Strategic Alert: US-Militär drängt auf Strategie zur Vermeidung eines Iran-Kriegs

Die US-Streitkräfte als Institution bleiben davon überzeugt, daß ein Krieg gegen den Iran eine Katastrophe wäre

und sich mit diplomatischen und anderen Mitteln vermeiden läßt. Dies machte der nationale Geheimdienstkoordinator James Clapper am 16. Februar gegenüber dem Streitkräfteausschuß des US-Senats deutlich. Clapper äußerte sich ähnlich wie schon bei einer Anhörung Anfang Februar: Nach Einschätzung der US-Nachrichtendienste halte sich Teheran die  Option des Baus einer Kernwaffe offen, habe sich aber noch nicht dafür entschieden. »Und wir denken, daß diese Entscheidung vom Staatsführer persönlich getroffen würde, und daß er diese auf eine Kosten-Nutzen-Analyse stützen würde, wobei ich nicht glaube, daß er um jeden Preis eine Kernwaffe haben will.« Auf die Frage, ob der Iran innerhalb von 1-2 Jahren eine Bombe bauen könnte, antwortete Clapper, das sei technisch möglich, aber unwahrscheinlich. »Es gibt allerlei Kombinationen und Permutationen, die beeinflussen, wie lange es dauern würde, falls die Iraner beschließen, sich eine Kernwaffe zu beschaffen.« Der Leiter des Militärgeheimdienstes DIA, General Ronald Burgess, sagte aus, der Iran werde wahrscheinlich zurückschlagen, wenn man ihn angreife, aber nach Einschätzung des DIA »ist es unwahrscheinlich, daß der Iran einen Konflikt beginnt oder bewußt provoziert.« Die Anstrengungen von Seiten des Militärs, einen Krieg zu vermeiden, sind nützlich, umso mehr als informierte Beobachter von EIR berichten, daß es Fortschritte bei den Bemühungen um neue Gespräche zwischen dem Iran und der 5+1-Gruppe gebe. Aber die Kriegsfraktion in der USA und in Israel mobilisiert weiter nach Kräften. Die Lobbygruppe AIPAC, American Israel Public Affairs Committee, hat beschlossen, ihre Jahreskonferenz vorzuverlegen, was höchst ungewöhnlich ist. Die Konferenz soll vom 5. bis 6. März stattfinden, wohl um die Kriegspropaganda massiv zu verschärfen, noch bevor die 5+1-Gespräche Ergebnisse erzielen können. Es wird damit gerechnet, daß etwa 200 Kongreßabgeordnete, die zu den größten Säbelrasslern gehören, die AIPAC-Konferenz besuchen werden. Am 16. 2. wurde im Senat eine Resolution eingebracht, in der es heißt, es sei im lebenswichtigen nationalen Interesse der USA, zu verhindern, daß die iranische Regierung die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe erlange: also schon die theoretische Möglichkeit und nicht die konkrete Aktivität. Die Resolution ist von 32 Senatoren unterzeichnet, angeführt von Joe Lieberman, Lindsey Graham und John McCain, aber auch von liberalenDemokraten, und wird von der AIPAC unterstützt. Der verrückte Lieberman sagte, der Iran habe nur zwei Möglichkeiten: Verhandelt friedlich, um euer Kernwaffenprogramm zu beenden, oder rechnet mit einem Militärschlag, der dieses Programm ausschaltet.

 

Es ist gut, daß die US-Militärführung einen Angriff auf den Iran ablehnt; zu den Mitteln, auf die zur Kriegsvermeidung zurückgegriffen werden, zählen jedoch die zu Jahresbeginn von der USA und der EU gegen jedes Land resp. Unternehmen, das mit der iranischen Zentralbank Geschäfte macht, verhängten harten Sanktionen. Dies macht Irans Außenhandel jeglicher Art sehr schwierig, sogar tauschartige Geschäfte sind davon betroffen. Das Ziel hierbei ist offensichtlich nicht, den Bau von Kernwaffen zu verhindern, sondern die Iraner auszuhungern, doch es ist unwahrscheinlich, daß diese sich deshalb gegen ihre Regierung wenden. Bestimmte Nahrungsmittel sind viel knapper geworden. So haben z.B. malaysische Exporteure die Lieferung von Palmöl, das im Iran für Margarine und Konditorwaren verwendet wird, wegen Zahlungsrückständen eingestellt. Die Einfuhr von Mais aus der Ukraine, einem der Hauptlieferanten, lag im Januar 40 % unter der üblichen Menge. Mais wird im Iran hauptsächlich in der Viehzucht verwendet. Indien liefert ca. 70 % der iranischen Reis-Einfuhren, die Versorgung steht aber jetzt dennoch in Frage, da der Iran nicht zahlen konnte. Der Verband der indischen Reisexporteure empfiehlt seinen Mitgliedern, an den Iran nicht mehr auf Kredit zu liefern. Wie der indische Handelsminister Rahul Khullar mitteilte, bemüht sich ein privater iranischer Getreidehändler um einen Vertrag zur Lieferung einer großen Menge Weizen aus Indien. Der Weizen wäre verfügbar, aber die Zahlungsbedingungen sind fraglich. Indien ist der zweitgrößte Abnehmer von iranischem Rohöl, in Höhe von etwa 11 Mrd.$ jährlich: man könnte daher ein Tauschgeschäft Nahrungsmittel gegen Öl arrangieren. Offenbar haben die beiden Regierungen am 14. 2. eine Möglichkeit zum Umgehen der Sanktionen ausgearbeitet.  [1]

 

Kommentar politonline: Nachdem die EU bekanntlich einen Importstopp iranischen Öls vom 1. Juli an beschloss, hat der Iran seine Öllieferungen an 6 EU-Länder inzwischen eingestellt. Die damit verbundenen Folgen scheinen indessen erst spät ins Bewusstsein aller Kriegsgurgeln zu dringen. Sehr plötzlich gefährdet nun der hohe Ölpreis in zunehmendem Mass die globale Konjunktur, wie dies jetzt auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbanker der 20 grössten Industrie- und Schwellenländer in Mexiko ausgesprochen wurde. Das hielt jedoch IWF-Vizechef Lipton keineswegs davon ab, insbesondere auf den Iran zu verweisen, der ein Risiko darstelle. Kein Wort darüber, dass sie sich dieses Risiko selbst verdanken, indem sie es selbst ausgelöst haben. Die Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts, den sie nicht müde werden, zu schüren, treiben ganz klar den Ölpreis und damit die Benzinpreise in die Höhe. Es ist schwer zu sagen, was man diesen Geistern, denen wir widerstandslos ausgeliefert sind, an Verstand und Überlegung überhaupt noch zubilligen sollte.

 

[1]  Quelle: Strategic Alert, Jahrgang 25, Nr. 8 vom 22. Februar 2012