Wer ist Radonski, der Gegenkandidat in den venezolanischen Wahlen, wirklich?

d.a. Wie wir zum Zeitpunkt der Wahlen in Venezuela darlegten, war der Versuch einer Beeinflussung derselben

in vollem Gange. [1]  Am 7. Oktober gewann nun Hugo Chávez Frías die mit 54,8 % aller gültigen Stimmen. Sein Gegner Henrique Capriles Radonski, der Kandidat von 33 Oppositionsparteien, erreichte 44,5 %. Die Wahl war ruhig und friedlich verlaufen.

Wie der seit 1974 in Brasilien lebende Journalist Wolf Gauer darlegt, lästern die deutschen Medien unisono, wenn es um Hugo Chávez Frías geht: von der FAZ über Bild bis zu Cicero. Hingegen übertrafen sie sich an Lob für den in Venezuela bis vor kurzem völlig unbekannten Gegenspieler Radonski. »Von einer differenzierten Abwägung keine Spur; die Bürger sind ihres Informationsanspruchs ja so zuverlässig entwöhnt wie ihrer Muttermilch. Da habe sich nun, hieß es, der arme [jedoch superreiche] Henrique Capriles Radonski die Schuhe buchstäblich abgelatscht (FAZ), um Venezuela von dem Dämon Chávez zu erlösen. Daß Chávez inzwischen mehr als 30 % der 29 Mio. Venezolaner aus der Armut erlöst hat, erfahren wir jedoch aus der FAZ so wenig wie aus den Mantras unserer öffentlich-rechtlichen Gebetsmühlen. Ganz hingerissen wiederholten diese dagegen, daß der knappe Verlierer das Wahlergebnis akzeptiere und Hugo Chávez sogar telefonisch beglückwünscht habe.« Gerade deshalb dürfte es nicht uninteressant sein, nach der Wahl einen genaueren Blick auf Radonski zu werfen.

Der drahtig-sportliche Motorradfahrer und Dauerlächler mit Baseballmütze, schreibt Gauer, schon optisch das Gegenteil des von der Krebstherapie gezeichneten Hugo Chávez im roten VW-Käfer, wurde 1972 als Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen und Curação geboren und ist, wie er sagt, seit 2004 glühender Katholik. Die Familie ist in der Industrie engagiert, im Medien- und Immobiliengeschäft, in den Kinoketten Unidos und Cynex und sonstigen Dienstleistungen. Der Jurist [Kath.Universität Caracas und Columbia University New York] gründete im Jahr 2000 die Partei Primero Justicia [Gerechtigkeit zuerst], dies mittels Finanzierung und strategischer Orientierung von Seiten des US-amerikanischen National Endowment for Democracy (NED) und des International Republican Institute (IRI). Mitbegründer war Leopoldo Lopez, politisches Spiegelbild von Capriles  - wie dieser Vertrauensmann der US-Botschaft und wegen eklatanter Korruption bis 2014 für alle politischen Ämter gesperrt. Mark Feierstein, Chef der Südamerikaabteilung der berüchtigten Nicht(aber dennoch)-Regierungsorganisation USAID griff Capriles im Wahljahr mit 5 Millionen $ unter die Arme. In den Vorjahren investierte die USA offiziell 20 Mio. $ in anti-chavistische Aktivitäten; Summen in mehrfacher Höhe werden ebenfalls genannt.  

Global notorisch wurde der Kandidat 2002, damals Bürgermeister der Reichensiedlung Baruta im Weichbild von Caracas [heute Gouverneur des Bundesstaats Miranda], wegen seiner Teilnahme am CIA-gestützten Putsch gegen Hugo Chávez. Mit einem Haufen exilkubanischer Terroristen und seiner Ortspolizei drang er in Kubas Botschaft ein, stiftete allerhand Unheil, bis er vom kubanischen Botschafter nach Hause geschickt wurde. Von Wikileaks veröffentlichte Dokumente belegen seine langjährige Zusammenarbeit mit der US-Botschaft, nicht nur beim Aufbau seiner Präsidentschaftskandidatur, sondern bei weiteren Aktivitäten, die Washingtons Zensoren schon ausgetuscht hatten. U.a. waren Henrique Capriles Radonski und Leopoldo Lopez während des Putschs an der Entführung des Innen- und Justizministers Ramon Rodriguez Chacin und Plünderung seines Hauses beteiligt. Von April bis September 2004 saß Capriles deshalb in Untersuchungshaft, wo er publikumswirksam zum katholischen Christen mutierte. Der verantwortliche Staatsanwalt, Danilo Anderson, flog dennoch am 18. November 2004 mit seinem Auto in die Luft, unter Verwendung des Sprengmittels C4, das US-kubanische Terroristen aus der Schule des berühmt-berüchtigten Luis Posada Carriles bevorzugen. Posada Carriles genießt seinen Lebensabend in Miami, dies trotz vielfacher Auslieferungsforderungen - nicht nur aus Kuba. Das National Security Archive in Washington qualifiziert ihn als einen der gefährlichsten Terroristen der neueren Geschichte und als Godfather der exilkubanischen Gewalt. Es versteht sich von selbst, daß Radonski jede von der USA sich absetzende Zusammenarbeit und Integration Lateinamerikas [Mercosur, Unasur, ALBA, CELAC] ablehnt, so wie er schon als Bürgermeister Ärzte des kubanischen Hilfsprogramms mobbte und aus seinem Sprengel vertrieb. Auch verläßt er sich weiterhin auf die US-inspirierte und NED-finanzierte Wählermobilisierungsorganisation Súmate [Reih Dich ein!], die zur hohen Wahlbeteiligung [81 %] beigetragen hat. Súmatebrachte unentschiedene Wähler auf die Beine, Chávez' sozialer Erfolg aber die weniger privilegierten Mehrheiten. Die obigen Fakten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der mittlerweile so perfekt dressierte Strahlemann wird weiterhin von sich hören machen; er verspricht nun Kampf in den einzelnen Bundesstaaten. Capriles arbeitet entschlossen auf den Rückbau des venezolanischen  Sozialstaats hin, auf die Privatisierung dessen öffentlicher Strukturen. Capriles - eine Offerte, die an US-Produkte wie Álvaro Uribe erinnert, von 2002 bis 2010 Kolumbiens Präsident, oder an Sebastián Piñera Echenique, der Chile seit 2010 neoliberal abwickelt. Lächelnd, sportlich, weltmännisch, mit einem Hauch von Werbeseite und dem sicheren Platz auf der Forbesliste der Superreichen. Sie kommen von teuersten US-amerikanischen Kaderschmieden und werden von NED, IRI, USAID & Co. aufs Karrieregleis gesetzt  - mit dem know how des Imperiums versehen, inklusive licence to kill, wie einst James Bond. Auch Eva Gollinger, die US-venezolanische Anwältin und wohl die beste Venezuelaexpertin überhaupt, registrierte schon 2010, daß deutsche Parteistiftungen hierbei helfen: »Die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) investiere jährlich 500.000 € in rechte Parteien, die hinter Radonski stehen. Im Wahlkampf seien auch die in Lateinamerika schon berüchtigten Privatisierer  - wie die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) und die Hans-Seidel-Stiftung (CSU) -  nicht untätig gewesen. 

Henrique Capriles Radonski hat zwar nicht gewonnen, aber viel erreicht. Einer mit dem man rechnen muß. Er hat Zeit - dem kranken Hugo Chávez läuft sie davon. Capriles steht für Wall Street und Washington und deren subversives Vorgehen gegen einen der fortschrittlichsten Staaten Lateinamerikas und seine bolivarischen Ideale. Doch wer trifft es genauer als Hugo Chávez' begnadetes Mundwerk? In einer Rede am 16. Februar 2012 über Radonski, den Mittelmäßigen, erklärte er folgendes: Der Mittelmäßige hat Berater, die ihm gesagt haben, er solle die Konfrontation mit mir meiden.... Die Konfrontation hierzulande ist nicht die vom Mittelmäßigen und Chávez, sondern die von Bourgeoisie und Volk. Von Imperium und Vaterland…. Die Nicht-Patrioten sollen dem Mittelmäßigen hinterherlaufen. Er ist der Kandidat des Imperialismus..... Kandidat der Bourgeoisie, der großen Banken, der großen Firmen, des großen Kapitals. Nun sagt der Mittelmäßige, er sei Progressist. Stell Dir vor…... ein progressiver Bourgeois! Du versuchst dich zu maskieren, Mittelmäßiger. Doch es wird dir nicht gelingen. Du bist der Kandidat der Yankees, der Kandidat des Imperialismus, der Kandidat der Staatsstreiche der Bourgeoisie, der Kandidat der Vergangenheit.   

Anmerkung politonline: Die praktisch weltweiten Einmischungen der schwerreichen steuerbefreiten Stiftungen, ob nun die der BRD, wie sie in dem Abriss Zu den Wahlen in Venezuelaaufgezeigt sind, oder die der USA resp. anderer Länder, sind längst Gegenstand zahlreicher Publikationen. Indessen ist nicht abzusehen, dass sich die Parlamentarier, auch nicht das EP in Strassburg,  bemüssigt sähen, hier einzugreifen. Der Einfluss der Stiftungen wird von den Regierungen offenbar geflissentlich ignoriert. Insofern kann man letzteren anlasten, dass sie durch ihre diesbezügliche Passivität, nämlich die Duldung der Machenschaften der Stiftungen im Hintergrund, die von ihnen ohne Unterlass ins Feld geführte Demokratie in hohem Grad unterhöhlen. Wie deutsche Stiftungen in Lateinamerika hinter den Kulissen den Kampf gegen die Gegner des Neoliberalismus führen, beschreibt ein Rückblick auf einen von Harald Neuber bereits 2008 veröffentlichten Artikel:  »Am 13. und 14. Mai richtete die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Brüssel eine Konferenz mit konservativen Politikern und Vertretern des antikubanischen Exils in der USA aus, um »Übergangsszenarien nach der Ära Castro« zu beraten. Neben rechtskonservativen Funktionären aus Spanien und Portugal traf der Lateinamerika-Referent der KAS, Hans-Hartwig Blomeier, dabei auch mit dem »Transitionsbeauftragten« der US-Regierung für Kuba zusammen. Daß Blomeier bei der politischen Mission gegen die lateinamerikanische Linke keine Berührungsängste hat, hatte er bewiesen. Ende April lud er mit dem brasilianischen Politiker Paulo Sette Câmara einen Verantwortlichen für eines der schwersten Massaker an Landlosen in dem südamerikanischen Staat ein. Bei der KAS sprach Sette Câmara zum Thema »Innere Sicherheit und demokratische Gesellschaft«. Es ist selten, daß solche Kontakte deutscher Parteistiftungen öffentlich werden. Als die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zwei Wochen vor dem Lima-Gipfel zu einer Lateinamerika-Tagung nach Berlin lud, diskutierten auf dem Podium der Europa-Abgeordnete Martin Schulz mit dem Präsidentschaftskandidaten der linken FMLN aus El Salvador, Mauricio Funes. Im Publikum aber sassen 11 Vertreter lateinamerikanischer Jugendorganisationen, die auf Einladung der FES nach Deutschland gekommen waren. Aus Venezuela stammten zwei Aktivisten, beide aus der rechten Opposition. Aus Bolivien wurde ein Vertreter der »Gemeindestiftung« eingeladen, die dem ehemaligen Präsidenten Carlos Mesa nahesteht. Ein ähnliches Bild liefern die kleinen Stiftungen. Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung sorgte so für einen Skandal in El Salvador. Eine von ihr finanzierte Studie empfahl der Regierung, den FMLN-Kandidaten Funes als Marionette Kubas zu diffamieren. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung traf sich Ende März in Argentinien mit rechten Parteien und Organisationen aus aller Welt, um die »Herausforderungen Lateinamerikas« zu besprechen. Vor diesem Hintergrund wird das Besuchsprogramm Angela Merkels nach dem EU-Lateinamerika-Gipfel mindestens ebenso interessant wie die Beratungen in Lima selbst. Auf den weiteren Stationen in Bogotá und Mexiko trifft sie mit Vertretern der politischen Stiftungen zusammen. Für Bogotá sind die Adenauer-, die Ebert- und die Seidel-Stiftung aufgeführt.«  [2] 

Fakten der genannten Art finden selbstredend seltenst oder gar nie Eingang in die Systempresse.

 

Quelle: http://seniora.org/index.php?option=com_content&task=view&id=856&Itemid=58 
Wer ist Capriles Radonski? - Von Wolf Gauer, São Paulo 
[1]  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2008 
Zu den Wahlen in Venezuela
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1530 
Militärische Kontrolle und Einkreisung Lateinamerikas durch die USA - Von Wolf Gauer 
[2]  Ausschnitt aus http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=935  17. 5. 2008
Noch heimlicher als sonst: die Bilderberger-Konferenz 2008