EU rüstet gegen Bankkundengeheimnis - Die Schweiz als Erpressungsopfer - Von Ulrich Schlüer

Die Erkenntnis ist alt: Wer sich einmal erpressen lässt, lässt sich immer wieder erpressen. Die Schweiz hat sich von Brüssel nicht bloss mehrfach erpressen lassen,

ihre Regierung inszeniert, Brüssel zuliebe, inzwischen gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern sogar selbst Erpressungsmanöver: wenn nämlich zwei Verträge, die man gewiss unterschiedlich beurteilen kann, in ein Einheitspaket geschnürt werden, um eine bestimmte Vorlage, die allein die Volksabstimmung nie schaffen würde, dennoch durchzubringen. Wer der EU solche Zeichen der Willfährigkeit signalisiert, dürfte nicht lange auf weitere Druckversuche von Seiten Brüssels warten müssen.
 
Bankgeheimnis im Visier
Die Regierungen der EU-Länder haben sich zum Ziel gesetzt, ihre Bürger - wohlgemerkt: auch alle unbescholtenen Bürger - jeglicher Privatsphäre in Vermögensangelegenheiten zu berauben. Der Bürger, zum durchsichtigen Besteuerungs-Objekt degradiert, ist in der Sicht der Regierungen dieser Staaten Schröpfungs-Opfer. Nichts anderes. Dies bezweckt die alles umfassende Meldepflicht, dank welcher die Finanzministerien aller EU-Länder das Maximum an Besteuerung ihrer Untertanen durchsetzen wollen. Sie erachten die Chancen für die Durchsetzung dieses Ziels derzeit deshalb als besonders gut, weil auch von Seiten der USA unter der neuen Administration Obama gegen alle «Steueroasen» auf dieser Welt sichtlich Druck aufgesetzt wird. Wer Vermögen besitzt, gehört in die ausgedörrte Wüste, haben die Finanzminister entschieden.  
 
Das Schweizer System
Vorsorglich - davon zeugen die Tiraden der Herren Eichel und Steinbrück aus unserem nördlichen Nachbarland - werden insbesondere die Schweizer pauschal als «Volk von Steuerbetrügern» verunglimpft. Würde ein EU-Finanzminister das in der direkten Demokratie der Schweiz von den Bürgern selbst geschaffene hiesige Besteuerungssystem je studieren, käme er vielleicht auf das Geheimnis dieses Systems, das weit weniger zu Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verleitet als fast jedes andere System auf dieser Welt, vor allem als das EU-Modell, dessen Durchsetzung zunehmend an Polizeistaat-Methoden erinnert. Das Schweizer System beruht auf der Selbstdeklaration des Bürgers. Dabei wurde mit der Verrechnungssteuer eine Mechanik gefunden, die dem Fiskus selbst dann die ihm zustehenden Steuereinnahmen sichert, wenn der Bürger auf die Deklaration seines Vermögens verzichtet. Er hat dann - ohne als Krimineller verunglimpft zu werden - einfach auf die Rückerstattung der ihm automatisch belasteten Verrechnungssteuer zu verzichten. Im Klartext: Wer nicht deklariert, bezahlt etwas mehr Steuern, erspart sich indessen die Arbeit der Deklaration. Wer diese Arbeitsleistung auf sich nimmt, fährt steuerlich dank Rückerstattung der Verrechnungssteuer in aller Regel etwas besser. Das System ist einfach und offensichtlich effizient. Es lässt dem Vermögenden eine Art Wahlfreiheit, verhindert aber jegliche Beeinträchtigung des Fiskus. Dafür wird der, der sein Vermögen via Verrechnungssteuer versteuert, nicht kriminalisiert. So effizient dieses Besteuerungssystem ist, so stur will die Classe politique in der Europäischen Union davon nichts wissen. Oder, anders ausgedrückt: Je verschwenderischer die einzelnen EU-Länder mit den ihren Bürgern abgenommenen Steuergeldern umgehen, desto unerbittlicher degradieren sie ihre Bürger zu gläsernen Ausbeutungsobjekten.
 
Vertrag mit EU
Der EU ist das schweizerische, das Bankkundengeheimnis respektierende Besteuerungssystem seit Jahren mehr als bloss ein Dorn im Auge. Mit an Aggressivität zunehmender Wortwahl wird gegen das freiheitliche Steuersystem der Schweiz polemisiert - neuerdings auch mit der Peitsche. Dabei hat der Bundesrat dem EU-Druck schon einmal nachgegeben. Auf dringendes und drängendes Begehren Brüssels liess sich Bern zur Unterzeichnung des sog. Zinsbesteuerungsabkommens bewegen. Damit wird das schweizerische Verrechnungssteuer-Modell auch auf in der EU wohnhafte Geldanleger ausgedehnt, die Vermögen auf Schweizer Banken deponiert haben. Der Verrechnungssteuer-Ertrag von solchem Vermögen - so wurde es im Vertrag mit der EU festgelegt - fliesst automatisch in die Wohnort-Länder dieser Anleger - freilich ohne Namensnennung der Vermögensbesitzer. Diese das Bankkundengeheimnis respektierende Einschränkung, dieser Respekt vor der Privatsphäre der Anleger ist es, welche die EU-Finanzminister gegen die Schweiz derart auf die Palme bringt, dass sie mit dem von der EU gewollten und von der EU rechtsgültig unterzeichneten Zinsbesteuerungs-Vertrag zunehmend in Konflikt geraten. Für sie, die sie im Bürger nur das Ausbeutungsobjekt sehen, ist es kriminell, wenn Namen von Geldanlegern zurückgehalten werden - auch wenn diese Anleger dank des abgeschlossenen Vertrags keinerlei fiskalische Schädigung ihrer Wohnortsstaaten verursachen. In der EU wird, wer sich vor der Steuerbehörde nicht völlig durchsichtig macht, zum Kriminellen. Das ist die entscheidende Differenz zur Schweiz, dazu tobt der Kampf ums Bankgeheimnis, das Bundesrat und Wirtschaft dem Schweizervolk gegenüber als «völlig und langfristig gesichert» deklariert haben, wenn nur dem Abkommen über die Zinsbesteuerung zugestimmt würde - was die Schweiz dann auch getan hat.
 
Geldgier ist stärker als Vertrag
Bern hat weder mit der mangelnden Vertragstreue Brüssels noch mit der Geldgier der Finanzminister aller EU-Staaten gerechnet, als es diese treuherzige Versicherung des auf Dauer gesicherten Bankgeheimnisses abgab. Seit die EU-Staaten Hunderte von Milliarden zur Stützung ihrer in der Depression versinkenden Volkswirtschaften aufwenden müssen, ist die Geldgier in der EU noch gewachsen. Umso rigoroser gehen sie gegen all jene vor, die als vermögend vermutet werden. Diese sollen in den Schwitzkasten genommen werden, bis sie alles von sich geben, was man bei ihnen vermutet. Die Zeiten, wo der unbescholtene Bürger Freiheit in Vermögensangelegenheiten beanspruchen kann, sind in der EU endgültig vorbei. Bezüglich Vermögen gilt Sozialismus, gilt - gegebenenfalls - orchestrierte Staatskampagne bis zur Vernichtung des Betroffenen. Beispiele wurden bereits geliefert.
 
Fünfte Kolonne
Wie immer, wenn die Schweiz von aussen unter Druck gerät, bildet sich im eigenen Land eine Fünfte Kolonne. Ein neues Buch, das diese Rolle übernehmen will, degradiert die Schweiz bereits im Titel zum «Schurkenstaat». Womit sie mit Staaten gleichgesetzt wird, die mit Atomwaffen drohen, die Terroristen unterstützen, Bürger willkürlich einkerkern, Todesurteile verhängen und (mitunter heimlich) vollstrecken, und solchen, welche - wie Nordkorea - die Zwangskasernierung ihrer Untertanen durchgesetzt haben. Als «Oase der Steuerflucht», welche andere Staaten «korrumpiere und destabilisiere», wird die Schweiz etikettiert. Autoren sind Schweizer, der langjährige Redaktor bei Ringiers SonntagsBlick, Viktor Parma, und Werner Vontobel, heute Wirtschaftspublizist beim SonntagsBlick. Ringier führt den Kampf gegen alle, die Vermögen haben, seit Monaten. Mit all seinen Erzeugnissen wettert, intrigiert, diffamiert er gegen die Reichen. Ringiers Feldzug ist ein Feldzug gegen die Freiheit. Bürgerunterjochung à la DDR scheint dem nach Berlin emigrierten Ringier-Haupteinflüsterer Frank A. Meyer vorzuschweben, wenn er diesen Feldzug gegen die Privatsphäre des Bürgers orchestriert. Übrigens: Von Ringier bezieht bekanntlich auch alt SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Berater-Honorar.
 
Gefahr droht der Schweiz also von aussen wie von innen. Im Blick auf die unüberlegte Hektik, welche unsere Landesregierung im Blick auf die Tatsache gewordene Weltwirtschaftskrise offensichtlich ereilt hat, muss wohl befürchtet werden, dass Bern die Freiheit seiner Bürger nur schwächlich und widersprüchlich verteidigen wird 1.
 
Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen von Johannes M. Becker, der bezüglich der Affaire Zumwinkel zum Thema Steuerhinterziehung unter anderem folgendes schreibt 2: Was hierbei gar nicht thematisiert wurde, und dies liegt nicht nur an der akut grassierenden Angst um die Zukunft des Kapitalismus überhaupt, waren die Strukturen, die hinter den Zumwinkels und Co. existieren: die legale wie die illegale Steuerhinterziehung in diesem Lande [BRD]. Die Steuerhinterziehung allein der Einkommensmillionäre in Nordrhein-Westfahlen stieg von 2003 mit 47.000 € im Durchschnitt auf 120.000 € im Jahre 2006. Hochgerechnet auf die ca. 21.000 Einkommensmillionäre im gesamten Bundesgebiet ergäbe dies mit stark 2,8 Milliarden € eine erkleckliche Summe, die beispielsweise unmittelbar in ein Beschäftigungsprogramm für arbeits- und ausbildungsplatzlose Jugendliche weitergeleitet werden könnte. Die deutsche Steuerflucht summierte bereits Ex-Finanzminister Waigel in den 90er Jahren auf eine jährliche Summe zwischen (umgerechnet) 35 und 70 Mrd. Euro [Anmerkung politonline: Nun wurde aber gerade unter Waigel die Quellensteuer eingeführt, die eine immense direkte Geldfluchtbewegung nach Luxemburg auslöste!]. Nimmt man die obigen Steigerungsraten der Steuerbetrügereien der Großverdiener zur Grundlage, so dürften dem Fiskus aktuell an Auslandssteuerflucht weit über 50 Milliarden € verloren gehen, dies pro Jahr! Soweit die kriminelle, die illegale Steuerflucht. Ein weiterer Skandal bleibt dahinter verborgen: Die Regierungen Schröder und Merkel haben den Fiskus in den vergangenen Jahren durch eine gigantische legale (!) Entlastung der großen Vermögen und Unternehmen um Hunderte von Milliarden € gebracht und so den Staat systematisch verarmt. Nebenbei haben sie dadurch die spekulative Blase auf den Weltfinanzmärkten mit Kapital zusätzlich aufgebläht. Da folgen die Zumwinkels dann eigentlich nur der Logik der Sache. Und die Finanzverantwortlichen in Berlin, Wiesbaden und Marburg, bis hin zum Uni-Kanzler in der Marburger Biegenstraße, brauchen sich über Schulden und leere Kassen nicht zu wundern.
 
Anmerkung politonline d.a.: Nicht unerwähnt bleiben darf hier auch der Fakt, dass zum Beispiel George Soros, der sich unermüdlich auf allen Gebieten einschaltet und vorzugsweise als Megaspekulant bezeichnet wird, seine Offshore-Firma Quantum Fund NW, ein privater Investmentfonds, der ein Vermögen von 4 bis 7 Milliarden $ verwaltet, in der Steueroase Niederländische Antillen in der Karibik registriert hat. Um sich der Aufsicht der US-Behörden über sein Finanzgebaren zu entziehen, berief Soros keinen einzigen amerikanischen Staatsbürger in den Aufsichtsrat seines Quantum Fund. Das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit allen mit den Finanzen der EU betrauten Behörden vollumfänglich bekannt. Wie kommt es also, dass hieran noch nie Anstoss genommen wurde? Ferner war noch zu keinem Zeitpunkt je die Rede davon, dass es jemand gewagt hätte, Soros mit diesem Umstand zu konfrontieren. Ganz im Gegenteil: dieser stellte nie ein Hinderungsgrund dar, so dass Soros den überaus einflussreichen ECFR, den European Council on Foreign Relations, am 2. 10. 2007 anstandslos gründen konnte. Hinzu kommen seine Stiftungen wie z.B. die Soros Foundatio und das Open Society Institute, die ihrerseits über konstant unbesteuert bleibende Milliarden verfügen, wie dies auch bei anderen grossen Stiftungen weltweit der Fall ist. Wie wir schon früher dargelegt haben, sind Versuche, diese Vermögen, mit denen sich eine nahezu unbegrenzte Einflussnahme erreichen lässt, endlich zu besteuern, bislang im Sand verlaufen. Leandra Bernstein hat die Figur Soros in ihrem Aufsatz Wissenswertes zu Soros und seinen Stiftungen: George Soros und die zwangsoffene  Gesellschaft‹ - siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=989 - ganz ausgezeichnet portraitiert. Angaben zu den Steuerfluchtorten dieses Globus finden sich auch auf http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=875.
 
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vermerkte im übrigen in ihrer Ausgabe vom 22. 10. 2008, dass auch die Vereinigten Staaten mit rund 500 Milliarden $ zu einem der bedeutendsten Offshore-Zentren der Welt zählen 3, was ebenfalls keinen der Regierenden weiter zu stören scheint. Es dürfte leider noch etwas dauern, bis ein Durchbruch hinsichtlich  der Ausleuchtung unserer bedauernswerten Demokratiefassade erzielt werden kann.  
 
1 Erschienen in Schweizerzeit vom 6. 2. 2009
 
Das im Text erwähnte Buch von Viktor Parma und Werner Vontobel trägt den Titel «Schurkenstaat Schweiz? - Steuerflucht: Wie sich der grösste Bankenstaat der Welt korrumpiert und andere Länder destabilisiert»; Bertelsmann Verlag Januar 2009 [Anmerkung politonline: Wieso gerade der Bertelsmann-Verlag dazukommt, das Buch zu drucken, bleibt unklar, gehört die Bertelsmann-Stiftung doch genau zu denjenigen Stiftungen, die sich befleissigen, hinter den Kulissen Dinge in Bewegung zu setzen, die sich nicht als demokratisch abgesegnet bezeichnen lassen. Unter dem Stichwort Bertelsmann finden sich hierzu einige Abrisse auf politonline; ferner haben wir auch das Buch  ›Netzwerk der Macht - Bertelsmannangezeigt]
 
2 http://www.steinbergrecherche.com/becker.htm#Steuerhinterziehung 4. 2. 09
Johannes M. Becker: Die Strukturen hinter Zumwinkel. PD Dr. Johannes M. Becker lehrt Politikwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg
Quelle: Oberhessischen Presse vom  2. Februar 2003
http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~EAFDF7A93A9EA4E299E4494BF23778C4F~ATpl~Ecommon~Scontent.html 22.10.08