Deutsche Exporte am Pranger - Ein Rückblick - Von Doris Auerbach

Grundlegend geht es bei der Exportschelte, die Deutschland getroffen hat, um die Klärung der Frage,

ob der deutsche Fleiss den europäischen Nehmerländern effektiv schadet; gerade letzteres bildet einen der gegen die BRD erhobenen Vorwürfe. Sowohl die USA als auch die EU haben die deutsche Exportwirtschaft ins Visier genommen, weil ihnen deren Stärke offenbar unheimlich wird. Als Folge hiervon ist die Exportnation Deutschland im vergangenen Jahr auf Grund ihres   Ausfuhrüberschusses bekanntlich heftig kritisiert worden: Die EU, heisst es, fürchtet um die Balance des europäischen Marktes, und die vom US-Finanzministerium ausgesprochene Rüge gipfelte gar in der Behauptung, »die deutsche Handelspolitik gefährde die Euro-Zone und die Stabilität der Weltwirtschaft.« Ferner ging von der USA auch die Mahnung aus, »die Bundesrepublik müsse künftig mehr tun, um die Binnennachfrage anzukurbeln.« Indessen haben Beobachter hinter der Kritik Washingtons nicht nur wirtschaftliche Motive vermutet, denn selten sind die Beziehungen zur USA derart belastet gewesen wie seit dem Auffliegen der US-Geheimdienstmethoden. Die europäische Kritik an diesem Gebaren scheint in Washington schlecht angekommen zu sein und das Verständnis für die deutschen Klagen halten sich dort in Grenzen. Insofern braucht der Zeitpunkt, zu dem das amerikanische Finanzministerium die deutsche Wirtschaftspolitik verurteilt hat, durchaus kein Zufall zu sein: In dem 35seitigen Bericht des Ministeriums, Report to Congress on International Economic and Exchange Rate Policiesvom 30. 10. 2013 ist zu lesen, dass Deutschland das Gleichgewicht der europäischen Wirtschaft durcheinander bringe und dass seine gleichzeitig blutarme Binnennachfrage eine Erholung der Konjunktur verhindere. Was nun die US-Exportzahlen selbst betrifft, so sind diese erst seit 2010 rückläufig; in den Jahren davor hatte die US-Wirtschaft in ihrer Handelsbilanz hohe Überschüsse aus Exporten verzeichnet. Es wäre jedoch kein Land auf die Idee gekommen, dies zum Anlass einer internationalen Kritik an der US-Exportwirtschaft zu nehmen.  

Die EU sieht sich nun genötigt, angesichts deutscher Exportüberschüsse mit Strafen zu drohen, wobei es niemandem verwehrt werden kann, die beständige Straferei Brüssels als geradezu infantil einzustufen. So darf der Handelsüberschuss der EU-Mitgliedstaaten derzeit maximal 6 % der Wirtschaftsleistung betragen. Einem Bericht der Zeit zufolge dürfte Deutschland diesen Grenzwert gemäss EU-Angaben 2013 deutlich überschritten haben. Bei der hierzu insgesamt polemisch ablaufenden Medienschelte könnte man meinen, es ginge um mindestens 12 oder 18 %, also das Doppelte oder Dreifache. Indessen liegt die BRD mit einem Exportüberschuss von 7,2 % für 2013 mit lediglich 1,2 % über dem Grenzwert. Aber deutliche Exportüberschüsse lassen sich bei einem Angriff natürlich wesentlich besser vermarkten. Sollte nun Brüssel im Endeffekt tatsächlich ein Verfahren gegen die Bundesrepublik einleiten, könnte dies in Strafzahlungen in Milliardenhöhe resultieren. Es wäre wirklich an der Zeit, dass begriffen würde, dass derart mittelalterliche Verfahren  - dies allein schon im Hinblick auf die nahezu restlos ausgeplünderte deutsche Staatskasse -  kaum mehr als tauglich zu erachten sind, ganz abgesehen davon, dass Brüssel offenbar schon lange nicht mehr realisiert, was unter den jetzigen Gegebenheiten allein 1 vom Steuerzahler zu erarbeitende Milliarde darstellt. Der Begriff Million ist sozusagen ausgestorben …..    

Belastet also der deutsche Export die Weltwirtschaft und drosselt so die Nachfrage in den anderen Ländern, was die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zum Erliegen brächte? Ganz sicher nicht. Seit fast 50 Jahren hat Deutschland jeweils mehr exportiert als importiert, was jedoch bislang nie  Anlass zu Kritik war. Die Vorhaltungen sind auch deshalb mehr als fragwürdig, weil viele andere europäische Staaten mit ihrer Produktion durch Zulieferungen in die deutsche Exportwirtschaft   eingebunden sind, was in den Exportzahlen völlig unberücksichtigt bleibt. Spanien etwa liefert viele Autoteile und chemische Vorprodukte für die deutsche Industrie und profitiert damit nicht unwesentlich von deutschen Ausfuhren. So entfällt zum Beispiel im Automobilbau ca. ein Drittel der Deutschland zugerechneten Exporte auf solche Vorleistungen aus EU-Ländern; die Umsätze erscheinen aber ausschliesslich in den deutschen Exportzahlen, da die Fahrzeuge in der BRD zusammengeschweisst und von dort aus exportiert werden. Würde nun Deutschland restriktiv verfahren, würde es die EU-Zulieferländer gleichermassen treffen, so dass diese auf ein masssgebliches Wirtschaftseinkommen verzichten müssten.  

Auch geht es im Kern wieder einmal mehr darum, wer die zwischen Nord- und Südeuropa bestehende Kluft der wirtschaftlichen und damit finanziellen Anpassungslast, die auf Grund unterschiedlicher Wirtschaftsstärken besteht, tragen soll. Die Defizit-Krisenländer im Süden oder das wichtigste Überschussland im Norden des Euroraums? Die Antwort kann nur lauten: Natürlich die Krisenländer! Die Probleme entstehen nicht dadurch, dass ein Land zuviel importiert; sie entstehen vielmehr durch mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Nicht gegen die Exportstärke anderer Länder muss gekämpft werden, sondern die eigene Exportstärke muss angehoben werden. Alles andere würde politisches und privates Fehlverhalten belohnen und die Zukunft weiterhin mit wenig Anstrengung, schwachen Leistungen und dauerhaften finanziellen Zuschüssen fortschreiben. In Deutschland wird zweifelsohne fleissig gearbeitet und die Bevölkerung ist stolz darauf, zu den  Exortweltmeistern zu zählen. Der deutsche Erfolg im Aussenhandel beruht jedoch nicht auf niedrigen Löhnen, sondern auf wettbewerbsfähigen Unternehmen: Deutschland ist in der exportstarken Industrie sogar ein Hochlohnland. So arbeiten deutsche Unternehmen häufig in Segmenten, die die Industrien anderer Länder gar nicht bedienen können. Die Exportstärke der BRD ist das Ergebnis von innovativen Produkten, die in der ganzen Welt beliebt sind und gekauft werden. »Verkehrte Welt«, finden daher Deutschlands Exporteure. »Sie sind sauer«, hält die Huffington Postfest, »dass sie für ihren Erfolg bestraft werden sollen. ….. Die Kunden ordern unsere Waren nicht, weil wir Deutsche sind, sondern, weil wir gut sind, polterte Anton Börner, Präsident des Aussenhandelsverbands BGA. Der Industrie-Cheflobbyist Ulrich Grillo (BDI) zeigte sich entsetzt, wie unsachlich über die deutsche Exportstärke zum Teil geurteilt wird, und warnte Brüssel davor, der deutschen Exportindustrie ins Handwerk zu pfuschen.« Im September 2013 war der sogenannte Handelsbilanzsaldo laut der Huffington Post auf 20,4 Milliarden € gestiegen: um soviel überstiegen die Ausfuhren der deutschen Wirtschaft den Wert der Importe. Das gab es noch nie. »Und spricht dafür, dass die hiesigen Exporteure ihr Geschäft verstehen.«   

Indessen verkauft die leistungsfähige Volkswirtschaft Deutschlands ihre hochwertigen Produkte zu guten Preisen in die ganze Welt, ohne dabei reich zu werden. Denn die Kehrseite der Export-Medaille wird in diesem Zusammenhang wohlweislich gern verschwiegen. Und diese besteht darin, dass Deutschland den grossen Teil seiner Exportgüter, für die es am Pranger steht, selbst bezahlt. Exportrechnungen werden aufgrund der schwachen Finanzlage ausländischer Zentralbanken - die entweder keine Kredite mehr am Weltmarkt erhalten oder nur zu immensen Zinsen - nicht mehr valutagerecht ausgeglichen, sondern auf Wochen, Monate und sogar Jahre hinausgezögert, was eine erst seit der Währungsunion möglich gewordene Form von billigen Krediten darstellt, das heisst, zu einer regelrechten Geldbeschaffung durch Nichtbezahlung vorliegender Rechnungen führt. Im einzelnen: Der ausländische Importeur begleicht die Forderung des deutschen Exporteurs regulär über seine Hausbank. Diese gibt den Auslandszahlungsauftrag normalerweise an die Zentralbank ihres Landes zur Begleichung bei der Europäischen Zentralbank weiter. Ist nun die Hausbank und/oder die Zentralbank des Importlandes zahlungsunfähig, gelangt das Geld nicht mehr valutagerecht an die EZB oder es erfolgt im schlimmsten Fall überhaupt keine Zahlung. In der Folge kann auch der Ausgleich durch die EZB bei der Deutschen Bundesbank nicht erfolgen. Die entstehende Finanzlücke ist der Auslöser dessen, was von zahlreichen Wirtschaftsexperten wiederholt dargelegt worden ist: Schlussendlich ist es die Deutsche Bundesbank, die den deutschen Exporteur zwar bezahlt, aber auf ihren Forderungen sitzenbleibt, da bei der EZB die Zahlungseingänge ausbleiben, was zu riesigen, zum Teil uralten Target2-Forderungen führt. 

Derzeit hat Deutschland, wie wir dies bereits in unserem Artikel Die unbekannte finanzielle Vernichtungswaffe: Target2 - Der Billionen-Solizuschlag für Krisenländer - Warum die EZB fortbestehen muss!auf http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2115
aufgezeigt haben, über Target2 geradezu unvorstellbare Aussenstände in Höhe von 561.496.988.337,24 Euro, also rund 561,5 Milliarden  [Stand 31. 10. 13]. Für diese Aussenstände haftet zunächst die EZB, im Endeffekt jedoch die Deutsche Bundesbank.
Fakt ist, dass sich ein Drittel des deutschen Überschusses mittlerweile durch Einkommen aus Forderungen gegenüber dem Ausland erklärt. 

Bekanntlich sehen Kritiker die deutschen Exportüberschüsse als einen Grund für die Schuldenkrise in Euro-Ländern. Dem entgegen steht die Tatsache, dass dieser Überschuss ausserhalb des Euroraums entsteht, was die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. Januar 2014 veröffentlichte Grafik von Statista, die auf Quellen des Statistischen Bundesamts der BRD basiert, einwandfrei belegt. Diese zeigt, dass Deutschlands Handel mit anderen Ländern des Euroraums ausgeglichen ist. »Die Überschüsse entstehen außerhalb des Euroraums - zum kleineren Teil im Handel mit den restlichen EU-Ländern, zum größeren Teil im Handel mit Drittländern außerhalb der EU.«  [1]  

Was den Handel innerhalb der Eurozone betrifft, so lag der deutsche Aussenhandelsüberschuss von Januar bis Ende November 2013 bei nur 1 Milliarde €, was 0,27 % des Handelsvolumens entspricht. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass Deutschland mit zu Dumpingpreisen produzierten Waren Europas Märkte flutet und sich so auf Kosten anderer Eurostaaten bereichert.

Bei all dem Geschrei um die deutschen Exporte wird stets vergessen, dass Deutschland der grösste Nettozahler der EU ist. Seit der Wiedervereinigung hat Deutschland mehr als 200 Milliarden € an Nettozahlungen geleistet. Das sind rund 45 % der gesamten Nettobeiträge aller 10 EU-Nettozahler, was weit überproportional zu Deutschlands Wirtschaftsleistung ist. Und an diesen Töpfen haben sich die 16 Nehmerländer nur allzu gern kräftig bedient. Da wird nicht gefragt, woher das Geld kommt, und es stinkt dann auch nicht, obwohl es aus Exporterlösen finanziert wird. Insofern ist an dieser Stelle auch ein Vermögensvergleich unerlässlich: Diesbezüglich schneiden die Deutschen in internationalen Vergleichen regelmässig schlecht ab. Der EZB zufolge lag das mittlere Nettovermögen deutscher Privathaushalte im Jahr 2010 bei 51.400.- Euro, was nicht einmal die Hälfte der französischen Vermögen, nämlich 113.500.- €, beträgt; die BRD liegt sogar weit hinter Spanien mit 178.300.- € oder Italien mit 163.900.- €. Trotz dieses Wissens und in Kenntnis aller Hintergrundinformationen lenkt die EZB unter Mario Draghi durch ihre desaströse Zinspolitik einmal mehr deutsches Sparkapital in Richtung Süden.     

Weitere mit Anklagen verbundene Forderungen    
Der Exportschelte stehen gleichzeitig Forderungen gegenüber, die, genau genommen, ohne eine gesunde Exportwirtschaft gar nicht zu erfüllen sind: So erwartet der EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski auch von der neuen Bundesregierung Stabilität und  - wörtlich ! - Vorhersagbarkeit. Desgleichen grössere Anstrengungen zur Ankurbelung der Konjunktur. Wie bei allem und jedem ist selbstverständlich auch der IWF zur Stelle, wenn es gilt, Vorschriften zu machen. So sprach sich der stellvertretende IWF-Chef, David Lipton, Anfang November doch tatsächlich »für eine verbindliche Begrenzung der deutschen Exporte aus.« »Die Bundesregierung müsse eine konkrete Zielgrösse festlegen, die künftig nicht überschritten werden dürfe«, erklärte Lipton bei Gesprächen im Bundesfinanzministerium.  [2]  Als ob es wirtschaftlich gesehen zu keinem Zeitpunkt Schwankungen gäbe und sich ein Zweig wie der Export, der je nach Lage der Weltwirtschaft massive Einbrüche erleiden kann, mittels Sollzahlen festnageln liesse. Vorgaben solcher Art  müssen jedem Bürger zwangsläufig das Gefühl vermitteln, dass sie eigentlich nur von Technokraten ausgehen können, die fernab jeglicher Realität angesiedelt sind. So hatte Spaniens EU-Minister Iñigo Méndez de Vigo im Zusammenhang mit der Eurokrise schon Mitte 2012 mehr Solidarität von Deutschland angemahnt, denn dieses habe wie kein anderes Land von den Exporten innerhalb der EU profitiert; wobei er eine der Ergebnisse dieses Profits, nämlich die oben angeführten Aussenstände der Deutschen Bundesbank, schlicht übergeht, genauso wie den Fakt, dass sein Land durch Zulieferungen direkt involviert ist. 

Ganz speziell hervorgetan hat sich die Partei Die Linke: Sie sieht in den Exportüberschüssen gar eine ökonomische Zeitbombe. Das gefährde die Stabilität Europas, da müsse die neue Bundesregierung ran: Auf Dauer mehr einnehmen als ausgeben geht in einer globalisierten Wirtschaft nicht, sagte ihr Vize-Vorsitzender Klaus Ernst.  [3]  Er verschweigt jedoch wohlweislich, dass die Zeitbombe in einer globalisierten Wirtschaft auf die gleiche Weise tickt wie in einer Nation, wenn diese auf die Dauer mehr ausgibt als einnimmt. Wie sonst liesse sich der verbale Angriff so medienwirksam platzieren. Jeder Mensch lernt bereits im Kindesalter, dass man nicht mehr ausgeben als einnehmen kann. Und Globalisierung bedeutet, dass sich jede Nation ihren Verhältnissen anpassen muss, also nicht weit über ihre Verhältnisse leben darf. Dies geht in unserer derzeit bestehenden Wirtschaftsstruktur allerdings nur dann, wenn eine andere Nation bewusst unter ihren Verhältnissen lebt. Erwartet somit Klaus Ernst bzw.Die Linke allen Ernstes von der Bundesregierung, dass Deutschland unter seine Verhältnisse gedrückt wird, damit andere ohne Leistung auch weiterhin über ihre Verhältnisse leben können?   

»Mit merkantilistischer Wirtschaftspolitik habe Deutschland die Euro-Krise mit verursacht«, so lautete der Vorwurf des für Soziales, Beschäftigung und Integration zuständigen ungarischen EU-Kommissars László Andor am 21. 9. 2012. »Nun«, merkten hierzu die Deutschen Wirtschafts Nachrichten[DWN] eher trocken an, »der Kommissar ist möglicherweise noch vom Kommunismus geprägt und dort immer noch verankert. So gesehen ist er in Brüssel gut aufgehoben. Unabhängig von der Tatsache, daß die Ursachen der Euro-Krise ganz woanders liegen, ist diese Aussage ein epochaler Schwachsinn. Man muß nun einmal gut sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber Brüssel ist ein Kosmos der Autosuggestion und Realitätsferne. Dort gelten eigene Regeln. Eigentlich sollten es absurde Ansichten wie jene des Kommissars für Soziales nicht verdienen, überhaupt kommentiert zu werden. Nur sind ähnliche Äußerungen von EU-Kommissaren keine Einzelfälle - und diese ökonomischen Tagträumer bestimmen die Richtung, regieren einen Kontinent. Da verwundert es nicht, wenn Europa sich in einem bedauernswerten Zustand befindet.«  [4]

Als ob die von Brüssel und der USA ausgehende Kritik noch nicht genug wäre, hat sich auch der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman befleissigt, Deutschland frontal anzugreifen, was er in seinem mit dem Titel Those Depressing Germans versehenen Kommentar in der New York Timeszum Ausdruck brachte. Auch hier der Vorwurf, dass die BRD während der gesamten Schulden- und Finanzkrise stets mehr exportiert als importiert habe, so dass sich erneut die Forderung ergäbe, dass Deutschland das heimische Wachstum stärken und seine Exportabhängigkeit verringern müsse. So macht auch er die Deutschen auf Grund ihrer andauernd hohen Exportüberschüsse für deflationäre Tendenzen verantwortlich, sowohl in der Euro-Zone als auch in der Weltwirtschaft.  [5]  

»Käme die Drosselung der deutschen Exportwirtschaft mit den angedrohten Strafzahlungen«, so die DWN, »würden sich auch die einst wohlhabenden und größten Spender der EU weiter über beide Ohren, und zwar bis zum Sankt-Nimmerleinstag, selbst verschulden. Da bliebe am Ende kein Geld - Geld, das leider nicht aus der Steckdose kommt - um den EU-Karren aus dem Dreck zu ziehen. Liegt Brüssel in Absurdistan? Deutschland ist nun einmal eine exportabhängige Nation und der Export ist für die BRD  - und mittlerweile für alle EU-Nettoempfänger -  überlebenswichtig. Jeder dritte Arbeitsplatz hängt am Export. Bricht der deutsche Export ein, so wie es einige EU-Politiker gerne sähen, hätte dies verheerende Folgen für ganz Europa. Brüssel ist wirklich mit sehr klugen Leuten gesegnet! Würde sich Deutschland, wie von Frankreich und der EU gewünscht, nach unten orientieren – dann gute Nacht Frankreich und Europa. In Brüssel werden im Sinne kommunistischer Gleichmacherei zu hohe Defizite als Straftat geahndet, das Gegenteil, also Überschüsse, aber ebenso. Ein total der Welt entrückter, gefährlicher Verein, in dem auch die Schuldner mehr Macht haben als die Gläubiger. Brüssel sollte besser nicht die Gans schlachten, die auch für andere EU-Länder goldene Eier legt, bzw. sollte nicht an dem Ast sägen, auf dem nicht nur Brüssel, sondern mehr als die Hälfte aller EU-Mitglieder sitzen. Genau dies ist den Schönrechnern und Eco-Verstehern in ihrem Gleichheitswahn zuzutrauen, denn die Kommissare der EU unternehmen alles, um Deutschland auf das Niveau von Problemstaaten herunterzuholen.«  [4]     

Die Konzipierer von Lösungsansätzen machen es sich mitunter auffallend einfach, so der Chef der französischen Zentralbank, Christian Noyer: Er fordert, dass Deutschland mehr Kindergartenplätze schaffe, mehr junge Mütter sollten im Beruf bleiben und Geld verdienen, damit sie mehr konsumieren. Als ob das Leben aus Konsum bestünde. Als sinnvoll betrachtet er daneben eine Liberalisierung von reglementierten Berufen und Ladenöffnungszeiten, wobei noch zu klären wäre, wie sinnvoll dies all diejenigen betrachten würden, die direkt davon betroffen wären. Zusammen mit dem EZB-Chefvolkswirt Peter Praet verlangt Noyer ferner entschlossene Schritte zur Stärkung der Inlandsnachfrage. Zwar solle die BRD ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht schwächen, so Praet, »Aber für Deutschland ist es wichtig, mehr im Inland zu investieren.« Dazu seien entsprechende Strukturreformen nötig, deren Rezepte er allerdings nicht mitzuliefern weiss.

Wenigstens drangen aus dem Europäischen Parlament Stimmen, die Brüssels Vorhaben, Deutschland wegen des hohen Exportüberschusses zu prüfen, verurteilten. So der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten, Herbert Reul, der fordert, die Methodik der Sanktionen in solchen Fällen zu ändern: »Es wäre irrsinnig, eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft zu bestrafen. Die Sanktionsmethodik muß geändert werden. Ausgerechnet die europäische Konjunkturlokomotive Deutschland bremsen zu wollen, würde ganz Europa international zurückwerfen.«  [6]  Auch der Vorsitzende der FDP im EP, Alexander Graf Lambsdorff, hat die deutsche Exportstärke verteidigt: »Wir werden die Schwachen nicht stärken, indem wir die Starken schwächen. Es ist falsch, Erfolg zu bestrafen. Die deutsche Exportstärke ist nicht Ausdruck einer zentral gesteuerten Politik, sie ist vielmehr Ergebnis zahlreicher dezentral getroffener Kaufentscheidungen rund um den Globus. Deutsche Güter wie Autos, Maschinen oder chemische Produkte seien weltweit gefragt, weil sie in Preis und Qualität überzeugen«, so der FDP-Politiker. »Die These der EU-Kommission, die Exportstärke der Bundesrepublik sei der Niedriglohn-Politik geschuldet, gehe an der Realität vorbei. Die Löhne in Deutschland sind in den letzten Jahren gestiegen - so haben sich die Reallöhne bereits drei Jahre in Folge positiv entwickelt.«  [7]  

Unter dem Titel Das Märchen vom Gleichgewicht vermerkt die Frankfurter Allgemeine Zeitungu.a.: »Deutschland wird für seine Exportüberschüsse gescholten. Aber wie soll man sie verkleinern? Und wieso sind sie überhaupt ein Problem? Soll die Bundeskanzlerin künftig am Zollhaus stehen  und die Ausfuhr stoppen? Dabei geht es nicht nur darum, ob die Regierung einen geringeren Leistungsbilanzüberschuß herbeiführen kann, ohne planwirtschaftlich lenkend in den Markt einzugreifen. Es geht mehr noch darum, ob sie es überhaupt tun sollte. Warum sollte in einer Marktwirtschaft die Politik den Menschen verbieten, im Ausland Waren zu verkaufen oder Kapital im Ausland zu investieren? Die Ritter des Gleichgewichts leitet die fixe Idee, daß sich eine Wirtschaft nur dann solide entwickelt, wenn die Entwicklung ausgewogen vonstatten geht. Es gelte das Prinzip Maß und Mitte, ein gesunder Export neben einer gesunden Binnennachfrage. So aber funktioniert die Marktwirtschaft nicht. Eine dynamische Wirtschaft im Wettbewerb ist ständig, wenn man es so nennen will, voller Ungleichgewichte, die sich vergrößern, verkleinern, verändern und verschieben - und manchmal auch über Jahrzehnte Bestand haben.«  [8]  

Führt man sich die das Ganze begleitenden Vorstellungen Brüssels vor Augen, die da lauten: Deutschland soll die Binnennachfrage ankurbeln – durch Lohnerhöhungen, Steuersenkungen, Senkungen der Sozialabgaben und durch Investitionen in Infrastrukturen – etwa im Strassenbau, so sticht auch hier hervor, wie komplikationsslos man es sich dort zu machen versteht: »Brüssel hofft«, vermerken die DWN, »dass Deutschland dadurch mehr aus anderen Euro-Staaten importieren könnte und damit den verschuldeten Südstaaten bei der Überwindung der Krise helfen könnte«, um mit der der Zeitung eigenen Ironie hinzuzufügen: »Was genau Deutschland aus Griechenland, Zypern oder Portugal für den dann boomenden Straßenbau importieren sollte, sagte Währungskommissar Olli Rehn nicht.« Was Olli Rehn sonst noch an Kritik verlauten lässt, ist durchaus erwähnenswert: So kritisiert er, »daß die Deutschen in den vergangenen Jahren ihre Vermögen in Immobilien-Blasen und andere spekulative Investments gesteckt hätten. Damit hätten die Deutschen den Banken geschadet, weil diese unter den Blasen leiden. Stattdessen sollten die Deutschen in die südeuropäische Realwirtschaft investieren.« Was der Währungskommissar hierbei vollkommen übersieht resp. ignoriert, ist der Fakt, dass es sich seinerzeit um eine weltweite Fehleinschätzung der Risiken gehandelt hat. Der katastrophale Einbruch in den Peripherieländern hat vor allem zu Verlusten deutscher Banken und deutscher Steuerzahler geführt, ganz abgesehen von den immensen Verlusten aus toxischen Papieren aus den Vereinigten Staaten. Und alle waren beteiligt, aber   - wie immer -  wird einmal mehr nur Deutschland vorgeführt. Eine weitere Unverfrorenheit in der Aussage des Finnen liegt in den Zahlen begründet: Finnland exportiert seit Jahren weit mehr als es importiert. Zum Beispiel wurden im Jahr 2012 14 % mehr exportiert als importiert. Nun ist das Land jedoch im weltweiten Vergleich klein  - Finnland macht nur nur 3 % des Welthandels aus -  so dass man die Zahlen der Kritik leicht vorenthalten kann. Was nun die Schweiz, ein ebenfalls kleines Land betrifft, so wird 71 % des Schweizer BIP mit Export erwirtschaftet, während es, im Vergleich dazu, in der BRD nur 44 % sind. Sicherlich würde  man sich bei entsprechender Grösse des Landes auch auf die Schweiz einschiessen!‹  

Man fragt sich folglich, ob es überhaupt noch etwas gibt, an dem die Deutschen nicht schuld wären. Gänzlich ignoriert wird hierbei auch, dass Deutschland Milliarden in EU-Projekte gesteckt hat, deren Wirksamkeit zuletzt vom Europäischen Rechnungshof in einem denkbar schlechten Licht dargestellt wurde. »Deutschland«, legt auch Michael Mross dar, »ist nach wie vor einer der Exportweltmeister und damit eine unerläßliche Stütze für den Euro und den Rest der Eurozone.  Doch die Kommissare sehen den Erfolg kritisch. Ihre Strategie: Deutschland muß schwächer werden, damit die anderen auch eine Chance haben. Typische Logik des Politbüros in Brüssel, welches per Erlaß und Planwirtschaft den eigenen Ast absägt, auf dem es sitzt. Auch das ist EU-Junta-Logik: Man muß den Stärkeren bestrafen, damit die Schwächeren eine Chance haben. Diese Formen von Sozialismus sind indes nicht neu in der Geschichte der EU: Schuld sind nicht die Schwachen, sondern der Starke. Der deutsche Überschuß ist nach Junta-Logik eines der großen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, die für die Finanz- und Schuldenkrise mitverantwortlich sind. Schöne neue Finanzwelt. Die BRD hat also ihren Exportüberschuß 2012 über die von der EU-Kommission vorgegebene Warnschwelle gesteigert. Wo es in einer angeblich freien Marktwirtschaft eine Warnschwelle gibt, bleibt allerdings das Geheimnis der Brüsseler. In Euro umgerechnet beträgt der deutsche Leistungsbilanzüberschuß 169 Milliarden €, erklärte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn zu Berechnungen seines Instituts für die Nachrichtenagentur Reuters. Das entspricht 6,4 % des Bruttoinlandsprodukts, nach 5,7 % im Jahr 2011. Für 2013 erwartet das Ifo-Institut einen Anstieg auf 6,6 %. Damit ist Deutschland in den Augen des EU-Politbüros eindeutig in der roten Zone. Die EU-Kommission stuft, wie bereits erwähnt, einen Wert von mehr als 6 % als stabilitätsgefährdend ein. Ob die Euro-Welt dagegen stabiler wäre, wenn alle das Niveau Griechenlands einnähmen, dazu äußerte sich das EU-Politbüro nicht.«  [9]  »Ein großes, gleichmachendes Straf-System wird etabliert«, so die DWN, »früher nannte man das Kommunismus. Es war nicht sehr erfolgreich.«    

Der Abbau globaler Ungleichgewichte war bereits Gegenstand des G-20-Gipfels im April 2011 in Washington gewesen; die Finanzminister hatten damals beschlossen, dass der IWF Massnahmen ergreifen darf, wenn ein Staat zuviel exportiert oder importiert. Schon zu jenem Zeitpunkt erwartete man, dass Deutschland unter die Lupe genommen würde, ebenso wie China, Japan und die USA. In der Erklärung der G-20 hiess es, es gehe um Länder, auf die jeweils mehr als 5 % der gesamten Wirtschaftsleistung der Gruppe entfallen. Wolfgang Schäuble und der scheidende Bundesbankchef Axel Weber hatten indessen eine ausgewogene Debatte angemahnt. »Sollten die Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz ins Blickfeld geraten, werde man deutlich machen, dass sie Ergebnis der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen seien und nicht die Folge einer unterbewerteten Währung«, während Weber gefordert hatte, »sich nicht nur auf Deutschland zu konzentrieren, sondern die Euro-Zone als Ganzes zu betrachten.« Da ein sogenanntes EU- Vertragsverletzungsverfahren einige Monate in Anspruch nehmen kann, will die EU-Kommission im Frühjahr mitteilen, ob der deutsche Exportüberschuss tatsächlich ein übermässiges wirtschaftliches Ungleichgewicht darstellt. Indessen hat die Basler Zeitung vom 13. November 13 festgehalten, dass Deutschland vor zwei Jahren eine Erklärung der EU-Finanzminister durchgesetzt hat, gemäss der Exportüberschüsse nicht bestraft werden sollen. 

Was  nun den gegenwärtigen Stand der Dinge betrifft, so hat Finanzminister Schäuble bei seinem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Jack Lew die Exportpolitik seines Landes verteidigt und darauf hingewiesen, dass die EU ohne den deutschen Export ein Aussenhandelsdefizit aufweisen würde:»Das amerikanische Defizit wird nicht besser, wenn ein europäisches Defizit hinzugefügt wird.« Offenbar fällt auch Lew nichts Besseres ein, als an die BRD zu appellieren, die Binnennachfrage zu stärken, was, wie er glaubt, zu einem Abschmelzen des Exportüberschusses führen würde. Auf diesen Vorschlag reagierte Schäuble reserviert und meinte, dass die Gespräche nicht deswegen geführt würden, um Zensuren zu verteilen, sondern um ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzielen. Sollte Lew dennoch dabei bleiben, die deutsche Exportstärke als Problem für die Weltwirtschaft zu geisseln, so sei ihm empfohlen, seine Sicht einmal durch einen Blick auf die Eurozone als Ganzes zu weiten. Sie weist weder grosse Überschüsse noch Defizite im Aussenhandel auf; in dieser Hinsicht stabilisiert die Eurozone die globale Ökonomie, ganz anders als es die USA mit ihren grossen Aussenhandelsdefiziten tut. 

Es sollte somit im Interesse aller Euroländer liegen, dass die deutschen Unternehmen im globalen Handel stark bleiben, denn ein deutsches Auto, das etwa nach China ausgeführt wird, ist in Wahrheit ein internationales Gemeinschaftswerk, da viele Vorleistungen ausländischer Zulieferer darin stecken. Man würde also auch letztere schwächen, würde man den deutschen Exportmotor künstlich drosseln.    

 

Quellen: Das von den Deutschen Wirtschafts Nachrichten gezeichnete Bild der Lage stellt einen Auszug aus dem soeben erschienen Buch von Sven Kesch dar: Kurs halten, bis zum Untergang Europas. Unglaubliche Erfolgsgeschichten aus dem Brüsseler Tollhaus; der Autor arbeitete viele Jahre lang als Top-Manager eines grossen deutschen DAX-Unternehmens. 

[1]  http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaft-in-zahlen/aussenhandel-deutschland-hat-keinen-exportueberschuss-im-euro-12744438.html  9. 1. 13 Deutschland hat keinen Exportüberschuss im Euro  
[2]  http://jungefreiheit.de/wirtschaft/2013/waehrungsfonds-fordert-begrenzung-deutscher-exporte/  4. 11. 13   Währungsfonds fordert Begrenzung deutscher Exporte     
[3]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=21391&title=Linke%3A+Deutsche+Export%FCbersch%FCsse+%22%F6konomische+Zeitbombe%22&storyid=138323098877   31. 10. 13    

[4]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/05/der-grosse-irrtum-von-bruessel-scheitert-deutschland-dann-scheitert-die-eu/   5. 11. 13   Der große Irrtum von Brüssel: Scheitert Deutschland, dann scheitert die EU 
[5]  http://www.nytimes.com/2013/11/04/opinion/krugman-those-depressing-germans.html
November 3, 2013  - Those Depressing Germans - By Paul Krugman  

[6]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=21766&title=Reul+kritisiert+EU-Kommission+wegen+Pr%FCfung+des+deutschen+Export%FCberschusses&storyid=1383808486643  
[7]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=22028&title=Lambsdorff+verteidigt+deutsche+Exportst%E4rke&storyid=1384173414352   11. 11. 13   [8]  http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/deutscher-exportueberschuss-das-maerchen-vom-gleichgewicht-12653599.html  8. 11. 13  Patrick Welter Washington 
[9]  http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/11818-eu-will-deutschen-export-abstrafen  20. 1. 13  Michael Mross  EU will deutschen Export abstrafen