Syriens Opposition anerkannt 22.11.2012 22:19
Wie inzwischen bekannt, hat die EU am 19. November die Nationale Koalition der Opposition
als
legitimen Vertreter des syrischen Volkes anerkannt. Am 17. 11. hatte sich François Hollande als erster Regierungschef
mit dem neuen syrischen Oppositionschef, Ahmed Muas al-Chatib, getroffen.
Gleichzeitig tritt Frankreich für Waffenlieferungen an die Rebellen ein. Wie es
heißt, will das Oppositionsbündnis für den Fall einer Regierungsübernahme alle
ethnischen und religiösen Gruppen einbeziehen, also auch Christen und Alawiten.
Während
das sinnlose Blutvergießen in Syrien weitergeht, schreibt ›Strategic Alert‹, hatte die globale Kriegspolitik der Regierung Obama seltsame
Blüten getrieben. Am 31.10. hatte Außenministerin Hillary Clinton in Kroatien
erklärt, die nutzlose und veraltete syrische Opposition solle durch eine neue
Gruppe ersetzt werden - quasi bis auf den letzten Mann von der USA handverlesen – und dieser wäre die Macht
zu übertragen, ein Vorschlag, der international verurteilt wurde. Clinton befand
sich auf dem Weg nach Katar, wo am ersten Novemberwochenende die Beratungen
über die Bildung einer neuen Opposition stattfanden. Was die Medien nicht berichten, ist, daß Clinton damit
in eine Falle der britischen Fraktion mit ihren Satrapen Katar und
Saudi-Arabien für eine internationale Konfrontation mit Rußland und China
getappt ist. Für die syrische Opposition wie auch für
die syrische Regierung widerspricht die Forderung der USA allen politischen und
moralischen Grundprinzipien. Daß die US-Regierung entscheiden sollte, welche
Regierung das syrische Volk haben soll, widerspricht dem Völkerrecht, dem
Willen des syrischen Volkes, der Opposition und dem gesunden Menschenverstand. Man
fühlt sich an die irakischen Oppositionsfiguren aus dem ›Fünf-Sterne-Hotel‹ erinnert,
die von London aus in den Irak gebracht wurden, um nach der Invasion von 2003
das Land zu regieren. Das war jedoch nur möglich, weil die Bush-Administration
und die britische Regierung unter Tony Blair 150.000 Soldaten einsetzten und
Hunderttausende von Menschenleben opferten.
Der
gefährlichste Aspekt des Vorschlags ist, daß dadurch eine Konfrontation mit
Rußland geradezu herausgefordert wird. Das russische Außenministerium gab eine Erklärung
heraus, in der es hieß, Clintons Äußerungen stünden im Widerspruch zu den Vereinbarungen,
die die Weltmächte im Juni in Genf über den Konflikt erzielt hatten. »Wir hörten direkte Anweisungen, was die syrische Opposition tun
sollte, um eine ›Exilregierung‹ zu bilden und wer an einer
solchen Regierung beteiligt sein sollte, bis hin zu konkreten Personen. Vertreter
der USA sagen, daß sie nicht die Absicht haben, auf eine Veränderung der
Position Rußlands und Chinas zu warten. Somit machen sie unverhohlen klar, daß
sie den syrischen Konflikt ausschließlich zu ihren Bedingungen beigelegt haben wollen.« Außenminister Sergej Lawrow hatte nach einem Treffen mit seinem
französischen Amtskollegen Laurent Fabius am 1. 11. gewarnt, daß ein Sturz von
Präsident Assad den Bürgerkrieg in Syrien nicht etwa beenden, sondern ausweiten
würde und deshalb falsch sei. »Darauf zu spekulieren, daß sich mit der
Beseitigung der Regierung alles in eitel Sonnenschein auflösen würde, ist wie
Tagträumerei«, sagte Lawrow. Bemerkenswerterweise hat in der USA Zbigniew Brzezinski,
der nationale Sicherheitsberater unter Carter, eine Gegenposition zur Regierung
geäußert. Am 23. 10. hatte er sich vehement dagegen ausgesprochen, die syrischen
Rebellen zu bewaffnen; er warnte, daß sich dies schnell zu einem ›regionalen Krieg‹ ausweiten würde. Angesichts des
Rückschlags für die USA in der ganzen Region bestand er darauf, daß man zur
Lösung des Konflikts Rußland und China in Gespräche einbinden sollte.
Brzezinski hatte einst selbst mitgeholfen, die Mudschaheddin in Afghanistan für
den Kampf gegen die Sowjetunion aufzubauen; inzwischen hat er jedoch offenbar
verstanden, daß die Folgen einer solchen Politik unkontrollierbar sind. Die
Chinesen reagierten mit einem eigenen Vorschlag für einen Frieden in Syrien,
den sie an den UNO-Beauftragten Lakhdar Brahimi richteten. Gegen Hillary Clintons
Vorschlag protestierten auch Teile des Syrischen Nationalrats; diesen hatte
Clinton als ungeeignet zur Führung der Opposition bezeichnet. Offenbar will die
Regierung Obama nun einige ›Militärführer‹ der syrischen
Opposition heimlich aus Syrien nach Doha holen, sie dort zur Gegenregierung
salben und sie dann wieder nach Syrien hineinschmuggeln. In der Region ist es
inzwischen ein offenes Geheimnis, daß ein Sturz der syrischen Regierung auch
mit den zahllosen ausländischen Extremisten und Terroristen, u.a. von Al Kaida,
die auf Seiten der Rebellen kämpfen, unmöglich ist und nur mit einer
ausgewachsenen Militärintervention der USA und der NATO von der Türkei aus zu
schaffen wäre. Aber anders als beim Irak 2003 haben Rußland und China nicht die
Absicht, tatenlos zuzusehen, wie die Welt in neue globale imperiale Kriege
gestürzt wird. [1]
Am 19. 1.
hatte sich der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière für einen Bundeswehreinsatz
an der türkisch-syrischen Grenze durchaus aufgeschlossen gezeigt. Sollte die
Türkei die Nato um die Stationierung des Raketenabwehrsystems Patriot bitten,
dann werde die Bundesregierung eine Beteiligung schnell und solidarisch prüfen.
Mit den Patriot-Raketensystemen an der türkisch-syrischen Grenze, die mit
deutschen Soldaten bestückt werden würden, wird de facto eine Flugverbotszone
in Syrien geschaffen und ein weiterer gefährlicher Schritt zur Eskalation
getan. Dazu kommen die israelische Offensive gegen Gaza als mögliche Vorstufe
für einen israelischen Angriff auf den Iran.
[2]
Wie ›German Foreign Policy‹ darlegt, beziehen sich die
Stationierungspläne von Patriot-Flugabwehrraketen weit im Südosten der Türkei
nicht nur auf Gebiete, in denen seit geraumer Zeit die Konflikte mit kurdischen
Separatisten eskalieren. Sie schaffen, wie bereits erwähnt, zudem die
Voraussetzungen für die Einrichtung von Flugverbotszonen in Syrien, für die in
der letzten Woche Berichten zufolge ranghohe Militärs aus der Türkei und der
USA dem Weißen Haus konkrete Pläne vorgelegt haben. Hintergrund ist die Absicht
der kürzlich in Katar neu gebildeten syrischen Exilführung, in wenigen Wochen
ihr Exil zu verlassen und sich in Nordsyrien festzusetzen. Dazu benötigt sie Sicherheit
vor Angriffen aus der Luft. Die Stationierung von Patriot-Raketen im Südosten
der Türkei ist allerdings aus mehreren Gründen von erheblicher Brisanz, da die PKK
ihre separatistischen Aktivitäten in den kurdischsprachigen Gebieten an der
Grenze zu Syrien im vergangenen Jahr deutlich ausgeweitet hat. Hintergrund ist,
daß Damaskus die Kontrolle über die
kurdischsprachigen Gebiete Syriens schon lange nicht mehr aufrechterhalten
kann, so daß dort inzwischen die PKK-nahe
Partiya Yekitîya Demokrat [PYD, Partei der Demokratischen Union] dominiert. Im
Juli hatte die PYD die Kontrolle über mehrere kurdisch geprägte Ortschaften im
Norden Syriens nahe an der Grenze zur Türkei übernommen; seither wächst in
Ankara die Befürchtung, die PKK könne ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten
ausweiten und den kurdischen Separatismus unkontrollierbar eskalieren lassen. Dementsprechend
geht das türkische Militär wieder deutlich aggressiver gegen die PKK vor. Das
Gebiet, in dem die Patriot-Raketen stationiert würden, ist zumindest teilweise
mit dem Konfliktgebiet identisch. [3]
Den
Amerikanern und der westlichen Seite, wiederholt Helga Zepp-LaRouche, geht es
nicht oder nicht vorrangig darum, der bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu
helfen, sondern um die Einflußnahme auf die
Neugestaltung des Landes nach einem voraussichtlichen Sturz des derzeitigen
Regimes, obwohl man mit diesem bisher stets gut zusammenarbeiten konnte.
Mehrere, seit längerem geplante, für den Westen wichtige Öl- und Gaspipelines
stehen auf dem Spiel, die Saudi-Arabien und Katar mit dem östlichen
Mittelmeerraum und der Türkei verbinden und deshalb partiell durch syrisches
Gebiet führen sollen.
[1] Strategic Alert Jahrgang
25 Nr. 45 vom 7. 11. 12 [2] http://www.bueso.de/node/6165 19. 11. 12 [3] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58467 19. 11. 12 Flugabwehr
für die Exilführung
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