Ebola - Das Pentagon kommt nach Afrika - Von Manlio Dinucci 26.10.2014 23:23
Mit einem grossen Sinn für Kommunikation - oder mit vollendeter Scheinheiligkeit -
hat Präsident Obama seinen Plan zur Bekämpfung der Ebola-Seuche
angekündigt. Das Unglück, das die Afrikaner trifft, ist für ihn allerdings lediglich
ein Vorwand, um seine Truppen auf dem Kontinent zu entfalten. Angesichts der »beispiellosen Epidemie von Ebola, die sich in
Westafrika exponentiell verbreitet«, wird die USA »auf Antrag
der Regierung von Liberia« ein militärisches Kommandozentrum in Liberia
einrichten. Hier gilt es einzufügen, dass jeder halbwegs informierte Leser an
einer solchen ›Antragsstellung‹ auf Anhieb seine Zweifel
haben dürfte!
Laut AFRICOM, das
›United
States Africa Command‹, dessen
Verantwortungsbereich den gesamten afrikanischen Kontinent mit Ausnahme Ägyptens
umfasst, wird das neue Kommandozentrum das ›Hauptquartier
der gemeinsamen Befehlszentrale‹ bilden, General
Darryl Williams, der sich in Liberia bereits vor Ort befindet, unterstehen, über
mindestens 3000 US-Soldaten, eine Luftbrücke und einen Hub in Senegal verfügen
und die ›Befehls- und
Kontroll-Funktion‹ für die internationale
Anti-Ebola-Operation übernehmen. Laut Obama ist es »ein Beispiel, für das, was geschieht, wenn Amerika die
Führung zur Bewältigung grosser globaler Herausforderungen übernimmt«. Er hat letztere in seiner Rede im Präventions- und
Kontrollzentrum in Atlanta ›urbi et
orbi aufgezählt‹, und gleichzeitig behauptet,
dass nur Amerika »die Fähigkeit und den Willen habe,
die Welt gegen die Terroristen des IS zu mobilisieren, die Welt gegen die russische
Aggression aufzurufen, und die Ebola-Epidemie aufzuhalten und zu vernichten.« Warum auch nicht, halten wir hierzu fest: Derartiges
kann er ohne weiteres vortragen, würde es doch keiner in Brüssel oder keine der
EU-Regierungen wagen, ihm öffentlich zu widersprechen, selbst wenn er es
unterlässt, zwei hauptsächliche Faktoren zu erwähnen, zum einen, dass es sein
eigenes Land ist, das den IS mit Unterstützung der Saudis, Katar und der Türkei
selbst geschaffen hat, zum anderen, dass es sich mitnichten um eine russische
Aggression handelt, sondern nachweislich ausschliesslich um eine von der USA im
Verbund mit dem Westen gegen Russland gerichtete.
Selbst wenn die Möglichkeit einer Ebola-Verbreitung in den Vereinigten
Staaten extrem gering sei, sagte Obama in seiner Rede ferner, hat sie in
Westafrika den Tod von mehr als 2400 Männern, Frauen und Kindern verursacht.
Ein sicherlich tragisches Ereignis, schreibt Dinucci, aber ein begrenztes, wenn
man es mit der Tatsache vergleicht, dass Westafrika eine Bevölkerung von rund
350 Millionen Einwohnern hat und die ganze Sub-Sahara-Region fast 950
Millionen; und wenn man bedenkt, dass dort mehr als 1 Million Erwachsene und Kinder
wegen AIDS sterben, die Malaria jedes Jahr mehr als 600.000 Todesfälle verursacht,
vor allem bei Kindern, und die Diarrhoe in Afrika südlich der Sahara und in Südasien
jährlich ungefähr 600.000 Kinder unter 5 Jahren tötet. Dennoch hatten Hollande,
Merkel, Renzi und Cameron das Virus am 14. Oktober bei einer Video-Konferenz
abschliessend als den ›schlimmsten
Gesundheitsnotfall der letzten Jahre‹ bezeichnet.
Es ist nun einmal so, merken wir an, dass Stellungnahmen der Obrigkeit
keinerlei Einschränkungen unterliegen.
Diese und einige andere Krankheiten, allesamt Armutskrankheiten, welche
jedes Jahr im sub-saharischen Afrika Millionen an vorzeitigen Todesfällen und
Behinderungen verursachen, dies infolge von Unter- und Mangelernährung, Mangel
an Trinkwasser sowie schlechten hygienisch-gesundheitlichen Bedingungen, in
denen die arme Bevölkerung lebt; letztere macht laut Angaben der Weltbank 70 % der
Gesamtbevölkerung aus, wovon sich 49 % in extremer Armut befinden. Das
Ebola-Virus war 1976 im nördlichen Zaire entdeckt worden; die Seuche tötete
damals 280 Personen, bevor sie verschwand. Seit 1976 waren in Afrika 30 Ebola-Ausbrüche
gemeldet worden, von denen jedoch keiner die Virulenz des Ausbruchs von 1976
erreichte. Die Sterblichkeitsrate der Krankheit beträgt ca. 20 %, springt jedoch
auf 90 %, wenn der Patient keine Transfusionen bekommt, wie das im allgemeinen
in Guinea, Liberia und Sierra Leone der Fall ist. Daher die wichtige Rolle der
Ärzte ohne Grenzen resp. von Hilfen wie die Kubas.
Die Kampagne von Obama gegen Ebola trägt Züge eines Vorwands Westafrika, wo das Pentagon unter der offiziellen Motivation, gegen
Ebola zu kämpfen, seinen eigenen Sitz installiert, ist sehr reich an
Rohstoffen: Erdöl in Nigeria und Benin, Diamanten in Sierra Leone und der Elfenbeinküste,
Phosphat in Senegal und Togo, Kautschuk, Gold und Diamanten in Liberia, Gold
und Diamanten in Guinea und Ghana, Bauxit in Guinea. Die fruchtbarsten
Ländereien sind für die Monokultur von Kakao, Ananas, Erdnüssen und Baumwolle für
den Export reserviert; die Elfenbeinküste ist der grösste Produzent der Welt
von Kakao. Von der Nutzung dieser Ressourcen kommt fast nichts der Bevölkerung zugute,
weil die Einnahmen zwischen Multis und den lokalen Eliten geteilt werden, die
sich auch durch den Export von Edelhölzern bereichern, mit schwerwiegenden, zur
Entwaldung führenden Folgen. Die Interessen der US-amerikanischen und
europäischen Multis sind jedoch durch populäre Rebellionen gefährdet, wie z.B.
im Niger-Delta, wo sie durch die ökologischen und sozialen Folgen der
Ölausbeutung verursacht werden, aber auch durch die Konkurrenz aus China, deren
Investitionen für die afrikanischen Länder wesentlich nützlicher und
vorteilhafter sind. Um ihren eigenen Einfluss auf dem Kontinent zu bewahren, errichtete
die USA AFRICOM, das unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe afrikanische
Offiziere und lokale Spezialeinheiten mittels Hunderten von militärischen
Aktivitäten rekrutiert und ausbildet. Ein wichtiger Stützpunkt für diese
Operationen ist die Task Force des Marine Corps in Sigonella [Sizilien], die
mit hybriden Ospreys-Flugzeugen ausgerüstet ist und abwechselnd Staffeln vor
allem nach Westafrika sendet. Genau dorthin, wo die Obama-Kampagne gegen das
Ebola-Virus beginnt. [1]
Inzwischen hat die USA auch die website ›Fighting
Ebola, a Grand Challenge for Development‹,
eingerichtet und mehr als 4000 Soldaten des AFRICOM nach Westafrika verlagert, »was«, wie
Réseau Voltaire festhält, »zweifellos
ihren politischen Interessen dienen, aber nur wenig Auswirkung auf die Krankheit
selbst haben wird.«
Anmerkung
politonline: Das
vom Pentagon am 1. 10. 2008 geschaffene militärische AFRICOM-Kommando mit Sitz
in Stuttgart ist von F. William Engdahl schon damals umfassend analysiert und in allen Details, die noch immer unverändert
zutreffen, beschrieben worden. [2] Es konzentriert sich insbesondere auf die 53
Länder des afrikanischen Subkontinents und »ist
ein deutliches Zeichen für Washingtons Sorge, die wirtschaftliche Kontrolle
über die Rohstoffe des vergessenen Kontinents zu verlieren«.
In dem zum selben Zeitpunkt veröffentlichten Dokument des Pentagons, ›Army Modernization Strategy‹, ›wird‹, wie Engdahl schreibt, ›vorsichtig ausgedrückt, die
Umfassung des gesamten Universums, und nicht nur der ganzen Welt, zum
strategischen Ziel der US-Armee erklärt‹.
Es ist höchst bedeutsam, dass die Strategen dieses Dokuments davon ausgehen,
dass die USA in den nächsten »30 bis 40 Jahren« an ständigen Kriegen zur
Kontrolle der Rohstoffe beteiligt sein wird. Wie in dem Pentagon-Dokument erklärt
wird, »droht der USA eine mögliche Rückkehr
traditioneller Sicherheitsgefährdungen durch neu auftretende, fast ebenbürtige
Mächte, und zwar jetzt, wo wir im weltweiten Wettstreit um knapper werdende
Rohstoffe und Überseemärkte stehen.« Die einzigen »neu auftretenden, fast
ebenbürtigen Mächte« auf der Welt sind heute China und Russland. China sucht,
so Engdahl ferner, derzeit überall auf der Welt nach sicheren Quellen für Öl,
Metalle und andere Rohstoffe, um seine Wachstumsziele erfüllen zu können. »Aber
auch Russland spielt, wie ich in meinem Buch ›Apocalypse Now‹ dargelegt
habe, eine strategische Rolle, nämlich als Lieferant grosser Mengen wichtiger
Ressourcen, von Öl und Gas bis hin zu praktisch allen Metallen und Rohstoffen,
die für hochentwickelte Industrieländer wichtig sind. Russland spielt neben
Südafrika und anderen Staaten des südlichen Afrikas in dieser Hinsicht eine
Schlüsselrolle, weil es über diese strategische Rohstoffe, die nicht unter der Kontrolle der
USA stehen, verfügt; dies ist zweifellos ein wichtiger Faktor hinter der
von Washington seit 1991 verfolgten militärischen Konfrontationspolitik zur Einkreisung
Russlands unter Einsatz der NATO.« Und diese setzt sich gegenwärtig für
alle sichtbar fort. Die Einrichtung des AFRICOM-Kommandos in Stuttgart hatte
den damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und späteren OSZE-Vizepräsidenten Willy Wimmer zu scharfen Protesten veranlasst: Das Hauptquartier
müsse »von deutschem Boden verschwinden.« Erfolglos.
Im Lauf des letzten Jahrhunderts hat
die USA wie sonst keine Weltmacht zuvor die Erde mit einem Netz von
Militärstützpunkten umspannt; heute gibt es mehr als 702 militärische Anlagen in 132
Ländern, darunter auch Militärbasen in Zentralasien; was Europa betrifft, so
dürfte die US-Militärbasis Incirlik in der Türkei wohl die bekannteste sein.
Ende April traf Obama bei seinem Asienbesuch vom 22. bis 29. 4. mit den Philippinen eine Vereinbarung,
gemäss der dort etliche US-Militärstützpunkte aufzubauen sind, was sich
natürlich gegen China richtet. Damit die Verfassung der Philippinen, die eine
Stationierung ausländischer Truppen im Land untersagt, umgangen werden kann,
werden diese ganz einfach als ›Gasteinrichtungen‹ bezeichnet, was unmittelbar die Assoziation zu Bestechung und Korruption
erzeugt. Fast jeder einzelne von der USA
geführte Krieg hat neue Militärbasen hinterlassen.
Mitte Juni 2012 hatte die USA Berichten
zufolge ihre geheimen Luftwaffenstützpunkte in Afrika bereits verstärkt. Wie es hiess, würden
die Basen in Burkina Faso und in Mauretanien für die Überwachung der
Aktivitäten der ›Al-Qaida im Islamischen Maghreb‹ (AQMI) benutzt. Ein Bericht der ›Washington Post‹ vom 13. 6. 12 hielt fest, dass für die Spionageflüge über dem
afrikanischen Kontinent nicht gekennzeichnete, in der Schweiz hergestellte
einmotorige Turboprop-Maschinen des Typs ›Pilatus PC-12‹ benutzt würden. Die Flugzeuge seien mit hochmodernen Sensoren
ausgestattet und könnten Tausende von Kilometern zwischen den Stützpunkten und
den Landebahnen in der Wildnis zurücklegen. [3] Strategisch besonders
wichtig ist ferner das Atoll Diego Garcia im Indischen Ozean, vor allem mit
Blick auf den Iran; das 27 Quadratkilometer grosse Atoll bildet einen der
wichtigsten US-Militärbasen ausserhalb Nordamerikas.
Was
die afrikanische Elite angeht, so war, wie dies ›German Foreign Policy‹
Mitte September darlegte, an der Präsidentin Liberias, Ellen Johnson Sirleaf,
scharfe Kritik laut geworden; sie sei schlichtweg unfähig und gehe angesichts
des wachsenden Unmuts über ihre Amtsführung nun zu Repressalien gegen kritische
Journalisten und Medien über, hiess es. Das Urteil trifft auch den Westen, da
Washington und Berlin die ehemalige Weltbank-Mitarbeiterin, die in Harvard
studiert hat, systematisch unterstützt haben; von 1992 bis 1997 leitete sie das
Regionalbüro der UN- Entwicklungsorganisation UNDP für Afrika. Im Westen wurde
sie nach ihrer Amtseinführung als Präsidentin im Januar 2006 mit vielen
Vorschusslorbeeren bedacht. In den nächsten Jahren folgte sie einem
prowestlich-neoliberalen Kurs, öffnete ausländischen Konzernen den Zugriff
auf die reichen Rohstoffe des Landes, und wurde dabei vom Westen,
insbesondere von der traditionell eng mit Liberia verbundenen USA, zuverlässig
gestützt. Dass ihr nur wenige Tage vor den Präsidentenwahlen 2011 werbewirksam
der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, rief zwar empörte Proteste der
Opposition hervor, sicherte ihr aber letztlich eine zweite Amtsperiode. Noch im
Juni dieses Jahres konnte Johnson Sirleaf, die zuweilen ›Eiserne Lady Afrikas‹
genannt wird, ihren zahlreichen Ehrungen in westlichen Ländern eine weitere
hinzufügen: Sie erhielt den ›Weltwirtschaftlichen
Preis‹ des Instituts für
Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Gravierende Korruptionsvorwürfe sind im
Westen stets ignoriert worden, zumal die liberianische Präsidentin sich für
Rohstoffinteressen der Industriestaaten immer offen gab. Berlin hatte
ihr noch vor wenigen Jahren ›entschiedenen
Reformwillen‹ bescheinigt. [4]
Die
von der USA gegen Russland gerichteten Strategien sind sowohl in der USA selbst
wie auch bei uns in Europa längst Gegenstand zahlreicher Publikationen. Allein,
ob Brüssel oder die Mehrheit der EU-Regierungen, sie alle spielen ergebenst mit,
auch wenn sie dadurch ihre eigenen Länder gefährden. An was liegt es also, oder
wodurch sind sie gehindert, eine gemeinsame Front zu bilden, um gegen diese
Geopolitik aufzustehen?
Erpressbarkeit oder Machtsucht?
[1] Quelle: Il Manifesto, 20. 10.
14 Die von Réseau Voltaire aus dem Italienischen ins Deutsche übertragene Fassung ist auf http://www.voltairenet.org/article185704.html veröffentlicht worden Ebola, das Pentagon kommt nach Afrika
- von Manlio Dinucci; 24. 10. 14
[2] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1066 31. 10. 08 USA
errichten AFRICOM, Pentagon plant Strategie für Rohstoffkriege - Von F. William
Engdahl
[3]
http://www.jungewelt.de/2012/06-15/036.php 15. 6. 12
[4] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58953 19. 9. 14
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