Zum Thema Hartz IV

d.a. Im Januar dieses Jahres hatte sich der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle im Meiji-Schrein, einem der wichtigsten Heiligtümer der Shinto-Religion, den Segen der Götter geholt.

Nach der Zeremonie erklärte der Priester: »Jetzt werden Sie das ganze Jahr über Glück haben.« Dies allerdings scheint zumindest auf der politischen Bühne im Augenblick auf Grund von Westerwelles Einstellung zu Hartz VI nicht ganz so der Fall zu sein. Hierzu eine Betrachtung von Barbara Steinemann, SVP-Kantonsrätin in Watt-Regensdorf:
 
Von Guido Westerwelles »Spätrömischer Dekadenz« - Die Schwachen vor den Faulen schützen
Vernunft war schon immer der Feind des Sozialismus. Das zeigt sich momentan an den Vorgängen in Deutschland, wo der Aussenminister die Zufriedenstellung ganzer Bevölkerungsschichten im Sozialstaat gegeisselt hatte: »Für viele Linke ist Leistung ja beinahe eine Form von Körperverletzung«. Die pointierte Ausdrucksweise hat sofort die Empörungsmaschinerie der Soziallobby anlaufen lassen, um ihre Schützlinge und Wähler vor dem Anspruch zu behüten, einen eigenen Beitrag zu ihrem Lebensunterhalt zu erbringen. Guido Westerwelle wird des gefährlichen Sozialrassismus bezichtigt, eine umgehende Entschuldigung bei den Hartz IV-Bezügern abverlangt, Merkel zu seiner Entlassung aufgefordert. Wer in Deutschland momentan etwas auf sich hält, beteiligt sich mit möglichst markigen Worten an der Treibjagd gegen den FDP-Präsidenten und schwärmt aus, um die tief verletzten Hartz IVler zu trösten. Das Thema wäre auch in der Schweiz fällig. Wer wagt sich in den Schmerzbereich?
 
Geld an die Bedürftigen, nicht die Findigen
»Wer jung, gesund und ohne weitere Verpflichtungen ist, sollte bei Bedarf Arbeiten für die Allgemeinheit verrichten, sofern er seinen Lebensunterhalt vom Steuerzahler erarbeiten lässt«, gab Westerwelle zu Protokoll. So sollten beispielsweise mit dem Winterdienst betraute städtische Stellen unterstützt werden, so dass sich ältere Menschen wieder auf die schneebedeckte Strasse trauen könnten. Das ist vernünftig, und weil gegen vernünftige Vorschläge keine Sachargumente existieren, läuft das Establishment Sturm: »Westerwelle lässt Hartz IV-Empfänger Schnee schaufeln«, so verkürzt sich der Vorschlag in den Medien, und schon sieht der Leser vor seinem geistigen Auge betagte Menschen in Sträflingsuniform Steine klopfen. Eine ideale Assoziation, um den Vorschlag auf moral-saurer Ebene zu zerreden und alles beim Alten zu belassen. In einer um Sachlichkeit bemühten Diskussion würden die Akteure zumindest anerkennen, dass Missbrauch existiert und die Akzeptanz der Sozialwerke in Frage stellen kann. Eine Studie der OECD belegt Westerwelles Kritik, wonach Deutschland im internationalen Vergleich extrem hohe Sozialgelder, vorab auch im Vergleich zu den Löhnen, auszahle. Aber wer die Leistungsbezüger in die Kritik nimmt, macht sich zur Schiessbudenfigur der ganzen deutschen Öffentlichkeit. Chic wäre es offenbar gewesen, gegen die Reichen zu pöbeln. Stattdessen zog er den Vergleich mit der Antike, wo die ganze Unterschicht mit Brot und Spielen vom Aufruhr abgehalten wurde. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. Im untergegangenen Rom wurden die Armen mit öffentlichen Getreidespenden ernährt und mit Gladiatorenkämpfen bei Laune gehalten. Sie liessen sich zu Kostgängern des Staates degradieren und verloren allmählich die Lust, selber für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Wären die Römer etwas moderner gewesen, hätten sie auch Hartz IV gezahlt und Flachbildfernseher fürs RTL- und SAT1-Programm verteilt. Das Geld dazu kam von militärischen Eroberungen, Beutezügen und aus Tributen. Die Römer wollten aber einfach nicht wahrhaben, dass ihr Imperium so irgendwann den Bach runtergehen würde.
 
Die Grenze zwischen berechtigten Bezügern einerseits, Menschen mit teils dezidiert schicksalhaftem Lebenslauf, und den Findigen und Trickreichen, den Faulen und Arbeitsscheuen andererseits, ist nicht leicht zu ziehen. Bei rund 40 % der Hartz IV-Empfänger handelt es sich zudem um Migranten, wie kürzlich die entsprechende Ministerin die Öffentlichkeit in Kenntnis setzte. Nach offiziellen Angaben verfügen 14,2 % der Migranten über keinen Schulabschluss - im Vergleich zu 1,8 % der deutschen Bevölkerung. Diese wenigen Zahlen belegen, dass auch die deutsche Zuwanderungspolitik, die bislang so gut wie nie auf die Qualifikation der Einwanderer geachtet hat, für das Hartz IV-Desaster zu einem grossen Teil mit verantwortlich ist. Ähnliche Zahlen kennt man aus der Schweiz, wo die IV-Rentner-Gemeinde zu 40,7 % aus Ausländern besteht, die aber bekanntlich gerade einmal 20,4 % der Bevölkerung ausmachen.
 
Gefährliche Entwicklung auch in der Schweiz
Das Beispiel Deutschland zeigt uns auf, wohin ein Staat und seine Gesellschaft abgleitet, wenn nicht nur Linke, sondern vor allem auch angeblich Bürgerliche linke Politik betreiben: Arbeitslosenquoten in zweistelliger Höhe, die Mittelschicht schrumpft innert eines Jahrzehnts von zwei Dritteln auf noch gut die Hälfte, fast 60 % des Verdienstes greift der Staat ab. Statt dem Bürger dafür eine gute Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, zeigt das Land deutliche Zerfallserscheinungen. Dem Gejammer der Gutmenschen und der Hetze der Medien zum Trotz erkennen die Deutschen den Mut ihres Aussenministers an, auszusprechen, was 76 %  der Befragten zwar für inhaltlich richtig, 69 % aber für zu gefährlich halten, um dies laut zu sagen, so ein Meinungsforschungsinstitut. Und die FDP Sektion Nordrhein-Westfalen, wo die nächsten Wahlen stattfinden, hat schon mal klargestellt, dass sie seine Thesen mit Nachdruck vertritt.
 
Die Hexenjagd gegen Westerwelle zeigt auch, was uns in der Schweiz erwartet, wenn es die SVP auszusprechen wagt, dass auf Dauer kein Sozialstaat funktionieren kann, wenn man ohne Arbeit mehr verdient als mit regelmässiger Beschäftigung. Selbstverständlich gibt es Menschen, die vorübergehend oder auch auf längere Zeit auf Sozialhilfe angewiesen sind. Deshalb wird diese Institution von niemandem in Frage gestellt. Aber die Zahlen sprechen auch bei uns eine deutliche Sprache: Insgesamt setzt der Sozialstaat Schweiz heute rund 140 Milliarden Franken um, vor 20 Jahren waren es noch rund 40 Mrd., während die Bevölkerung in dieser Zeitspanne gerade einmal um 15 % gewachsen und auch die Anzahl der Arbeitsplätze stets angestiegen ist. 2008 gaben alle 171 Kommunen im Kanton gemeinsam unter ihren Rechnungsposten »soziale Wohlfahrt«, 1.211 Millionen aus; 1988 waren es erst 385 Mio. Was Westerwelle heute zur Diskussion stellt, war schon Abraham Lincolns Weisheit: »Ihr könnt den Menschen nie auf Dauer helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selber für sich tun sollen und können.« Die römische Dekadenz und der Untergang ihres Reiches sind in unserem Nachbarstaat schon weit fortgeschritten. [1]
 
Anmerkung politonline d.a.: Hans-Olaf Henkel, der lange Deutschland-Chef von IBM, dann Präsident des BDI, des Bundesverbands der Deutschen Industrie, und anschliessend Präsident der Leibniz-Gemeinschaft war, konstatiert beispielsweise, dass immer mehr gut qualifizierte Deutsche auswandern, schlecht qualifizierte Ausländer einwandern und soziale Spannungen provozieren. Die deutsche Migrationspolitik, so Henkel, steht vor einem Scherbenhaufen. Im übrigen handelt es sich bei rund 40 % der Hartz IV-Empfänger um Migranten, wovon viele auch in ihrem eigenen Land Schulversager sind. Der Grund, warum sich Zuwanderer Deutschland aussuchen, legt Henkel dar, ist nicht etwa der, dass ihnen die Kultur oder das Grundgesetz so zusagen würden oder weil es für Ungelernte einen solchen Überfluss an Arbeitsplätzen gäbe. Der Grund ist bekanntlich viel banaler: In Deutschland ist ein soziales Netz gespannt, in dem jeder ein sicheres Plätzchen finden kann. Bereits im April 2007 war es ersichtlich, dass die Sozialhilfequote für Ausländer unter 18 Jahren gigantische Formen annahm. Derzeit leben etwa 130.000 Asylbewerber in Deutschland. Asylbewerber bekommen in den ersten vier Jahren ihres Aufenthalts in Deutschland Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - je nach Bundesland sind das Sachleistungen, Gutscheine oder Geldleistungen, maximal 230 € pro Monat für Erwachsene und 180 € für Kinder. Nach Ablauf dieser Frist haben aber alle Familienmitglieder Anspruch auf eine Erhöhung auf Hartz-IV-Niveau. Ein Grossteil der Einwanderung nach Deutschland ging am Arbeitsmarkt vorbei direkt ins Sozialsystem. Jeder zweite geduldete Ausländer lebt von Sozialhilfe. Ebenfalls im Jahr 2007 war zu verzeichnen, dass der Anteil der Menschen aus Asien unter den Beziehern von Asylbewerberleistungen in Deutschland deutlich gestiegen ist 2. Mehr als jeder Dritte der Ende vergangenen Jahres rund 194.000 Empfänger von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stammte aus dem Irak, aus Syrien, dem Libanon, Afghanistan und dem Iran. Angesichts dieses Fakts muss man sich die Folgen vor Augen halten, die dadurch entstehen werden, dass die Türkei Mitte Februar die Visumpflicht für mehrere Länder des Nahen Ostens aufgehoben, darunter auch für Syrien und Libyen. Für die Harmonisierung mit der EU ist das ein Rückschlag, da schon jetzt zahlreiche illegale Migranten über die Türkei in die EU-Länder einreisen 4. Im Prinzip kann man die Staaten ohne Mühe auch auf diese Weise von Grund auf zerstören, dazu bedarf es in Europa keines Krieges mehr. Bezüglich der Türkei selbst wäre zu vermerken, dass das Istanbuler Sozialamt die Zahl der Kinder, die von ihren Familien oder aber von landesweit operierenden Gangs zum Betteln geschickt werden, auf 4000 schätzt. Und das in einem Land, das Partner der NATO ist und in das über Jahre hinweg Unsummen von IWF-Krediten geflossen sind!
 
»Die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft«, schreibt Christian Lindner in einem Gastbeitrag 3 zur Hartz-IV-Debatte, »hatten davor gewarnt, den Staat zu einem Tag und Nacht arbeitenden Pumpwerk der Einkommen (Wilhelm Röpke) zu machen. Das Sozialstaatsprinzip sollte nicht gegen das Leistungsprinzip ausgespielt werden.« Ferner: »Steigende Sozialbudgets belegen nicht Sensibilität, sondern sinkende Erwerbsbeteiligung und mangelhafte Prävention. Soziale Sicherheit kann ohne Überbeanspruchung von Kommunen und Steuerzahlern nur garantiert werden, wenn sich die Aufgaben des Sozialstaats durch die Stärkung der Einzelnen und durch neue Beschäftigungschancen verkleinern. Dadurch vergrößern sich zugleich seine Handlungsmöglichkeiten, damit statt Einschränkung großzügige Hilfe für wirklich Bedürftige möglich wird. Nötig ist ein sozialpolitischer Paradigmenwechsel: Nicht Regelsätze müssen pauschal erhöht werden, sondern die Effizienz des Sozialstaats bei der Eröffnung fairer Lebenschancen.«
 
Inzwischen ist die Anzahl der Kinder unter 18 Jahren, die aus Afghanistan emigrieren und um Asyl in Europa nachsuchen, BBC online vom 1.3.10 zufolge letztes Jahr um 64 % gestiegen: von 3,800 auf mehr als 6,000. Laut UNO-Hilfsorganisationen wird angenommen, dass diese Zahl lediglich ein Bruchteil der Migranten darstellt, da viele der Kinder keinen Antrag auf Asyl stellen, entweder, weil sie nicht wissen, dass sie dazu berechtigt sind, oder weil sie befürchten, dass ein Antrag zu Haft oder Deportation führen könnte. Die Reise quer durch Europa beginnt in der Regel in Griechenland, wohin sie nach einem gefährlichen Weg durch Pakistan, Iran und der Türkei gelangt sind. Zu diesen absolut menschenunwürdigen Verhältnissen tragen in meinen Augen all diejenigen bei, die entgegen den Bestrebungen aller Kriegsgegner für die Fortsetzung des Afghanistankriegs und die Aufstockung der Truppen plädiert haben.
 
»Wenn es uns nicht gelingt, die Expansion der Sozialausgaben einzuschränken, wird es mit soliden Haushalten auf Jahre nichts werden«, so der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Pohl von der Universität Halle-Wittenberg am 22. September letzten Jahres im Deutschlandfunk. Danach sieht es leider nicht aus. Auch Sachsens vormaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat jetzt vor dem Kollaps des Sozialstaats gewarnt: »Wenn nichts geschieht, wird sich der Sozialstaat heutiger Prägung selbst zerstören.« Mehr als wahrscheinlich ist, »dass die Menschen, die den gegenwärtigen Sozialstaat mit ihren Beiträgen und Steuern finanzieren, irgendwann sagen: Jetzt ist es genug, mehr ist von uns nicht zu erwarten.« Und dazu durfte der Bürger auf der Klimakonferenz in Bali im Dezember 2007 auch noch vernehmen, dass die EU und Afrika eine wirkliche Partnerschaft wollen;  Migration und Mobilität sollten als überwiegend positive Phänomene betrachtet werden. Wir danken für diese Belehrung und dem damit verbundenen Asylantenstrom in die EU-Länder, der unsere über Jahrzehnte hinweg mit grosser Sorgfalt aufgebauten Sozialsysteme langsam zu erodieren beginnt.    
  
 
[1] Quelle: Zürcher Bote, Ausgabe Nr. 8 vom 26. Februar 2010
2 http://www.jungewelt.de/2007/10-24/014.php 24.10.07 3http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E461461D3DB9B4E4088AA3C90258F5903~ATpl~Ecommon~Scontent~Afor~Eprint.html  18. 2. 2010 Gastbeitrag zur Hartz-IV-Debatte - Darum geht es der FDP Von Christian Lindner
4http://www.welt.de/politik/ausland/article6353908/Tuerkei-aergert-EU-mit-Grenzoeffnung-nach-Nahost.html    11. 2. 10
siehe auch
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1262
Zum Thema Einwanderung
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=834
Einwanderung: Was uns bevorsteht
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1326  20.9.09
Einwanderung - Weitere Fakten
Siehe auch die 4 Auszüge aus der Mitnehmgesellschaft auf politonline