Eveline Widmer-Schlumpf und Philipp Hildebrand - Also doch ein Komplott ? Von Ulrich Schlüer 12.03.2012 00:39
Gemäss geltendem Reglement könne Philipp Hildebrand für seine Devisen-Spekulationen
mit
Insider-Wissen strafrechtlich nicht belangt werden. Kein Reglement habe dem
obersten Chef der Nationalbank solche Geschäfte ausdrücklich verboten. So
verkündet der Bankrat der Nationalbank das Ergebnis der verlangten, bezüglich
Hildebrand lückenhaften Untersuchungen und beeilt sich, nachzuschieben, dass das
Reglement jetzt zügig geändert werde. Denn Devisen-Spekulationsgeschäfte
müssten für den obersten Entscheidungsträger für die Festlegung des
Franken-Kurses ausgeschlossen werden.
«Reglementskonform»
Das
erinnert an Standpunkte des Vorgängers von Philipp Hildebrand im SNB-Präsidium,
Jean-Pierre Roth, zum gleichen Sachverhalt: Als Direktoriums-Präsident der
Nationalbank habe er, Jean-Pierre Roth, sein gesamtes Privatvermögen immer und
ausschliesslich in Franken angelegt. Private Devisengeschäfte hätte er in
dieser Position nicht einmal in Erwägung gezogen. Jean-Pierre Roth benötigte
für diese Haltung, die Verantwortungsbewusstsein und Anstand ausstrahlt, kein
spezielles Reglement. Er wusste ohne Reglement, was er als SNB-Präsident dem
Land schuldig war.
Interessant
auch die nationalen und internationalen Reaktionen auf den seinerzeit
unerwartet rasch erfolgten Rücktritt Hildebrands. Alle Notenbanker
ausländischer Zentralbanken stellten unisono fest, dass Devisen-Spekulationen
für einen Notenbank-Präsidenten tabu seien. Dulde die Schweiz solche Geschäfte
des obersten Verantwortlichen für die Landeswährung, dann werfe dies Schatten
auf die Glaubwürdigkeit der Schweizerischen Nationalbank. Diametral gegenteilig
reagierten die hiesigen Medien mitsamt Classe politique: Hildebrands Abgang
wurde wortreich beklagt. Man stilisierte ihn zum Opfer böser Machenschaften empor,
lobte seinen Abgang als den eines ›Mannes
von Welt‹ und beweihräucherte ihn
als jemanden, der die Grösse ›selbstloser
Entschlussfassung‹ demonstriert
habe. Hildebrands Tun blieb ausgeklammert. Schrankenlose Bewunderung der
Auftritte Hildebrands hatte den Zorn ob der misslungenen ›endgültigen Erledigung‹ Christoph
Blochers zu tarnen, dessen Einflussnahme Hildebrands untolerierbare
Spekulationen ans Tageslicht befördert hatten.
Hildebrands ›Freiwilligkeit‹
Einmal
mehr: Ist irgendein Vorgang in der Schweiz mit dem Namen ›Blocher‹ in Verbindung
zu bringen, setzt bei denen, die notorisch in die Medien drängen, alsbald der
Verstand aus. Ob sich das ändert, wenn es die weiteren Ergebnisse aller
Recherchen zu den Vorgängen um Hildebrands Rücktritt zu beurteilen gilt? Heute
ist nämlich jeder Zweifel darüber ausgeräumt, dass Hildebrand - der sich anlässlich seines Rücktritts
wortreich als derjenige etikettierte, der im Unterschied zur Gegenseite nie
gelogen habe - die Öffentlichkeit
bezüglich der seinen Rücktritt auslösenden Umstände dreist belogen hat. Sein
Rücktritt erfolgte keineswegs ›aus
eigener freier Entscheidung‹. Ihm
wurde vielmehr seitens Bankrat und SNB-Direktorium in offenbar dramatischer
Auseinandersetzung das Vertrauen entzogen. Er trat zurück, als der Abwahlantrag
des Bankrats an den Bundesrat greifbar war.
Wer zog die Fäden?
Schockierend
ist, was dabei über die Handlungsweise der Finanzministerin, Bundesrätin Eveline
Widmer-Schlumpf aus Tageslicht gefördert wurde: Der SNB-Bankrat hatte
Hildebrand das Vertrauen entzogen,
nachdem Hildebrands persönlicher Bankberater die Unhaltbarkeit der
Schuldzuweisung Hildebrands an seine Frau, die angeblich ohne sein Wissen über
sein Konto mit Devisen spekuliert haben solle, offengelegt hatte. Nach
Aufdeckung dieser Lüge und dem daraus der Nationalbank drohenden Schaden
forderten Direktorium und Bankrat Hildebrand unmissverständlich zum Rücktritt
auf. Dieser wäre schliesslich dazu bereit gewesen – hätte nicht Finanzministerin
Eveline Widmer-Schlumpf höchst persönlich interveniert und Hildebrand zum
Rücktritt von seinem Rücktritt veranlasst. Bankrat und Direktorium
mussten ihre grösste Kanone auffahren: Würde Hildebrand nicht gehen, würden der
Bankrat in corpore sowie beide Vize-Direktoren der Nationalbank miteinander
zurücktreten.
Nicht
einmal diese massive Willensbekundung der SNB-Verantwortlichen liess Eveline
Widmer-Schlumpf von weiterer Intervention Abstand nehmen – nachdem sie an der ›Arena‹ vor grossem Publikum mit himmelblauem Augenaufschlag und
lammfrommer Miene die Rolle der völlig Unwissenden, allein von ihrer Sorge um
die Stabilität des Landes Angetriebenen gespielt hatte. Inzwischen wurde
offengelegt, dass sie per Telefonkonferenz den Bundesrat überreden wollte, auch
Hildebrands zweite Rücktrittserklärung abzulehnen – wobei ihr auf solch
präsidialem Husarenritt offenbar nur noch Johann Schneider-Ammann Gefolgschaft
geleistet hat. Welch abgrundtiefer Vertrauensbruch zwischen den
Verantwortungsträgern der Schweizerischen Nationalbank und der Schweizer
Finanzministerin. Und welch ruchlose Skrupellosigkeit bei der Täuschung der
Öffentlichkeit via Bildschirm…
Die Kampfagentur
Weitere
Details zum Abgang Hildebrands wurden inzwischen offengelegt: Jene landesweit bekannte,
ihre Dienstleistungen notorisch äusserst teuer verkaufende Kampfagentur, die
PR-Agentur Denzler, die Hildebrand engagiert hatte, auf dass sie ihn aus der
Schlusslinie manövriere, arbeitete auf Kosten der Schweizerischen Nationalbank
– nicht auf Kosten Hildebrands. Es war diese Agentur Denzler, die offenbar den
Dreh vorschlug, eine eigentliche Diffamierungs-Kampagne - mit der «NZZ am
Sonntag» und der «SonntagsZeitung» als Helfershelfer – gegen Christoph Blocher als Überbringer der
Informationen über die Spekulationsgeschäfte Hildebrands an die
Bundespräsidentin zu entfesseln. Nach den Eidgenössischen Wahlen, nach der
Bundesratswahl, so lautete offenbar das Kalkül dieser Katastrophenhelfer-Agentur,
seien die Medien derart auf Christoph Blocher eingeschossen, dass sie wohl
bereitwillig der von der SNB gezielt böswillig entfesselten
Anti-Blocher-Kampagne aufsitzen würden….. Was, sieht man sich genötigt zu
fragen, wusste Bundesrätin und Finanzministerin Widmer-Schlumpf - die auf die von SNB-Chef Hildebrand
versuchten Abwehrmanöver so intensiv Einfluss genommen hat, von dieser am 1.
Januar losgetretenen Ablenkungs-Attacke
auf Blocher?
Verantwortungslos
verratene Vertraulichkeit
Was zu den
Transaktionen Hildebrands Ende 2011 entdeckt wurde, gelangte unter jederzeit
eingehaltener, vollumfänglicher Verschwiegenheit über einen SVP-Kantonsrat aus
dem Kanton Thurgau und Nationalrat Christoph Blocher an die Bundespräsidentin
in ihrer Eigenschaft als Präsidentin der Wahlbehörde für das SNB-Präsidium.
Auch das Departement Calmy-Rey hielt dicht. An die Öffentlichkeit gezerrt wurde
das Geschehen durch die Kampfagentur Denzler, die, von Hildebrand persönlich angetrieben,
für die SNB engagiert worden war. Ins Kreuzfeuer der Justiz geriet nach dieser
bar jeder Verantwortung lancierten Attacke – nebst dem Bank Sarasin-Mitarbeiter
– indessen der Thurgauer SVP-Kantonsparlamentarier. Alle andern sollen offenbar
ungeschoren davon kommen.
«Knallharte Aufklärung»
Bundesrätin
Eveline Widmer-Schlumpf forderte anlässlich ihres TV-Auftritts in der ›Arena‹ am 6. Januar 2012 ›knallharte Aufklärung‹ aller Vorgänge rund um das, was zur ›Affäre Hildebrand‹ geworden ist. Ihrer Forderung ist vorbehaltlos beizupflichten. Zu
erfüllen ist diese Forderung allerdings nur, wenn das Parlament zur
Untersuchung der ›Affäre Hildebrand‹ der Schaffung einer Parlamentarischen
Untersuchungskommission, zustimmt. Allein diesem Untersuchungsorgan sind alle
am Geschehen Beteiligten – inklusive Bundesrätin Widmer-Schlumpf, inklusive die
Übermittler von Hildebrands Machenschaften, inklusive die Organe der
Schweizerischen Nationalbank – zur vorbehaltlosen Offenlegung ihres Wissens
verpflichtet. Wer Klarheit haben will, muss der Schaffung dieser PUK zustimmen.
Nur eine solche garantiert jene knallharte Aufklärung, wie sie
Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf gefordert hat. Wer Nein zur PUK sagt,
der will vertuschen. Er würde insbesondere vertuschen, welche Rolle die heutige
Bundespräsidentin in dieser Affäre, die den Rücktritt Philipp Hildebrands als
SNB-Direktionspräsident unumgänglich werden liess, gespielt hat. Solche
Vertuschung darf nicht stattfinden!
Nachspiel
Zu Philipp
Hildebrand und seiner Gattin – zu den Personen also, welche die
SNB-Untersuchung überhaupt erforderlich machten – seien, gibt der SNB-Bankrat
jetzt bekannt, keine näheren Untersuchungen mehr angestellt worden – Hildebrand
sei ja bereits zurückgetreten. Weil niemand für solche Schonungsmanöver Verständnis
bekundet - während, wie gesagt, einer
der Aufdecker von Hildebrands Spekulationsgeschäften einer Strafuntersuchung
ausgesetzt ist – wird jetzt eilig wenigstens eine
Nachuntersuchung mit Hildebrand und seiner Frau im Fokus ›erwogen‹. Nicht wegen
Hildebrand, vielmehr deshalb, weil der Nationalrat kommende Woche den
PUK-Entscheid zu treffen hat. Allein um ein Ja zur PUK zu vermeiden, ›erwägt‹ der Bankrat gegenwärtig sogar eine Hildebrand-Untersuchung. Die
Vertuscher sind am Werk… [1]
Bankverbandschef
Patrick Odier fällt Wegelin-Partner, der als Einziger der USA die Stirn bietet,
in den Rücken
Wer vom
Sockel stürzt, hat nichts zu lachen. So ist die Schweiz. Am eigenen Leib
erfährt dies Konrad Hummler. Der Chef der von der USA angeklagten Bank Wegelin
ist zum schwarzen Schaf von Swiss Banking geworden. Für seine Branchenkollegen
ist Hummler Freiwild. Übers Wochenende kühlten Spitzenleute ihr Mütchen an
jenem Mann, der bis vor wenigen Wochen der unbestrittene Star von Helvetiens
wichtigster Industrie war. Patrick Odier, Genfer Privatbankier und als
Präsident der Bankiervereinigung der Oberhirte der hiesigen Finanzbranche,
erklärte gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Bei der Bank Wegelin kann ich
nur sagen, dass die Bank ganz klar im Widerspruch zur Strategie des
Finanzplatzes gehandelt hätte, sollte sich die Anklageschrift bewahrheiten.» Dann
setzte Odier noch eins obendrauf. «Ohne Kenntnis der genauen Faktenlage scheint
mir das unverständlich, auch wenn es Einzelfälle waren», posaunte er hinaus.
Einzelfälle?
Erstens stehen derzeit 11 Banken am US-Pranger, neben Wegelin sind das Credit
Suisse, Julius Bär, Zürcher und Basler Kantonalbank und weitere ›honorige‹ Finanzunternehmen. Zweitens kursieren Gerüchte, dass die USA eine
weitere Verdächtigen-Liste mit noch mehr Schweizer Banken führt. Wer auf dieser
verzeichnet sein könnte, weiss niemand mit Sicherheit. Drittens ist praktisch
der ganze Finanzplatz mit unversteuerten US-Geldern der UBS ›kontaminiert‹. Diese verwaltete rund 20 Milliarden $ von 20 000
US-Steuerhinterziehern. Wenn Wegelin als besonders aktive UBS-Profiteurin gut
100 US-Kunden aufgenommen hatte: Wo sind dann alle übrigen gelandet? Ginge es ›nur‹ um die 11 Banken, müsste Bern nicht mit der USA über einen
Globaldeal verhandeln. Letzterer will ein Ende der Angriffe auf den ganzen Finanzplatz.
(Nota bene: Nur die Banken wären fein raus, nicht aber die Kundenberater, die
Amerikaner mit unversteuerten Geldern betreut hatten.) Odier weiss das; als
höchster Banker des Landes und Mitglied der Spitze von Lombard Odier, eine der
wichtigsten Genfer Privatbanken, ist er im Bild.
Warum drischt er
trotzdem öffentlich auf Hummler ein?
Zum einen
stimmen viele in den Mainstream ein. Es gehört derzeit zum guten Ton, Hummler
anzuschwärzen. Damit kann man sich selbst als Saubermann in der Öffentlichkeit
präsentieren. Der Verlockung erlag auch Martin Senn von der
Zürich-Versicherung. Aus dem Nichts heraus meldete sich der Versicherungs-CEO
am Sonntag in der «Neuen Zürcher Zeitung» zur US-Anklage gegen die Bank
Wegelin. «Ich bin nicht Richter über die Banken», begann Senn, um dann vom
Leder zu ziehen. «Als Staatsbürger aber bin ich der Meinung, dass wir uns in
allen Geschäften an die rechtlichen Vorgaben halten müssen. Wir können kein
Interesse daran haben, mit einem Businessmodell, das gegen die Gesetze in
anderen Ländern verstösst, Geschäfte zu treiben. Das ist weder im Interesse der
Schweiz noch der Unternehmen.» Hinter der lauten Rhetorik stecken knallharte
Ziele. Odier und wohl auch Senn wollen die Schuld möglichst einseitig Wegelin
und den anderen angeschossenen Instituten in die Schuhe schieben, damit sie
selbst beim grossen Reinemachen glimpflich davonkommen. Es geht um den grossen
Preis eines Globaldeals. Einen solchen strebt Odier an, «dafür engagieren wir
uns», betonte er in der «Neuen Zürcher Zeitung».
Die USA
nannte einst die Zahl von 10 Milliarden $. Selbst wenn man bei der Hälfte
landet, müsste der Finanzplatz eine Riesensumme leisten. «Wer zahlt?», lautet somit
die zentrale Frage. Hummler & Co., meinen der Genfer Odier und der Zürcher
Senn.
Doch sie
machen die Rechnung ohne den schlauen Fuchs aus St.?Gallen. Im Militär brachte es Hummler bis
zum Oberst. Er weiss, was es heisst, eine Bedrohungslage zu analysieren, die
eigenen Handlungsoptionen zu prüfen, einen eiskalten Entscheid zu fällen und diesen
in die Realität umzusetzen. Das ist Hummlers Welt, in ihr fühlt sich der
gefallene Bankier in seinem Element. Sich von einem Funktionär wie Odier in die
Enge treiben zu lassen, kommt nicht in Frage. Letzte Woche zeigte Hummler
seinen Kampfgeist. Zuerst sistierte er sein Amt als Präsident der «Neuen
Zürcher Zeitung», um sich den Rücken für den Showdown mit der USA freizuhalten.
Am Freitag liess er dann den Gegner aus Amerika im Regen stehen. Ohne korrekt
zugestellte Anklage erscheine kein Wegelin-Banker vor dem Richter, liess er
Übersee wissen. Für Bankenpräsident Odier und seine Freunde in der Berner
Verwaltung wird Hummler damit zum unberechenbaren Element. Die USA muss die
Bank Wegelin nun via Rechtshilfe vor die Gerichtsschranken zerren. Doch Rechtshilfe
kann nur Bern geben. Gibt der Bundesrat grünes Licht, wäre das ein Präjudiz im
folgenden Sinn: «Wegelin verletzte nicht nur US-Recht, sondern auch Schweizer
Gesetze.» Das wäre der Dammbruch. Alle beschuldigten Banken inklusive der «Too
big to fail»-Credit Suisse und den zwei kantonalen Instituten mit ihrer
Staatsgarantie würden von der obersten Schweizer Instanz zum Abschuss
freigegeben. [2]
[1] http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Also_doch_ein_Komplott-529
Der
aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 9. März 2012 Von Ulrich Schlüer, Chefredaktor der «Schweizerzeit»
Alle Hervorhebungen durch politonline
[2] Quelle: Inside Paradeplatz vom 14. 2. 2012
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=706 Alle kuschen, nur Hummler nicht
Zeit-Fragen 2012 Nr.9 vom 27.2.2012 Quelle:
Inside Paradeplatz vom 14.2.2012
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