Der Schwarze Kanal: Kriegsunion - Von Werner Pirker

Die Europäische Union rüstet zum globalen Krieg. Das Strategiepapier des EU-»Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) mit dem Titel »What Ambition for European Defence in 2020« läßt jedenfalls keinen anderen Schluß zu [1].

Mehr noch als die in einer kühl-analytischen Sprache gehaltene Kampfansage verblüfft die unverhüllte Darstellung der EU als Apparat zur globalen Machtausübung. Aus ihrer sozialdarwinistischen Grundannahme machen die Autoren der Studie kein Geheimnis. Die Spaltung der Welt in privilegierte und unterprivilegierte Nationen - in Herren- und Herdenvölker - wird nicht nur als gegeben vorausgesetzt, sondern zum Sinn und Zweck aller europäischen Verteidigungsanstrengungen erklärt. Allein die von der Friedenswerkstatt Linz wiedergegebenen Textpassagen vermitteln eine lebhafte Vorstellung über unverfälschtes Herrschaftsdenken - darüber, was wirklich gemeint ist, wenn in Bekundungen säkularer Religiosität von Menschenrechten und ihrer universellen Gültigkeit die Rede ist.
 
Als wichtigste Verteidigungsaufgabe der im Aufbau befindlichen EU-Streitkräfte machen die ISS-Autoren die Sicherstellung der »transnational funktionellen Ströme und deren Knotenpunkte« geltend. Gemeint sind die Waren-, Kapital- und Rohstoffströme. Dazu seien »globale militärische Überwachungskapazitäten und die Fähigkeit zur Machtprojektion« erforderlich. Als Grundlage der herrschenden Weltordnung wird die »symbiotische Beziehung« von transnationalen Konzernen und »postmodernen Gesellschaften« (USA und Europäische Union) genannt. Die Postmoderne steht hier offenbar für die Aufhebung des emanzipatorischen Anspruchs der Moderne. Und damit nicht auch der geringste Zweifel über die soziale Beschaffenheit der postmodernen Weltordnung aufkommt, reihen die Verfasser der EU-Studie die beiden westlichen Hegemonialmächte in »die Spitze der globalen hierarchischen Klassengesellschaft«, deren Sicherstellung alle Verteidigungsanstrengungen zu gelten hätten, ein. Das kommt nicht alle Tage vor, daß der Herr Klassenfeind den Klassencharakter seiner Politik derart deutlich zum Ausdruck bringt und das auch noch ins Netz stellt 2. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich das imperialistische Diktat, den allgemein-demokratischen Prinzipien des Völkerrechts zum Trotz, artikuliert, hat natürlich auch Methode. Der Gedanke an eine alternative Weltordnung soll gar nicht erst aufkommen.
 
Das Europa-Bewußtsein, das hier zum Vorschein kommt, ist ein unverhüllt rassistisches. Der Rassismus des weißen Mannes äußert sich als Klassenhaß der Privilegierten - und umgekehrt. Daraus ergibt sich ein aggressiv-militaristisches Programm, das alles Gerede über das »Friedensprojekt Europa« Lügen straft. Gefordert wird die Schaffung eines »zivil-militärisches Instrumentariums«, um dem Ansturm der »unteren zwei Drittel«, die den Bodensatz der »globalen Klassengesellschaft« bilden würden, zu begegnen. Für die in »vormodernen Gesellschaften« lebenden »untersten Milliarden« sind »Abriegelungsoperationen« geplant, »die die global Reichen von den Spannungen und Problemen der Armen abschirmen«. Die Streitmacht der EU ist zur globalen Aufstandsprävention angetreten. Es ist ein heiliger Klassenkrieg, den Europas Militärstrategen zu führen gedenken. Ein Klassenkrieg, in dem die Reichen als die Guten und die Armen als der letzte Dreck zu gelten haben. Im Inneren der westlichen Gesellschaften sind alle mit »Klasse« verbundenen Begriffe, allen voran der »Klassenkampf«, für diskursunwürdig erklärt worden. Die Befriedung innerer Klassenkonflikte setzt offenbar die Verschärfung globaler Klassenauseinandersetzungen voraus. Aus der »Rassisierung« des Klassenkampfes ergibt sich ein Zusammenrücken der Volksgemeinschaft.
 
Die Autoren des EU-Strategiepapiers schließen im übrigen einen Krieg mit Rußland bis zum Jahr 2020 nicht aus. Das »wilde, halbasiatische Rußland« ist aus euro-chauvinistischer Sicht der »proletarische Klassenfeind« geblieben, auch wenn es sich seiner sozialistischen Gesellschaftsordnung schon seit längerer Zeit entledigt hat.
 
Anmerkung politonline d.a. Was auf dem Gebiet der Anmaßung sonst noch blüht, geht aus einem Bericht von GFP hervorgeht 3, laut dem Berliner Regierungsberater, den obigen Zielen nicht unähnlich, die Unterstellung britischer Polizei- und Militäraktivitäten in Pakistan unter die Kontrolle der EU fordern. Laut einem aktuellen Diskussionspapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) entfaltet Brüssel in dem südasiatischen Land derzeit nur wirtschaftliche Aktivitäten und hat deshalb kein ausreichendes Gewicht, um mit der USA oder China zu konkurrieren. Abhilfe schaffen könne der Einstieg der EU in den Ausbau der pakistanischen Militär- und Repressionsapparate nach dem Vorbild deutsch-europäischer Polizeimaßnahmen in Südosteuropa und Afghanistan. Dazu sei es nötig, bereits bestehende britische Aktivitäten der EU zu unterstellen. Die SWP erinnert an die Kolonialvergangenheit Großbritanniens, um Brüssel als vorgeblich unbelastete Kraft anzupreisen. Die Regierungsberater, heißt es ferner, erkennen auch Chancen, den EU-Einfluß auf Kosten der Vereinigten Staaten auszubauen:  Wegen des virulenten Antiamerikanismus in der Region seien der USA in mancherlei Hinsicht die Hände gebunden; Europa könne die Lücke nutzen. Diesbezüglich dürfte sich die think tank-crew der Stiftung gedanklich massiv übernommen haben, da eine derartige Vorstellung keineswegs ins Konzept Washingtons paßt und die NATO die Umsetzung einer derart hochgegriffenen Idee sicherlich rasch zu bremsen wüßte.
 
Berlin hat in den letzten Monaten damit begonnen, seine militär- und rüstungspolitische Kooperation mit Islamabad deutlich auszuweiten. Daß eine solche kein Mittel zur Befriedung darstellt, wird offensichtlich nicht bedacht, und kann den Widerstand eigentlich nur anheizen. Die EU hat Islamabad bis 2013 fast eine halbe Milliarde € an sogenannten Hilfsgeldern zugesagt, während die USA Pakistan innerhalb von 5 Jahren 7,5 Milliarden US-$ für Aufbauarbeiten zur Verfügung stellt. Was nicht vermerkt wird, ist der Fakt, daß ein Großteil dieser vom Steuerzahler durchschnittlich hart erarbeiteten Summen infolge der fortgesetzten Angriffe und den damit einhergehenden Zerstörungen erwartungsgemäß vergeudet sein wird. Zugunsten unserer allseits steigenden Verschuldung.
 
Militär und Polizei
Wie die SWP urteilt, reichen bloße Wirtschaftsaktivitäten jedoch nicht aus, um in Islamabad wirklichen Einfluß zu erlangen. Die Regierungsberater fordern daher, daß die Wirtschaftsaktivitäten durch Maßnahmen zum Auf- und Ausbau der pakistanischen Militär- und Repressionsapparate ergänzt werden. Ohne Repression scheint nichts mehr konzipierbar. Die deutschen Projekte zum Polizeiaufbau in Afghanistan, die inzwischen von der EU übernommen wurden, könnten hier als Beispiel dienen, auch wenn Großbritannien auf diesem Gebiet in Islamabad bereits sehr aktiv sei. Der SWP zufolge hat London nicht nur zahlreiche Militärberater in Pakistan im Einsatz, darunter in den hart umkämpften Grenzgebieten zu Afghanistan, sondern ist auch mit dem Training der pakistanischen Polizei befaßt. Es unterhält dort zudem eine starke Geheimdienstpräsenz.
 
Mit anderen Worten: eine friedliche Bereinigung der Verhältnisse scheint in weiter Ferne, zum Leidwesen aller, die im Verlauf der Kämpfe und unter den Drohnenangriffen der USA zugrunde gehen oder als vermeintliche Terroristen wahrhaftigen Masskern in Afghanistan zum Opfer fallen.
 
 
 
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/08-29/003.php  29. 8. 09 Wochenendbeilage, Seite 3
2 www.iss.europa.eu/uploads/media/What_ambitions_for_Europaen_defence_in_2020.pdf
3 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57589  18. 8. 09 Unter der Flagge der EU