Eine Lagebeurteilung des Komitees »Nein zum schleichenden EU-Beitritt«

Es ist unser Ziel, zu verhindern, dass die Schweiz Verträge abschliesst, die ihre Handlungsfreiheit

einschränken. Der Rahmenvertrag ist ein solcher Vertrag, weil er die institutionelle Einbindung der Schweiz in die Strukturen der EU festschreibt. Dieses Vertragsziel bleibt aufrechterhalten, obwohl der Bundesrat heute vorgibt, mit diesem Vertrag die »Erneuerung der bilateralen Verträge« zu bewerkstelligen. 

Institutionelle Einbindung 
Die institutionelle Einbindung schreibt die Verpflichtung für die Schweiz fest, EU-Gesetze und EU-Beschlüsse zu heutigen und künftigen bilateralen Verträgen automatisch zu übernehmen. Ein Recht auf Ablehnung besteht nicht. Der Bundesrat besteht darauf, die Übernahme fände dynamisch statt. Das ist Spiegelfechterei. Bundesbern setzt dafür ein schweizerisches Organ ein, das keine anderen Möglichkeiten besitzt als die lückenlose und vollständige Übernahme dessen, was Brüssel anordnet. Die Einbindung beinhaltet ausserdem die Anerkennung des EU-Gerichthofs als höchste Instanz, also die Anerkennung fremder Richter. Sie macht die Schweiz faktisch zu einem EU-Mitglied ohne Rechte. 

Der 9. Februar 2014  
Das Ja zur Volksinitiative gegen die Masseneinwanderung hat das Vorgehen des Bundesrats durchkreuzt. Der Entscheid vom 9. Februar bedeutet, dass die Schweiz die Einwanderung wieder eigenständig regeln will und dafür Höchstkontingente und den Inländervorrang festlegt. Volk und Stände haben diesen Beschluss gefasst. Es wird damit das wieder eingeführt, was von 1970 bis 2007 gegolten hat. In den Jahren 1970 bis 2007 sind im Durchschnitt um die 25.000 Ausländer in die Schweiz zugewandert [Einwanderung minus Auswanderung]. Die Arbeitslosigkeit lag in so guten Jahren unter einem Prozent. Heute beträgt der Einwanderungsüberschuss zwischen 80.000 und 90.000 Menschen. Die Arbeitslosigkeit schwankt zwischen 3 und 4 % . Klar ist: Die Umsetzung des Volksentscheids vom 9. Februar beinhaltet die Ablehnung der Personenfreizügigkeit mit der EU, so wie diese heute gilt. Sie muss neu ausgehandelt werden. Verweigert sich die Europäische Union der Neuaushandlung [für welche drei Jahre Zeit gewährt wird], dann hat die Kündigung zu erfolgen. 

Was ist seit dem 9. Februar 2014 geschehen? 
Die EU-Wahlen haben den Gegnern der heutigen Europäischen Union mit ihrem ausgeprägten Zentralismus teilweise hohe Wahlsiege gebracht. Es sind zahlreiche neue Parteien aufgetreten. Sowohl in England als auch in Deutschland, Frankreich und in mehreren Oststaaten haben Euro- und EU-kritische Parteien und Bewegungen starken Auftrieb erhalten. Der Zentralismus stösst zunehmend auf Ablehnung. Auf diesen  Wahlausgang reagieren die traditionellen Parteien mit Häme, Diffamierung und Diskreditierung; Ausgrenzung und Beschimpfung ist ihre Hauptreaktion. Argumente der wachsenden EU-Skepsis gegenüber haben sie keine. Die EU ist mit der Schwierigkeiten verursachenden Tatsache konfrontiert, dass eine wachsende Anzahl von Bürgern in ganz Europa mit der heutigen EU nicht einverstanden ist. Die Schwierigkeiten vergrössern sich, da die von den traditionellen Parteien Diskreditierten in einzelnen Ländern sogar eine Regierungsbeteiligung erlangt haben. Eindrücklich ist auch das Beispiel der Persönlichkeit von Olaf Henkel. Er war früher Präsident des Deutschen Arbeitgeberverbandes, den seinerzeit die gesamte Wirtschafts- und Politikwelt hofierte und ist jetzt Vizepräsident der Alternative für Deutschland, und gegen diese Partei hat die CDU den Entscheid erlassen, dass kein Gesprächskontakt mit ihr stattfinden soll; das sind Schwächezeichen, die sich hier zeigen. 

Die neue EU-Kommission 
Am 1. November 2014 hat die neue EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker ihre Ämter angetreten, womit gegenüber der Schweiz eine neue Verhandlungsmannschaft, deren Zusammensetzung jedoch noch nicht bekannt ist, antreten wird; gegenwärtig ruhen die   Verhandlungen. Die Zusammensetzung dieser Mannschaft kann uns gleichgültig sein. Für uns geht es darum, dass eine Einbindung der Schweiz in die Strukturen der EU nicht in Frage kommt.

EU-Verhandlungsmandat  
Die EU hat ihr Verhandlungsmandat erst im Mai 2014 verabschiedet, ein halbes Jahr nach dem Schweizer Bundesrat. Die im Non-Paper vom 13. Mai 2013 festgehaltenen Ergebnisse der   Vorverhandlungen [automatische Rechtsübernahme, Anerkennung des EU-Gerichtshofs, Sanktionsrecht der EU bei Nichtbefolgung eines EU-Gerichtshof-Urteils] wurden aufrechterhalten.

Zusätzlich wurden zwei neue Forderungen gestellt: Die Kohäsionszahlungen, welche die Schweiz in der Vergangenheit bei geografischer Erweiterung der EU in Osteuropa entrichtet hat, sollen in Jahreszahlungen, also in Jahrestribute umgewandelt werden. Dazu ist festzuhalten: Der gegenwärtige Vertrag über die Kohäsionszahlungen läuft 2017 aus. Der Bundesrat hatte die Erneuerung für die Kommissions- und Parlamentsberatung bereits verabschiedet. Sie wird dem Parlament aber nicht vorgelegt; der Bundesrat hat den Anschlussvertrag aufgrund der neuen Forderung aus Brüssel zurückgezogen. Er hat sich dafür entschieden, die Kohäsionszahlungen fortan der Entwicklungshilfe unterzuordnen, womit sie den Entwicklungshilfe-Rahmenkredit belastet, für sich allein also dem Referendum entzogen werden. Als weitere Forderung hat die EU die Institutionalisierung eines Überwachungsorgans gefordert, dessen Zusammensetzung von der EU bestimmt werden soll. Es wird in der Schweiz wirken und hier darüber wachen, ob die Schweiz alle im Rahmenvertrag eingegangenen Verpflichtungen buchstabengetreu erfüllt. Der Bundesrat wehrt sich gegen dieses neue Ansinnen nicht grundsätzlich. Er pocht lediglich darauf, auch diese Überwachung zunächst dynamisch, also durch ein schweizerisches Organ, das aber fest an die Brüsseler Vorgaben gebunden ist, vornehmen zu lassen.

Verhandlungsverlauf 
Im Lauf der bisherigen Verhandlungen wurde der Schweiz von Seiten der EU ein einziges Zugeständnis gemacht: Es wurde ihr offeriert, sich am sogenannten decision shaping, das jeweils im Vorfeld von EU-Beschlussfassungen  [mündliches Vernehmlassungsverfahren]   stattfindet, beteiligen zu können. Die Schweiz dürfte demnach durch Funktionäre einige Gesichtspunkte in die Vorbeschluss-Diskussion einbringen. Von der Beschlussfassung selbst ist sie indessen ausgeschlossen. Lediglich Funktionäre, nicht aber der Souverän, könnten sich an einem solchem decision shaping beteiligen. Für den Bundesrat ist es im übrigen klar, dass in der Schweiz genügend Personal aktiv ist, das die Rolle von Transmissionsriemen zur Durchsetzung von Brüsseler Standpunkten hier in der Schweiz noch so bereitwillig übernehmen würde.

Verhandlungsunterbruch 
Bezüglich des Verhandlungsunterbruchs von Ende Oktober 2014 kursieren zwei gegensätzliche Versionen: Die EU behauptet, der Unterbruch sei lediglich erfolgt, weil eine neue Mannschaft für die Verhandlungen bestimmt werden müsse, die sich zunächst einmal in die Materie der begonnenen Verhandlungen einzuarbeiten hätte. Der Bundesrat erklärt dagegen, die EU habe der Schweiz mitgeteilt, dass über den Rahmenvertrag erst dann wieder verhandelt werde, wenn die am 9. Februar entstandenen Probleme bereinigt seien. Beide Standpunkte liegen in Form unverbindlicher Erklärungen vor. Das ruft das vom Schriftsteller Thomas Hürlimann formulierte treffliche Wort in Erinnerung: »Sie lügen dauernd die Wahrheit«.  

Volksabstimmung 
Werden geltende Fristen eingehalten, dann ist eine Volksabstimmung über den Rahmenvertrag im November 2015 möglich. Was das Wahljahr betrifft, so ist dieser Abstimmungstermin jedoch eher unwahrscheinlich, so dass die Abstimmung vielmehr im Jahr 2016 stattfinden wird. Man muss aber immer auf Überraschungen gefasst sein. 

Unsere Gegner 
Die Gegenseite ist offensichtlich nervös. Sie zeigt sich ausserstande, das Resultat des 9. Februars 2014 zu verdauen. Es haben sich verschiedene Komitees gebildet: Am meisten Aufsehen erregt jenes, das sich aus hundert Persönlichkeiten zusammensetzen soll und das sich Die Schweiz in Europa nennt. Sie begründen ihre Komitee-Bildung damit, dass in der Schweiz endlich über die Europa-Frage diskutiert werden müsse. Die SVP Schweiz hat diesen Ball bereist aufgenommen und das Komitee brieflich dazu aufgefordert, die Europafrage an grossen öffentlichen Veranstaltungen, die kontradiktorisch aufzuziehen seien, zu diskutieren. Christoph Blocher wird dem Vorstand unseres Komitees das gleiche Vorgehen beantragen. Die Organisation Die Schweiz in Europa setzt sich vor allem aus ehemaligen Diplomaten, aus Professoren, Staatsrechtlern und einigen wenigen Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, wie insbesondere auch Walter Kielholz, zusammen. Den Beitritt abgelehnt hat alt Staatssekretär Jakob Kellenberger; dies, weil er den in Diskussion befindlichen Rahmenvertrag ablehnt und die Schweiz auf direktestem Weg in die EU führen möchte. Klar aber ist: Sämtliche Exponenten der Die Schweiz in Europa sind Anhänger des EU-Beitritts. Man muss sie immer auf diese Frage festnageln, weil Zielverheimlichung ihre Strategie ist. Sie argumentieren sehr intellektuell, sind gleichzeitig aber auch zu jeder Dräcklete bereit. Die Federführung liegt offenbar bei alt Regierungsrat Markus Notter (ZH). Diesem und anderen Mitgliedern ist es offenbar gelungen, die Europa-Institute der Universitäten Bern und Zürich für eine Grundlagenarbeit zu Gunsten des Komitees Die Schweiz in Europa zu instrumentalisieren. Sie lassen also mit Steuergeldern ihr Propagandamaterial erarbeiten. Der Staat zahlt also via Hochschulen die Propaganda dieser wahrhaftig nicht armen eminenten Persönlichkeiten: Es entstehen schlechte Argumente für teures Geld.

Verhandlungen über die Personenfreizügigkeit 
Bern vertritt heute den Standpunkt, dass die EU über den Rahmenvertrag nur weiter verhandeln werde, wenn das Problem Personenfreizügigkeit mit der Schweiz befriedigend gelöst sei. Das ist eigentlich eine gute Botschaft. Stimmt sie, dann könnte der Verhandlungsprozess zum Stillstand gebracht werden. Aber wahrscheinlich stimmt diese Aussage in dieser Form nicht. Bern steht weiter auf dem Standpunkt, es wolle Brüssel das Ergebnis des 9. Februars [Kontingente, Inländervorrang] so präsentieren, wie es beschlossen worden sei, also ohne Wenn und Aber. Der Bundesrat spekuliert damit auf ein kategorisches Nein aus Brüssel und behauptet schon heute, Brüssel könne aus Gründen des inneren Zusammenhalts der EU keine Abstriche an der Personenfreizügigkeit hinnehmen. Diese Argumentation klammert aus, dass die Personenfreizügigkeit zwar für die Mitglieder der Europäischen Union als unverrückbar beschlossen worden ist. Sie kann aber für Nicht-Mitglieder nicht gleichermassen gelten. Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU und sie kann dem Zwang der Personenfreizügigkeit nicht unterstellt werden. Indessen rechnet Bundesbern, wie gesagt, mit einem kategorischen Njet aus Brüssel. In der Folge dürften in Bern jene Oberwasser gewinnen, die für einen raschen Abschluss des Rahmenvertrags plädieren. Wäre dieser nur endlich unter Dach, dann müsste alle Gesetzgebung über Einwanderungsfragen an Brüssel abgetreten werden. Und damit würde das Abstimmungsresultat vom 9. Februar von Brüssel korrigiert. 

Die Fraktion in der Bundesverwaltung, die dieses Resultat anstrebt, muss als stark eingeschätzt werden. Der Bundesrat betont dazu, dass er in den Verhandlungen sowohl institutionelle Fragen lösen als auch die bilateralen Verträge erhalten wolle. Die Frage, welchem Themenbereich er Priorität einräume, beantwortet er nicht. Ein Antrag der SVP in der Aussenpolitischen Kommission, dem Ergebnis des 9. Februars Priorität einzuräumen, wurde nur von SVP-Vertretern unterstützt, von der Kommission aber abgelehnt. Auch das Parlament steht nachdrücklich hinter einer ein Njet aus Brüssel provozierenden Politik zur Personenfreizügigkeit. Dass die bilateralen Verträge, insbesondere der Transitvertrag für Brüssel weit wichtiger sind als für die Schweiz, ist offensichtlich. All jene, die diesen Trumpf nicht ausspielen, arbeiten für den EU-Beitritt der Schweiz.  

Wahljahr  
Im Wahljahr werden sich alle Parteien  - mit Ausnahme der SVP bemühen -  die EU-Diskussion auf möglichst kleinem Feuer köcheln zu lassen. Es werden mit grossem Aufwand Ablenkungsthemen [Energiewende, AHV-Revision] in den Vordergrund geschoben. Zweifellos sind die Medien, insbesondere das Fernsehen, bei dieser Themensetzung im Dienste des Bundesrates mit von der Partie; so werden auch die Medien die EU-Diskussion in den nächsten 10 Monaten herunterspielen.  

Unsere Antwort  
Unser Komitee muss sich also bewusst sein: Es ist unsere Aufgabe, die EU-Diskussion in den Vordergrund zu manövrieren. Anlässlich der Gesamterneuerung des Parlaments fällt eine wichtige Vorentscheidung in bezug auf das Verhältnis Schweiz-EU. Dies ist der Gegenseite bewusst. Und daraus erklären sich deren Anstrengungen, die direkte Demokratie einzuschränken, neuerdings mit dem Argument: Volksinitiativen hätten auch auf ihre Verhältnismässigkeit hin überprüft zu werden.

Klar wird dabei: In den Hinterköpfen arbeiten die Beamten in Bern auch an Modellen, wie der EU-Beitritt ohne Volksabstimmung durchgesetzt werden kann.

 

Komitee › ‹Nein zum schleichenden EU-Beitritt  -   27. 11. 14  
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