Die Destabilisierung Syriens - gezielt

d.a. Wie letzten Meldungen zu entnehmen war, beabsichtigt BRD-Wirtschaftsminister Rösler die Wirtschaftsbeziehungen zu Saudi-Arabien

langfristig auf eine breite Grundlage stellen; er möchte eine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe, was immer er darunter versteht, denn Saudi-Arabien lässt bei sich weder Parteien noch Gewerkschaften zu, geschweige denn ein Parlament, und hat die Einführung des Wahlrechts für Frauen gerade um weitere fünf Jahre hinausgeschoben. Indessen deutet alles darauf hin, dass die  westlichen Verbündeten der Saudis auch das grosszügig übersehen, die 70 Vertreter deutscher Firmen, die Rösler bei seinem zweitätigen Besuch in Riad am 6. und 7. Juni begleiteten, eingeschlossen. Bekannt ist, dass das autoritär regierte islamische Königreich die Anschaffung von 200 oder mehr deutschen Leopard-Panzern in Erwägung zieht, eine in der BRD umstrittene Lieferung. Hierzu vertritt allerdings der CDU-Politiker Pfeiffer eine einmalige Sicht: Saudi-Arabien habe sich seit Jahrzehnten als absolut verlässlicher, stabilisierender Faktor in der Region erwiesen, erklärte er am 7. Juni. [1] Man wüsste nun gerne, ob Pfeiffer etwa den Fakt, dass auf dem Höhepunkt des Irakkriegs 200 Flugzeuge und etwa 10 000 US-Militärangehörige von Saudi-Arabien aus zum Einsatz kamen [2], als stabilisierend betrachtet, oder etwa die Festnahme sogenannter Terroristen; schon Mitte 2009 berichtete Amnesty International, dass in Saudi-Arabien mehr als 3.100 Terrorverdächtige in Geheimgefängnissen gefangengehalten würden und bei den Verhören Foltermethoden wie schwere Schläge, Elektroschocks und Schlafentzug eingesetzt würden. So kritisierte aidie westlichen Staaten auch wegen ihres Schweigens angesichts der Verstösse in diesem Land. »Während christliche Würdenträger in Syrien und im Libanon die Unterstützung des Westens für die islamistischen Rebellen in Syrien verurteilen«, schreibt Strategic Alert in seiner Ausgabe Nr. 12 vom 21. März dieses Jahres, »schürt der engste Verbündete der USA und Europas, Saudi-Arabien, durch pseudo-religiöse Aufrufe von Salafisten-Wahhabiten einen Religionskrieg. Der saudische Grossmufti, Scheich Abdul-Asis Al-Ascheich, sagte bei einem Treffen mit kuwaitischen Studenten am 12. 3. 12, dass auf der Arabischen Halbinsel alle Kirchen zerstört werden sollten, und forderte seine Anhänger auf, den Rebellen in Syrien für ihren Dschihad Geld und Unterstützung zu schicken. Die Saudis, die in ihrem Land Minderheiten unterdrücken und jeden Widerstand gegen die diktatorische Saud-Herrschaft ersticken sowie Bahrain besetzt haben, um den dortigen Monarchen gegen eine politische Reformbewegung zu stützen, sind bei dem Regimewechselplan für Syrien die aktivsten Verbündeten der Anglo-Amerikaner.« 

Auf welche Art und Weise sich diese Stabilisierungvollzieht, ist dem nachfolgenden Bericht von Thierry Meyssan von Réseau Voltaire - Die Konterrevolution im Nahen Osten‹ - zu entnehmen. Ein saudischer Clan, die Sudairi, schreibt Meyssan, steht im Zentrum der konterrevolutionären Welle im Nahen Osten, welche die Vereinigten Staaten und Israel lanciert haben. Meyssan zeichnet aus Damaskus ein allgemeines Bild der Widersprüche, welche die Region in Unruhe versetzt haben.

Innerhalb von Monaten fielen in der arabischen Welt drei Regierungen: Im Libanon stürzte das Parlament die Regierung von Saad Hariri, während die Volksbewegungen in Tunesien Zine el-Abbidnie Ben Ali vertrieben und danach in Ägypten Hosni Mubarak festnahmen. Mit diesen Regimeänderungen gingen Demonstrationen gegen die Vorherrschaft der USA und des Zionismus einher. Politisch profitierten sie von der Achse des Widerstands, die auf der staatlichen Ebene durch den Iran und Syrien, auf der nichtstaatlichen Ebene durch die Hizbollah und die Hamas repräsentiert werden. Um die Konterrevolutionen in dieser Region zu führen, haben Washington und Tel-Aviv ihre beste Unterstützung angerufen: den Clan der Sudairi, der wie niemand anderer den Despotismus im Dienst des Imperialismus verkörpert.

Die Sudairi
Vielleicht haben Sie noch nie von ihnen gehört, dennoch stellen die Sudairi seit mehreren Jahrzehnten die reichste politische Organisation der Welt dar. Sie sind jene 7 der 53 Söhne von König Ibn Saud, dem Gründer Saudi-Arabiens, die von Prinzessin Sudairi geboren wurden. Ihr Anführer war König Fahd, der von 1982 bis 2005 herrschte. Seit seinem Tod sind es nur noch 6. Der älteste, Prinz Sultan, seit 1985 Verteidigungsminister, ist 85 Jahre alt. Der jüngste, Prinz Ahmed, stellvertretender Innenminister seit 1975, ist 71jährig. Seit den 60er Jahren ist es dieser  Clan, der die prowestlichen Marionettenregimes im Greater Middle East organisiert, strukturiert und finanziert. 

An dieser Stelle ist ein Rückblick unerlässlich. Saudi-Arabien wurde während des Ersten Weltkriegs von den Briten als juristische Person geschaffen, um das Osmanische Reich zu schwächen. Obwohl Lawrence von Arabien das Konzept der Arabischen Nation erfunden hatte, gelang es ihm nie, aus diesem neuen Land eine Nation, geschweige denn einen Staat zu machen. Saudi-Arabien war und ist noch immer Privateigentum der Familie Al-Saud. Wie die britische Untersuchung des Al-Yamameh-Skandals [3] gezeigt hat, existieren auch im 21. Jahrhundert noch keine Bankkonten und kein Budget des Königreichs; es sind die Konten der königlichen Familie, aus denen die Verwaltungskosten des Königreichs gedeckt werden. Als Grossbritannien am Ende des Zweiten Weltkriegs die Mittel für seinen Imperialismus ausgingen, kam das Territorium unter US-Oberhoheit. Präsident Franklin D. Roosevelt schloss ein Abkommen mit König Ibn Saud: Die Familie der Saud garantierte die Öl-Versorgung der USA, während diese im Gegenzug die für den Machterhalt des Hauses Saud notwendige Militärhilfe garantierte. Diese Allianz ist unter dem Namen Vereinbarung von Quincy bekannt, da sie an Bord eines Schiffes mit diesem Namen ausgehandelt wurde. Es dreht sich hier um eine Vereinbarung, und nicht um einen Vertrag, denn sie bindet nicht zwei Staaten, sondern einen Staat und eine Familie. Da der Gründungskönig, Ibn Saud, 32 Ehefrauen und 53 Söhne hatte, dauerte es nicht lange, bis ernste Rivalitäten unter den potentiellen Nachfolgern auftraten. So beschloss man, die Krone nicht vom Vater auf den Sohn, sondern von Halbbruder zu Halbbruder zu übertragen. Fünf Söhne von Ibn Saud haben den Thron bereits bestiegen. Der am 1. August 1924 geborene jetzige König Abdullah I. ist ein eher aufgeschlossener Mann, wenn auch ohne Kontakt zur heutigen Realität. Da er sich bewusst ist, dass das gegenwärtige dynastische System seinem Ruin entgegengeht, möchte er die Nachfolgeregelung reformieren. Der Souverän würde dann durch den Rat des Königreichs ernannt, das heisst durch Vertreter aus verschiedenen Zweigen der Königsfamilie, und könnte aus einer jüngeren Generation kommen. Diese weise Idee passt allerdings den Sudairi nicht. Angesichts verschiedener Verzichtserklärungen auf den Thron  - aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Genusssucht -  gehören die drei nächsten Thronbewerber tatsächlich ihrem Clan an: der bereits erwähnte Verteidigungsminister Prinz Sultan, 85 Jahre alt; Prinz Nayef, Innenminister, 78 Jahre alt, und Prinz Salman, Gouverneur von Riad, 75 Jahre alt. Sollte die neue Regelung angewendet werden, wäre sie zum Nachteil der Dynastie. Man kann nachvollziehen, dass die Sudairi, die sich nie viel aus ihrem Halbbruder, König Abdullah, gemacht haben, ihn nunmehr hassen und beschlossen haben, all ihre Kräfte in den gegenwärtigen Kampf zu werfen.

Die Rückkehr von Bandar Bush
Ende der 70er Jahre wurde der Sudairi-Clan von Prinz Fahd angeführt. Er erkannte die seltenen Qualitäten eines Kindes seines Bruders Sultan: Prinz Bandar. Diesen sandte er ihn nach Washington, um Rüstungsverträge auszuhandeln, und schätzte die Art, wie er die Einwilligung von Präsident Carter erwarb. Als Fahd 1982 den Thron bestieg, machte er Prinz Bandar zu seinem Vertrauten. Er wurde zum Militärattaché ernannt, dann zum Botschafter in Washington, ein Posten, den er während der ganzen Herrschaft beibehielt – bis zu seiner knallharten Entlassung durch König Abdullah im Jahre 2005. Prinz Bandar, Sohn von Prinz Sultan und einer libyschen Sklavin, eine ebenso brillante wie skrupellose Persönlichkeit, hat es verstanden, sich trotz des Makels seiner mütterlichen Herkunft in der Königsfamilie zu behaupten und ist heute der aktive Arm des gerontokratischen Sudairi-Clans.  Während seines langen Aufenthalts in Washington hat sich Prinz Bandar freundschaftlich mit der Familie Bush verbunden, vor allem mit George Herbert Walker Bush, mit dem er unzertrennlich war, wofür er sich den Spitznamen Mr. Bandar Bush einhandelte. Was George H. W. Bush, ehemaliger Direkter der CIA, dann US-Präsident, an Bandar besonders schätzte, war seine Vorliebe für Geheimaktionen. Mr. Bandar Bush integrierte sich in die High-Society der USA. Er ist sowohl Kurator auf Lebenszeit des Aspen Institute als auch Mitglied von Bohemian Grove. Die britische Öffentlichkeit entdeckte seine Existenz anlässlich des Al-Yamamah-Skandals: Das grösste Rüstungsabkommen ist zugleich die wichtigste Korruptionsaffaire. Während zwanzig Jahren (1985–2006) hat British Aerospace, 1999 in BAE Systems umbenannt, für 80 Milliarden $ Rüstungsgüter an Saudi-Arabien verkauft und liess dabei einen Teil dieses Geldsegens ganz diskret auf die Bankkonten saudischer und möglicherweise auch britischer Politiker zurückfliessen; 2 Milliarden gingen allein an Prinz Bandar. Dies, weil Seine Hoheit eine Menge Ausgaben hat. Prinz Bandar hat viele arabische Kämpfer, die während des kalten Krieges von den saudischen Geheimdiensten ausgehoben wurden, um die Rote Armee in Afghanistan zu bekämpfen, auf Ersuchen der CIA und des MI6 auf sein Konto übernommen. Natürlich war die in diesem Milieu bekannteste Figur niemand anderer als der antikommunistische Milliardär, der zum Guru der Dschihadisten wurde: Osama bin Laden. [4] 

Es ist unmöglich, genau zu sagen, über wie viele Männer Prinz Bandar verfügt. Im Laufe der Zeit konnte man seine Beteiligung an verschiedenen Konflikten und terroristischen Akten in der ganzen muslimischen Welt beobachten, von Marokko nach Xinjiang in China. Exemplarisch erinnere man sich an die kleine Armee, die er unter dem Namen Fatah al-Islam in das palästinensische Lager Nahr el Bared im Libanon eingeschleust hatte. Die Mission dieser Kämpfer war es, die palästinensischen Flüchtlinge, mehrheitlich Sunniten, dazu aufzuwiegeln, ein unabhängiges Emirat auszurufen und die schiitische Hizbollah zu bekämpfen. Die Affäre wandte sich zum Schlechten, als die Gehälter der Söldner nicht rechtzeitig ausbezahlt wurden. Schliesslich verschanzten sich Prinz Bandars Leute 2007 in dem Lager: 30 000 Palästinenser waren gezwungen zu fliehen, während die libanesische Armee einen zweimonatigen Kampf führte, um die Kontrolle über das Lager zurückzugewinnen. Diese Operation kostete 50 Söldnern, 32 palästinensischen Zivilisten und 68 libanesischen Soldaten das Leben. Anfang 2010 zettelte Bandar einen Coup an, um König Abdullah zu stürzen und seinen Vater Sultan auf den Thron zu heben. Das Komplott wurde entdeckt, Bandar fiel in Ungnade, allerdings ohne seine offiziellen Titel zu verlieren. Ende 2010 aber verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Königs und die Sudairi gewannen wieder die Oberhand. Nach einem etwas vorschnellen Schluss, dass der in Washington hospitalisierte König im Sterben liege, schloss sich der libanesische Premierminister Saad Hariri den Sudairi an. Dieser, ein 1970 als zweiter Sohn des 2005 ermordeten Rafiq Hariri in Riad geborene Saudi, besitzt die doppelte Staatsangehörigkeit und wurde auf dringendes Verlangen von König Abdullah Premierminister [vom 9. 11. 2009 bis 12. 1. 2011], obwohl sich das US-Aussenministerium gefragt hatte, ob er fähig sei, diese Position zu bekleiden. Während der Zeit, in der er König Abdullah gehorchte, begann sich Saad Hariri mit Präsident Bashar al-Assad zu versöhnen. Er zog die Anschuldigungen, die er diesem gegenüber bezüglich der Ermordung seines Vaters geäussert hatte, zurück und bedauerte, manipuliert worden zu sein, um zwischen dem Libanon und Syrien künstlich Spannungen zu schaffen. Mit seiner Unterstützung der Sudairi machte Saad Hariri eine politische Kehrtwende. Von einem Tag auf den anderen sagte er sich von der Appeasement-Politik König Abdullahs gegenüber Syrien und der Hizbollah los und setzte eine Offensive gegen das Regime von Bashar al-Assad, für die Entwaffnung der Hizbollah und für einen Kompromiss mit Israel in Gang. Indessen erwachte Abdullah aus seinem semikomatösen Zustand und verlangte ohne langes Zögern Rechenschaft. Nach Entzug der unentbehrlichen Unterstützung des saudischen Königs wurden Saad Hariri und seine Regierung durch das libanesische Parlament zugunsten eines weniger abenteuerlichen Milliardärs und Doppelbürgers, Najib Mikati, gestürzt. Als Strafe leitete Abdullah eine Steueruntersuchung gegen die wichtigste saudische Gesellschaft der Hariri ein und liess mehrere seiner Mitarbeiter wegen Betrugs verhaften.  

Die Legionen der Sudairi
Der Clan beschloss nunmehr, die Konterrevolution in alle Richtungen in Gang zu setzen. Ägypten, wo sie einerseits Hosni Mubarak und andererseits die Muslimbruderschaft finanzierten, zwangen sie in der Folge eine Allianz zwischen der Bruderschaft und den pro-USA orientierten Offizieren auf; diese neue Koalition teilte die Macht unter sich auf und schloss dabei die Führer der Revolution des Tahrir-Platzes aus. Sie verweigerte die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung und begnügte sich mit marginalen Ergänzungen der Verfassung. Als erstes erklärten sie den Islam zur Staatsreligion, dies auf Kosten der koptisch-christlichen Minderheit (etwa 10 %), die von Mubarak unterdrückt worden war und sich massenhaft gegen ihn mobilisiert hatte. Darüber hinaus rief Dr. Mahmoud Izat, die Nummer zwei der Bruderschaft, zur raschen Einführung der Scharia und der Wiederherstellung islamistischer Bestrafung auf. Dem jungen Waël Ghoneim, der beim Sturz des ägyptischen Tyrannen eine Hauptrolle gespielt hatte, verbot man das Podium seit den Manifestationen des Sieges am 18. Februar, zu denen sich nahezu 2 Millionen Menschen versammelten. Im Gegensatz dazu konnte sich der Starprediger der Bruderschaft, Youssef al-Qardawi, nach 30 Jahren Exil in Katar, ausführlich zu Wort melden. Er, dem Gamal Abdel Nasser die Staatsbürgerschaft aberkannt hatte, spielte sich als Inkarnation der neuen Ära auf: jener der Scharia und der friedlichen Koexistenz mit dem zionistischen Regime von Tel Aviv. Der Träger des Friedensnobelpreises, Mohammed el-Baradei, den die Muslimbruderschaft während der Revolution zum Sprecher gewählt hatte, um sich ein liberaleres Image zu geben, wurde anlässlich des Verfassungsreferendums von derselben Bruderschaft körperlich angegriffen und verdrängt. Ihren Einzug in die politische Szene kündigte die Muslimbruderschaft mit der Gründung einer neuen politischen Partei, Freiheit und Gerechtigkeit, an: dies mit Unterstützung des National Endowment for Democracy (NED der USA) und dem Vorbild der türkischen AKP. [Die gleiche Strategie wurde in Tunesien mit der Renaissance-Partei gewählt] In diesem Zusammenhang wurden gewalttätige Angriffe auf religiöse Minderheiten verübt. So wurden zwei koptische Kirchen niedergebrannt. Weit davon entfernt, die Aggressoren zu bestrafen, gab ihnen der Premierminister  ein Pfand: Er enthob den gerade von ihm ernannten Gouverneur der Provinz Qenna, den geachteten General Imad Mikahel, seiner Ämter, weil dieser nicht sunnitischer Muslim, sondern koptischer Christ ist. In Libyen verlegten die Sudairi bewaffnete Kämpfer in die Region Cyrenaika, noch bevor das französisch-britische Signal zum Aufstand gegen die Macht in Tripolis erfolgte. Sie waren es, welche die Waffen und die rot-schwarz-grünen Fahnen mit Stern und Mondsichel, verteilten: Symbole der Senoussi-Monarchie, der historischen Beschützerin der Muslimbruderschaft. Ihr Ziel war, dem Störenfried Gaddafi ein Ende zu setzen und Prinz Mohammed wieder auf den Thron dessen zu setzen, was einst das Vereinigte Königreich Libyen gewesen war.

Es war der Golf-Kooperationsrat, der als erstes eine bewaffnete Intervention gegen die Regierung in Tripolis forderte; und innerhalb dieses Rats ist es die saudische Delegation, die die diplomatischen Manöver so steuerte, dass die arabische Liga den Angriff durch die westlichen Armeen guthiess. Oberst Gaddafi seinerseits hatte in mehreren Reden versichert, es habe keine Revolution in der Cyrenaika gegeben, sein Land müsse aber einer Destabilisierungsoperation von Al?Kaida die Stirn bieten; Äusserungen, die  - zu Unrecht belächelt -  jedoch vom Kommandanten des US-Africom, General Carter F. Ham, persönlich bestätigt wurden: Man erinnere sich an das Unbehagen Hams, des Kommandanten der ersten US-Militäroperation, bevor diese von der NATO übernommen wurde. Er wunderte sich darüber, dass er sich bei der Wahl seiner Ziele am Boden auf Spione, die dafür bekannt waren, die Streitkräfte der Alliierten in Afghanistan bekämpft zu haben  - im Klartext: auf die Männer bin Ladens -  abstützen sollte.  

Was Bahrain betrifft, so präsentiert es sich seit 1971 als unabhängiges Königreich. In Wirklichkeit handelt es sich noch immer um ein von den Briten regiertes Territorium. Während ihrer Herrschaft wählten sie Prinz Salman bin Hamad Al Khalifa als Premierminister und haben diesen während 40 Jahren ohne Unterbruch auf diesem Posten gehalten, auch nach der Fiktion der Unabhängigkeit. Eine Kontinuität, die bei den Sudairis kein Missfallen erregt. [Bahrain gehört, wie Jordanien, Kuwait und Marokko, zu den NATO-Verbündeten.] König Hamad al Kalifa hat der USA eine wichtige Konzession erteilt: die Installation des Marine-Hauptquartiers des Central Commandund der V. Flotte im Hafen von Juffair. Unter diesen Umständen wäre die Forderung des Volkes nach einer konstitutionellen Monarchie gleichbedeutend mit dem Erlangen einer echten Unabhängigkeit, dem Ende der britischen Herrschaft und dem Abzug der US-Truppen. Eine solche Entwicklung würde mit Sicherheit auf Saudi-Arabien übergreifen und die Fundamente des Systems bedrohen. So haben die Sudairi den König von Bahrain davon überzeugt, alle Hoffnungen der Bevölkerung blutig niederzuschlagen. Am 13. März 2011 traf US-Verteidigungsminister Robert Gates in Bahrains Hauptstadt Manama ein, um die Koordination der Operationen einzuleiten, die am Tag zuvor mit dem Einmarsch saudischer Spezialtruppen  - als Nayefs Adler bekannt – unter dem Kommando des Prinzen Nayef ihren Anfang genommen hatten. In wenigen Tagen waren alle Symbole des Protestes zerstört, auch das öffentliche Denkmal, das einst auf dem Platz der Perle errichtet worden war. Die Folge: Hunderte von als tot oder vermisst gemeldeter Menschen. Die Folter, die seit einem Jahrzehnt nahezu aufgegeben war, wurde erneut angewendet. Die Krankenpfleger und Ärzte, die verletzte Manifestanten pflegten, wurden in ihren Spitälern festgenommen, in Isolationshaft gebracht und vor Militärtribunale gestellt. Das Wichtigste an dieser schrecklichen Repression ist allerdings der Wille, einen Klassenkampf – bei dem sich eine ganze Bevölkerung gegen eine privilegierte Klasse, die sich einem ausländischen Imperialismus verkauft hat, zur Wehr setzt – in eine religiöse Auseinandersetzung zu transformieren. Da die Mehrheit der Bahrainer Schiiten sind, während die herrschende Familie sunnitisch ist, ist es das Schiitentum, Träger des revolutionären Ideals von Ruhollah Khomeini, das ins Visier genommen wurde. In einem Monat macht den Nayefs Adler 25 schiitische Moscheen dem Erdboden gleich und beschädigten 253 weitere. Für die Verurteilung der 21 wichtigsten Anführer des politischen Protests  - was die Todesstrafe beinhalten kann - war ein Ausnahmegericht vorgesehen. Noch mehr als auf die Schiiten geht die Monarchie allerdings auf den sunnitischen Ibrahim Chérif los, den Präsidenten der Waed Partei (links-laizistisch), dem sie vorwirft, das konfessionelle Spiel nicht mitzuspielen.

Die Destabilisierung Syriens
Da sie den Iran nicht destabilisieren können, haben die Sudairi ihre Attacken auf Syrien konzentriert. Anfang Februar 2011, als das Land noch keine Kundgebung erlebt hatte, wurde auf Facebook eine Seite mit dem Titel The Syrian Revolution 2011 kreiert. Sie rief für Freitag, den 4. Februar, zu einem Tag des Zorns auf; der Aufruf wurde von Al-Jazira übertragen, stiess aber nirgendwo auf ein Echo. Der katarische Kanal bedauerte das Ausbleiben einer Reaktion und brandmarkte Syrien als Königreich des Schweigens [sic!]. Am Tag ihrer Neuschöpfung registrierte die Seite auf Facebook mehr als 80 000 Freunde. Eine solche Begeisterung innerhalb weniger Stunden, die jedoch keine Folgen zeitigte, lässt an eine Manipulation denken, die mit Computer-Software zur [automatischen] Erzeugung von Benutzerkonten realisiert wurde. Dies umso mehr, als die Syrer das Internet mässig nutzen und erst seit dem 1. Januar Zugang zu ADSL haben. Die Unruhen begannen einen Monat später in Deraa, einem ländlichen Städtchen an der jordanischen Grenze, wenige Kilometer von Israel entfernt. Unbekannte hatten Halbwüchsige dafür bezahlt, regierungsfeindliche Graffiti auf die Mauern der Stadt zu sprayen. Die Polizei nahm die Gymnasiasten fest und behandelte sie zum grossen Missfallen ihrer Familien wie Kriminelle. Die lokale Oberschicht, die anbot, die Streitsache zu regeln, wurde vom Gouverneur als unehrenhaft abgewiesen und die jungen Leute verdroschen. Die wütenden Familien griffen die Polizeistation an, um letztere zu befreien, woraufhin die Polizei mit noch grösserer Brutalität reagierte und Protestierende tötete. Präsident Bashar al-Assad griff dann ein, um die Polizisten und den Gouverneur zu bestrafen – letzterer ist niemand anderer als einer seiner Cousins, den er auf den Posten nach Deraa berufen hat, weitab von der Hauptstadt, um ihn zu vergessen. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, um das polizeiliche Fehlverhalten aufzuklären. Die für die Gewalttaten verantwortlichen Beamten wurden angeklagt und unter Kaution gestellt. Minister machten sich auf den Weg, um den Familien der Opfer die Entschuldigungen und das Beileid der Regierung zu überbringen; Entschuldigungen und Beileidsbezeugungen, die öffentlich akzeptiert wurden. Alles hätte zur Normalität zurückkehren sollen, als plötzlich vermummte Scharfschützen, die auf Dächern postiert waren, gleichzeitig in die Menge und auf die Polizisten schossen und die Stadt ins Chaos stürzten. Die Verwirrung nutzend, begaben sich bewaffnete Individuen ausserhalb der Stadt, um ein staatliches Gebäude anzugreifen, das die Geheimdienste, die mit der Beobachtung des von Israel besetzten syrischen Territoriums auf dem Golan beauftragt sind, beherbergt. Die  Sicherheitsdienste eröffneten das Feuer, um Gebäude und Archive zu verteidigen, wobei es auf beiden Seiten Tote gab. Diese Art der Konfrontation wiederholte sich, so dass die führenden Schichten angesichts der Angreifer, welche die Stadt umzingelten, den Schutz der Armee verlangten, wozu 3000 Mann und Panzer aufgeboten wurden. Schliesslich wurden die in die syrische Armee eingeschleusten Kämpfer in einer Schlacht gestellt, in einer Art Neuauflage der Belagerung von Nahr el-Bared durch die libanesische Armee. Nur dass die internationale Presse dieses Mal die Fakten entstellte und die syrische Armee bezichtigte, die Bevölkerung von Deraa anzugreifen.

Was die gleichzeitig in Lattaquié ausgebrochenen Zusammenstösse betrifft, so wird dieser Hafen seit langem von Mafiaorganisationen beherrscht, die sich auf den Schmuggel auf dem Seeweg spezialisiert haben-. Letztere erhielten Waffen und Geld libanesischer Herkunft und verwüsteten das Stadtzentrum. Die Polizei, die intervenierte, war auf Order von Assad nur mit Schlagstöcken bewaffnet, was dazu führte, dass die Mafia Kriegswaffen einsetzte und unbewaffnete Polizisten tötete. Das gleiche Szenarium wiederholte sich im Nachbarort Banias, einer weniger bedeutenden Stadt, die aber von umso grösserer strategischer Bedeutung ist, da sich dort die wichtigste Ölraffinerie des Landes befindet. Diesmal machten die Ordnungskräfte von ihren Waffen Gebrauch, so dass die Auseinandersetzung zur offenen Feldschlacht wurde. In der Folge nahmen Individuen in Homs an einem Gebet in einer fundamentalistischen Moschee teil und riefen die Gläubigen zur Protestkundgebung gegen das Regime, das unsere Brüder von Lattaquié tötet, auf. Die Reaktion war, dass die syrische Bevölkerung in Massen auf die Strasse ging, um ihre Unterstützung für die Republik zu bekräftigen. Gigantische Demonstrationen, wie sie das Land in seiner Geschichte noch nie erlebt hatte, führten in Damaskus, Aleppo und Lattaquié jedesmal Hunderttausende von Menschen unter dem Ruf Gott, Syrien, Bashar! zusammen. Während die Zusammenstösse in den betroffenen Orten härter wurden, schafften es die Ordnungskräfte, den Kämpfern Einhalt zu gebieten. Ihren am Fernsehen übertragenen Aussagen zufolge wurden letztere von dem libanesischen Parlamentsmitglied und Hariri?Anhänger Jamal Jarrah rekrutiert, bewaffnet und bezahlt, was dieser dementierte. Jamal Jarrah ist ein Freund von Prinz Bandar. Sein Name wurde auch in der Affäre von Fatah al-Islam in Nahr el-Bared genannt. Er ist der Cousin von Ziad Jarrah, einem Dschihadisten, der vom FBI für die Entführung der Maschine des Fluges UA93 verantwortlich gemacht wird, die am 11. September 2001 in Pennsylvania zerschellt war. Jarrah ist ausserdem der Cousin der Gebrüder Ali und Youssouf Jarrah, die 2008 von der libanesischen Armee wegen Spionage zugunsten Israels verhaftet wurden. Jamal Jarrah soll ferner ein Geheimmitglied der Muslimbruderschaft sein, was er ebenfalls dementiert. 1982 hatte die Bruderschaft versucht, die Macht in Syrien zu übernehmen, erlitt jedoch eine Niederlage und wurde damals Opfer einer entsetzlichen Massenrepression. Diese schmerzlichen Erinnerungen glaubte man seit der von Bashar el-Assad proklamierten Amnestie vergessen. Dem ist nicht so: dieser Arm der Bruderschaft wird seither von den Sudairi, die sie einstmals exkommuniziert hatten, finanziert. Die Rolle der Bruderschaft bei den Zusammenstössen von Banias wird heute jedoch von allen anerkannt. Jamal Jarrah soll auch militante Libanesen des Hizb ut Tahrir, eine islamistische Organisation mit Sitz in London, benützt haben; diese ist vor allem in Zentralasien aktiv. Diese Partei, die sich als gewaltlos deklariert, wird beschuldigt, zahlreiche Attentate im Fergana-Tal organisiert zu haben. Um sie zu bekämpfen, hat China im Rahmen des Shanghai-Kooperationsrats seine Annäherung insbesondere an Russland in die Wege geleitet. Trotz mehrerer Debatten im Unterhaus wurden die Londoner Verantwortlichen der Gruppe nie behelligt; sie alle besetzen hohe Kaderpositionen in  anglo-amerikanischen multinationalen Konzernen. Die Hizb ut Tahrir [5] hat 2011 eine Sektion in Libanon eröffnet. Bei dieser Gelegenheit wurde ein Kongress organisiert, zu dem ausländische Persönlichkeiten, darunter auch ein russischen Intellektuelle von internationalem Ruf, eingeladen wurden. Im Laufe der Debatten riefen die Organisatoren zur Errichtung eines islamischen Staates auf, wobei sie klarstellten, dass für sie die Schiiten und die libanesischen Drusen – und sogar gewisse Sunniten – keine echten Muslime seien und wie die Christen vertrieben werden müssten. Bestürzt ob solcher Äusserungen, beeilte sich der eingeladene Russe, Fernsehinterviews zu geben, um sich von diesen Fanatikern zu distanzieren.

Die Lage kehrte sich dann in der Folge schrittweise um. Präsident Bashar übernahm wieder die Kontrolle, änderte die Regierung, hob den Ausnahmezustand auf und löste das Gericht für Staatssicherheit auf. Er gewährte Tausenden von Kurden die syrische Staatsbürgerschaft, die ihnen seit einer umstrittenen Volkszählung entzogen worden war. Ausserdem traf er verschiedene weitere Massnahmen wie die Abschaffung von Bussen bei Verzug der Zahlung an öffentliche Unternehmen. Damit hatte er die grundsätzlichen Forderungen der Bevölkerung erfüllt und die Opposition beruhigt. Anlässlich des Tages des Trotzes, am Freitag, 6. Mai, erreichte die Zahl der Manifestanten im Land keine 50 000 Personen, dies bei einer Bevölkerung von 22 Millionen Einwohnern. Insbesondere der neue Innenminister, Mohammad al-Sha’ar, rief jedermann, der sich in die Unruhen hineinziehen liess, dazu auf, sich freiwillig bei der Polizei zu melden und als Gegenleistung für Informationen von der vollständigen Amnestie zu profitieren. Mehr als 1100 Personen antworteten. In wenigen darauf folgenden Tagen wurden die hauptsächlichen Verbindungen zerschlagen und zahlreiche Waffenverstecke konfisziert; nach fünf Wochen der Gewalt war in fast allen in Aufrührung versetzten Städten langsam wieder Ruhe eingekehrt. Unter den identifizierten und festgenommenen Anführern seien mehrere israelische oder libanesische Offiziere gewesen, und einer sei ein Saad Hariri nahestehender libanesischer Politiker gewesen. Dieser Destabilisierungsversuch sollte allerdings seine Fortsetzung haben.

Ein offenes Komplott
Was ursprünglich ein Komplott zum Sturz des syrischen Regimes war, ist zu einer öffentlichen Erpressung durch Destabilisierung geworden. Als sie feststellten, dass die Revolte nicht in Gang kam, haben die anti­syrischen arabischen Tageszeitungen die laufenden Verhandlungen schamlos wiedergegeben. Sie berichteten über Besuche von Unterhändlern, die nach Damaskus gekommen waren, um die Forderungen der Sudairi zu präsentieren. Glaubt man diesen Zeitungen, wird die Gewalt nicht aufhören, bevor sich Bashar al-Assad nicht zwei Befehlen fügt: Mit dem Iran zu brechen und die Unterstützung des Widerstands in Palästina, im Libanon und im Irak einzustellen.

Die internationale Propaganda
Die Sudairi wünschen eine westliche Militärintervention, um den syrischen Widerstand zu beenden, in der gleichen Art, wie sich die Aggression gegen Libyen abspielte. Dazu haben sie Propagandaspezialisten mobilisiert. Zur allgemeinen Überraschung hat der Satellitenfernsehkanal Al-Jazira seine redaktionelle Linie brutal geändert. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass dieser Sender durch die Brüder David und Jean Frydman geschaffen wurde, französische Milliardäre, die Berater von Ytzakh Rabin und Ehud Barak waren. Sie wollten ein Medium schaffen, das eine Debatte zwischen Israeli und Arabern erlaubt, obwohl eine solche Debatte in jedem der betroffenen Länder gesetzlich verboten war. Um den Kanal aufzubauen, ersuchten sie anfänglich den Emir von Katar, die Rolle des Deckmantels zu spielen. Das Redaktionsteam ist innerhalb der arabischen Abteilung der BBC rekrutiert worden, so dass die Mehrheit der Journalisten von Anbeginn führende britische MI6-Agenten waren. Der Emir übernahm allerdings die politische Kontrolle des Kanals, der zum agierenden Zweig seiner Monarchie wurde. Während Jahren hat Al-Jazira tatsächlich eine beruhigende Rolle gespielt, indem er den Dialog und die Verständigung in der Region förderte. Al-Jazira, dessen Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten ausserordentlich war, änderte seine redaktionelle Linie mit der libyschen Angelegenheit abrupt, um zum Sprachrohr der Sudairi zu werden. Dieser Gesinnungswandel ist eine Erklärung wert. Die Offensive gegen Libyen ist ursprünglich ein im November 2010 und daher lange vor dem arabischen Frühling konzipierter französisch-britischer Plan, an dem die USA   beteiligt war. Paris und London beabsichtigen, einige Punkte mit Tripolis zu regeln und ihre kolonialen Interessen zu verteidigen. Tatsächlich hatte die nationale libysche Ölgesellschaft, die NOC, in den Jahren 2005 – 2006 drei internationale Ausschreibungen für die Erforschung und Ausbeutung der Reserven – den bedeutendsten Afrikas – durchgeführt. Oberst Gaddafi hatte seine Spielregeln durchgesetzt. Die westlichen Gesellschaften hatten verschiedene Abkommen geschlossen, sicher profitabel, aber in ihren Augen viel zu wenig. Es handelte sich um die unvorteilhaftesten Verträge mit multinationalen Unternehmen weltweit. Dazu kamen verschiedene Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Annullierung lukrativer Verträge für Ausrüstung und Waffen. Von den ersten Tagen des angeblichen Aufstands von Benghasi an setzten Paris und London einen nationalen Übergangsrat ein, den Frankreich offiziell als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkannte. Dieser Rat begründete eine neue Ölgesellschaft, die LOC, die von der internationalen Gemeinschaft am Gipfel von London als rechtmässiger Ausbeuter der Kohlenwasserstoffe des Landes anerkannt wurde. Anlässlich dieses Überfalls wurde beschlossen, dass die Vermarktung des von LOC gestohlenen Öls durch Katar erfolgen sollte und dass sich die Kontaktgruppe der alliierten Staaten künftig in Doha treffen werde. Sofort legte der religiöse Ratgeber des katarischen Fernsehsenders, Youssef al-Qardawi, los und rief jeden Tag zum Sturz von Bashar al-Assad auf. Qardawi ist sowohl Präsident der Internationalen Union der islamischen Religionsgelehrten als auch des Europäischen Rats für Fatwa und islamische Studien.  Er ist Ratgeber der Muslimbruderschaft und predigt einen Islam, der eine Mischung aus Demokratie des Marktes à la USA und saudischem Obskurantismus darstellt: Er lässt das Prinzip gewählter Führungskräfte zu, vorausgesetzt, sie engagieren sich dafür, die Scharia in ihrer borniertesten Form zur Anwendung zu bringen. Youssef al-Qardawi hat sich der saudische Kleriker Saleh al-Luhaidan angeschlossen, der dazu aufrief, ein Drittel der Syrer zu töten, auf dass die andern zwei Drittel leben. Einen Drittel der Syrer töten? Das bedeutet, die Christen, die Juden, die Schiiten, die Alawiten und die Drusen umzubringen. Damit zwei Drittel leben? Das heisst, um einen sunnitischen Staat zu etablieren, bevor dieser seine eigene Gemeinschaft läutert.

Bis heute scheint nur der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft, die Hamas, unempfänglich für die verführerische Macht der Petrodollars der Sudairi. Ihr Chef, Khaled Meshaal, hat ohne einen Augenblick zu zögern bekräftigt, dass er im Exil in Damaskus bleibe und Präsident al-Assad unterstütze. Mit Hilfe des letzteren hat er versucht, imperialistischen und zionistischen Plänen zuvorzukommen, indem er mit der Fatah von Mahmoud Abbas ein Abkommen verhandelte.

Seit März haben sich Al-Jazira, der arabische Sender der BBC und der arabische Sender von France 2 zu massiven Propagandaorganen gemausert. Mittels falscher Zeugenaussagen und manipulierter Bilder erzählen sie fabrizierte Ereignisse, um der syrischen Republik das Stereotyp des tunesischen Regimes von Ben Ali aufzudrücken. Sie versuchen glauben zu machen, dass die syrische Armee eine mit der tunesischen Polizei vergleichbare Macht der Repression sei, die nicht zögere, auf friedliche Bürger, die für ihre Freiheit kämpften, zu schiessen. Diese Medien haben sogar den Tod eines jungen Soldaten gemeldet, der sich geweigert hätte, auf seine Mitbürger zu schiessen und durch seine Vorgesetzten zu Tode gefoltert worden sei. In Wirklichkeit ist die syrische Armee eine Armee von Wehrpflichtigen, und der junge Soldat, dessen Personendaten veröffentlicht worden waren, war auf Urlaub. In einem Gespräch am syrischen Fernsehen bestätigte er seinen Willen, das Land gegen ausländische Söldner zu verteidigen. Ausserdem versuchten die Satellitenkanäle, mehrere syrische Persönlichkeiten als Profiteure im Stile der eingeheirateten Verwandten von Ben Ali darzustellen. Sie haben ihre Kritik auf Rami Makhlouf, den reichsten Mann des Landes und Cousin von Präsident al-Assad, konzentriert und behauptet, er habe nach tunesischem Vorbild von allen ausländischen Unternehmen, die sich im Land niederlassen wollten, Anteile verlangt. Das ist absolut unbegründet und im syrischen Kontext unvorstellbar. In Wirklichkeit hat Rami Makhlouf das Vertrauen von Präsident al-Assad genossen, da er die Konzession für Mobiltelephone erhalten hat. Und wie alle andern in der Welt, die solche Konzessionen bekommen haben, ist er Milliardär geworden. Die wirkliche Frage, die sich stellt, ist die, ob er aus der Situation Profit gezogen hat, indem er sich auf Kosten der Konsumenten bereichert oder nicht. Die Antwort ist: nein. Syratel bietet die billigsten Mobiltelefontarife der Welt an! Wie dem auch sei, die Lügenmedaille geht an Al-Jazira. Der katarische Sender ging so weit, Bilder einer Demonstration von 40 000 Moskauern zu zeigen, die das Ende der russischen Unterstützung für Syrien forderten. Tatsächlich handelte es sich dabei um Bilder, die anlässlich der jährlichen 1. Mai-Kundgebung gedreht worden waren, und in die der Sender Schauspieler eingeschleust hatte, um gefälschte Passantenbefragungen zu produzieren.

Reorganisation der Netzwerke von Prinz Bandar und der Administration Obama
Das konterrevolutionäre System der Sudairi stösst auf eine Schwierigkeit: Bis heute kämpften die Söldner von Prinz Bandar unter der Flagge von Osama bin Laden, ob in Afghanistan, in Bosnien, in Tschetschenien oder anderswo. Zu Beginn als Antikommunist betrachtet, war bin Laden allmählich zum Antiwestler geworden. Seine Weltanschauung war von der Ideologie des Zusammenpralls der Zivilisationen gekennzeichnet, die durch Bernard Lewis formuliert und durch seinen Schüler Samuel Huntington verbreitet worden war. Sie erlebte ihre ruhmreiche Ära mit den Attentaten des 11. Septembers und dem Krieg gegen den Terrorismus: Die Männer von Bandar zettelten überall Unruhen an, wo die USA intervenieren wollte. In der aktuellen Situation ist es nun notwendig, das Bild der Dschihadisten zu ändern. Jetzt werden sie eingeladen, an der Seite der NATO  zu kämpfen, wie sie einst in Afghanistan an der Seite der CIA gegen die Rote Armee gekämpft hatten. Deshalb ist es angemessen, auf den prowestlichen Diskurs von damals zurückzukommen und eine andere Grundlage als den Antikommunismus dafür zu finden. Dies wird die ideologische Arbeit von Scheich Youssef al-Qardawi sein. Um diesen Schritt zurück zu erleichtern, hat Washington den offiziellen Tod von Osama bin Laden verkündet. Nachdem diese Leitfigur verschwunden ist, können die Söldner von Prinz Bandar unter einer neuen Flagge mobilisiert werden. Diese Neuverteilung der Rollen wird von einem Sesselrücken in Washington begleitet. General David Petraeus, der als Kommandant des Centcom (Central Command) mit den Leuten Bandars im Nahen Osten verhandeln musste, ist inzwischen Direktor der CIA. Wir müssen uns also auf einen beschleunigten Rückzug der NATO-Truppen aus Afghanistan gefasst machen und auf ein zunehmendes Engagement der Bandar-Söldner in geheimen Operationen der CIA. Leon Panetta, der scheidende CIA-Chef, ist heute Verteidigungsminister. Gemäss einer internen Absprache der herrschenden Klasse der USA soll dieser Posten für ein Mitglied der Kommission Baker-Hamilton reserviert sein. Nun ist der Demokrat Panetta – wie der Republikaner Gates – effektiv ein Mitglied dieser Kommission. Im Falle neuer Kriege müsste er die Aufgebote für Bodentruppen limitieren, ausser für die Spezialtruppen.

In Riad und in Washington wird schon der Totenschein für den arabischen Frühlings bereitgelegt. Die Sudairi können über den Nahen Osten das sagen, was der Leopard im Roman Il Gattopardo von Giuseppe ­Tomasi di Lampedusa über Italien sagte: »Alles muss geändert werden, damit sich nichts ändert und wir weiterhin die Herren bleiben«.

 

[1]   http://www.neues-deutschland.de/artikel/229076.leo-wir-fahr-n-nach-riad.html  8. 6. 12
Leo, wir fahr'n nach Riad  -  CDU-Wirtschaftspolitiker befürwortet Panzerdeal mit Saudi-Arabien
[2]   Neue Zürcher Zeitung Nr. 100 vom 2. 5. 2003

[3] Siehe hierzu http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1283
Neue Enthüllungen über den Al-Yamamah-Apparat - Von Jeffrey Steinberg; weitere Artikel
auf politonline findet man unter dem Stichwort Bandar 
[4]  Siehe hierzu: Die Erschaffung fehlender Beweise - Von Paul Craig Roberts auf
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1787
[5]  Siehe hierzu  http://www.hizb-ut-tahrir.org/index.php/DE/def

Quelle:  http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=236&print=1&no_cache=1
Die Konterrevolution im Nahen Osten  -  von Thierry Meyssan   http://www.voltairenet.org
Überarbeitet von politonline; alle Hervorhebungen durch politonline