Die Aussenpolitische Kommission erklärt EU-Beitrittsgesuch für gegenstandslos 10.11.2013 21:11
Die Übernahme von EU-Recht ist klar abgelehnt worden.
Ende
Oktober tagte die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats [APK-N]; sie hatte
wichtige europapolitische Fragen auf der Traktandenliste. Bundesrat Didier
Burkhalter, der in letzter Zeit mit einer willfährigen EU-Politik und einer
offenen Affinität zum Kriegsbündnis NATO aufgefallen ist, wurde in der APK-N
bezüglich seiner innenpolitisch nicht gestützten Agenda in
wesentlichen Punkten ›zurückgepfiffen‹.
Nachfolgend
das Interview, das Thomas Kaiser mit Nationalrat Roland Büchel führte:
In der letzten Sitzung der APK-N
hat die Mehrheit der Mitglieder Bundesrat Burkhalter ein Verhandlungsmandat mit
der EU übertragen, um in der institutionellen Frage zu einer Lösung zu kommen.
Wie ist diese Zustimmung zu beurteilen?
Nationalrat
Büchel: Zuerst mussten wir den Ständerat korrigieren. Vor unserer Sitzung hatte
dessen zuständige Kommission Burkhalter einen eigentlichen Freipass für diese
Verhandlungen gegeben. Und zwar mit 10 zu 0 Stimmen, bei zwei Enthaltungen.
Dazu hiess es nur, man würde dem Bundesrat einen Brief schreiben.
Um was für einen Brief handelt es
sich hier, und was steht da drin?
Der Inhalt
des Schreibens wird offenbar wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Nicht einmal wir
von der APK-N haben ihn zu Gesicht bekommen. Ich bin aber froh, dass wir in der
Kommission des Nationalrats ernsthaft und sehr hart diskutierten. Schliesslich
wurde das Verhandlungsmandat mit klaren Auflagen erteilt. Das Stimmverhältnis
war 14 zu 6 bei einer Enthaltung. Ich bin einer der sechs, die dagegen waren.
Was heisst das für die EU-Politik
Didier Burkhalters?
Die
Zeichen der Kommission sind unmissverständlich. Sie hat sogar das
EU-Beitrittsgesuch für ›gegenstandslos‹ erklärt. Die Verhandlungsführer in
der Verwaltung müssen nun in diesem Sinn und Geist agieren.
Hat es noch weitere Einschränkungen
durch die Kommission gegeben?
Ja. Der Bundesrat
hat immer wieder den ›Binnenmarkt‹ erwähnt. Dem müssten wir beitreten.
Das jedoch hätte ganz klar die Übernahme von EU-Recht zur Folge. Hier hat die
Kommission dagegengehalten. ›Marktzutritt› und ›Binnenmarkt› sind zwei
verschiedene Paar Schuhe.
Das ist ein entscheidender Unterschied.
Wurde darüber nur diskutiert oder auch verbindlich abgestimmt?
Es wurde
abgestimmt. Das Ergebnis war 13 zu 1 bei 7 Enthaltungen. Wenn das nicht
eindeutig ist! Jetzt liegt es an uns, dafür zu sorgen, dass das nicht nur
Scheinvoten bleiben. Das ist sehr wichtig. Trotz allem: Die Entscheide der
Kommission haben nur Empfehlungscharakter.
Kann man sagen, dass die Kommission
Bundesrat Burkhalter trotz der Überweisung des Verhandlungsmandats
zurückgebunden hat?
Die
Kommission sagte ganz klar, dass die Schweiz keine Verträge abschliessen dürfe,
welche ihre Souveränität einschränkt: Sie darf sich nicht dazu verpflichten,
EU-Recht automatisch zu übernehmen und sich weder der EU- noch der
EWR-Gerichtsbarkeit verbindlich unterstellen. Das sind klare Zeichen.
Wie hat der Bundesrat darauf
reagiert?
Ich will
nicht aus der Kommission plaudern, aber Bundesrat Burkhalter erweckte den
Eindruck, als ob er mit diesem Ergebnis leben könnte.
Damit müsste eigentlich die
institutionelle Frage vom Tisch sein. Keine fremden Richter, keine Übernahme
von EU-Recht. Die Idee, dass man den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei
Streitigkeiten anruft und ihn um eine Begutachtung des Streitfalls bittet,
vertrüge sich wohl kaum mit diesen Einschränkungen.
Das sehe
ich auch so. Es gibt die klare Aussage des Präsidenten des EuGH: »Wir
machen keine Gutachten, wir urteilen.« So ist es. Gutachten holt man sich
woanders, aber sicher nicht beim EuGH. Aber Achtung: Dort werden Urteile als ›Gutachten‹ bezeichnet; diese haben dennoch Urteilskraft.
In diesem Zusammenhang spricht der
EuGH immer wieder von ›Ausgleichsmassnahmen‹. Was ist das, was muss man
darunter verstehen?
Die Frage
ist: ›Wer hat’s erfunden›?. Ich habe den Eindruck, dass die
Schweizer den beschönigenden Ausdruck geprägt haben. ›Ausgleichsmassnahmen‹ sind
knallharte Sanktionen. Und sonst nichts.
Denken Sie, dass unser Land solche
akzeptieren würde?
Es ist
nicht die Art der Schweiz, irgendwo mitzumachen und dann zu sagen, dass es uns
nichts angeht. Wir sind die ersten, die
alles, was nach Völkerrecht aussieht, akzeptieren und umsetzen. Vielfach mit
einem vorauseilenden Gehorsam und immer mit einer grossen Ernsthaftigkeit. Das
ist grundsätzlich nicht schlecht. Denn wenn man eine Abmachung trifft, hält man
sie auch ein. Auch deshalb darf der EuGH als Streitbeilegungsbehörde für uns
kein Thema sein.
Die Kommission hat doch mit ihrem
Votum, dass die Schweiz weder der EU- noch der EWR-Gerichtsbarkeit unterstellt
werden soll, Gegenposition zu den Ambitionen Didier Burkhalters bezogen.
Absolut.
Ich war positiv überrascht, dass es so herauskam. Nun bin ich gespannt, wie
Herr Burkhalter diesen Spagat meistern wird, oder ob er noch einen Pfeil im
Köcher hat. Aber nach allem, was man auch öffentlich gehört hat, zieht es ihn
in Richtung Europäischen Gerichtshof.
Wäre das nicht eine grosse
Diskrepanz zwischen dem Gesagten und dem, was möglicherweise gelebt werden
wird?
Doch.
Interessant ist für mich auch, dass etwas, was im Privatrecht üblich ist,
bisher offenbar nicht ins Spiel gebracht wurde.
An was denken Sie dabei?
Ein
paritätisch besetztes Schiedsgericht wäre die naheliegende Lösung.
Warum ist das kein Thema, warum
wird nicht in diese Richtung verhandelt?
Fragen Sie
Herrn Burkhalter!
Wie kann man die starke Bewegung
Burkhalters in Richtung EU verhindern?
Es wird
eine Abstimmung geben. Heute wissen wir noch nicht, was den Stimmbürgern
schlussendlich präsentiert wird. Ich gehe davon aus, dass dieser Volksentscheid
im Jahr 2015 getroffen wird.
Von der EU gab es eigentlich keinen
Vorstoss, man müsse die institutionelle Frage lösen, das kam doch eher von der
Schweiz aus. Wie muss man das verstehen?
Das müssen
Sie Herrn Burkhalter oder Herrn Rossier fragen. Mein Eindruck ist, dass der
Staatssekretär im EDA eine starke Rolle spielt. Was tagtäglich auf der
Verwaltungsebene abläuft, ist sehr relevant. Alles, was wir jetzt zur
institutionellen Anbindung an die EU hören, ist ein Ausfluss dieser Tätigkeit.
Die Verwaltung will sich also
stärker an die EU anbinden?
Ich glaube
schon, dass Leute wie Rossier darauf hinarbeiten, auch wenn der EDA-Staatssekretär
nach seinen [ehrlichen] Äusserungen im Sommer offenbar zurückgepfiffen worden
ist. Damals sagte er betreffend EuGH ganz klar, dass es ›fremde Richter‹ sind.
Es kann doch nicht sein, dass die
Verwaltung ohne Mandat weiterhin einen Kurs Richtung EU einschlägt?
Genau
darum bin ich über zwei Entscheide sehr froh. Nämlich, dass die APK-N
beschlossen hat, dass die Schweiz nicht die Absicht hegt, dem europäischen
Binnenmarkt beizutreten, und dass das EU-Beitrittsgesuch als gegenstandslos zu
betrachten sei.
Wissen das die Leute im EDA,
insbesondere die Verhandlungsführer?
Ich gehe
davon aus, dass ihnen dieser Entscheid zwischenzeitlich mitgeteilt worden ist.
Zur Sicherheit werde ich in der Fragestunde des Nationalrats noch nachhaken.
Doppelt genäht, hält besser.
Es ist schon erstaunlich, dass es
in Anbetracht der Umstände immer noch Leute gibt, die einem EU-Beitritt etwas
abgewinnen wollen.
Die
Klärung der institutionellen Anbindung ist entscheidend. Diese Frage muss alles
dominieren. Dabei geht es um die Zukunft der Schweiz. Es ist wieder eine
ähnliche Situation wie 1992, als wir über den EWR als ›Trainingslager für den EU-Beitritt‹ abstimmten.
Man hat den Eindruck, dass die
Bewegung in Richtung EU vielfach schleichend und nicht offen abläuft.
Ich sehe
es auch so. Das ist konzeptionell so aufgegleist. Schnell heisst es dann: Jetzt
sind wir schon so weit, jetzt können wir nicht mehr zurück. Diese
Vorgehensweise ist weniger ehrlich als jene derjenigen, welche den EU-Beitritt
als deklariertes Ziel haben. Mit solchen Leuten kann man über die Frage
diskutieren.
Und mit den anderen?
Was die ›schleichenden Beitreter‹ bieten, ist ein gefährliches Spiel
für unser Land. Sagen wir es einmal deutsch und deutlich: Die EU von heute ist eine
Fehlkonstruktion. Das müsste nicht sein, aber es ist so.
Brauchen wir, um uns auch gegen den
ständigen Druck der EU zu behaupten, nicht auch eine Verteidigungsarmee, die
diesen Namen verdient?
Nicht nur
die EU macht Druck. In den letzten Wochen hat man gesehen, dass Staaten, die
sich als ›Freunde‹ bezeichnen, sich in Tat und Wahrheit
wie höchst unangenehme Gesellen aufführen können.
Wie meinen Sie das konkret?
Dass
Regierungen andere Staaten, internationale Institutionen und Bürger bespitzeln,
ist nicht neu. Wenn Friedensnobelpreisträger Obama der oberste Verantwortliche
für die Abhöraktionen in vielen ›befreundeten‹ Ländern ist, dann kann man das an
Ironie kaum mehr überbieten. Wer solche ›Freunde‹ hat, muss vorbeugen. Dazu gehört die
Fähigkeit, das Land zu verteidigen. Die Welt ist stärker in Bewegung, als es
uns lieb ist. Darum ist eine starke Armee für uns absolut notwendig.
Herr
Nationalrat Büchel, herzlichen Dank für das Gespräch.
Quelle:
Zeit-Fragen Nr. 34 vom 5. 11. 2013 http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1628 Interview
mit Nationalrat Roland Büchel, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des
Nationalrates, SVP St. Gallen
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