Gaza - Ein Kommentar von Moshé Machover 10.12.2012 00:14
Der Mathematiker, Philosoph und politische Aktivist Moshé Machover hat
für »Hintergrund« die Eskalation des Gaza-Konflikts kommentiert. Machover
lehrte als Professor sowohl an israelischen als auch an britischen
Universitäten.
Israels
Operation ›Rauchsäule‹ auf dem Gaza-Streifen weist verblüffende
Parallelen zu dem ›Cast Lead‹-Massaker im Dezember 2008/Januar 2009 auf. Beide
Angriffe wurden kurz vor Parlamentswahlen gestartet. Im Februar 2009 erhielt
Kadima, die führende Partei in der Regierungskoalition, die ›Cast Lead‹ angeordnet hatte, die
Mehrheit der Parlamentssitze, war aber nicht fähig, eine Koalition zu
schmieden, was die Bildung der gegenwärtigen Regierung zur Folge hatte, die von
Netanjahu und seiner Likud-Partei angeführt wird. Nun scheint Netanjahu das
Prozedere zu wiederholen, in der Hoffnung, seine Ausgangspositionen für die
Neuwahlen im Januar zu verbessern. Ebenso gingen beiden Angriffen eine
Serie von unauffälligen israelischen Provokationen voran, wie die
Erschießung eines palästinensischen Teenagers beim Fußballspielen, der in die
Reichweite eines IDF-Scharfschützen geraten war, oder das Versenken eines
Fischerbootes vor der Küste Gazas. Diese sorgfältig kalibrierten Zwischenfälle
finden außerhalb des Gesichtsfelds der israelischen und westlichen Medien
statt, aber eine ausreichende Menge davon führen irgendwann zu Vergeltung in
Form von ungezielten Raketen-Abschüssen – blindlings aus Gaza nach Israel.
Darüber wird dann weithin berichtet, und das ermöglicht es Israel, für sich in
Anspruch zu nehmen, seine massiven Angriffe seien Vergeltung, anstatt
andersherum. In beiden Fällen hat Israel ein Waffenstillstandsabkommen
verletzt, das von Ägypten vermittelt worden war. Dieses Mal wurde die
Waffenruhe, die am Montag vereinbart worden war, durch das Attentat auf den
Hamas-Militärchef Ahmed al- Dschabari gebrochen. [1] Es wurde konzipiert, um die Spirale des Todes
in Gang zu setzen, und ihm folgte eine heftige Bombardierung, die noch anhält,
während ich diese Zeilen schreibe.
Aber
die arabische Welt hat sich seit 2009 radikal verändert; sie ist viel
explosiver geworden und viel weniger berechenbar. Das heißt, daß das lokal
begrenzte Feuer sich zu einem regionalen Flächenbrand ausbreiten kann. Auch das
kann Netanjahus verdeckter Agenda dienen: Ein langwieriger regionaler Krieg bildet den
Nebelschleier für eine breit angelegte ethnische Säuberung gegen die
Palästinenser in den seit 1967 besetzten Gebieten. Das ist ein
langfristig angelegter Plan, der von allen nennenswerten zionistischen Parteien
unterstützt wird. Er wurde entwickelt, um den zionistischen Widerspruch zu
lösen: Dem hartnäckigen Widerstand gegen die Gründung eines souveränen
palästinensischen Staates – wie klein auch immer und in welchem Teil Palästinas
von vor 1948 auch immer – auf der einen Seite, und auf der anderen Seite der
größeren ›demographischen
Gefahr‹, der
Entstehung einer arabischen Mehrheit in ihrem Land, die sie abwenden wollen. Er
wird zu einer ›Ein-Staat-Lösung‹ in zionistischem Stil führen: Ganz Palästina wird in ein
Großisrael mit einer vorherrschenden jüdischen Mehrheit umgewandelt.
Die
progressive öffentliche Meinung muß dringend
weltweit mobilisiert werden, um das
gegenwärtige Blutvergießen zu beenden und eine noch größere Katastrophe
zu verhindern. [2]
52 Persönlichkeiten
fordern Waffenembargo gegen Israel In einem offenen
Brief haben 52 internationale Persönlichkeiten ein Waffenembargo gegen Israel
gefordert. Sie seien ȟber die letzte Runde der israelischen Aggression gegen
die 1,5 Millionen Palästinenser im belagerten und besetzten Gazastreifen entsetzt«, heißt
es in dem im Internet veröffentlichten Schreiben. Notwendig seien »internationale
Maßnahmen«
wie ein umfassendes Militärembargo. Zugleich verglichen sie derartige
Sanktionen mit dem »gegen Südafrika der Apartheid in der Vergangenheit
verhängten Waffenembargo«. »Israels ungeprüfte Kriegslust«, so die
Unterzeichner, erfordern »eine konzertierte Aktion der internationalen
Zivilgesellschaft«, um die Regierungen zu entsprechenden Maßnahmen zu
zwingen. Vor allem die USA unterstützt Israel jedes Jahr mit erweiterter
militärischer Hardware im Wert von Milliarden Dollar. Aber auch die Europäische
Union unterstütze das Land durch seine Forschungsprogramme. Bedeutsam sei auch
eine zunehmende militärische Zusammenarbeit mit Schwellenländern wie Südafrika,
Brasilien und Südkorea. Die »militärische Beziehungen zu Israel haben die
unerbittlichen Akte der Aggression angeheizt«, heißt es. Im Gegenzug handelt es
sich beim militärischen Vorgehen Israels zur Rechtfertigung nicht um einen Akt
der Selbstverteidigung. »Israel festigt weiterhin seine Unterwerfung der
Palästinenser, während es bewaffnete Konflikte mit seinen Nachbarn in der Region
provoziert oder initiiert«. Die Unterzeichner unterstützen
daher die Forderung der palästinensischen Zivilgesellschaft nach einem
Militärembargo. »Dies ist nun eine moralische und rechtliche Notwendigkeit,
um einen gerechten und umfassenden Frieden zu erreichen«.
Unterzeichnet
wurde der Aufruf u.a. von dem israelischen Filmemacher Udi Aloni, dem
US-Intellektuellen Noam Chomsky, der US-Politikerin Angela Davis, dem
französischen Holocaust-Überlebenden und Diplomaten Stéphane Hessel und dem
britischen Musiker Roger Waters
[1] Siehe hierzu »Getöteter Hamasführer Jaabari wollte offenbar
langfristigen Waffenstillstand« http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2040 Moshé Machover ist ein israelischer Sozialist und Gründungsmitglied der
antizionistischen Organisation Matzpen. Kürzlich ist eine Sammlung seiner
Essays unter dem Titel ›Israelis and
Palestinians: Conflict and Resolution‹ bei
Haymarket Books erschienen. [2] Quelle: http://www.hintergrund.de/201211152356/politik/welt/netanjahus-agenda.html Netanjahus
Agenda London,
15. November 2012 3] http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=68832&title=52+Pers%F6nlichkeiten+fordern+Waffenembargo+gegen+Israel&storyid=1001354711517 5. 12. 12 52
Persönlichkeiten fordern Waffenembargo gegen Israel
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