Dauerthema Mafia: Neue Methoden der Geldwäsche

politonline d.a. Auch wenn Peer Steinbrück und Kollegen beständig auf der Suche nach neuen Einnahmequellen für ihre nur noch als hoffnungslos zerrüttet zu bezeichnenden Finanzen sind, ist selten die Rede vom Jahresumsatz der »ehrenwerten Gesellschaft«,

der letztes Jahr laut NTV vom 19. 3. 2009 immerhin 1.000.- Milliarden Euro betrug. Die kalabrische 'Ndrangheta allein hatte beispielsweise 2007 vor allem mit Drogen einen Umsatz von 44 Mrd. € erzielt. BBC online zufolge wird in Italien angenommen, daß diese »Gilde« in vielen Teilen Europas den Kokainhandel kontrolliert. Während gegen die übrigen italienischen Mafiaorganisationen durchaus mit Erfolg vorgegangen werden konnte, heißt es, daß es auf Grund der in der  'Ndrangheta herrschenden engen Familienbindungen schwierig sei, in diese einzudringen. Die Zahl ihrer Mitglieder wird auf Zehntausende geschätzt. Schon 2007 warnte Italien die EU vor dem wachsenden Einfluß der Mafia, die ihre Gewinne mittlerweile in sämtliche Wirtschaftszweige investiere. Laut Francisco Forgione, dem Vorsitzenden des Mafia-Ausschusses im italienischen Parlament, sei schmutziges Geld aus kriminellen Aktivitäten, aus dem Handel mit Drogen, Waffen oder Giftabfällen, aus Einnahmen aus Menschenhandel und Erpressung, in der ganzen EU in legale Aktivitäten investiert worden. Noch wesentlich erschreckender ist seine Feststellung: »Niemand sollte vergessen, daß diese Gelder auch dann noch von Mafiosi verwaltet werden, wenn sie in den legalen Kreislauf eingeführt wurden.« Im April 2000 hielt die Basler Zeitung fest, daß die weltweiten Privatisierungen und die zunehmende Verflechtung der Kapitalströme die Geldwäsche begünstige. Da sich die Drogen-Wirtschaft immer mehr in traditionelle Ökonomien integriere, also in die unterschiedlichsten Wirtschaftszweige, nehme die mit Drogengeschäften einhergehende  Korruption zu. Das in Paris ansässige und von der EU finanziell unterstützte Internationale Drogeninstitut OGD zählte damals weltweit rund 30 regionale Konfliktherde auf, die aus Drogengeschäften finanziert wurden. Fakten dieser Art bilden selten offen debattierte Themen der Parlamentarier. Mathias Bröckers 1 faßte das einmal auf seine Art nicht schlecht zusammen: »Ohne die Schnittstelle der Geldwäsche wären die virtuellen Raubritterburgen der Neuzeit  - ob sie nun terroristische Assassinen, mafiose Drogen- und Waffenschieber oder korrupte Schlips-und Kragen-Betrüger beherbergen -  von der Außenwelt isoliert. Man könnte also die Raubritter von der Verwendung ihres dreckigen Geldes ohne weiteres abschneiden. Warum geschieht das nicht? Diese Frage läßt wohl nur eine einzige Antwort zu: Wir werden nicht von unseren gewählten Regierungen, sondern von diesen Raubrittern regiert
 
Auf welche Weise das Geld anschließend in sauberen Aktivitäten wie der Bauindustrie, dem Tourismus, Immobilien, Einkaufszentren oder an der Börse gewaschen wird, damit befaßt sich der nachfolgende Artikel. 
 
Raffiniertere Methoden - Geldwäscher tricksen Behörden aus - Von Friederike von Tiesenhausen 2  
Im Kampf gegen Geldwäsche haben die Behörden nach den Erkenntnissen des BKA, des deutschen Bundeskriminalamts, vermehrt das Nachsehen. »Die Modi Operandi sind zunehmend komplexer geworden«, warnte BKA-Chef Jörg Ziercke in Berlin. Dies sei auch einer der Gründe, warum die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle 2008 bereits zum zweiten Mal hintereinander rückläufig war. »Wir gehen davon aus, daß das Dunkelfeld sehr groß ist und wir nur die Spitze des Eisbergs entdecken«, so Ziercke. Der Chef der Finanzaufsicht BaFin, Jochen Sanio, sagte: »Die neuesten Techniken kennen vermutlich nur die Täter
 
Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 7350 Verdachtsanzeigen wegen Geldwäsche gestellt. Das waren rund 20 % weniger als im Vorjahr. Neben den zunehmend schwer zu  entdeckenden Betrugsformen trugen zu dem Rückgang auch bessere Sicherungsmaßnahmen beim online banking bei. In den vergangenen Jahren hatten sich Geldwäscher in die Konten von Bankkunden gehackt und diese für Überweisungen mißbraucht. Mittlerweile befindet sich dieses Phänomen aber auf dem Rückmarsch. Großen Auftrieb haben jedoch andere Geldwäschetricks im Internet. So nutzen Kriminelle vermehrt elektronische Zahlungssysteme wie webmoneyund moneybookers. Im Ausland ist es möglich, Beträge in diese Systeme ohne Identifikation oder in bar einzuzahlen. Anschließend können die Mittel für scheinbar legale Zahlungen oder Überweisungen eingesetzt werden. Auch wurden im letzten Jahr Fälle bekannt, bei denen Konten von Onlinekasinos zur Geldwäsche eingesetzt wurden. Illegales Geld wurde – zum Teil unter Mitwisserschaft der Kasinobetreiber - als Spielgewinn deklariert. Schätzungen zufolge werden jährlich etwa 1000 Mrd. $ aus illegalen Aktivitäten in den Wirtschaftskreislauf eingespeist. Erkannt und beschlagnahmt wird jedoch nur ein extrem geringer Bruchteil. BaFin-Chef Sanio sprach von Kleinstbeträgen. Dies liege auch daran, daß nicht alle Länder Standards gegen Geldwäsche einhielten. Er habe jedoch Hoffnung, daß sich dies in Zukunft ändern könnte. Auf dem Weltfinanzgipfel in London Anfang April hatten die G-20 Wirtschaftsnationen beschlossen, künftig Geldwäsche-Sünderstaaten in einer Art Schwarzen Liste öffentlich zu machen. Die Reinigung von kriminellem Geld ist mittlerweile eine internationale Angelegenheit. Bei der Hälfte der 2008 in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle lag der Firmensitz im Ausland. Dies macht die Verfolgung extrem schwierig. Laut Jörg Ziercke haben Geldwäscher in Deutschland oft in der gewerblichen Wirtschaft leichteres Spiel als im streng kontrollierten Finanzsektor. In manchem Unternehmen fehle es noch an Bewußtsein. Ziercke warnte zudem vor einem Anstieg an Geldwäsche-Aktivitäten in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Zwar gebe es noch keine Anzeichen, aber »die aktuelle schwierige wirtschaftliche und finanzielle Lage vieler Unternehmen und Finanzinstitute könnte dazu führen, daß die Hemmschwelle sinkt, mit kriminellen Geldern zu operieren.«
 
Hauptwaschgang
In Deutschland finden vor allem fortgeschrittene Formen von Geldwäsche statt. "Deutschland ist mit Sicherheit nicht das Land, in dem die Vorwäsche vorgenommen wird«, so BaFin-Chef Sanio. Hier legten Drogendealer keine Plastiktüten mit kleinen Scheinen auf einen Banktresen. Kriminelles Geld, das hier auftauche, sei anderswo dreimal vorgewaschen worden und sehe oft bereits sauberaus. Der Begriff Geldwäsche geht übrigens auf den US-Gangsterboss Al Capone zurück. Dieser investierte illegale Gewinne in Waschsalons und verschleierte so deren Herkunft - zumindest bis der Schwindel aufflog.
 
Anmerkung: Etwa um 1992 wurde ein aus Steinen im Wiesental stammendes Mitglied der Mafia im deutschen Fernsehen interviewt. Der Mann war bis auf die Augen vollkommen vermummt und behauptete damals, daß die Mafia in Brüssel bereits auf Ministerebene etabliert sei und daß man diese nie mehr eliminieren könne. Es stimmt überaus nachdenklich, daß wir selbst immer strengeren Überwachungsgesetzen unterliegen, während die Mafia doch ganz offensichtlich europaweit agiert. Die FAZ online zitierte im August 2007 im Zusammenhang mit dem Mafiamord in Duisburg den früheren Mafioso Giorgio Basile: »Die Deutschen müssen einfach verstehen: Wo es Pizza gibt, ist auch die Mafia zu Hause. Weil viele Restaurants mit deren Geld finanziert sind«. Das Ruhrgebiet ist seiner Ansicht nach eine Hochburg der kalabrischen Mafia. Zudem sei Deutschland ein Lieblingsversteck der 'Ndrangheta. Basile, der vormalige Auftragskiller der 'Ndrangheta, ist Kronzeuge der italienischen Polizei und soll zur Festnahme von rund 50 Mafiosi beigetragen haben.
 
Der Buchautor, 'Ndrangheta-Experte und Berater der staatlichen Anti-Mafia-Kommission in Italien, Enzo Ciconte, erklärte, daß die ’Ndrangheta, die stärkste kriminelle Organisation, ihre Macht  in aller Ruhe entfalten konnte, weil sie unterschätzt wurde 3. Bei dieser gebe es keine reumütigen Aussteiger, worauf sich ihre Zuverlässigkeit gründet. Daher unterhielten die die großen kolumbianischen Drogenhändler mittlerweile nur noch zu den Mitgliedern der 'Ndrangheta direkte Beziehungen und tätigten ihre Geschäfte fast ausschließlich mit dieser. Durch die jüngsten Morde [in Duisburg sowie der Mord an Maria Strangio, die Frau des Bosses Giovanni Nirta] ist das Gleichgewicht des von den kanadischen und australischen Familien 1991 durchgesetzten Frieden gefährdet [Anmerkung: Der Aktionsradius der 'Ndrangheta umfaßt Europa, Nord- und Südamerika sowie Australien]. Die Struktur der 'Ndrangheta beschreibt Ciconte wie folgt: »Sie besteht aus zahllosen 'Ndrine, die auf familiärer Ebene geleitet werden und ein Teil des Territoriums kontrollieren. Deshalb gibt es keine Kronzeugen. Niemand denunziert Vater oder Brüder. Die Rekrutierung beginnt beim Neugeborenen mit der »Taufe«. Wenn er größer ist und seine Zuverlässigkeit überprüft ist, wird er der Familie von einem der kleinen Paten vorgestellt. Eine Präsentation, die sich in Form eines festgelegten Rituals abspielt: Man bildet einen Kreis, in dessen Mitte der Neuling steht und der Gruppe Treue schwört. Dann geben sie ihm die sogenannte Copiata, das heißt drei Namen von Mitgliedern der Familien. Die stellen eine Art Ausweis und Passierschein ins Innere der Organisation dar.« Die wirtschaftliche Stärke stützt sich auf den Drogenhandel und die Ausschreibung von Aufträgen für Fremdfirmen. Mit den Wanderungsbewegungen der 60er Jahre haben sich die 'Ndrine nach Norditalien und nach Nordeuropa verlagert. Der große Boom kam mit der Abwicklung des Drogenhandels und mit der Gründung von Baufirmen, die Aufträge in Millionenhöhe erledigen, sowie mit Ladenketten: Restaurants, Pizzerien, Hotels, etc. Und nicht nur das. In letzter Zeit hat die 'Ndrangheta auch Finanzoperationen getätigt, auch im Ausland. Vor einigen Jahren wurde ein deutscher 'Ndrangheta-Führer in Baden-Württemberg abgehört. Dabei stieß man auf einen CDU-Funktionär, der Beziehungen zu einem bekannten 'Ndrangheta-Mitglied unterhielt. Das sagt eine Menge über die Verbindungen zwischen der kriminellen Vereinigung aus Kalabrien und einem Teil der deutschen Politiker aus. Die 'Ndrangheta hat im übrigen immer versucht, keinen Lärm zu machen. Sie hat Warnungen an Bürgermeister, Verwaltungsbeamte und Unternehmer verschickt, um diejenigen einzuschüchtern, die mit ihr nicht einverstanden sind oder die getroffenen Abkommen nicht einhalten. Deshalb wurde die 'Ndrangheta zu Unrecht als eine zweitklassige Mafia betrachtet. Diese Unterschätzung hat ihr die Arbeit erleichtert. In Wahrheit verfügt sie in allen europäischen Staaten über Zweigstellen. Sie betreiben dort Drogen- und Waffenhandel. Aus diesen Gründen ist sie so stark.  
 
In letzter Zeit allerdings versuchen zum Beispiel in Neapel gerade junge Leute verkrustete kriminellen Strukturen aufzubrechen, um sich gegen den Einfluß der Camorra zu wehren. Was die sogenannte Cyberkriminalität aus Rußland betrifft 4 so treten die Verbrecher mit ihren Opfern vielfach mittels des sogenannten Pishings übers Internet in Kontakt. Bankkunden bekommen ein e-mail, in dem sie aufgefordert werden, Benutzernamen, Passwort, und Geheimnummern zurückzusenden; dieses erweckt den Eindruck, von der Bank zu kommen. Tatsächlich dient der Vorgang den Betrügern dazu, an persönliche Daten zu gelangen und Konto um Konto leerzuräumen. Nach Angaben des deutschen Kommunikations-Branchenverbandes Bitkom wurden so allein in Deutschland im Jahr 2007 rund 13 Millionen € erbeutet. Die Ermittler haben drei Regionen ausgemacht, aus denen ein Großteil der betrügerischen e-mails stammt: China, Brasilien und Rußland.
 
 
1 Mathias Bröckers »Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.« Seite 138 http://www.broeckers.com/
2 Quelle: http://www.ftd.de/politik/international/:Raffiniertere-Methoden-Geldw%E4scher-tricksen-Beh%F6rden-aus/521885.html vom  2. 6. 09
3 http://www.jungewelt.de/2007/08-25/038.php  25. 8. 07 »Stärker als die Mafia« - Weil die italienische ’Ndrangheta unterschätzt wurde, konnte sie in aller Ruhe ihre Macht entfalten. Ein Gespräch mit Enzo Ciconte – Das Interview führte Davide Vari; dieses erschien am 15. 8. 07 zuerst in der italienischen Linkszeitung Liberazione; Übersetzung: Andreas Schuchardt
4 Jürgen Roth »Mafialand Deutschland«  http://www.politonline.ch/?content=books#book106