Steuerkrieg der USA gegen die Schweiz - Von Valentin Landmann 09.03.2014 22:15
Der Schriftsteller Carl Sandburg schrieb einmal: »Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.«
Immer wieder taucht dieses Zitat in Zusammenhang mit
pazifistischen Veranstaltungen und armeegegnerischen Veranstaltungen auf.
Wohlweislich wird dabei aber der zweite Satz unterschlagen, den Bert Brecht
hinzugefügt hat: »Stell Dir
vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Dann
kommt der Krieg zu Dir.« In der die Steuern betreffenden Affäre
USA – Schweiz kam die Vokabel ›Wirtschaftskrieg‹ seitens der schweizerischen Regierung überhaupt
nie vor. Die USA stellten den ›good guy‹ dar, dem es nur darum gehe, entzogenes
Steuersubstrat, welches reiche Amerikaner mit Hilfe des schweizerischen
Bankgeheimnisses, Schweizer Bankern, Schweizer Treuhändern und Schweizer
Anwälten dem US-Fiskus entzogen hatten, zurückzuholen. Ein legitimes Ziel, für das unser
Bundesrat grösstes Verständnis aufbrachte.
Kein Wirtschaftskrieg?
Es ist eine verfassungsmässige Aufgabe der schweizerischen
Bundesregierung, die Souveränität des Landes zu schützen. Zur Souveränität
gehört der Schutz der eigenen Gesetzgebung vor Eingriffen von aussen. Aber nie
sprach der Bundesrat von unrechtmässigen Übergriffen, erst zum Schluss erwähnte
der Bundesrat erpresserische Aktionen. Verschiedene Banken,
Bankangestellte (natürlich nur die unteren Chargen, die Sachbearbeiter),
Vermögensverwalter, Treuhänder und einige Anwälte hätten in sträflicher Form
amerikanisches Recht verletzt, reiche Amerikaner hätten das schweizerische
Bankgeheimnis missbraucht, um ihr Steuersubstrat zu entziehen. Wirtschaftskrieg?
– Nichts dergleichen. Jetzt galt es, dafür zu sorgen, dass die USA ihr Recht
durchsetzen konnten, ohne dass sich schweizerische Normen widerspenstig in den
Weg legten. Also kein Wirtschaftskrieg. Keine Empörung. Nur Nebel in
clausewitzschem Sinne.
Aber die
Sache hat einen grossen Haken: Wer die offiziellen Stellungnahmen sowohl der
Banken, der Bankiervereinigung wie auch der Politik über die letzten Jahre zur
Auseinandersetzung mit der USA über die Steuerfrage verfolgt hat, fragt sich,
wieso Banken und Politiker innert kurzer Zeit einen totalen Paradigmenwechsel
vollziehen können. Wieso ist zu Anfang von einem unverbrüchlichen Bankgeheimnis
die Rede? So äusserte noch Bundesrat Merz als Finanzminister: »An unserem Bankgeheimnis werden sie sich die Zähne
ausbeissen.« Schliesslich gehöre das
Bankgeheimnis zum schweizerischen Recht und man lasse das schweizerische Recht
nicht über Bord kippen. Wer kein schweizerisches Recht verletzt habe, habe
nichts zu befürchten. Die
Bankiervereinigung betrachtete das schweizerische Bankgeheimnis als Trutzburg.
Ohne das Bankgeheimnis würde der Weltuntergang blühen. Schliesslich sei das
Bankgeheimnis entstanden, um die Persönlichkeit von Verfolgten zu schützen.
Davon werde man nicht abrücken. Die Politik müsse das Bankgeheimnis schützen.
Rechtsumkehrt
Nur wenig später klang es vollkommen anders. Die neue Finanzministerin
Eveline Widmer-Schlumpf liess neben weiteren Politikern immer wieder
durchblicken - und deklarierte dies später
auch offen - dass das Bankgeheimnis
nicht mehr zu halten sei. Der automatische Informationsaustausch mit den
übrigen OECD Staaten sei das, was man anstreben müsse. Und die
Bankiervereinigung? Eindringlich bat sie die Politik darum, das Bankgeheimnis
kippen und der USA alle Daten von Kunden ausliefern zu dürfen, die während
Jahrzehnten auf das Bankgeheimnis vertraut hatten. Auch wenn man nicht weiss,
was der Hintergrund ist, so sind solche Meinungsumschwünge schlicht und einfach
unverständlich. Dem Bürger werden nur Resultate vorgelegt, die Gründe jedoch
verheimlicht. Man kann mutmassen, was wohl geschehen ist, aber man weiss es
nicht. Versuche, den Meinungsumschwung damit zu begründen, dass man zur Erkenntnis
gelangt sei, das Bankgeheimnis diene nur dem Schutz von Steuerflüchtlingen und
müsse also legitimerweise ein Ende finden, waren für den krassen
Meinungsumschwung sowohl in der Politik als auch bei den Banken keine Erklärung……
Nur
wenige Stimmen gab es, die schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt von Wirtschaftskrieg
sprachen, so etwa René Zeyer in seinem Artikel ›Es ist
Wirtschaftskrieg, Dummkopf‹: Schweizer Bankenlenker
heucheln, sie hätten vor und erst recht nach 2009 nie etwas davon mitbekommen,
dass Kunden Schweizer Bankkonten doch tatsächlich als Schwarzgeldbunker benützt
hätten. Die US-Regierung heuchelt, dass
es bei ihrem Feldzug gegen Schweizer Banken nur darum gehe, ihr mit Beihilfe
dieser Geldhäuser entzogenes Steuersubstrat zurückzuerobern. Selbstverständlich
nur mit rechtsstaatlichen Mitteln. Beides ist natürlich Unsinn. Denn
in Wirklichkeit herrscht Wirtschaftskrieg, und da stirbt die Wahrheit
bekanntlich zuerst. Die Bank Wegelin wurde als abschreckendes Beispiel ans
Kreuz genagelt. Sie hatte laut Anklage läppischen 70 US- Steuerpflichtigen
Unterschlupf geboten. Sie wurde angeklagt, musste sich selbst entleiben und
über 70 Millionen $ Busse zahlen. Die US-Bank Wachovia bekannte sich 2010
schuldig, 378 Milliarden (!) Dollar mexikanischen Drogengelds weissgewaschen
zu haben. Sie musste [nur] 110 Millionen $ Busse zahlen. Unter die Fittiche von
Wells Fargo geschlüpft, gibt es die Bank bis heute. Kein einziger
Wachovia-Mitarbeiter wurde je angeklagt, niemand musste auch nur einen Tag im Knast
verbringen. Es ist bekannt, dass die meisten Drogenkartelle Lateinamerikas in
Florida und bei vielen US-Banken ihre Geldwaschanstalten unterhalten.
Wohlgemerkt geht es hier nicht um vor dem Fiskus verstecktes Schwarzgeld, sondern
um Schwerstkriminalität. Für einfache Steuerhinterziehung ist in der
USA bekanntlich Delaware zuständig. Dort verstecken sich in einem einzigen
Gebäude mehr als 300 000 Firmen. Eine selbst für die US-Wildwestjustiz
spezielle Rechtsprechung, nach der nicht etwa nach Recht und Gesetz Urteile
gefällt werden, sondern nach Ermessen des Richters, was billig und fair sei, schützt
dieses wohl grösste Steuerschlupfloch der Welt. Zufälligerweise erscheint
Delaware aber nicht auf der ›Schwarzen Liste‹ der OECD von unkooperativen Staaten oder
Steueroasen.
Früher
wurden imperialistische Wirtschaftskriege mit Kanonenbooten geführt. Heute sind
ihre modernen Nachfolger Drohnen, die für Länder wie Afghanistan oder den Irak
reserviert sind. Im Kampf gegen die Schweiz wird das Herrschaftsinstrument
Weltwährung Dollar verwendet. Bereits eine Klagedrohung reicht, um jede
Bank der Welt schlagartig von allen Dollargeschäften abzuschneiden. Das
bedeutet ihren möglichen Bankrott und zwingt sie, zu Kreuze zu kriechen. Aus
diesem Grund wagte es weder die grosse UBS noch die kleine Privatbank Wegelin,
es auf einen Prozess in der USA ankommen zu lassen; reiner Rechtsimperialismus.
Aber wieso richtet die USA ihre modernen Kanonen ausgerechnet auf die Schweiz?
Ganz einfach. Wenn wir Asien mal aussen vor lassen, gibt es drei grosse
Finanzplätze auf der Welt. Die finanziell verlumpte USA, das finanziell
verlumpte England – und die Insel der Seligen, die Schweiz. Wo die grossen
Geldspeicher stehen, wo aber leider keine Dagobert Ducks ihre Tresore gegen
Angriffe von US-Panzerknackern verteidigen, sondern dumme Donald Ducks,
flankiert von sieben Bundeszwergen, die jammern, zetern, quengeln und sich
rupfen lassen. Oder müssen wir wie Wegelin, den Panzerknackern schutzlos
ausgeliefert, mit fliegenden Fahnen untergehen….. Dass für vergangene
Steuersünden Busse getan werden muss, mag ja noch hingehen. Dass da Milliarden
abfliessen werden, ist aber nicht der Sieg der gerechten Sache. Sondern nichts
anderes als die Erpressung von Schutzgeld. Mit Sitten wie bei Don Corleone. Wir
machen dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst. Zahlst du kein
Schutzgeld, hauen ein paar dunkle Gestalten deine Bank zusammen. Dass die auch
zu uns gehören, ist halt unsere Geschäftsgrundlage. Das ist die Mafia-Version.
Die US-Version ist: Du gestehst ohne Prozess und zahlst eine Riesenbusse. Oder
unsere Staatsanwälte machen deine Bank platt. Indem sie ihr durch eine Klage
die Teilnahme am Dollargeschäft abwürgen. Das ist die Geschäftsgrundlage. Das ist Wirtschaftskrieg. Nur Dummköpfe können
oder wollen das nicht sehen.
Quelle: http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/die_verschwiegene_geiselnahme-1634 21. 2. 14
Valentin
Landmann ist Rechtsanwalt in Zürich
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