Die Schweiz und ihre Politik

Gemischtwarenhändler Christophe Darbellay, so Christoph Mörgeli, bringt es als

CVP-Präsident weder je zum Regierungsrat noch zum Bundesrat. Die Walliser haben ihn schon einmal verschmäht und würden es noch fünfmal tun. Das Bundesratsmandat dürfte Parteikollegin Doris Leuthard weitere zwanzig Jahre lang versitzen, um dereinst ihren Atomausstieg zu feiern. Und bei der CVP, die 2011 fast jeden fünften Wähler verlor, sucht Darbellay langsam aber sicher den Abgang. Darum hat der Berufspolitiker beschlossen, künftig wenigstens noch etwas Geld zu verdienen. Darbellay betätigt sich als Jäger, lieber aber noch als Sammler. Als Sammler von lukrativen Mandaten; neben dem Nationalratsjob und dem Vorsitz des Eidgenössischen Schützenfestes präsidiert er folgende Gremien: Interessen- Gemeinschaft Mineralwasser, Weine Robert Gilliard SA, Car Tourisme Suisse. Ferner ist er Verwaltungsrat der Fotovoltaik EnAlpin SA und der Gastronomie Enclos de Valère. Doch den fettesten Coup hat er eben erst gelandet: Darbellay wird Präsident des Schweizer Casino-Verbands (SCV). Nach dem Motto: Ein C im Namen tönt immer gut. Das Glücksspiel ist staatlich bis zum  Exzess reguliert. Und darum besonders filzanfällig. Und darum besonders CVP-kompatibel. Auf den Gipfel des Casino-Verbands wurde Darbellay aber nicht von der schwarzen Madonna getragen, sondern vom schwarzen Anwalt Benno Schneider (CVP), dem Präsidenten der Spielbanken-Kommission. Also doch irgendwie von einem Allmächtigen. In CVP-Gebieten fielen die Casino-Konzessionen wie Glückstaler vom Himmel. Etwa in Baden, Luzern, Lugano, St.Gallen. Oder in Pfäffikon SZ, Freiburg, Crans-Montana, Locarno oder Mendrisio.

Ein Kaff wie Zürich musste zehn Jahre lang warten. Nun wird also der oberste Christdemokrat gleichzeitig der oberste Geldspieler. Gemischtwarenhändler Darbellay dürfte sich auch über die Diskretion des Casino-Verbands freuen: »Das Jahreseinkommen wird nicht kommuniziert«. Denn es steht geschrieben: »Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon« (Matthäus 6,24). Und dies sagte Papst Benedikt XVI. am katholischen Weltjugendtag: »Das Leben ist kein Glücksspiel«. Für Darbellay aber gibt es keine Widersprüche. Man lese nur sein CVP-Parteiprogramm. Es lässt sich in den Worten zusammenfassen: »Ich bin nicht krumm, ich bin nicht grad, ich bin ein  Christlichdemokrat«. 

Das Fanal von Genf - Die Schweiz und ihre Forschungsplätze  -  Von Ulrich Schlüer

Hatten Sie, geehrte Leserin, geehrter Leser, je Gelegenheit, das Forschungszentrum eines in der Schweiz niedergelassenen grossen Konzerns zu besichtigen, zum Beispiel eine Forschungsabteilung einer unserer grossen Chemie- oder Pharmakonzerne? Ein Forschungszentrum also, wo sich Labor an Labor, Forschungsstation an Forschungsstation reiht und wo man Dutzende Wissenschafter an der Arbeit verfolgen kann, wie sie mit ihren Apparaten die Versuche einrichten. All diese Apparate benötigen Energie ….. Selbst wenn die in den Forschungszentren laufenden Geräte, Computer und Bildschirme ein Produkt der neuesten Generation und somit im einzelnen auf eine sehr sparsame Energienutzung ausgerichtet sind, so ist deren gesamter Energieverbrauch dennoch gigantisch; die Energiekosten mögen zwar in der Regel nicht die höchsten Ausgabenposten darstellen, doch verursachen sie zweifellos einen zu hohen Aufwand, als dass dieser als Bagatelle abgetan werden könnte. Von Roche und Novartis hat man schon mehrfach vernommen, dass die beiden Konzerne allein für ihre auf dem Boden der Schweiz installierten Forschungszentren jährliche Kosten von je über 1 Milliarde Franken tragen, selbst für Weltkonzerne gewaltige Beträge.

Im steten Bemühen, die Kosten im Hinblick auf erschwingliche Endprodukte möglichst tief zu halten, stehen – eine Binsenwahrheit – Kostenstellen mit hohen Beträgen auch in internationalen Konzernen immer im Fokus der auf Kosteneinsparung getrimmten Kontrollstellen; somit sind die Energieverbrauchskosten der Forschungszentren stets Gegenstand laufender Überprüfungen, selbst wenn hierzu der Einwand zu vernehmen ist, dass Investitionen in Forschungszentren immer Investitionen »in die eigene Zukunft« seien, so dass einige Franken mehr oder weniger nicht so stark ins Gewicht fielen. Einer jener Weltkonzerne, die jetzt dringend Kosteneinsparungen durchsetzen müssen, ist der deutsche Biotechnologie-Konzern Merck, welcher in den letzten Jahren in Genf einen bedeutenden Forschungsplatz unterhalten hat. Jetzt wird Genf aufgegeben. Die bisher dort betriebene Forschung wird einem andern, nicht in der Schweiz liegenden Merck-Forschungszentrum angegliedert. Ein Kostenentscheid: aus Sicht des Konzerns nachvollziehbar, für Genf jedoch eine Katastrophe. Von Kostenentscheiden, wie er nun Genf trifft, werden vor allem solche Länder und Standorte heimgesucht, wo in Vergessenheit geraten ist, dass die Wirtschaft nun einmal dort produziert, wo die Rahmenbedingungen für Produktion und Forschung am günstigsten sind.
 
Energiewende

Die rot-grüne Classe politique der Schweiz erträumt sich derzeit die »grosse Energiewende«. Sie weiss schon recht genau, was sie an funktionierenden, zuverlässigen und die Produktion (und somit auch die Forschung) im Hochlohnland Schweiz zu erträglichen Kosten ermöglichenden Energieanlagen in den kommenden Jahren stilllegen, ja unter hohen Kosten gar schreddern will. Sie vermag die Milliarden-Kosten dieser Abbruchübung schon recht genau vorauszusagen. Was anstelle dieser heute funktionierenden und die Versorgungssicherheit gewährleistenden Energieproduktion entstehen soll – dazu gehen die Ideen freilich meilenweit auseinander. Eine immer strahlende Energieministerin, gestern noch Anwältin kostengünstiger Kernenergie, präsentiert plötzlich die Idee von neu zu erstellenden Gaskraftwerken. Auf lautstarken Protest sogenannter Umweltfreunde hin revidiert sie ihre diesbezüglichen Träume allerdings umgehend und flieht ins Unverbindliche. Städte, die bereits tief in den roten Zahlen stecken, träumen von grossen Windkraftwerken weit weg in der Nordsee und schicken aus leeren Kassen bereits viel Geld dorthin. Von diesen Windkraftwerken weiss man bisher allerdings nur, dass sie, sollten sie je erstellt werden, unendlich viel höhere Kosten verursachen werden als bisher je angedacht worden ist.

Fern jeglichen Kostendenkens

Man weiss hier also genau, wie und wo man bestehende Anlagen stilllegen will. Aber man weiss nichts Konkretes über die zukünftige Energieversorgung – insgeheim wohl vor allem auf Importe aus französischen Atomkraftwerken und polnischen Kohlekraftwerken zählend. Vor allem weiss man nichts Konkretes, was die anfallenden Kosten betrifft. Aber man will Bestehendes so rasch als möglich stilllegen. Eines könnte man jedoch durchaus wissen, wenn man die Fakten etwas sorgfältiger und realistischer einzuschätzen bereit wäre: Das Hochlohnland Schweiz kann für sehr viele Firmen nur dann ein Produktionsstandort bleiben, wenn es diesen Betrieben relativ günstige Energiekosten garantieren kann. Das gilt insbesondere auch für die Energie-intensiven Forschungszentren der grossen Konzerne.

Ob der Fall Merck die Leute, zumindest einige politisch Verantwortliche, aus ihren unrealistischen Träumen wachzurütteln vermag? Ob insbesondere jene auf die Welt kommen, für die die Stromversorgung bis heute einfach an der Steckdose beginnt? Ob auch jene durchgeschüttelt werden, welche in unserem Land den Glauben zu verbreiten suchen, es lasse sich in der Schweiz, wenn Produktionsbetriebe weniger Arbeitsplätze anbieten könnten, auch vom staatlich garantierten Mindestlohn von Fr. 2.500.– recht gut leben, wodurch sie glauben, sich davon dispensieren zu können, denjenigen, die hier eine wertschöpfende Leistung für Arbeit und Wohlstand erbringen, Rahmenbedingungen der Art zu bieten, dass sie hier in der Schweiz bleiben und eben nicht anderswo produzieren und forschen.   An der Frage gesicherter und kostengünstiger Energieversorgung wird sich entscheiden, ob die Schweiz ein Hochlohnland bleiben kann. [1]  
 

[1]  Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 4. Mai 2012

http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Die_Schweiz_und_ihre_Forschungsplaetze-590