Israel-Tag

Am 14. Mai haben soeben 62 Städte weltweit den 62. Geburtstag des jüdischen Staates, den »ILI-Tag«, eine Initiative von Bürgern für Bürger,

gefeiert. Dieser macht den Staat Israel und seine blau-weissen Symbole in vielen Städten  sichtbar. »Über Grenzen, Kulturen und Religionen hinweg vereinen sich Menschen weltweit, um den Unabhängigkeitstag eines einzigartigen und oft falsch verstandenen Landes als Fest für jedermann zu feiern, so Sacha Stawski, Vorsitzender von ILI«. Derselbe Staat lässt, wie auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1486  festgehalten, gleichzeitig Tausende von Palästinensern auf Grund neuer Gesetze befürchten, aus dem Westjordanland ausgewiesen zu werden. In Frankfurt wurde eine Klagenmauer errichtet, in deren Ritzen die Besucher Zettel mit ihren persönlichen Wünschen stecken können - wie an der echten Klagemauer in Jerusalem. Vor allem aber geht es, wie erklärt wird, »um die einzigartigen Errungenschaften und die Vielfalt dieses jungen Staates.« Israels Botschafter in Deutschland, Yoram Ben Zeev, verweist in seiner Grussbotschaft auf die kulturellen Leistungen Israels. Sie sollen in Deutschland und der Welt bekannt und als Beitrag zum Frieden verstanden werden. Das ist der Wunsch des Staates Israel zum 14. Mai 1.

Was hingegen Evelyn Hecht-Galinski anlässlich dieses Geburtstags bewegt, hat sie bereits in ihrem Beitrag »Deportationen sind ethnische Säuberung! Happy Birthday Israel!« auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1502 dargelegt und kommt auch in ihrer nachstehenden Rede 2 zum Ausdruck:
 
Unsere Heimkehr ist gewiss - Freiheit für unsere Gefangenen - Von Evelyn Hecht-Galinski
 
Salam Aleikum,
sehr geehrte, liebe palästinensische Freunde und Freundinnen,
 
ich betrachte es als eine große Ehre, daß ich als deutsche Jüdin hier bei Ihnen auf dem 8. Europäischen Palästinenserkongreß in Berlin sprechen darf. Das heutige geschichtsträchtige Datum des 8. Mai, des Tages der Befreiung vom Faschismus und der Nazi-Diktatur vor 65 Jahren, sollte dem Staat Israel und allen Verfolgten, die selbst so Schreckliches erlebt haben, Mahnung sein, nie wieder Unrecht und Unterdrückung zu dulden oder selbst auszuüben. 62 Jahre Vertreibung und ethnische Säuberung sind genug! 43 Jahre Besetzung und Unterdrückung sind genug!
 
Schlimmerweise ist es für Israel nie genug. Am 13. April trat die neueste Perversion des Jüdischen Staatesin Kraft: Ein Militärerlaß, der den Boden für Massendeportationen aus der Westbank bereitet. Diese Verordnung ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention. Dieser Erlaß ist ungesetzlich und verstößt gegen internationales Recht, da israelische Gesetze im Westjordanland - also auf besetztem Gebiet - nicht anzuwenden sind. Diese Anordnung beweist nur ein weiteres Mal die Macht und die Willkür der israelischen Armee, gegen unliebsame Palästinenser vorzugehen. Ich fordere Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, daher auf, gegen diese Besatzerwillkür zu protestieren und sich bei der israelischen Regierung dafür einzusetzen, daß diese unrechtmäßigen Verordnungen zurückgenommen werden. Außerdem fordere ich Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, auf, den Begriff der Sicherheit Israels als Staaträson für die deutsche Politik rückgängig zu machen. Dieser Begriff stützt sich nicht auf eine demokratische Legitimität. Nein - ganz im Gegenteil - das verstößt gegen unser Grundgesetz und gegen allen politischen Anstand, die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson zu erklären.
 
Genau diese Feststellung führt uns auch zur Problematik der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Das unbeschreibliche Unrecht, das, von Deutschen organisiert, an den europäischen Juden/ Jüdinnen begangen wurde, darf nicht dafür herhalten, daß anderen Menschen und Völkern Unrecht angetan wird. Unsere ganze moralische Herausforderung besteht einerseits darin, der Verantwortung gerecht zu werden, die Lehren aus den Verbrechen des Dritten Reiches zu ziehen, es aber andererseits nicht zuzulassen, daß auf Grund dieses schrecklichen Vermächtnisses uns (Deutschen) das Recht abgesprochen werden soll, aktuelle Verbrechen anzuprangern - und das nur, weil diese von einem Staat begangen werden, der sich selbst als jüdisch bezeichnet. Sich dieser Wahrheit zu stellen, ist die würdigste Form der Holocaust-Erinnerung. Daher möchte ich betonen: Nicht das palästinensische Volk ist schuld am Holocaust, also der Ermordung der europäischen Juden.  Sie aber, die Tausende, die hier stellvertretend für  viele Millionen palästinensischer Flüchtlinge versammelt sind, Sie sind die unschuldigen Leidtragenden dieser israelischen Unrechtspolitik, des Landraubes und der Besatzung. Solange Israel nicht bereit ist, die palästinensischen Bürger und Bürgerinnen als gleichwertig anzuerkennen und das palästinensische Volk weiter entmenschlicht und unterdrückt, wird es nie Frieden und ein friedliches Zusammenleben geben. Sogar das öffentliche Gedenken an die Nakba soll ihnen nach Willen der israelischen Regierung genommen werden. Man arbeitet an einem Gesetz, dieses Gedenken unter Strafe zu stellen. Nach dem Willen der israelischen Regierung soll ihnen der unverhandelbare Ostteil von Jerusalem – seit 1967 unrechtmäßig von Israel besetzt - für einen zukünftigen Palästinenserstaat als Hauptstadt genommen werden. Die israelische Regierung will ihnen auch den Anspruch des Rückkehrrechts vorenthalten, der ihnen völkerrechtlich zusteht. So bewahren viele palästinensische Vertriebene noch heute ihre Hausschlüssel auf und geben sie an ihre Kinder und Kindeskinder in dem Bewußtsein weiter: Wir kommen zurück!
 
Israel hat den Schlüssel für das größte Freiluftgefängnis der Welt - nämlich Gaza - ins Meer geworfen. Der schleichende Genozid an 1,5 Millionen eingeschlossenen Palästinensern schreitet unaufhörlich voran. Auch die Blockade nach dem schrecklichen Angriff auf Gaza mit von Israel über 1.400 ermordeten Palästinensern geht weiter. Die Verantwortlichen für diesen Angriff, gehören eindeutig vor das Haager Kriegstribunal. Nicht umsonst bekämpft Israel den Goldstone Report, der diese Kriegsverbrechen dokumentiert, so vehement. Der Jurist Goldstone wurde daher von offizieller israelischer und jüdischer Seite verleumdet, angegriffen und bekämpft. Ich möchte Ihnen auch meine Solidarität mit den etwa 10.000 Palästinensern in israelischer Haft aussprechen, unter ihnen Frauen, Kinder und die führende politische Intelligenz. Schon meine Freundin und mein Vorbild, die große Menschenrechtsanwältin, Felicia Langer, schilderte mir die unmenschlichen Folterungen und Haftbedingungen, unter denen ihre palästinensischen Mandanten und andere Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu leiden hatten. Dieser Einsatz Felicia Langers für die Menschenrechte wurde mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes von Bundespräsident Köhler gewürdigt. Ich betrachte das auch als einen kleinen Erfolg, für uns alle.
 
Nochmals: Frau Bundeskanzlerin Merkel, ich ersuche Sie: Pochen Sie auch bei Israel auf die Einhaltung der Menschenrechte und auf die Verwirklichung der 4. Genfer Konvention, der wir verpflichtet sind. Wo bleibt Ihr demokratisches Bewußtsein als ehemalige Bürgerin eines totalitären Unrechtsstaates, wenn Israel die Rechte des Palästinensischen Volkes mit Füßen tritt und negiert?
 
Für mich als geborene Berlinerin ist es ein ganz besonderes Gefühl, heute am 8. Mai, dem Tag der Befreiung und dem Ende der Nazi-Herrschaft, auch des Mauerfalls vor 20 Jahren zu gedenken. Ich weiß als Berlinerin, wovon ich spreche, wenn ich an die Berliner Mauer erinnere. So frage ich uns alle: Wann werden wir den Tag erleben, an dem die israelische Apartheidmauer - die tief durch geraubtes und besetztes palästinensisches Land führt und die auf diesem unrechtmäßig vom Jüdischen Staat errichtet wurde - so fällt wie die Berliner Mauer? Wann werden die schikanösen Check Points fallen? Wann werden Sie, die Palästinenser, Ihre Familien wieder frei und grenzenlos besuchen können? Das wird nur möglich werden, wenn der amerikanische Druck so groß auf Israel wird, wie damals der russische auf die DDR. Herr Netanjahu, reißen Sie die Mauer nieder!
 
Liebe palästinensische Freunde und Freundinnen: Ich hoffe für Sie alle, die es denn möchten, daß Ihnen nach dem Motto Ihres Kongresses das Ihnen zustehende Rückkehrrecht nach Israel/ Palästina ermöglicht wird und für Sie damit ein friedliches und demokratisches Zusammenleben wahr wird. Das Rückkehrrecht, wie es Israel allen Juden anbietet, ist für mich eine Farce. Ich frage Sie: weshalb soll ich als in Deutschland geborene Jüdin denn zurückkehren? Aber das Rückkehrrecht für Sie, die Vertriebenen und Flüchtlinge der Nakba, ist Teil des Völkerrechts. Aus diesem Grunde spreche ich auch explizit die deutsche Bundeskanzlerin an: Beherzigen Sie die Aussage: Recht auf Heimat ist Menschenrecht.
 
Lassen Sie mich zum Schluß betonen: Ich bin für einen demokratischen Staat Israel in den Grenzen von 1967 laut UNO-Beschluß 242. Frieden wäre sofort möglich, wenn Israel sich an die internationalen Resolutionen halten würde, das Recht auf Rückkehr für die Palästinenser erfüllt und  Jerusalem als Hauptstadt für zwei souveräne Staaten, nämlich Israel und Palästina, anerkennt.
 
43 Jahre Besatzung und Unterdrückung müssen sofort beendet werden! Lassen Sie uns die Hoffnung auf Gerechtigkeit für Palästina und das palästinensische Volk nicht aufgeben! Nur zusammen sind Sie stark!


  1 Quelle: Israeltag - Ein Fest für Alle – Hervorhebungen durch politonline
http://www.presseportal.de/pm/79613/1613197/israel_tag   12. 5. 10   
2 http://www.palaestina-portal.eu/Stimmen_deutsch/hecht-galinski_evelyn_rede_8_palaestinenser_kongress_heimkehr_gewiss_freiheit_fuer_gefangene.htm  Rede auf den 8. Europäischer Palästinenserkongress in Berlin  8. 5. 2010
Siehe Zehntausende Palästinenser von Ausweisung bedroht
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1486