Syrien - Ein Kompromiss mit unterlegter Drohung - Von Doris Auerbach 16.09.2013 00:40
Die zwischen dem russischen und dem amerikanischen Aussenminister jetzt in Genf erzielte Vereinbarung
verpflichtet
Assad dazu, innerhalb einer Woche eine komplette Liste seines Giftgas-Arsenals vorzulegen
und den UN-Experten Zugang zu allen Lagerstätten zu gewähren. Diesbezüglich
hatte der syrische Aussenminister Walid al-Muallimal bereits am 10. September
erklärt, dass Syrien bereit sei, anzuzeigen, wo sich die Chemiewaffen befinden,
die Produktion zu stoppen und die Anlagen Vertretern Russlands und anderer
UNO-Staaten zugänglich zu machen. Bis Mitte nächsten Jahres sollen dann alle
Waffen zerstört oder internationalen Kontrolleuren übergeben sein. Die
Sicherung der syrischen C-Waffen soll dem Vorschlag Moskaus gemäss in drei
Phasen unterteilt werden: In der ersten Phase soll die Assad-Regierung der
Chemiewaffen-Konvention der UNO beitreten; ein entsprechender Antrag ist
bereits gestellt. In der zweiten Phase sollen die Lagerorte der Waffen
festgestellt werden, um in der dritten Phase geeignete Massnahmen zur Sicherung
der Waffen vorzunehmen, berichtete BBC. Wie Aussenminister Kerry erklärte,
bleibt die US-Drohung gegen Syrien, laut der es bei Zuwiderhandlungen Zwangsmassnahmen
geben soll, bestehen. »Es gibt keinen Raum für Spielchen, es kann nur die volle Befolgung
durch das Regime geben.« Hält sich Assad nicht an die Vereinbarung, kann ein
gemeinsamer Militärschlag erfolgen. Wenn der Plan vollständig umgesetzt werde, so
Kerry ferner, würden Chemiewaffen das syrische Volk und seine Nachbarn nicht
mehr bedrohen. Der Plan gebe der Welt »mehr Schutz und Sicherheit«; allerdings auch nur dann, sei hinzugefügt, solange Chemiewaffen
nicht von anderen Staaten eingesetzt werden.
Indessen
sollte auffallen, dass von eventuellen, sich im Besitz der Rebellen
befindlichen Chemiewaffen keine Rede ist, dies trotz der
Tatsache, dass Kerry am 16. 9. in Genf zugegeben hat, dass es möglich sei, dass
sich ein Teil dieser Waffen in den Händen der Opposition befindet. Somit bleibt
der Eindruck zurück, dass zu befürchten steht, dass die Zielsetzung noch immer darauf
hinausläuft, den Einsatz dieser Waffen ausschliesslich Assads Truppen
anzulasten. Nun führte Prof. Dr. Albert A.
Stahel vom Institut für Strategische Studien in Wädenswil Ende August hierzu
folgendes aus: Die Bilder aus Damaskus über die Einsätze von C-Waffen lassen erkennen,
dass die dafür eingesetzten Waffensysteme regelrecht zusammengebastelt wurden. »C-Waffen-Kanister«, schreibt
Stahel, »die
vermutlich aus Regierungsbeständen stammen, sind auf umgelenkten
Panzerabwehrraketen behelfsmässig aufgeschweisst und aufgenietet worden. Die
ballistisch instabilen Waffen dürften von Behältern abgefeuert worden sein. Die
Reichweite wird nicht mehr als 1?km betragen haben. Diese Konstrukte stammen mit Sicherheit nicht aus den Beständen der
syrischen Armee, die mit sowjetischen Waffen aufgerüstet worden ist. Es sind
Waffen von Amateuren. Vermutlich sind sie von oppositionellen Milizen
hergestellt worden.« [1]
Was die
Bilder der Opfer des Angriffs vom 21. August auf Aussenbezirke von Damaskus
betrifft, so erklärten verschiedene Redner am 10. September auf einer UNO-Menschenrechtskonferenz
in Genf, dass diese manipuliert worden seien. Teile des Film- und Bildmaterials
des mutmasslichen Chemiewaffenangriffs seien bereits vor dem Angriff erstellt
worden. Nach Auffassung dieser Redner handelte es sich bei dem vermuteten
Sarin-Giftgasangriff aller Wahrscheinlichkeit nach um eine gezielte Provokation
der Rebellengruppen, eine Auffassung, die auch von anderer Seite vertreten
worden ist. Ferner legten internationale Experten Material und Stellungnahmen
vor, die in ihrer Gesamtheit die Ablehnung Russlands gegenüber einem
US-Militärschlag untermauern. Auch innerhalb der US-Geheimdienste gibt es
Zweifel, dass Assad für den Einsatz verantwortlich ist. Beweise, wurde am 8.9.
erklärt, gäbe es nicht, lediglich eine Schlussfolgerung. Wie von Seiten der UNO
am 14. 9. erklärt wurde, liegen ihr zwar stichhaltige Beweise für den Einsatz
von C-Waffen vor, die Urheber des Angriffs seien jedoch noch nicht klar.
Erwartungsgemäss erfolgte auch dort die ohne Unterlass wiederholte Anklage,
dass Baschar al-Assad ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätte;
der noch nicht veröffentlichte ›Sellström-Bericht‹ soll diesen schwer belasten.
Was sich Herr Westerwelle wohl so vorstellt …. Auch wenn der
deutsche Aussenminister Guido Westerwelle die in Genf erzielte Einigung mit der
Aussage begrüsst: »Wenn den Worten jetzt Taten folgen, steigen die Chancen
für eine politische Lösung erheblich«, so richtete er dennoch
gleichzeitig die Forderung an Russland, auf Assad einzuwirken, damit das Regime
›nicht weiter auf Zeit spielt‹; von einem Aufruf an die Rebellen war
auch in diesem Zusammenhang nichts zu vernehmen, geschweige
denn, dass Westerwelle die Unterstützung derselben durch das eigene Land
erwähnt hätte, oder etwa den Fakt, dass die CIA im Auftrag von Obama Ende
August/Anfang September damit begonnen hat, die Rebellen mit leichten Waffen
und Munition aufzurüsten. Wie die ›Washington
Post‹ schreibt, begann dies genau zu
dem Zeitpunkt, als die Spannung auf Grund der von Obama angedrohten
Militärschlägen ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die hieraus ersichtliche Einseitigkeit
der Einstellung Westerwelles ist für meine Begriffe recht abwegig. So hatte Westerwelle
Ende Mai Waffenlieferungen an das Assad-Regime als ›vollkommen falsch‹ bezeichnet.
Die Versorgung von Rebellen, die gegen die Regierung des eigenen Land kämpfen, scheint
er hingegen als gerechtfertigt zu betrachten. Unerwähnt blieb auch, dass Wolfgang Ischinger,
Mitglied der Trilateralen Kommission und der Bundesakademie für
Sicherheitspolitik sowie Teilnehmer der Bilderberger-Konferenz des Jahres 2012,
Anfang März darauf gedrungen hatte, dass deutsch-europäische Waffenlieferungen an die
Aufständischen gelangen.
Schon
Ende Juni war bekanntgeworden, dass die USA Waffen aus geheimen Lagerhäusern nach Jordanien
verlagerte und sich dadurch laut einem Bericht des ›Wall Street Journals‹
vom 27. 6. erstmals auf eine aktive Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg
vorbereitete. Am 14. Juni hatte die EU die Entscheidung von Obama, die
syrischen Rebellen mit Waffen zu versorgen, begrüsst. »US-Präsident
Barack Obama macht deutlich, dass die USA zu der von ihr gezogenen roten Linie
steht«,
hatte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz - ausgerechnet von der CDU - Mitte Juni erklärt. Die Befürchtung, dass die
Waffen in die Hände islamistischer Kräfte gelangen könnten, teilt er nicht. [2] Und
offenbar, hat er auch nicht weiter erwogen, dass die Auslegung der Überschreitung
dieser Linie, zöge sie einen Angriff nach sich, zu weiteren Massenmorden führen
würde. Vollends unverständlich ist, dass Polenz wie folgt argumentiert: »Obama
wird die Kräfte unterstützen, die einem demokratischen, multi-ethnischen und
religiös toleranten Syrien verpflichtet sind.« Nach
solchen kann er unter den Rebellen bekanntlich lange erfolglos suchen ….
Es sei hier daran erinnert, dass das Auswärtige Amt
der BRD seine fortdauernde Unterstützung für die Aufständischen in Syrien am
18. Juni bekräftigte, auch wenn es, ›anders als
die USA, Grossbritannien und Frankreich‹, keine Waffen an die Rebellenmilizen liefert. Doch werde Deutschland,
hiess es ferner, bei den bevorstehenden Gipfeltreffen einen ›engen Austausch darüber suchen, was
verantwortungsvoll getan werden kann, um die syrische Opposition in
dieser schwierigen Situation zu unterstützen‹. [3] Dass
Europas Unterstützung bei Nothilfe und Wiederaufbau in den Rebellengebieten
parteilichen politischen Zwecken dient, hatten EU-Diplomaten Ende Mai als
zutreffend erklärt. ›Demnach
zielen die dortigen Hilfsmassnahmen darauf ab, in der Bevölkerung Syriens
Sympathien für die Aufständischen zu gewinnen‹, was der deutsche Aussenminister nachdrücklich bestätigte. Die
Aufständischen könnten ›nur dann den
Respekt der Bevölkerung gewinnen‹, wenn sie ›sichtbar‹ dabei hälfen, ›die
drängendsten Probleme in den befreiten Gebieten anzupacken‹. Entsprechende Schritte würden
keineswegs über Damaskus abgewickelt; man gehe vielmehr ›grenzüberschreitend‹ vor und operiere etwa aus der Türkei direkt in die von den
Aufständischen kontrollierten Gebiete hinein. Dies geschehe ›auch gegen den Willen des Assad-Regimes‹, erläuterte der Regierungsbeauftragte
für Humanitäre Hilfe, Markus Löning, das völkerrechtswidrige Vorgehen. Dem Auswärtigen Amt zufolge wurden dabei
schon gut 22 Millionen € umgesetzt. [4] Dies zeigt einmal mehr auf, wie die Steuergelder abfliessen, auch wenn
in der BRD selbst etliche Gemeinden dem Bankrott entgegensteuern. Und gerade das
Kapitel Wiederaufbau ist ein absolutes und trostloses Fass ohne Boden, das allein
in Afghanistan Milliarden
weitgehend erfolglos
verschlungen hat. Auch diese Art der Handhabung unserer Steuern trägt dazu bei,
dass die schon heute nie mehr tilgbare Verschuldung zu- anstatt abnimmt.
Warnungen und Widerstand gegen
einen Angriff unverändert Die Warnungen vor einem Militärschlag gegen Syrien mehren sich nach wie
vor. Jetzt hat auch der
frühere Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Udo di Fabio, die
Bundesregierung vor einer Beteiligung an einem solchen gewarnt. Auf die Frage,
ob eine Teilnahme zulässig sei, gab er eine klare Antwort: »Nein.
Deutschland wird gewiss seine Bündnisverpflichtungen in der NATO erfüllen,
falls die Türkei angegriffen wird. An einem Krieg gegen Assad ohne Mandat des Sicherheitsrats
dürfen wir uns nicht beteiligen, auch wenn manche Juristen meinen, dass bei
schweren Menschenrechtsverletzungen wie einem Giftgasangriff etwas anderes
gelten sollte.« Der Widerstand im US-Kongress ist noch immer gross; die Front
verläuft quer durch die Parteien. Den neuesten Umfragen zufolge sind
Republikaner, Demokraten und Unabhängige gleichermassen gegen einen neuen
Krieg, besonders da gegenwärtig die Wirtschaft schrumpft, die reale
Arbeitslosigkeit wächst und die Infrastruktur zerfällt. Noch viel stärker
jedoch ist der Widerstand in der Bevölkerung selbst. Nach wie vor möchte Aussenminister
Kerry die Welt davon überzeugen, dass die Beweise für Assads Chemieeinsatz
unverrückbar seien, doch bislang liegt nicht einmal eine vorläufige Einschätzung
der UNO-Inspekteure vor. Einem hochrangigen US-Geheimdienstbeamten zufolge sind
die Beweise bestenfalls Indizien und stützen sich auf eine Kombination von Gesprächen
bzw. Kommunikation, die deutsche, israelische und US-Elektronikdienste abgehört
haben. So war in einem Bericht der ›Basler
Zeitung‹ vom 8. 9. die Rede davon,
dass von dem vor der Küste Syriens kreuzenden deutschen Spionageschiff ›Oker‹ offenbar syrische Funksprüche aufgefangen wurden, denen zufolge
Assads Offiziere schon lange einen Chemiewaffen-Einsatz forderten. Solche Abhörergebnisse
lassen sich indessen mit Leichtigkeit fälschen.
In den
Streitkräften herrscht weiterhin hartnäckiger Widerstand gegen ein
militärisches Vorgehen,
von Generalstabschef Dempsey und den Vereinigten Stabschefs angefangen bis hin
zu zahlreichen Offizieren ausser Dienst, die häufig für diejenigen sprechen,
die sich noch im aktiven Dienst befinden. Bei der Anhörung im Aussenpolitischen
Ausschuss von Senat und Repräsentantenhaus erklärte Dempsey, dass er die Mission
hinter den Plänen für Militärschläge selbst nicht verstehe, während führende
US-Strategen wiederholt dargelegt haben, eine Militäraktion gegen Syrien könne einen
Weltkrieg auslösen. Der frühere CIA-Offizier und Terrorismusexperte im Aussenministerium,
Larry Johnson, berichtete am 6. September, seine Freunde im Geheimdienst hätten
ihn gewarnt: Sowohl die US-Dienste als auch die britischen wüssten, dass ›es Assad nicht war‹, dass aber die
CIA unter John Brennan ›bewusst lüge
und die Mitglieder des Kongresses irreführe‹.
Prominente Juristen wie Francis Boyle, Bruce Fein und Paul Craig Roberts haben Obama
gewarnt, dass eine Militäraktion ohne Zustimmung des Sicherheitsrats ein völkerrechtswidriger
Angriffskrieg wäre, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Nürnberger Tribunals
und der UNO-Charta.
Stets dieselben
Behauptungen Die
Behauptungen, die vorgebracht werden, um Assad für schuldig zu erklären, reissen
nicht ab. Auch wenn der Stabschef von US-Präsident Barack Obama, Denis
McDonough, eingestanden hat, dass sein Land nicht über hundertprozentige
Beweise für einen Chemiewaffeneinsatz durch den syrischen Präsidenten verfüge,
so erläuterte er dennoch im Fernsehsender CNN, dass der gesunde Menschenverstand
sage, dass für den Angriff mit Giftgas am 21. 8. Regierungstruppen verantwortlich
gewesen seien. Wie einem Bericht der ›Frankfurter
Allgemeinen Zeitung‹ zu entnehmen
war, »hatte
die Türkei den diplomatischen Vorstoss in der Syrien-Krise gar als ›kosmetisch‹ bezeichnet. Dieser dürfe ›die
internationale Entschlossenheit, Assad für den Einsatz chemischer Waffen zu
bestrafen, nicht verwässern‹.« Nun
übergeht Ankara ganz einfach, dass es sich hier keineswegs um eine international
geschlossene Front handelt; im Gegenteil, die Anzahl der Staaten, die sich
gegen einen derartigen Schritt wehren, ist beträchtlich. »Die Türkei«,
heisst es ferner, »befürchtet, der Vorschlag, Syriens Chemiewaffen einer internationale
Kontrolle zu unterstellen, könnte davon ablenken, dass das Assad-Regime ein
schweres Verbrechen begangen habe, das bestraft
werden müsse.« Am bequemsten hat es sich der türkische Aussenminister Ahmet
Davutoglu gemacht: »Er führte aus, ›dass
ein solcher Einsatz‹ [also von
Giftgas durch Assads Truppen] auch
ohne UN-Untersuchungsbericht erwiesen ist. …. Der Chemieangriff wurde
mit Raketen ausgeführt, die nur in den Händen des syrischen Regimes sind.‹ Dass oppositionelle Kräfte den
Angriff ausgeführt habe könnten, um ein Eingreifen der Amerikaner zu erwirken,
wies er zurück. …. Jedenfalls forderte Davutoglu die USA am 10. 9. indirekt,
aber unmissverständlich dazu auf, sich nicht von Angriffsplänen auf Syrien
abbringen zu lassen.« [5]
Auf dem G-20-Gipfel
in St. Petersburg hatte der russische Präsident Putin nochmals deutlich gemacht,
dass Russland Syrien weiterhin beistehen wird, und dass die USA völkerrechtlich
nicht befugt sei, ohne ausdrückliche Zustimmung des UNO-Sicherheitsrats
Angriffe durchzuführen. Das US-Dossier stelle kein Beweis dar und wenn die USA
Beweise hätte, sollte sie diese dem Sicherheitsrat vorlegen, so Putin. Er sagte
des weiteren, eine Mehrheit der G-20-Staaten sei gegen eine US-Intervention,
auch wenn 12 Regierungen auf dem Gipfel eine Unterstützungserklärung
unterzeichnet hätten. In dieser wird zwar kein militärisches Vorgehen erwähnt,
jedoch macht sie Syrien für den Chemiewaffen-Einsatz verantwortlich. Zu den
Unterzeichnern gehören u.a. die USA, Grossbritannien, Frankreich, Italien, die
Türkei, Japan und zuletzt auch die BRD. Darin heisst es, es müsse eine ›klare Botschaft‹ ausgesendet werden, dass sich diese Art von Grausamkeit nie mehr
wiederholen darf. Putin war bei diesem Anlass der einzige gewesen, der es
wagte, Kerry der Lüge zu bezichtigen; auch liess er seinen Worten Taten folgen,
indem er russische Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer in die Nähe der syrischen
Küste entsandte. Indessen operiert die 6. US-Flotte seit Monaten vor der Küste
Syriens und einige NATO-Staaten leisten vielfältige militärische Unterstützung
für die Rebellen. Zuvor hatten die EU-Aussenminister bei ihrem Treffen in
Vilnius am 7. 9. Assad »geschlossen für den Einsatz von Chemiewaffen gegen die
eigene Bevölkerung verantwortlich gemacht. Alle derzeit verfügbaren
Informationen wiesen auf die Verantwortung des Regimes hin, sagte Catherine
Ashton nach den Beratungen und sprach namens der Aussenminister von einem ›ernsthaften Bruch des Völkerrechts,
der eine angemessene Antwort erfordere.«
Was
Frankreich angeht, so bleibt es vorerst ›mobilisiert‹. Es gelte, die Führung
in Damaskus von einem weiteren Giftgaseinsatz abzuschrecken, so Präsident
Hollande am 11. 9., während sich sein Aussenminister in Vorhersagen erging: »Der
Bericht der UNO-Inspekteure über den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien wird
nach den Worten von Laurent Fabius ›wahrscheinlich
am 16. 9.‹ veröffentlicht. Fabius
sagte im französischen Rundfunk, in dem Bericht werde von einem ›chemischen Massaker‹ die Rede sein. Es werde sicherlich
auch Hinweise auf die Hintergründe des am 21. August verübten Angriffs geben. Er
scheint sich der Sache sicher: ›Das
Assad-Regime hat den Befehl gegeben. …..
Da nur das Regime über die Lager, die Träger und das Interesse an einem solchen
Angriff verfügt, lässt sich diese Schlussfolgerung ziehen‹, erklärte er hinsichtlich der Verantwortlichkeit für das
Massaker, die der Westen bei der Regierung von Präsident Bashar al-Assad sieht.« [6] Inzwischen hat Fabius die bei den
Verhandlungen in Genf erzielte Einigung als einen ›wichtigen Fortschritt‹ bezeichnet.
Zugleich verwies er darauf, dass Frankreich den Bericht der UNO-Waffenexperten
abwarten wolle, um seinen Standpunkt festzulegen. Wie Hollande indessen am 15. 9. erklärte, schliesst er einen
Militärschlag auch nach der Einigung über die Zerstörung der syrischen
Chemiewaffen nicht aus. »Die militärische Option muss bestehen bleiben, ansonsten
gibt es kein Druckmittel«, sagte er in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Am 14.
September hatte Präsident Barack Obama in seiner wöchentlichen Rundfunkrede
erklärt, die USA bleibe »bereit zum Handeln« und wollte sich nicht einfach auf
Zusagen Russlands und Syriens verlassen. »Wir müssen konkrete Massnahmen
sehen, die zeigen, dass Assad es mit der Aufgabe seiner Chemiewaffen ernst meint.«
Die ›New York Times‹ veröffentlichte am 11. September Vladimir Putins an die
US-amerikanische Bevölkerung sowie an die politischen Entscheidungsträger gerichteten
Kommentar; dieser trägt den Titel ›Ein Plädoyer für Zurückhaltung - Was Putin den Amerikanern zu Syrien zu sagen
hat‹:
»Die Beziehungen zwischen Russland
und der USA«, beginnt
Putin, haben verschiedene Stadien hinter sich gelassen. Im Kalten Krieg standen
wir gegeneinander, aber wir waren auch einmal Verbündete, als wir gemeinsam die
Nazis besiegten.« Danach sei die UNO gegründet worden, damit derartige
Verwüstungen nie wieder passieren sollten.
Gewaltanwendung ohne
UNO-Zustimmung nicht zulässig »Niemand
will, dass die UNO das Schicksal des Völkerbunds wiederholt, der auseinanderfiel,
weil er keine Hebel zur Einwirkung auf die internationale Situation hatte. Dies
ist aber möglich, wenn einflussreiche Länder ihre Gewaltaktionen an der UNO vorbei
und ohne Zustimmung des Sicherheitsrats unternehmen. Ein potentieller Schlag
der USA gegen Syrien, dies trotz der entschiedenen Gegnerschaft von Seiten
vieler Länder und politischer wie religiöser Führungspersönlichkeiten, darunter
der Papst, wird zu noch mehr unschuldigen Opfern und einer Eskalation führen«, so
Putin. Eine Ausbreitung des Konflikts ›weit
über die Grenzen Syriens‹ sei
wahrscheinlich, führt er aus.
US-Schlag gegen
Syrien bringt neue Welle des Terrors Eine
militärische Einmischung in den Syrien-Konflikt erhöht dem Kreml-Chef zufolge
das Ausmass der Gewalt und könnte eine neue Welle des Terrorismus losbrechen.
Zudem könne eine Militäroperation in Syrien die Bemühungen um eine
Nahost-Regelung und Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm
zunichte machen, wodurch Recht und Ordnung in der ganzen Weltgemeinschaft aus
dem Gleichgewicht zu geraten drohten. Der geplante Schlag »könnte
die multilateralen Bemühungen zur Regulierung des iranischen Atomproblems und
des israelisch-palästinensischen Konflikts unterwandern und zu einer weiteren
Destabilisierung im Nahen Osten und in Nordafrika führen. Der Syrien-Schlag
könnte das gesamte internationale Rechtssystem aus dem Lot bringen«, heisst
es in Putins Kommentar.
Mehr Extremisten als
Kämpfer für Demokratie »In
Syrien geht kein Kampf für die Demokratie vor sich, sondern eine bewaffnete
Konfrontation zwischen der Regierung und der Opposition in einem
multikonfessionellen Land. Dort gibt es zwar nicht viele Verfechter der
Demokratie, aber es mangelt nicht an Extremisten aller Schattierungen und an
Al-Qaida-Anhängern.« In diesem Zusammenhang weist Putin darauf hin, dass das
US-Aussenministerium selbst die ›Dschabhat
al-Nusra‹ und den ›Islamischen Staat von Iran und Levante‹, die auf der Seite der
Oppositionellen kämpfen, als terroristische Organisationen eingestuft hat. »Die
innere Konfrontation, die von Anfang an durch die äusseren Waffenlieferungen an
die Opposition angeheizt wurde, artete in einen der blutigsten Konflikte der
Welt aus«,
so der russische Präsident. »Dort kämpfen Söldner aus den arabischen Ländern, Hunderte
von Militanten aus dem Westen und sogar aus Russland, was für uns ein Grund zu
grosser Sorge ist. Könnten diese nicht mit den in Syrien erworbenen Erfahrungen
in unsere Länder zurückkehren? Nachdem sie in Libyen gekämpft hatten, zogen die
Extremisten danach nach Mali weiter. Das ist eine Bedrohung für uns alle.«
Moskau schützt nicht
Assad, sondern das Völkerrecht »Russland
ist seinem Kurs der Unterstützung des friedlichen Dialogs, der darauf abzielt,
dass die Syrier selbst ein Kompromissmodell für die künftige Entwicklung ihres
Landes ausarbeiten, von Anbeginn an treu
geblieben. Dabei schützen wir nicht die syrische Regierung, sondern die Normen
des Völkerrechts. Wir betonen ständig, dass alle Handlungsmöglichkeiten des UNO-Sicherheitsrates
ausgeschöpft werden müssen. In der gegenwärtigen komplizierten und turbulenten
Welt ist die Wahrung der Rechtsordnung einer der wenigen Hebel, die in der Lage
sind, die internationalen Beziehungen vor einem Abgleiten ins Chaos zu
bewahren. Gesetz ist Gesetz. Seine Befolgung ist immer verbindlich, unabhängig
davon, ob es einem gefällt oder nicht. Das geltende Völkerrecht bietet nur in
zwei Fällen die Möglichkeit, Gewalt anzuwenden – entweder zur
Selbstverteidigung oder auf Beschluss des Sicherheitsrats. Alles andere ist
laut UNO-Charta unzulässig und wird als Aggression ausgelegt.«
Die Giftgas-Attacke
war eine Provokation von Extremisten – Israel als nächstes Ziel »Niemand
stellt den Fakt in Zweifel, dass in Syrien chemische Kampfstoffe angewendet
wurden. Allerdings besteht jeder Grund zur Annahme, dass das nicht die syrische
Armee getan hat, sondern die Kräfte der Opposition - mit dem Ziel, eine
Einmischung ihrer mächtigen Schirmherren aus dem Ausland zu provozieren, die
sich in diesem Fall im Grunde genommen auf die Seite von Fundamentalisten
geschlagen hätten. Man darf nicht ignorieren, dass Informationen vorliegen,
dass die Extremisten eine neue chemische
Attacke planen – diesmal auf Israel«, unterstrich der russische
Staatschef.
Gewaltanwendung durch
USA beunruhigende Routine Die
Tatsache, dass die gewaltsame Einmischung in innere Konflikte anderer Länder
für die USA Routine geworden ist, ist beunruhigend, stellt Putin fest. » Gehört dies
etwa zu den langfristigen Interessen Amerikas? Ich bezweifle das. Millionen
Menschen in der ganzen Welt sehen in Amerika immer häufiger nicht ein Modell
der Demokratie, sondern ein Land, das ausschliesslich auf grobe Gewalt setzt
und Koalitionen unter dem Motto ›Wer
nicht mit uns ist, ist gegen uns‹ schmiedet.
Die Gewaltanwendung hat gezeigt, wie uneffektiv und sinnlos sie ist.
Afghanistan fiebert, und niemand kann sagen, was dort nach dem Abzug der
internationalen Kräfte geschieht. Libyen ist in Einflusszonen von Stämmen und
Clans aufgeteilt. Im Irak dauert der Bürgerkrieg an, täglich kommen dort
Dutzende von Menschen ums Leben. In der USA selbst sehen viele Menschen unmittelbare
Ähnlichkeiten zwischen dem Irak und Syrien. Man fragt in diesem Zusammenhang:
Wozu würde die Regierung frühere Fehler wiederholen wollen?«
Unzuverlässiges
Völkerrecht gefährdet die Non-Proliferation Die
bisherigen Gewaltaktionen, bei denen modernste Waffen eingesetzt wurden, hätten
zugleich gezeigt, dass Opfer unter der Zivilbevölkerung unvermeidlich sind,
egal wie selektiv diese Schläge sein mögen. »Die Leidtragenden sind dabei in
erster Linie Greise und Kinder, deren Leben man mit solchen Schlägen angeblich
schützen will«, betont Putin. »Solche Gewaltaktionen lösen in der
Welt die folgerichtige Reaktion aus: Wenn man sich nicht auf das Völkerrecht
stützen kann, so muss man nach anderen Varianten suchen, die die Gewährleistung
der eigenen Sicherheit garantierten. Deshalb sind immer mehr Länder bestrebt,
in den Besitz von Massenvernichtungswaffen
zu kommen. Da wirkt die einfache Logik: ›Wenn du die Bombe hast, wird man dir
nichts antun‹. So kommt es dazu,
dass man zwar verbal die Notwendigkeit der Festigung der Non-Proliferation
betont, während dieser Modus in Wirklichkeit unterwühlt wird. Die ›Anwendung der Sprache der Gewalt‹ müsse beendet werden, um auf den Weg
einer zivilisierten politisch-diplomatischen Regelung von Konflikten
zurückzukehren, schreibt Putin. In den letzten Tagen habe sich eine neue Chance
ergeben, ein militärisches Eingreifen zu verhindern. »Die USA,
Russland und alle Mitglieder der Weltöffentlichkeit müssen die Bereitschaft der
syrischen Regierung ausnützen, ihr chemisches Arsenal unter eine internationale
Kontrolle zu stellen, um es anschliessend zu vernichten. Den Erklärungen von
Präsident Obama zufolge sieht die USA dies als eine Alternative zu einer
Militäroperation.« »Wenn wir
Gewalt gegen Syrien verhindern können, wird das die Atmosphäre in den
internationalen Beziehungen verbessern und das gegenseitige Vertrauen stärken.
Das wird unser gemeinsamer Erfolg sein und die Türen für die Zusammenarbeit bei
anderen kritischen Themen öffnen«, betont Putin in seinem Kommentar.
Gott schuf auch die
Amerikaner gleich »Meine Zusammenarbeit mit Präsident Obama und meine
persönliche Beziehung zu diesem sind von wachsendem Vertrauen gekennzeichnet,
was ich zu schätzen weiss«,
so Putin abschliessend in der ›New
York Times‹. Wie der Kreml-Chef
ausführt, hat er sich mit der Fernsehansprache Obamas vom 10. 9. sorgfältig auseinandergesetzt.
Indessen fügt er hinzu: »Ich erlaube mir eine Polemik in Hinblick auf die amerikanische
Einzigartigkeit. Die Exklusivität der eigenen Nation habe Obama in seiner
Erklärung, Amerika sei dadurch einzigartig, dass sich die von der USA betriebene
Politik von der anderer Nationen unterscheide, dargelegt. »Es ist
sehr gefährlich, Menschen dazu zu inspirieren, dass sie sich für einzigartig
halten, was auch immer die Begründung dafür sein mag«,
schreibt Putin. Es gibt grosse und kleine Länder, reiche und arme, solche mit
festen demokratischen Traditionen, sowie Länder, die noch nach ihrem Weg zur
Demokratie suchen; auch ihre Politik unterscheidet sich. Wir sind alle
unterschiedlich. Wenn wir aber den Herrn um Segen bitten, so dürfen wir nicht
vergessen, dass Gott uns gleich geschaffen hat.« [7]
US-Senator
John McCain fiel dazu offenbar kein anderer Kommentar ein als der, dass Putins
Abhandlung eine Beleidigung für die Intelligenz eines jedes Amerikaners darstelle.
McCain hatte Obama Ende Juli vorgeworfen, nicht zu führen, sondern sich im
Mittleren Osten an der Nase herumführen zu lassen. Die USA müsste in Syrien
aggressiver vorgehen als in Libyen: ›Der
Sturz von Assad wäre der schwerste Schlag gegen den Iran in den letzten 25
Jahren.‹
Für eine
friedliche Lösung des Konflikts steht die Allianz aus Russland, China, Indien,
Brasilien, Südafrika, Indonesien und Italien. Hingegen hat sich die syrische
Opposition über die getroffene Absprache nicht erfreut gezeigt. Die jetzige
Einigung sei ein Schlag gegen die Bestrebungen, Assad zu stürzen, erklärte der
Stabschef der ›Freien Syrischen
Armee‹, Salim Idris. Die Initiative
ziele nur darauf ab, Zeit zu gewinnen, kritisierte er auf einer Medienkonferenz
in Istanbul und warf der Regierung von Präsident Assad vor, ihr
Chemiewaffen-Arsenal ins Ausland zu schaffen. Die Armee habe in den vergangen
Tagen damit begonnen, einige der Waffen in den Libanon und Irak zu bringen,
sagte Idriss. Der Rebellenkommandeur Kassim Saadeddine gab die Erklärung ab,
dass sie die Einigung nicht unterstützen werden: »Lavrov und Kerry sollen zur Hölle
gehen mit ihrem Plan«, so Saaeddine.
Was die
auch in Bezug auf die jetzige Berichterstattung zu den Vorgängen in Syrien des
öfteren in der Kritik stehende Presse angeht, so sei hier abschliessend ein
kurzer Auszug aus einem Vortrag, den General ad Dr. Heinz Loquai, Stellvertretender
OSZE-Bevollmächtigter für den Kosovo 1999, am 14. 2. 2003 im ›Eine Welt Haus‹ in München gehalten hatte,
angefügt: »Wir
bekommen das ›Menü‹ der Medienberichterstattung ja
täglich serviert. Aus welchen Bestandteilen, aus welchen ›Gängen‹ besteht ein
solches Menü? Das verläuft bei allen Vorbereitungen zu einem Krieg in etwa immer
gleich. Es gehört dazu, den Kriegsgegner zu bestialisieren. Hier haben
die Medien im letzten Irakkrieg schon gute Vorarbeit geleistet. Saddam gleich
Hitler, Stalin. Bildzeitung, Frankfurter Rundschau, alle fuhren sie auf dieser
Schiene ab. Milosevic war dann laut der Bildzeitung der ›Schlächter‹.«
Quellen: > Strategic
Alert Jahrgang 26, Nr. 37 vom 11. 9. 13 [1] http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1574 28. 8. 13 Zusammengebastelte
C-Waffensysteme weisen auf die Opposition als Täter hin [2] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=11838&storyid=1371197874150 14. 6. 13 [3] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58625 18. 6. 13 [4] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58605 23. 5. 13 Im Rebellengebiet (IV) [5] http://www.faz.net/aktuell/politik/syrien-krise-die-tuerkei-beharrt-auf-einem-militaerschlag-gegen-assad-12568142.html 10. 9. 13 [6] http://www.bernerzeitung.ch/ausland/asien-und-ozeanien/Das-AssadRegime-hat-den-Befehl-gegeben/story/26962692 12. 9. 13 [7] http://www.nytimes.com/2013/09/12/opinion/putin-plea-for-caution-from-russia-on-syria.html?pagewanted=all&_r=1&
11. 9. 13 The Opinion
Pages -
A Plea for Caution From Russia
- What Putin Has to Say to
Americans About Syria - By Vladimir V. Putin Die
Übersetzung erfolgte durch RIA NOVOSTI http://de.ria.ru/opinion/20130912/266860928.html 12. 9. 13 NYT: ›Was Putin den Amerikanern zu Syrien zu
sagen hat‹
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