Wirtschaftskunde, Lektion 1 - Von Paul Craig Roberts 19.02.2012 21:58
Am 27. Januar 2012 gab das Büro für die US-Wirtschaftsstatistik die Ergebnisse seiner Hochrechnung bekannt,
laut der
die Wirtschaft im letzten Quartal 2011 in inflationsbereinigtem Ausmaß real um
2,8 % gewachsen ist, was eine Steigerung der Wachstumsrate gegenüber dem
dritten Quartal bedeutet. Gute Nachrichten, stimmt’s ? Stimmt nicht. [1] Die
Presse hat uns nämlich nicht gesagt, daß nahezu die gesamte Zunahme des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf eine ›unfreiwillige
Aufstockung der Bestände‹
zurückzuführen ist, was bedeutet, daß mehr Güter produziert als verkauft worden
sind. Rechnet man die unverkauften Güter
ab, betrug die jährliche Wachstumsrate 0,8 %. Und sogar diese bescheidene
Wachstumsrate ist eine Übertreibung, weil sie auf einer Berechnung der
Inflation beruht, die die Inflation zu niedrig ansetzt. Die Berechnung der
Inflation durch die Regierung der USA geht nicht mehr von einem konstanten
Lebensstandard aus. Die Regierung hält die Inflationsrate dadurch niedrig, daß sie
einen sinkenden Lebensstandard mißt. Das erlaubt es unseren Beherrschern,
Ausgleichszahlungen zu den Lebenshaltungskosten, die an die Bezieher von
Sozialleistungen gehen sollten, für Aggressionskriege, Polizeistaat und den
Freikauf von Bankern abzuzweigen. Wenn eine Berechnungsmethode angewendet wird,
die einen konstanten Lebensstandard mißt, um das nominelle BIP zu berechnen, so
ergibt sich eine schrumpfende US-Wirtschaft. Es wird klar, daß die Wirtschaft
der Vereinigten Staaten keinen Aufschwung genommen hat und sich seit nunmehr
vier Jahren in einer tiefer Rezession befindet, ungeachtet der Proklamation
einer Erholung durch das National Bureau of Economic Research auf der Grundlage
gefälschter offizieller Zahlen. Eine Regierung kann immer die Illusion eines
Wirtschaftswachstums hervorrufen, indem sie die Inflationsrate untertreibt. Es
ist keine Frage, daß eine auf Ersatz beruhende Messung der Inflation die
Inflation niedriger angibt, als die sie Menschen erfahren. Mehr Gewißheit
darüber, daß es keine wirtschaftliche Erholung gegeben hat, bekommt man an Hand
jener Daten, die von der Inflation nicht berührt werden. Würde sich die
Wirtschaft tatsächlich erholen, würden diese Werte zunehmen. Stattdessen
bleiben sie gleich oder nehmen ab, wie John Williams beweist [2].
Wenn die
Einkommen nach der originalen Methode anstatt nach der neuen auf Ersatz
basierenden berechnet würden, wäre das Bild trostloser. Die Zuversicht der Konsumenten
zeigt keine Erholung und liegt weit unter dem Stand von vor einem Jahrzehnt.
Wie erholt sich eine Wirtschaft ohne eine Erholung des Vertrauens der
Konsumenten? Haushaltsgründungen blieben
auf dem gleichen Stand seit 2009 und liegen unter ihrem früheren Höchststand. Verkäufe
im Einzelhandel liegen unter dem Indexstand vom Januar 2000. Die
Industrieproduktion bleibt unter dem Indexstand vom Januar 2000. Um es noch
einmal zu sagen - der einzige Hinweis auf einen wirtschaftlichen Aufschwung ist
die Berechnung des BIP mit einer zu niedrig angesetzten Inflation. Die US-Wirtschaft
kann sich nicht erholen, da sie zu über 70 % von den Ausgaben der Konsumenten
abhängt. Die Auslagerung von Mittelklassejobs hat die Steigerung von Einkommen
der Mittelschicht gestoppt und einen Abfall der Kaufkraft der Konsumenten
verursacht. Die Notenbank unter Alan Greenspan kompensierte die ausbleibende
Steigerung der Einkommen der Konsumenten durch eine Politik der leicht
erhältlichen Kredite und einer Politik der steigenden Hauspreise mit niedrigen
Zinssätzen. Das ermöglichte es den Menschen, ihre Häuser zu refinanzieren und
die Differenz zu dem auszugeben, was ihnen Greenspans Politik beschert hatte.
Anders ausgedrückt: das Ansteigen der Verschuldung der Konsumenten und das Aufbrauchen
der Ersparnisse trieben die Wirtschaft an, und zwar anstelle des fehlenden
Wachstums bei den Einkommen der Konsumenten. Heute sind die Konsumenten zu
verschuldet, um neue Kredite zu bekommen, und die Banken sind zu insolvent, um
Kredite zu geben. Es besteht also keine Möglichkeit mehr, mangelndes
Einkommenswachstum durch weitere Schulden zu kompensieren. Eine ausgelagerte
Wirtschaft ist eine tote und erschöpfte Wirtschaft.
Die Konsequenz einer
toten Wirtschaft, wenn die Regierung Billionen an Dollars für Kriege der
nackten Aggression und für Freikäufe von betrügerischen Finanzinstitutionen
hinauswirft, ist ein Regierungsbudget, das nur durch den Druck von Geld
finanziert werden kann. Die Konsequenz des Gelddruckens, nachdem die Arbeitsplätze aus dem
Land hinaus verlagert worden sind, ist eine inflationäre Depression. Die
Katastrophe könnte sich heuer oder 2013 zu entfalten beginnen. Wenn sich
allerdings die Probleme Europas verschlimmern, könnte die Flucht in den Dollar
scharfe Anstiege der Inflation in der USA bis in das Jahr 2014 hinauszögern. Der
Kaiser hat aber keine Kleider, und früher oder später wird man draufkommen.
Abschliessend ein Auszug aus einem Artikel von Michael Payne [3]:
Der Anfang vom Ende
des US-Dollars als Welt-Reservewährung
Düstere
Zeiten stehen dem US-Dollar bevor, denn es sieht so aus, als schwebe seine
Zukunft als Welt-Reservewährung in großer Gefahr [3]. Mehr als 50 Jahre lang
war der US-$ die hauptsächlich von den Ländern der Erde verwendete Währung, um den
Handel mit bestimmten Gütern wie Erdöl, Industrieprodukten und Gold zu erleichtern.
Die Zeiten ändern sich jedoch und viele dieser Länder, allen voran China,
schließen jetzt Handelsabkommen ab, die nur ihre eigene Währung verwenden. Es
scheint also, daß die Alleinherrschaft des
US-Dollars als Weltreservewährung sehr wahrscheinlich innerhalb der nächsten
zehn Jahre zu Ende gehen wird. Es ist gewiß
keine Überraschung, daß China, das weitgehend
als führende Wirtschaftsmacht der Zukunft betrachtet wird, keine Zeit
verschwendet, seine wachsende Macht und Einfluß
in diesen Angelegenheiten zur Geltung zu bringen. China arbeitet aktiv mit
Ländern in Asien, im Mittleren Osten und in anderen Regionen der Welt zusammen,
um einschneidende Änderungen bei der Abwicklung des Welthandels und des
Geldaustausches herbeizuführen. Viele dieser Länder, die sich vom Dollar weg
bewegen, betrachten Amerika nicht länger als eine stabile und zuverlässige
Macht auf der Bühne der Weltwirtschaft und suchen nach Alternativen als Absicherung
gegen einen starken Abfall im Wert des Dollars in der Zukunft. Daß China der Hauptunterstützer dieser Bestrebungen,
den Dollar zu beseitigen, ist, steht außer Frage, die Beweise dafür sind
überall erkennbar. Hier einige typische Beispiele für die verschiedenen
Vereinbarungen, die zwischen China und anderen Ländern in letzter Zeit
abgeschlossen worden sind:
China und
der Iran sind dabei, ein System einzurichten, in dem iranisches Erdöl gegen
importierte Produkte aus China ausgetauscht wird. Das ist ganz offensichtlich
ein Abkommen, das darauf abzielt, die Sanktionen der USA gegen den Iran
auszuschalten, da China nicht die Absicht hat, den Import von iranischem Erdöl
einzustellen. Neben dem Austauschsystem werden die beiden Länder Handel treiben
und dafür den chinesischen Yuan, den iranischen Rial und Gold benutzen.
China und
Japan haben Pläne angekündigt, den Dollar zu umgehen und ihre eigenen Währungen
in ihren Handelsbeziehungen zu verwenden. Gespräche bezüglich einer
Partnerschaft, die den Währungsaustausch zwischen Südkorea und China betrifft,
haben ebenfalls begonnen. Das ist ein großer Schritt vorwärts, da China, Japan
und Südkorea die dominanten Wirtschaftsmächte in dieser Region Asiens sind.
China und
Rußland wickeln ihren Handel schon über ein
Jahr lang ab, indem sie Rubel und Yuan benutzen.
China und
die Vereinigten Arabischen Emirate haben ein Abkommen bekannt gegeben, dem
zufolge der Yuan für den Handel mit Erdöl benutzt wird. Die chinesische
Nationalbank teilte mit, daß dieses Abkommen
im Wert von rund 5,5 Milliarden Dollar getroffen wurde, um »die
finanzielle Zusammenarbeit zu stärken, Handel und Investitionen zu fördern und
um die finanzielle Stabilität der Region beiderseits zu sichern«.
Rußland und der Iran haben beschlossen, den Rubel als
Währung in ihren Handelsbeziehungen zu verwenden. Rußland
widersetzt sich gemeinsam mit China den Sanktionen der USA gegen den Iran und
hat die Absicht, eine enge Beziehung zum Iran zu pflegen.
China wird
den beiderseitigen Handel mit Rußland und Malaysia
ausbauen und dafür je nachdem den Yuan, den Rubel und den Ringgit verwenden.
Die Länder
der BRICS-Gruppe – Brasilien, Rußland, Indien,
China und Südafrika – einigten sich bei ihrem letzten Gipfeltreffen in Sanya,
China, darauf, gegenseitige Kreditlinien in den jeweiligen Währungen
einzurichten. Das ist wiederum eine sehr bedeutende Entwicklung, da diese
Gruppe von Ländern für einen sehr mächtigen Wirtschaftsblock der Zukunft steht.
Die UNCTAD,
die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung hat
festgestellt, daß »das
derzeitige System von Währungen und Kapitalbestimmungen, das die Weltwirtschaft
bindet, nicht richtig funktioniert und weitgehend für die finanziellen und
wirtschaftlichen Krisen verantwortlich war«. Und weiter, daß »der Dollar durch eine Weltwährung ersetzt werden
sollte«.
Der
Internationale Währungsfonds (IMF) veröffentlichte vor kurzem eine Erklärung,
die die Ablösung des Dollars als Weltreservewährung durch ein System der
speziellen Ziehungsrechte betrifft; letztere bilden unter der Bezeichnung SDR
eine internationale Währungsvariante, die 1969 geschaffen wurde und im Prinzip
einen ›Korb von nationalen Währungen‹ darstellt, der vom Vertrauen der Regierungen der Mitgliedsländer
getragen wird. Es sieht so aus, als hätte es jeder eilig, bei der Abschaffung
des Dollars als Reservewährung mitzumachen. Dieses Phänomen könnte man als ›Heimzahlmöglichkeit‹ bezeichnen, nachdem viele Länder, die
entweder den Respekt vor Amerika verloren haben oder dessen militärischen Zugriff
fürchten, einen Weg gefunden haben, die physische Gewalt mit wirtschaftlicher
Macht zu bekämpfen.
Wie Paul
Müller in der Berliner Umchau
schreibt [4], hat sich Teheran mit Indien angeblich schon auf ein neues
Bezahlungssystem für Rohstoffe geeinigt. Zugleich fließen Irans Ölströme
offenbar bereits jetzt schon verstärkt in Richtung Osten, anstatt nach Europa.
Andere Staaten, etwa Sri Lanka, könnten
sich anschließen. Ein Gefährliches Spiel, denn die Umstellung kommt einem
Frontalangriff auf die Stellung des US-Dollars gleich. Nach Angaben der Agentur
Dow Jones einigten sich Teheran und Neu-Delhi über die Türkei auf einen Ersatz
für das bisherige Zahlungssystem. Einige Details der künftigen Geschäfte sind
anscheinend noch offen: der iranische Rundfunk kündigte an, Indien werde »seine
Erdöl-Importe künftig in Rupien oder auf andere Weise bezahlen«. Ende
Januar hatte die auf Geheimdienste spezialisierte israelische Internetseite ›Debkafile‹ sogar Gerüchte gemeldet, die Geschäfte könnten auf Gold-Basis umgestellt
werden. Zugleich stockte Indien seine Ölimporte aus dem Iran allein diesen
Januar um 37,5 % auf – und kauft damit im wesentlichen den bislang nach Europa
exportierten Rohstoff. Der Iran exportiert pro Tag etwa 2,5 Millionen Barrel,
wovon bislang 40 % an die Großkunden Indien und China gingen. Aus der Sicht
Teherans ist dies ein notwendiger Schritt, weil die EU ab Juli Zahlungen über
die Iranische Zentralbank und den Import iranischen Öls verbietet. Die USA
zeigt sich mit Rücksicht auf eigenen Handelsinteressen etwas flexibler –
Ende Dezember unterzeichnete Präsident Barack Obama bekanntlich ein Gesetz, das
Sanktionen gegen Geschäftspartner der Bank möglich, jedoch nicht zwingend macht.
Quelle: www.antikrieg.com
http://www.antikrieg.com/aktuell/2012_02_02_wirtschaftskunde.htm 31. 1. 12
Wirtschaftskunde,
Lektion 1 – Von Paul Craig Roberts -
leicht gekürzt
Roberts
ist ehemaliger stellvertretende US-Finanzminister
[1] Wenn Sie erfahren wollen, was in Wirklichkeit
los ist, müssen Sie sich an John Williams von shadowstats.com
wenden.
[2] Die Graphiken zu den statistischen Angaben
siehe
http://de.ibtimes.com/articles/25268/20120202/paul-craig-roberts-ber-die-wahre-situation-der-wirtschaft.htm 2. 2. 12
Paul Craig Roberts über die wahre Situation der Wirtschaft
Original
auf http://www.paulcraigroberts.org/2012/01/31/economics-lesson-1/ 31. 1. 12 Economics Lesson 1
[3] www.antikrieg.com
http://antikrieg.com/aktuell/2012_02_05_deranfang.htm 4. 2. 12
Der Anfang
vom Ende des US-Dollars als Welt-Reservewährung – Von Michael Payne 2012;
auszugsweise
[4] http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=43678&title=Abkehr+vom+Dollar+%96+Iran+stellt+Zahlungssystem+f%FCr+%D6lexporte+um&storyid=1001328776316
9. 2. 12
Abkehr vom
Dollar – Iran stellt Zahlungssystem für Ölexporte um - Von
Paul Müller
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