Eingreiftruppen 10.03.2013 23:23
Der Aufbau schlagkräftiger EU-Interventionstruppen ist immer wieder einmal Gegenstand
von
Berichten in der Tagespresse. Was jedoch die Möglichkeit der Bekämpfung
etwaiger Aufstände innerhalb der EU selbst angeht, so ist über die dafür
vorgesehene Geheimtruppe ›Eurogendfor‹ relativ wenig bekannt,
so dass sie kaum ein Europäer kennt. Der Führungsstab dieser über 3000 Mann
starken Sondereingreiftruppe sitzt im italienischen Vicenza. Ursprünglich hatte
die frühere französische Verteidigungsministerin Alliot-Marie die Gründung
dieser Truppe angeschoben, nachdem es in
Frankreich immer öfters zu Unruhen zugewanderter muslimischer Jugendlicher mit
Strassenschlachten und Plünderungen gekommen war. ›Eurogendfor‹ ist alles zusammen: Polizei, Kriminalpolizei,
Armee und Geheimdienst. Die
Kompetenzen dieser Truppe sind praktisch unbeschränkt. Sie soll, in
enger Zusammenarbeit mit europäischen Militärs, die Sicherheit in europäischen
Krisengebieten gewährleisten. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, Aufstände niederzuschlagen;
immer mehr EU-Staaten treten dieser Geheimtruppe bei. Die europäischen Regierungen
befassen sich durchaus mit den Situationen, die ihnen womöglich bevorstehen
können. Und um nicht die eigene Armee gegen die Bürger des Landes einsetzen zu
müssen, wurde heimlich still und leise die paramilitärische Gendarmerie-Truppe
der EU gegründet. Diese kann, wie es im Vertrag von Velsen, der die Einsätze
von ›Eurogendfor‹
regelt, festgehalten ist, theoretisch überall dort eingesetzt werden, wo die EU
eine Krise sieht. Das Motto ihres Wappens lautet: «Lex paciferat» – übersetzt:
«Das Recht wird den Frieden bringen». Es betont «das Prinzip der strengen
Beziehung zwischen der Durchsetzung der Rechtsgrundsätze und der
Wiederherstellung einer sicheren und geschützten Umgebung». Über die Einsatz-Strategie
entscheidet ein ›Kriegsrat‹ in Gestalt des
Ministerausschusses, der sich aus den Verteidigungs- und Sicherheitsministern
der teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Die Truppe kann entweder auf
Anfrage oder auf Beschluss der EU hin in Marsch gesetzt werden. In Artikel 4
des Gründungsvertrags heisst es zu den Einsatzaufgaben: «Schutz der Bevölkerung
und des Eigentums und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beim Auftreten
öffentlicher Unruhen.» Die Soldaten dieser paramilitärischen EU-Truppe müssen
sich zwar zunächst an das geltende Recht des Staates, in dem sie eingesetzt und
stationiert werden, halten. Aber: Alle Gebäude und Gelände, die von den Truppen
in Beschlag genommen werden, sind
immun und selbst für die Behörden des Staates, in dem ›Eurogendfor‹ eingesetzt wird, unzugänglich. Der Moloch EU
setzt damit nationales Recht auch bei der Aufstandsbekämpfung ausser Kraft. [1]
Wie eine
Krake, heisst es hierzu, greift die EU immer mehr nach direkter Macht in den
einzelnen Mitgliedsländern. Mit der nunmehr ausformulierten ›Solidaritätsklausel‹ des Vertrags von Lissabon wird den
EU-Mitgliedstaaten verharmlosend Hilfe bei ›aussergewöhnlichen
Umständen‹ im Innern versprochen.
Die EU-Kommission und Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der EU für Aussen-
und Sicherheitspolitik, haben jetzt einen Vorschlag zur Ausgestaltung derselben
vorgelegt. Das Papier bezieht sich auf Artikel 222, um den es bei
Verabschiedung des Lissabon-Vertrags Streit gegeben hatte. Die EU-Organe und die
Mitgliedstaaten werden darin verpflichtet, im Falle eines Schadensereignisses einander
zu unterstützen. Dies schliesst explizit den Einsatz polizeilicher,
geheimdienstlicher und militärischer (!) Mittel ein.
In dem nun
vorliegenden Vorschlag wird nun eine Beistandspflicht für ›aussergewöhnliche Umstände‹ vorgesehen. Politische
Auseinandersetzungen werden zwar in den vorgeschlagenen Anwendungsbereichen der
Solidaritätsklausel nicht eigens erwähnt. Allerdings könnte die mitgelieferte
Definition einer Katastrophe auch Unruhen, Blockade-Aktionen oder Sabotage
erfassen: nämlich ›jede Situation,
die schädliche Auswirkungen auf Menschen, die Umwelt oder Vermögenswerte hat
oder haben kann‹. Die ebenfalls festgeschriebene
Definition einer ›Krise‹ als Auslöser deckt alle weiteren
denkbaren Bedrohungen ab, darunter jede ›ernste,
unerwartete und häufig gefährliche Situation, die rechtzeitige Massnahmen
erfordert‹ und die ›wesentliche gesellschaftliche
Funktionen betreffen oder bedrohen kann‹.
Hinzu kommen ›fortgesetzte
Arbeitsverweigerung, z.B. von Hafenarbeitern, oder Generalstreik‹. Besonders wenn sich
Sicherheitsbehörden an Protesten beteiligen, wäre die Handlungsfähigkeit eines
Staates stark eingeschränkt. Was bei uns noch nicht vorstellbar ist, hat sich
allerdings in Griechenland und Portugal schon ereignet: dort haben in den letzten
Jahren Polizeikräfte und teilweise auch Militärangehörige gestreikt. Die
EU-Kommission und ihre Unterkommissionen lassen in dieser Sache nichts anbrennen.
Bereits haben 3 sechswöchige Übungen europäischer Polizeibehörden an den
Trainingsorten der ›Eurogendfor‹ auf einem Truppenübungsplatz bei
Potsdam stattgefunden. Diese ›European
Police Force Trainings‹ (Eupft)
sollen die Fähigkeiten zur Aufstandsbekämpfung der verschiedenen Länder illustrieren
und auswerten. Beteiligt waren Polizisten und Gendarmen jener Einheiten, die
für Einsätze im Ausland in Frage kommen. Für Fachleute ist es klar: Diese
Übungen sind durchaus auch als Vorbereitung eines operativen Umsatzes von
Artikel 222 zu verstehen. Für den 7. März 2013 war in Brüssel eine erste Lesung
der vorgeschlagenen neuen Solidaritätsklausel vorgesehen. [2]
[1] Quelle: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=800 Zeit-Fragen Nr.16 vom 16. 4. 2012 [2] Quelle: Vertraulicher Schweizer Brief Nr.
1349 vom 12. 2. 2013
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