Euro-Bonds: Transferunion schürt weitere Sozialkonflikte - Von Prof. Dr. Wilhelm Hankel

In ihrer Panik lassen die sogenannten Euro-Retter nichts unversucht, um der Gemeinschaftswährung die letzte Überlebenschance zu rauben.

 

Mit der Währungsunion zwischen 17 die multikulturelle Vielfalt Europas widerspiegelnden und zugleich auslebenden Teilnehmerländern haben die Euro-Politiker den Experimentalbeweis erbracht, daß es ein für alle EU-Staaten gleich gutes und stabiles Geld nicht geben kann. Jede der europäischen Gesellschaften und Kulturen verbindet mit dem Geldwesen andere  Lebensvorstellungen und -träume, die jeweilige nationale Politik reflektiert diese Mentalität und hat ihr zu folgen.

 

Jeder Euro-Staat setzt daher mit seiner Geld- und Finanzpolitik andere Akzente. Das ist der eigentliche Grund für das Scheitern der 1999 geschaffenen und 2002 im Portemonnaie des Bürgers angekommenen Europäischen Währungsunion (EWU). Von Beginn an war klar, daß es so etwas wie eine Stabilitätspolitik nach deutschem Muster und Vorbild in der Euro-Union niemals geben würde - und könne. Kluge Ökonomen haben dies der Politik von Beginn an zu bedenken gegeben: leider nicht alle, und am wenigsten jene, die es am besten wissen müssen hätten: die Experten in Regierungen, Finanz- und Großindustrie.

 

Das Modell der Deutschen Bundesbank (das nach der Währungsreform 1948 durch Freisetzung zuvor ungeahnter unternehmerischer Energien ein Wirtschaftswunder bewirkt hat) war weder auf ganz noch halb Europa übertragbar. Nicht einmal auf unseren Nachbar Frankreich! Jetzt liegt das Kind im Brunnen. Und wieder haben die Euro-Retter alles vergessen und nichts dazu gelernt. Der Euro kann weder durch noch so viele und traute Tête-à-Têtes des durch Angela Merkel vertretenen deutschen Michels mit Frankreichs durch Nicholas Sarkozy verkörperte Marianne, noch durch eine neue Wunderwaffe namens Euro-Bonds gerettet werden. Dieser Begriff bezeichnet die seit Beginn der Griechenlandkrise im Frühjahr 2010 ernsthaft diskutierten Staatsanleihen eines Staats, den es nicht gibt und nie geben wird - nämlich des eingetragenen VereinsEU. Die gemeinschaftlichen Euro-Bonds sollen von den Steuerzahlern seiner zahlungsfähigsten Mitgliedsländer, also allen voran Deutschland, garantiert werden. Für Griechenland, Portugal und Irland war es auf Grund ihrer Schuldenlast unmöglich, sich zu bezahlbaren Konditionen am Kapitalmarkt zu refinanzieren; sie mußten unter den Euro-Rettungsschirm (für den theoretisch alle Euro-Länder bürgen) flüchten.

 

Da nun auch Spanien und Italien immer höhere Zinsen für ihre Anleihen bieten müssen und der 750-Milliarden-Rettungsschirm für sie (geschweige denn für Frankreich) nicht ausreichen würde, müssen neue Hilfskonstrukte her. Man weiß nicht, was hier überwiegt: der schiere Unverstand oder die zynische Verantwortungslosigkeit? Wie können Politiker ernstlich glauben, Überschuldung ließe sich immerfort durch noch billigere Schulden kurieren? Wie können Experten nach den bösen Erfahrungen mit der Finanz- und Bankenkrise für ihre (Un)Wertpapiere, hinter denen lediglich die Schrottanleihen der vom Konkurs bedrohten Euro-Staaten stehen, überhaupt einen zahlungswilligen und aufnahmefähigen Markt vermuten, der sich mit deutschen Zinsen begnügt? Wer immer diese Papiere kauft, kann sie gleich abschreiben. Ein deutscher Finanzminister, der für bereits gegebene, aber erfolglose Hilfsversprechen an solche Euro-Staaten vier Fünftel seines Jahresetats verpfändet, verliert automatisch seine Kreditwürdigkeit, wenn er bei dann bei eine Staatsverschuldung von 100 % des Bruttoinlandsprodukts (derzeit schon 80 %) angekommen ist oder diese rote Linie gar überschreitet. US-Präsident Barack Obama wird es gerne bestätigen.

 

In der gesamten Nachkriegszeit ist kein deutscher Finanzminister jemals so leichtfertig mit seinem Haushalt und dem Geld des Steuerzahlers umgesprungen wie Wolfgang Schäuble. Die gefährlichste Folge des wie auch immer finanzierten Finanzausgleichs unter den ungleichen Euro-Staaten aber wird tot geschwiegen: der für den Hauptretter Deutschland unausweichliche Zinsanstieg. Er stürzt das Land aus der gerade überwundenen Realkrise zurück in neue Wachstumsschwäche, in Investitionsrückgang und die fatale Zunahme der Arbeitslosigkeit.

 

Mit der Transferunion (in der Europa mit den Euro-Bonds definitiv angekommen ist) wird nicht nur das Lieblingskind aller deutschen EU-Politiker gemordet: der Euro. Europa öffnet sich selber das Tor für Sozialunruhen und Jugendrevolten à la London, Athen oder Madrid. Was schreckt bei dieser Art der Euro-Rettung mehr: der drohende Verlust der Kreditwürdigkeit à la USA oder die Übertragung der Sozialkonflikte auf die noch ruhigen Kapitalen der Euro-Zone wie Berlin? Das eine wie das andere! Europa muß sich entscheiden, ob es sich mit unfähigen Politikern in die Doppel-Gefahr instabilen Geldes und instabiler Verhältnisse stürzt - oder sich Politiker sucht, die beides vermeiden und es mit stabilem Geld vor diesen Gefahren bewahrt 1.

 

Was die Euro-Bonds betrifft, so schreibt Strategic Alert 2 unter dem Titel Warum die Eurobonds ein Schwindel sind: »Wenn man die Entscheidungen und Handlungen der führenden Regierungen und Institutionen der EU analysiert, darf man nie vergessen, daß das gegenwärtige System völlig bankrott ist und sich in der Form nicht wieder solvent machen läßt. Ein mit Billionen Spielschulden überlastetes System retten zu wollen, kann nur zu einer Politik führen, die sich gegen die Bevölkerung richtet und letztlich in einer Hyperinflation alle Finanz- und Geldwerte auslöscht. Indem sie die EZB autorisierte, den Banken Staatsanleihen in einer Größenordnung von Hunderten von Milliarden Euros abzukaufen, hat die EU-Junta diesen Marsch in die Hyperinflation beschleunigt. Und indem sie der italienischen Regierung die Griechenland-Methoden aufzwang, hat die Junta ein brutales Sparregime auf weitere Zigmillionen Menschen ausgedehnt. Am 12. 8. verkündete die Regierung Berlusconi ein Austeritätspaket über 45,5 Mrd. Euro, zusätzlich zu dem über 48 Mrd. Euro vom Juli. Renten und Gesundheitswesen sind zwar nicht betroffen, doch die Entscheidung wurde Italien von der EU-Junta aufgezwungen, d.h. das Land also praktisch unter Konkursaufsicht gestellt. Diese Blut, Schweiß und Tränen-Beschlüsse werden völlig zwecklos sein, denn die nächste Krise hat bereits begonnen, nämlich in Frankreich, wo Bankaktien abstürzten und Staatsanleihen von Spekulanten angegriffen wurden. In einer Panikreaktion führten EU-Regierungen ein Verbot von Leerverkäufen bestimmter Aktien ein, doch Staatsanleihen oder Kreditausfallderivate sind davon nicht betroffen.

 

Die Maßnahmen sind zum Scheitern verurteilt, weil der laufende Finanzkollaps durch die Selbstauflösung des derivatbasierten Systems der Schattenbanken bewirkt wird und dieser Prozeß unaufhaltsam ist. Das reguläre Bankenwesen ist ebenfalls bedroht, weil seit dem Ausbruch der Krise am System selbst nichts grundsätzlich verändert wurde. Die Banken sind immer noch auf tägliche Kreditaufnahme auf dem Interbankmarkt angewiesen, der sich auf Papiere mit guter Bonität stützt. Verschlechtert sich die Bonität der als Sicherheit dienenden Papiere, wird die Hebelwirkung schwächer. Das gilt für die Herabstufung der US-Bonds ebenso wie für die Staatsschulden in der EU allgemein. Die EU hat diesen Wahnsinn noch verschlimmert, indem sie im März im sogenannten Euro-Plus-Pakt beschloß, die ohnehin absurde 3 % - Defizitgrenze bis 2014 ganz auf Null zu senken. Dieses Ziel, das ohne Grundlage in den EU-Verträgen ist (dort sind 3 % vorgeschrieben), läßt sich nur erreichen, wenn die demokratischen Institutionen übergangen werden - wie gerade in Italien geschehen. Und dies alles in einem sinnlosen Versuch, die Banken zu retten.

 

Jetzt wächst der Druck, durch die Ausgabe der sogenannten Euro-Bonds einen gesamteuropäischen Haushalt zu organisieren. Falls dieser Plan verwirklicht wird, wäre das ein Riesenschritt in Richtung Diktatur und Hyperinflation. Die Euro-Bonds hätten nur den einzigen Zweck, die faulen Schulden im Bankensystem zu refinanzieren. Manche Befürworter behaupten, man könne über Eurobonds auch Investitionen finanzieren, aber das ist Wunschdenken. Solange der finanzielle Giftmüll nicht aus dem System beseitigt wird, werden die Regierungen durch ihre Blanko-Garantie gezwungen sein, ständig Geld nachzuschießen und als Ausgleich dafür bei Investitionen und Sozialprogrammen zu sparen. Die einzige Lösung ist ein Trennbankensystem, unter dem nur noch reguläre Bankgeschäfte geschützt sind und die spekulativen Forderungen abgeschrieben werden. Dann sind Euro-Bonds und Eurodiktaturen nicht mehr notwendig.

 

 

1 http://www.dr-hankel.de/2011/08/19/so-klappt%E2%80%99s-nicht-in-der-jungen-freiheit/

2 Strategic Alert, Jahrgang 25, Nr. 33 vom 17. August 2011