klaeden einen Schluck ab. Wohl bekomm's.
 
Dietrich Hyprath, Sant Josep (Spanien)