Was westliche Medien über das Kiewer Regime gerne verschweigen

»Mitglieder des Europaparlaments, die kürzlich die Ukraine besuchten, berichteten

über schreckliche politische, rechtliche und soziale Zustände im Land. Abweichler und Gegner des EU-NATO-freundlichen Kurses würden von der Kiewer Regierung systematisch verfolgt. Am 7. April führte die Executive Intelligence Review EIR mit dem Fraktionschef der Sozialistischen Partei im holländischen Senat, Tiny Cox  - dieser war gerade von einer Reise in die Ukraine im Rahmen des Präsidentschaftskomitees des Europarats zurückgekehrt -  ein Interview. »Das Land ist in Trümmern«, sagte Cox. »Keiner traut der Regierung und das Parlament besteht aus Leuten, die von Oligarchen handverlesen wurden. Es wird viel über die Rechtmäßigkeit der Regierung diskutiert. Als alter Revolutionär dachte ich: Das ist eine Revolution. Aber eine Revolution in einem demokratischen Land macht keinen Sinn. Man macht eine Revolution gegen Diktatoren und nicht gegen den eigenen gewählten Präsidenten. Und will man ihn loswerden, dann muß man für Neuwahlen oder für ein Absetzungsverfahren sorgen.« Faktisch regiere die profaschistische Swoboda-Partei die westlichen Landesteile, und in Kiew stünden immer noch 6000 Bewaffnete des Rechten Sektors. Deutsche Politiker hätten zwar erklärt, die Regierung müsse diese Faschisten loswerden, um sich für die Finanzhilfe zu qualifizieren, aber in dieser Beziehung sei nichts passiert, erklärte Cox. Seine Äußerungen stimmen mit dem überein, was die Ökonomin Natalja Witrenko, die Vorsitzende der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine PSPU, veröffentlichte. Am 5. 4. hatte sie einen weiteren Appell an die von ihr als Schutzmächte des neuen ukrainischen Regimes bezeichneten politischen Führungen von USA und der EU gerichtet. Witrenko beklagt, daß »Bürger, die den Nazismus nicht akzeptieren und nicht in einen Krieg gegen Rußland ziehen wollen«, von der Putschistenregierung und den Medien zu Unrecht als Separatisten und als fünfte Kolonne verunglimpft werden. Politische Aktivisten würden auf der Grundlage ungeprüfter Behauptungen inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt, darunter der Vorsitzende der PSPU in der Region Charkow, Alexander Charitonow. Am Tag zuvor hatten Witrenko und die Führung der Nationalen Widerstandsfront gegen die Eurokolonisierung der Ukraine einen Aufruf veröffentlicht, die für den 25. Mai angesetzte Präsidentschaftswahl zu boykottieren, da die neue Führung keine Legitimität habe, die Wahl illegal sei und nur deshalb inszeniert werde, um den im Februar erfolgten Neonaziputsch nachträglich zu legitimieren. Am 8. April verabschiedete das ukrainische Parlament neue, drakonische Strafen, die sich gegen die Demonstranten im Südosten des Landes richten. Als der Chef der Kommunistischen Partei, Petro Symonenko, eine Rede gegen den bewaffneten Angriff auf friedliche Demonstrationen halten wollte, wurde er von zwei Swoboda-Abgeordneten angegriffen, die ihn daran hinderten, seine Rede zu halten und ihn vom Rednerpult wegzerrten. In dem nachfolgenden Tumult verließen die meisten Abgeordneten der KP und der Partei der Regionen aus Protest den Saal; dennoch konnte das Regime eine knappe Mehrheit von 231 Stimmen für die Gesetze erringen, wovon eines bei Handlungen mit dem Ziel, die territoriale Einheit der Ukraine zu gefährden, 9 bis 12 Jahre Gefängnis vorsieht; auf Subversion und Spionage stehen bis zu 15 Jahre Gefängnis, auf Verrat lebenslänglich. Auf Handlungen mit dem Ziel, die Arbeit der ukrainischen Streitkräfte zu behindern, stehen 5 bis 8 Jahre Gefängnis, im Falle schwerwiegender Konsequenzen sogar 8 bis 15 Jahre.«  [1]

Man sollte es nicht für möglich halten, dass sich heute noch Befürworter für derart drakonische Strafmassnahmen finden. 

Bereits Anfang Februar hatte Hermann van Rompuy mit Entschiedenheit erklärt: »Die Zukunft der Ukraine gehört der EU«, eine Aussage, der sich durchaus ein gewaltige Portion an Selbstherrlichkeit zubilligen lässt und die denn auch Strategic Alert zu der absolut berechtigten Frage veranlasste, seit wann ein EU-Präsident über die Zukunft eines souveränen Landes entscheide. Die Zugehörigkeit zur EU, so van Rompuy, würde die Demokratie garantieren. »Aber«, fragt Strategic Alert weiter, »wie demokratisch ist die EU selbst, mit ihren Entscheidungen hinter verschlossenen Türen, ihren wiederholten Verletzungen der nationalen Verfassungen oder angesichts der Rechtsimmunität für die Vertreter ihrer Institutionen?« Die Klagen über den Demokratiemangel der Europäischen Union sind gewissermassen Legion; sie finden jedoch kaum Gehör und zeitigen nicht einmal eine Wirkung. Auch Kerry hatte nach einem Treffen mit der ukrainischen Opposition in München behauptet, die Demonstranten seien Kämpfer für die Demokratie, indem er die ultranationalistischen und neofaschistischen Elemente ganz einfach ignorierte, was Sergej Lawrow zu der Gegenfrage veranlasst hatte, warum niemand diejenigen verurteile, die Verwaltungsgebäude besetzten, Polizisten angriffen und rassistische sowie antisemitische Parolen skandierten; im Gegenteil ermutigten prominente europäische Politiker noch zu solchen Aktionen, »obwohl sie in ihren eigenen Ländern gegen jede Verletzung des Buchstabens des Gesetzes sofort rigoros durchgreifen.« Auch dem Ende Januar von 29 ukrainischen Parteien und Organisationen an den UNO-Generalsekretär und an die Führungen von USA und EU gerichtete Appell Stoppt das Marodieren der Guerillas, stoppt das Anstacheln von Bürgerkrieg und den Zerfall des Landes!, der sich gegen den faschistischen Putschversuch in der Ukraine richtete, war nicht der geringste Erfolg beschieden. Indessen enthielt der Appell wesentliche Informationen über den neokolonialen und antirussischen Hintergrund des Assoziierungsabkommens mit der EU und die an den Protesten beteiligten neofaschistischen Organisationen.  

Witrenko, die den Appell mit unterzeichnete, hatte fast ein Jahr zuvor schon vor den Gruppen gewarnt, die mit der Rückendeckung und den Geldern von NROs aus dem Westen die ukrainische Regierung bedrohten. Der Beginn des Appells lautete wie folgt: »Die politische Krise der Ukraine verschärft sich von Tag zu Tag und führt das Land auf den Weg in einen Bruderkrieg, den Verlust seiner Souveränität und den Zerfall des Staates. Dies ist ein ausländisches Projekt zur Übernahme der Ukraine. Es wird gegen die Interessen und die Forderungen unseres Volkes umgesetzt und auf verfassungswidrigem Weg unter Verletzung internationaler Normen und Prinzipien, die auf friedlichem Handeln, freien Wahlen, Freiheit der Rede und Achtung der   Menschenrechte beruhen, durchgeführt.« In Bezug auf die neonazistischen und neofaschistischen Ideologien und Symbole auf dem Euromaidan wendeten sich die Unterzeichner direkt an die westlichen Führungen: »Sie sollten verstehen, daß Sie selbst, indem Sie das Vorgehen der Guerillas in der Ukraine unterstützen und ihnen den Status von Euromaidan-Aktivisten, die sich an sogenannten friedlichen Aktionen beteiligen, zuerkennen, ukrainische Neonazis und Neofaschisten direkt schützen, aufstacheln und antreiben.« Auch der Berater von Präsident Putin für Fragen der regionalen wirtschaftlichen Integration, Sergej Glasjew, hat aufgezeigt, dass sich die Protestbewegung in der Ukraine nicht erst spontan im vergangenen November gebildet hatte, sondern dass sie - wie dies inzwischen allgemein bekannt sein dürfte -  seit langem von aussen aufgebaut und gefördert worden war, ein Fakt, der in den auf politonline veröffentlichten Artikeln zur Ukraine hinreichend verankert ist. Glasjew zufolge haben die USA und ihre Partner in der NATO in den letzten 20 Jahren »allein über offizielle Kanäle des US-Außenministeriums  - was US-Vizeaussenministerin Victoria Nuland auch eingeräumt hat -  5 Milliarden $ ausgegeben: dies in Form von Stipendien zum Aufbau eines intellektuellen Milieus von Experten, die gegen die Russische Föderation eingestellt und darauf ausgerichtet sind, in der ukrainischen Gesellschaft eine rußlandfeindliche Stimmung zu erzeugen.« »Die versuchte Destabilisierung der Ukraine ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtstrategie von USA, EU und NATO zur Einkreisung Russlands und Chinas, um so deren nukleare Zweitschlagsfähigkeit zu neutralisieren.«  [2]   

Auch Pino Arlacchi, italienischer Europaparlamentarier und früherer Chef des UNO-Antidrogen-Programmms, hatte die EU bereits Ende Januar in einem Interview mit dem italienischen Radio 24 aufgefordert, sie solle damit aufhören, sich in der Ukraine einzumischen: »Die Straße ist in der Hand Nazi-freundlicher Radikaler und Swoboda-Nationalisten, die sich, glaube ich, nicht viel um Europa scheren. ….. Für die EU zu sein, bedeutet auch, für die Methoden und Werte in der EU zu sein. Auf die Straße zu gehen, mit Waffen zu schießen, öffentliche Gebäude zu zerstören und dann darauf zu dringen, daß die Regierung tut, was sie verlangen, das sieht mir nicht sehr europäisch aus. Ich bin nicht für die ukrainische Regierung, aber ich falle auch nicht darauf herein, zu denken, daß eine gewalttätige Straßenbewegung das Recht hat, eine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Die Wahlen waren in Ordnung, wir haben sie beobachtet. Ich kann keinen Mob unterstützen, der für sich in Anspruch nimmt, die demokratischen Spielregeln mit Gewalt zu ändern.«  Arlacchi betonte: »Diese europäische Intervention in die Ukraine ist eine Katastrophe, weil sie das Land gespalten hat. Es hat den gesamten Teil, der gegen Rußland eingestellt ist, gegen die andere Hälfte des Landes, die Russland-freundlich ist, aufgebracht, ohne eine genaue Zielvorstellung, außer, den Kalten Krieg fortzuführen.« Seine Schlussfolgerung: »Ich würde sagen, wir wären gut beraten, uns viel weniger in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.«  [3]  

Und vor diesem Chaos stehen wir heute. Nicht, dass sich Brüsssel & Co. dadurch bemüssigt fühlten, ihre Taktik zu ändern. Im Gegenteil; ungeachtet der Tatsache, dass soeben auch der frühere Präsident Tschechiens, Vaclav Klaus, die EU und die USA im tschechischen Fernsehen CT24 offen für Krise in der Ukraine verantwortlich gemacht hat, richten sich die Appelle zur   Beruhigung der Lage ausschliesslich an Putin, ungeachtet des konstanten Sinnierens auf weitere Wirtschaftssanktionen, bei denen man, wie es in einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs der G-7 vom 25. 4. hiess, zügig vorgehen werde. Unbeachtet bleibt, dass die Übergangsregierung in Kiew von niemandem gewählt, sondern mit ungesetzlichen, gewalttätigen Mitteln an die Stelle der alten Staatsführung gesetzt worden ist. Schon hat die EU mit den Putschisten den ersten Teil des Assoziierungsabkommens, einen völkerrechtlichen Vertrag, der sogar die Integration der Ukraine in die militärischen EU-Strukturen beinhaltet, abgeschlossen.

Auf der Webseite des Vaclav-Klaus-Instituts veröffentlichte Klaus eine Erklärung, in der er darauf hinweist, dass die Ukraine wirtschaftlich im nachsowjetischen Block verankert, mit Russland verbunden und in vielerlei Hinsicht von Russland abhängig sei. »Das ist eine natürliche Tatsache und es gibt keinen einfachen Weg, daran etwas zu ändern. Für Rußland ist die Ukraine mehr als einfach der nächste Nachbar, viel mehr als zum Beispiel Estland, Tadschikistan oder Aserbaidschan. Es ist die historische Wiege seiner Nation und Kultur, die Heimat von zig Millionen Russen. Es ist äußerst unverantwortlich vom Westen, die Ambitionen und Illusionen von Radikalen aus der Westukraine zu nähren, daß es wirklich eine Wahl zwischen Ost und West gebe, oder daß die EU und die USA nicht nur die Ukraine als Einheit in ihrer Ausrichtung zum Westen unterstützen können, sondern langfristig dafür garantieren könnten.«  [4]

In die Verdrehung von Tatsachen sollte auch der Umstand eingereiht werden, dass russische Truppen auf dem eigenen souveränen Territorium an der Grenze zur Ukraine als eine ungeheure Bedrohung bezeichnet werden, während US-Flugzeuge, Truppen und Geheimdienste an der Grenze zur Ukraine offensichtlich als legitimierte Aktion gesehen werden. »Die Verlogenheit des Westens«, äusserte der bekannte Autor Gerhard Wisnewski Anfang März, »ist wirklich kaum noch zu überbieten. Erst inszeniert man einen Putsch gegen eine legal gewählte Regierung, dann beklagt man die daraus entstehenden Konsequenzen und trauert über die Todesopfer. Und schließlich zeigt man sich überrascht, daß andere sich diese Putsch-Politik nicht gefallen lassen wollen.«

 

[1]  Strategic Alert Jahrg. 27, Nr. 16/17 vom 16. April 2014

[2]  http://pravosudovs.livejournal.com/18567.html   

[3]  Strategic Alert, Jahrgang 27, Nr. 6 vom 5. Februar 2014

[4]  http://www.bueso.de/node/7265    24. 4. 14