Euro-Bonds: Transferunion schürt weitere Sozialkonflikte - Von Prof. Dr. Wilhelm Hankel 21.08.2011 22:42
In ihrer Panik lassen die sogenannten Euro-Retter nichts unversucht, um der Gemeinschaftswährung die letzte Überlebenschance zu rauben.
Mit der
Währungsunion zwischen 17 die multikulturelle Vielfalt Europas widerspiegelnden
und zugleich auslebenden Teilnehmerländern haben die Euro-Politiker den Experimentalbeweis
erbracht, daß es ein für alle EU-Staaten gleich gutes und stabiles Geld nicht
geben kann. Jede der europäischen Gesellschaften und Kulturen verbindet mit dem
Geldwesen andere Lebensvorstellungen und
-träume, die jeweilige nationale Politik reflektiert diese Mentalität und hat
ihr zu folgen.
Jeder
Euro-Staat setzt daher mit seiner Geld- und Finanzpolitik andere Akzente. Das
ist der eigentliche Grund für das Scheitern der 1999 geschaffenen und 2002 im
Portemonnaie des Bürgers angekommenen Europäischen Währungsunion (EWU). Von
Beginn an war klar, daß es so etwas wie eine Stabilitätspolitik nach deutschem
Muster und Vorbild in der Euro-Union niemals geben würde - und könne. Kluge
Ökonomen haben dies der Politik von Beginn an zu bedenken gegeben: leider nicht
alle, und am wenigsten jene, die es am besten wissen müssen hätten: die
Experten in Regierungen, Finanz- und Großindustrie.
Das Modell
der Deutschen Bundesbank (das nach der Währungsreform 1948 durch Freisetzung
zuvor ungeahnter unternehmerischer Energien ein ›Wirtschaftswunder ‹
bewirkt hat) war weder auf ganz noch halb Europa übertragbar. Nicht einmal auf
unseren Nachbar Frankreich! Jetzt liegt das Kind im Brunnen. Und wieder haben
die Euro-Retter alles vergessen und nichts dazu gelernt. Der Euro kann weder durch
noch so viele und traute Tête-à-Têtes des durch Angela Merkel vertretenen deutschen
Michels mit Frankreichs durch Nicholas Sarkozy verkörperte Marianne, noch durch
eine neue Wunderwaffe namens ›Euro-Bonds‹ gerettet werden. Dieser Begriff
bezeichnet die seit Beginn der Griechenlandkrise im Frühjahr 2010 ernsthaft
diskutierten Staatsanleihen eines ›Staats,
den es nicht gibt und nie geben wird - nämlich des ›eingetragenen Vereins‹ EU.
Die gemeinschaftlichen Euro-Bonds sollen von den Steuerzahlern seiner
zahlungsfähigsten Mitgliedsländer, also allen voran Deutschland, garantiert
werden. Für Griechenland, Portugal und Irland war es auf Grund ihrer
Schuldenlast unmöglich, sich zu bezahlbaren Konditionen am Kapitalmarkt zu
refinanzieren; sie mußten unter den Euro-Rettungsschirm (für den theoretisch
alle Euro-Länder bürgen) flüchten.
Da nun
auch Spanien und Italien immer höhere Zinsen für ihre Anleihen bieten müssen
und der 750-Milliarden-Rettungsschirm für sie (geschweige denn für Frankreich)
nicht ausreichen würde, müssen neue Hilfskonstrukte her. Man weiß nicht, was hier
überwiegt: der schiere Unverstand oder die zynische Verantwortungslosigkeit?
Wie können Politiker ernstlich glauben, Überschuldung ließe sich immerfort
durch noch billigere Schulden kurieren? Wie können Experten nach den bösen
Erfahrungen mit der Finanz- und Bankenkrise für ihre (Un)Wertpapiere, hinter
denen lediglich die Schrottanleihen der vom Konkurs bedrohten Euro-Staaten
stehen, überhaupt einen zahlungswilligen und aufnahmefähigen Markt vermuten,
der sich mit ›deutschen‹ Zinsen begnügt? Wer immer diese
Papiere kauft, kann sie gleich abschreiben. Ein deutscher Finanzminister, der
für bereits gegebene, aber erfolglose Hilfsversprechen an solche Euro-Staaten
vier Fünftel seines Jahresetats verpfändet, verliert automatisch seine
Kreditwürdigkeit, wenn er bei dann bei eine Staatsverschuldung von 100 % des
Bruttoinlandsprodukts (derzeit schon 80 %) angekommen ist oder diese rote Linie
gar überschreitet. US-Präsident Barack Obama wird es gerne bestätigen.
In der
gesamten Nachkriegszeit ist kein deutscher Finanzminister jemals so
leichtfertig mit seinem Haushalt und dem Geld des Steuerzahlers umgesprungen
wie Wolfgang Schäuble. Die gefährlichste Folge des wie auch immer finanzierten
Finanzausgleichs unter den ungleichen Euro-Staaten aber wird tot geschwiegen:
der für den Hauptretter Deutschland unausweichliche Zinsanstieg. Er stürzt das
Land aus der gerade überwundenen Realkrise zurück in neue Wachstumsschwäche, in
Investitionsrückgang und die fatale Zunahme der Arbeitslosigkeit.
Mit der
Transferunion (in der Europa mit den Euro-Bonds definitiv angekommen ist) wird
nicht nur das Lieblingskind aller deutschen EU-Politiker gemordet: der Euro.
Europa öffnet sich selber das Tor für Sozialunruhen und Jugendrevolten à la
London, Athen oder Madrid. Was schreckt bei dieser Art der Euro-Rettung mehr:
der drohende Verlust der Kreditwürdigkeit à la USA oder die Übertragung der
Sozialkonflikte auf die noch ruhigen Kapitalen der Euro-Zone wie Berlin? Das
eine wie das andere! Europa muß sich entscheiden, ob es sich mit unfähigen
Politikern in die Doppel-Gefahr instabilen Geldes und instabiler Verhältnisse
stürzt - oder sich Politiker sucht, die beides vermeiden und es mit stabilem
Geld vor diesen Gefahren bewahrt 1.
Was
die Euro-Bonds betrifft, so schreibt Strategic
Alert 2 unter dem
Titel ›Warum die Eurobonds ein Schwindel sind‹: »Wenn man die Entscheidungen und Handlungen der
führenden Regierungen und Institutionen der EU analysiert, darf man nie
vergessen, daß das gegenwärtige System völlig bankrott ist und sich in der Form
nicht wieder solvent machen läßt. Ein mit Billionen Spielschulden überlastetes
System retten zu wollen, kann nur zu einer Politik führen, die sich gegen die
Bevölkerung richtet und letztlich in einer Hyperinflation alle Finanz- und
Geldwerte auslöscht. Indem sie die EZB autorisierte, den Banken Staatsanleihen
in einer Größenordnung von Hunderten von Milliarden Euros abzukaufen, hat die
EU-Junta diesen Marsch in die Hyperinflation beschleunigt. Und indem sie der
italienischen Regierung die ›Griechenland-Methoden‹ aufzwang, hat die Junta ein brutales Sparregime auf weitere
Zigmillionen Menschen ausgedehnt. Am 12. 8. verkündete die Regierung Berlusconi
ein Austeritätspaket über 45,5 Mrd. Euro, zusätzlich zu dem über 48 Mrd. Euro
vom Juli. Renten und Gesundheitswesen sind zwar nicht betroffen, doch die
Entscheidung wurde Italien von der EU-Junta aufgezwungen, d.h. das Land also
praktisch unter Konkursaufsicht gestellt. Diese ›Blut, Schweiß und
Tränen‹-Beschlüsse werden völlig zwecklos sein, denn die nächste
Krise hat bereits begonnen, nämlich in Frankreich, wo Bankaktien abstürzten und
Staatsanleihen von Spekulanten angegriffen wurden. In einer Panikreaktion
führten EU-Regierungen ein Verbot von Leerverkäufen bestimmter Aktien ein, doch
Staatsanleihen oder Kreditausfallderivate sind davon nicht betroffen.
Die
Maßnahmen sind zum Scheitern verurteilt, weil der laufende Finanzkollaps durch
die Selbstauflösung des derivatbasierten Systems der ›Schattenbanken‹ bewirkt wird und dieser Prozeß
unaufhaltsam ist. Das reguläre Bankenwesen ist ebenfalls bedroht, weil seit dem
Ausbruch der Krise am System selbst nichts grundsätzlich verändert wurde. Die
Banken sind immer noch auf tägliche Kreditaufnahme auf dem Interbankmarkt
angewiesen, der sich auf Papiere mit guter Bonität stützt. Verschlechtert sich
die Bonität der als Sicherheit dienenden Papiere, wird die Hebelwirkung
schwächer. Das gilt für die Herabstufung der US-Bonds ebenso wie für die
Staatsschulden in der EU allgemein. Die EU hat diesen Wahnsinn noch verschlimmert,
indem sie im März im sogenannten ›Euro-Plus-Pakt‹ beschloß, die ohnehin absurde 3 % - Defizitgrenze bis 2014 ganz
auf Null zu senken. Dieses Ziel, das ohne Grundlage in den EU-Verträgen ist (dort sind 3 %
vorgeschrieben), läßt sich nur erreichen, wenn die
demokratischen Institutionen übergangen werden - wie gerade in Italien
geschehen. Und dies alles in einem sinnlosen Versuch, die Banken zu retten.
Jetzt
wächst der Druck, durch die Ausgabe der sogenannten Euro-Bonds einen gesamteuropäischen
Haushalt zu organisieren. Falls dieser Plan verwirklicht wird, wäre
das ein Riesenschritt in Richtung Diktatur und Hyperinflation. Die Euro-Bonds
hätten nur den einzigen Zweck, die faulen Schulden im Bankensystem zu
refinanzieren. Manche Befürworter behaupten, man könne über Eurobonds auch
Investitionen finanzieren, aber das ist Wunschdenken. Solange der finanzielle
Giftmüll nicht aus dem System beseitigt wird, werden die Regierungen durch ihre
Blanko-Garantie gezwungen sein, ständig Geld nachzuschießen und als Ausgleich
dafür bei Investitionen und Sozialprogrammen zu sparen. Die einzige Lösung ist
ein Trennbankensystem, unter dem nur noch reguläre Bankgeschäfte geschützt sind
und die spekulativen Forderungen abgeschrieben werden. Dann sind Euro-Bonds und
Eurodiktaturen nicht mehr notwendig.
1 http://www.dr-hankel.de/2011/08/19/so-klappt%E2%80%99s-nicht-in-der-jungen-freiheit/
2 Strategic Alert,
Jahrgang 25, Nr. 33 vom 17. August 2011
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