EU bereitet sich auf den Einsatz von Notstandsrecht vor 24.10.2011 00:50
»Die G-20-Länder«, notiert Strategic Alert, »halten stur an ihren Plänen zur Bankenrettung fest, wozu sie bedeutend mehr Kapital als für die Rettungsaktionen 2008
brauchen
werden, und es gibt nur einen Weg, wie sie das realisieren können: Mit
Notstandsrechten und Maßnahmen, die außerhalb der Verfassung liegen. Den Grad
des Notstands verdeutlichte der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet,
der am 12. Oktober erklärte, die Krise habe ›eine systemische Dimension erreicht‹ und von den europäischen Regierungen schnellstmöglich Rettungsmaßnahmen
forderte. Beim Finanzministertreffen der G-20 am 15. 10. war dann beschlossen
worden, eine Liste mit 51 Banken zu erstellen, die ›rekapitalisiert‹ werden
müssen, entweder mit Eigenmitteln oder Regierungsgeldern. Am 13. 10. beging die
slowakische Regierung gehorsam politischen Selbstmord und stimmte Neuwahlen zu,
um so gegen den Widerstand ihres Koalitionspartners die Erweiterung der
Stabilitätsfazilität ratifiziert zu bekommen. Nachdem so die EFSF von allen 17
Euro-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde, begannen Verhandlungen über einen
Vertrag zur beschleunigten Errichtung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus
(ESM), da die 440 Milliarden Euro ›Feuerkraft‹ der EFSF bei weitem nicht ausreicht.« [1]
Was die
diskutierte Erweiterung der EFSF mittels ›Hebelung
betrifft, so erklärte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion ›Die Linke‹ im Bundestag, Sahra Wagenknecht, in einer am 20. 10.
herausgegebenen Pressemitteilung u.a. folgendes: »Die politische Elite Europas begibt
sich auf das Niveau der Finanzmafia. An den Parlamenten vorbei wird über eine
Hebelung des Euro-Rettungsschirms verhandelt, welche die Risiken für die
Steuerzahler enorm erhöhen würde. Das ist Zockerei auf höchstem Niveau und kann
auf Dauer nicht gutgehen. Selbst bei der SPD, den Grünen und in Teilen des
Regierungslagers wächst der Unmut über eine derartige Aushebelung der
Demokratie. Nun rächt sich, daß man bei der Abstimmung über den ›Euro-Rettungsschirm‹ nicht einmal den Mut hatte, einem
Antrag der Linken zuzustimmen, der zumindest eine stärkere Beteiligung des
Parlaments eingefordert hatte. Wann wird endlich eingesehen, daß die Krise
nicht mit derselben Denkweise und denselben Methoden überwunden werden kann,
die uns in die Krise geführt haben? Wie lange will man noch Schulden auf
Schulden häufen und hilflos zusehen, wie sich die
großen Finanzkonzerne wieder einmal aus der Verantwortung stehlen?« [2]
Ein Plan der
Allianz-Versicherung, der vor kurzem bekannt wurde«, so Strategic Alert ferner,
»weist
in diese Richtung. Dort ist die Rede davon, die EFSF auszuweiten, indem man sie
zu einem ›Monoliner‹, d.h. Anleihenversicherer macht.
Dabei würden es Ausnahmeregelungen für den Notfall Regierungen gestatten,
entgegen bestehender Verträge die Schulden anderer Mitgliedsländer direkt zu
garantieren. Ein von der Executive Intelligence Review befragter Finanzmanager
legte ein weiteres mögliches Szenario dar, wie die EU Notstandsmaßnahmen durchsetzen
könnte: ›Die EFSF stellt nicht mehr
dar als eine in Luxemburg angemeldete Aktiengesellschaft und kann
damit von Luxemburgs besonderen Finanzgesetzen profitieren; z.B. könnte
sie über Nacht eine Banklizenz bekommen, ähnlich wie Goldman Sachs 2008 in der
USA zu einer Bank gemacht wurde. Das könnte der luxemburgische Premier- und
Finanzminister Jean-Claude Juncker fast allein machen, und von einem Tag auf
den anderen könnte dann die EFSF bei der EZB anklopfen, nach Geld fragen und es
bekommen. Die Ratifizierung der EFSF sei ein kleiner Schritt mit großen
Konsequenzen. Dadurch sei die ›kleine
Rechtseinheit‹ geschaffen worden,
die erweitert werden kann. ›Sobald
alles eingerichtet ist, müsse man nur noch die Schrauben anziehen.‹ So würde man den Bundestag dazu
bringen, die Finanzausstattung der EFSF zu erhöhen. Finanzminister Schäuble
warte nur auf den Notfall, etwa eine von der Troika verkündeten griechische
Zahlungsunfähigkeit. Schäuble würde dann im Bundestag
erklären: ›Ein Notfall! Wir müssen
handeln.‹ [1]
Zu Schäuble nachfolgend der Artikel
von
Univ.-Prof.
Dr. E. Dauenhauer - Finanzminister Wolfgang
Schäuble: eine Gefahr für Deutschland?
Wer die
Umtriebigkeit und die Äußerungen des Bundesfinanzministers aufmerksam verfolgt,
den beschleicht mehr und mehr das aufschreckende Gefühl, daß hier ein
verzweifelt agierender Berufspolitiker mit allen Raffinessen sich (!) ein
europäisches Denkmal setzen will, koste es für Deutschland, was es wolle. Dabei
geht er bei seiner Mittelwahl keineswegs immer demokratisch und im Sinne seines
Ministereides vor (»dem Wohle des Deutschen Volkes« Art. 56 GG). Mehr noch:
Wenn er über die desaströse Eurorettung spricht, stellt sich unwillkürlich der
Eindruck ein: Er weiß mehr, als er sagt, und er verfolgt in pectore offenbar
einen Plan, dessen Umrisse für Betrachter sich erst abzeichnet, wenn man
Signalstellen seiner Äußerungen zusammenfügt. Der offensichtliche Plan: Schäuble hatte nicht nur vor, (1) die
Budgetsouveränität des Bundestags zu beschneiden, wenn nicht gar auszuhöhlen
(die Währungssouveränität Deutschlands ist ohnehin vergemeinschaftet), er
strebte weiterhin (2) das höchst umstrittene Ziel ›Vereinigte Staaten von
Europa‹ an, das den Ländern nur noch Reste ihrer Souveränität läßt (wie in den
USA) und nationale Identitäten nach und nach folkloristisch verzwergt. Gefährlich ist dieser Weg, weil er
die aus Jahrhunderten herausgewachsenen Mentalitäts- und Kulturunterschiede
einzuebnen versucht, woraus sich zwangsläufig schwere Konflikte ergeben.
Schäuble läßt sich, wie alle politischen Missionare ohne Bodenhaftung (Politik
ist sein einziger Beruf, er kennt daher nicht den Berufsalltag der Bürger),
davon nicht abschrecken, obschon vor seinen Augen der erste Stützpfeiler seiner
illusionären Europa-Idee, die Gemeinschaftswährung, gerade zusammenbricht und
die Völker, entgegen allen Versprechungen, einander entfremden läßt wie seit
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr. Vor keinem Tribunal müssen sich die politisch Verantwortlichen für
diesen gewaltigen Zivilisationsrückschritt verantworten, daher ihre ungezügelte
Experimentierlust.
Schäuble
(und die politische Klasse fast insgesamt) weiß, daß das Parteiensystem eine
Art Immunitätsschutz für waghalsige Experimente ist, weil plebiszitäre
Kontrollen von der Verfassung nicht vorgesehen sind. Weder die Mehrheit der Medien noch die Justiz braucht er zu fürchten,
erst recht nicht den Verfassungssouverän, das Volk (vgl. Art. 20,2 GG), dem er
seine Pläne bisher nicht offen auf den Tisch gelegt hat. Nebulös heißt es, wir (d.h.
die politische Klasse, nicht das Volk) brauchen »mehr Europa«. Um sein Ziel zu
erreichen, operiert Schäuble auch im Geheimen, wie das Handelsblatt vom
24. August 2011 zu berichten weiß: »Schäubles Geheimdiplomatie: Parlament
unerwünscht. Der Finanzminister beschreibt in einem vertraulichen Dokument,
das er an fünf Spitzenpolitiker verschickte, die Arbeitsweise des mit 780
Milliarden Euro ausgestatteten Euro-Rettungsschirms. Die Parlamentarier sollen
demnach eine Generalermächtigung aussprechen. …. Die Abgeordneten des
Bundestags dürfen – so sieht es Schäubles Papier vor – lediglich den
EFSF-Rahmenvertrag abnicken.« Erst das Euro-Rettungsschirm-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts brachte ihn von diesen Plänen teilweise ab. Nach dem
Gesetz liegt nun die eigentliche Entscheidungsmacht nicht beim Bundestag,
sondern bei einem parlamentarischen Ausschuß, der geheim tagt - eine
überschaubare Gruppe für politische Einflußnahme. Was Schäuble stört, sind (1)
die Grenzen des Grundgesetzes, mit dem die gewünschten Vereinigten Staaten von
Europa nicht zu machen sind, (2) plebiszitäre Einsprüche und (3) die
aufdeckende Pressekritik. Zu 3
ein seltenes Beispiel: »Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht Europa als sein
(!) Projekt; doch in der Eurokrise spricht er wirr und agiert unberechenbar« (Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung vom 17. Juli 2011, S. 29). Ja, er operiert
unberechenbar und auch herablassend (»Ich habe meine spöttische Seite. « Vgl.
die denkwürdige öffentliche Abfertigung seines Pressesprechers Michael Affer
Anfang November 2010).
Zu 1: Die politische Klasse wird schon
einen Weg finden, das Grundgesetz europafreundlich umzubiegen. In
europarechtlichen Vertragsbrüchen hat sie ja eine bemerkenswerte Übung. Die Rechtskrise in Deutschland und Europa
ist so weit gediehen, daß kaum jemand im Lande gefordert hat, die Rechtsbrecher
vor Gericht zu stellen. Gespenstisch
daher die Euro-Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht. Schäuble »will
Deutschland nun in Europa aufgehen lassen«. So deutlich schreibt es der
Journalist Reinhard Müller. »Geschickt mischt er… Selbstverständliches mit
Visionärem.« Selbstverständlich ist für Schäuble, »daß es für unser Land keine
wirkliche Alternative zur europäischen Einigung und zur europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion gibt«. Das
ist typischer Schäuble-Nebel,
in welchem nicht erkennbar bleibt, wie die Einigung aussehen soll. Die
öffentlich gehandelten Modelle reichen von einem Europa der Vaterländer bis zum
Brüsseler Superstaat mit zentralistischer französischer Dominanz. Darüber läßt
sich der Bundesfinanzminister nicht aus, obschon zu vermuten ist, daß er die
zentralistische Variante bevorzugt, bevorzugen muß, weil anders eine
fiskalpolitische Gemeinschaftslinie nicht zu erreichen ist. Auch hier ist die Mißachtung eingetretener
Fakten oberstes politisches Prinzip: Was geldpolitisch total mißlungen ist (die
EZB ist zur Bad Bank geworden), wird fiskalpolitisch nicht anders ablaufen,
weil es nicht nur dem Souveränitätsverständnis, sondern auch den unterschiedlich
gewachsenen Mentalitäten der Länder widerspricht.
Schäuble
muß sich wenig darum kümmern, kann er doch in einem weitgehend sanktionslosen
politischen Freiraum agieren (vgl. oben). Wird er einmal ernsthaft
konfrontiert, wie bei dem denkwürdigen Gespräch mit dem ehemaligen Chefökonom
der EZB, Otmar Issing, reagiert er wie seinerzeit gegenüber seinem untergebenen
Pressesprecher: »Unterschätzen Sie die Entschlossenheit derer nicht, die jetzt
an Europa bauen wollen. Es trifft mich persönlich, wenn Sie das eine
Alibiveranstaltung nennen. Europa ist schon jetzt nach der Rechtssprechung des
Bundesverfassungsgerichts viel mehr als ein Staatenbund.« Es beleidigt ihn also
persönlich (!), wenn man die »Sorge« äußert, »daß man in der Krise nur eine Art
Alibikontrolle in Europa hinbekommt, die nicht politisch legitimiert ist« (so
Ottmar Issing). Das Interview ist
entlarvend: (1) Die »Entschlossenheit« der politischen Klasse (»derer …, die«)
darf nicht unterschätzt werden, die Völker haben nicht mitzureden (und wenn, wertet
man es als Unfall auf dem Weg zu .…). (2) Dieses epochale Vorhaben, das in
Gestalt einer Euro-EU-Mißgestalt angestrebt wird (Alternativmodelle werden
verteufelt), macht einer zu seinem persönlichen Anliegen – eine der
gefährlichsten politischen Konstellationen, wie die Geschichte zeigt. Denn
persönlicher Überehrgeiz schert sich wenig um Gesetze und Volksmeinung (vgl.
oben).
Wenn schon
Schäuble seine Person ins bitterernste Spiel bringt, dann muß er sich auch
Anmerkungen zu seiner Person gefallen lassen. Der Finanzminister ist Jurist,
eine Berufsgruppe, die sich bekanntlich für alles und jedes zuständig fühlt,
auch für Finanzen. Juristen sind Verfahrensspezialisten, denen Substanzen
leichterhand als knetbare Sache erscheinen. »Der wahrhaft juristisch Gebildete
beantwortet Rechtsfragen stets mit der ernst gemeinten Floskel: ›Es kommt
darauf an« (Milos Vec, MPI, Frankfurt/M.). Die Sachen selber werden stets unter
Verfahrenspassigkeit gesehen, wobei man das Verfahren auch locker sehen kann
(s. die Mißachtung des Bail-Out-Verbots). Daß manche Sachverhalte prozessual
nicht mit sich spaßen lassen, weil ihnen eine besondere Wucht und Logik
innewohnen, kommt in juristischem Denken nicht vor. »Habituell drückt sich der
Besitz juristischer Bildung darin aus, jedes Problem als eine (bloße, E. D.)
Rechtsfrage wahrzunehmen… Der Jurist nimmt jeden als jedermanns potenzieller
Prozeßgegner wahr. Von hier aus bis zum Querulantentum ist es nur ein kleiner
Schritt« (Milos Vec).
Wolfgang
Schäuble wird erkennbar von einem brennenden Ehrgeiz angetrieben, den auch
härteste Schicksalsschläge nicht brechen. Alle übermotivierten Ehrgeizlinge
sollten sich freilich diejenigen Zahlen hinter den Spiegel stecken, die
Wirtschaftsforscher vom Münchner Ifo-Institut gerade vorgelegt haben. Beim
Euro-Rettungsabenteuer stehen für Deutschland im schlimmsten aller Fälle nicht
weniger als 472 Milliarden Euro Kosten auf dem Spiel. Das übersteigt den
jährlichen Bundeshaushalt. Die maximale Kreditvergabe an schlingernde Länder
beträgt 1.691 Mrd. Euro. Und selbst diese gigantische Summe wird nicht reichen,
wenn Italien kollabiert. Wolfgang Schäuble ist der Hauptakteur in dieser
Tragödie. 3
1 Strategic Alert Jahrgang 24, Nr. 42
vom 19. Oktober 2011
2 http://www.jungewelt.de/2011/10-21/060.php Finanzmafia
3
Quelle:
© WALTHARI®
– Aus:www.walthari.com
http://www.walthari.com/ 13. 10. 11
Finanzminister Wolfgang Schäuble: eine Gefahr für Deutschland? - Von
Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer
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