TTIP - Der Makel: »Weitgehend geheim«

d.a. Die Artikel, die das »Transatlantic Trade and Investment Partnership-Abkommen TTIP«

resp. die »Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft THIP« zum Inhalt haben, sind in ihrer Anzahl mehr als beträchtlich; sie decken die Schattenseiten und Nachteile des Abkommens auf, haben jedoch bislang nicht bewirkt, dass in den Parlamenten der EU-Staaten ein Aufstand dagegen geprobt worden wäre. Auf politonline sind hierzu folgende Beiträge zu finden: 

Der Freihandelsdeal zwischen der USA und der EU soll die Basis für eine neoliberale globale Wirtschaftsordnung schaffen - Von Dana Gabriel   17. 3. 13  
Zum Thema Freihandel
  10. 11. 3  
Das Finanznetzwerk
  20. 9. 13 
Eine geharnischte Rede  20. 12. 13  
TTIP - Die Verhandlungen laufen seit Mitte 2013 unter Ausschluss der Öffentlichkeit
  19. 12. 14
Verrät Frau Merkel die EU? - Wird die EU zur US-Kolonie? - Von Peter Koenig   19. 12. 14


Den nachstehend aufgelisteten Details stellt man am besten die Aussage des US-Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugman voran: Meine Nackenhaare sträuben sich und mein Misstrauen wächst, wenn ich den TTIP-Befürwortern zuhöre. Allerdings hat auch diese unverhohlene Absage an das Freihandelskonstrukt keinen Widerhall in Brüssel erzeugt.  

Die Zusammenfassung von Erklärungen, die belegen, dass die Verhandlungen über weite Strecken ausnahmslos geheim geführt worden sind  - und dies von einer nicht gewählten Gruppierung -  sollte den von der EU noch immer restlos Begeisterten eigentlich klar machen, dass der akute Demokratiemangel, der die EU auszeichnet, insofern einmal mehr unter Beweis gestellt ist, als der von den Folgen des Abkommens betroffene EU-Bürger von der Erstellung der TTIP völlig ausgeschlossen ist. So schreibt denn auch Sven Kesch in seinem Buch Kurs halten, bis zum Untergang Europa. Unglaubliche Erfolgsgeschichten aus dem Brüsseler Tollhaus: »Was wir in Europa finden, ist eine Funktionärs-Diktatur, die niemandem Rechenschaft schuldet, sich ein Leben im Luxus auf Kosten der Steuerzahler genehmigt und wichtige Entscheidungen, wie etwa die Freihandelsabkommen mit Kanada oder der USA, in geheimen Verhandlungen durchpeitschen will«, wobei das Abkommen der EU mit Kanada inzwischen auf diese Weise abgesegnet worden ist. Mit letzterem bietet sich z.B. für Monsanto die Möglichkeit, die EU flächendeckend zu überrollen. Hier winkt das grosse Geld; wir erleben die ersten kleinen Gefechte, die als Vorbereitung auf die grosse Schlacht um das Saatgut in Europa geführt werden.  [1]    

Was das seit fünf Jahren mit Kanada ebenfalls im geheimen verhandelte CETA-Abkommen, Comprehensive Economic and Trade Agreement, betrifft, so ist dieses inzwischen fast fertig, aber der Öffentlichkeit noch immer nicht in vollem Umfang bekannt. Auch die Abgeordneten des Bundestags hatten bis zum August 2014 keinen Zugang dazu, dafür aber, soviel ist anzunehmen, die Lobbyisten….. Alles in allem ist das CETA mit 19 Dokumenten 1.602 Seiten lang.  

Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren hat jetzt Anfang März in einem Gastkommentar in der Washington Post neben der Geheimhaltung der Verhandlungen besonders die supranationalen Schiedsgerichte [ISDS] kritisiert. Diese sollen bei Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren entscheiden; letzteres stösst, wie sie ausführt, auch in der EU auf starken Widerstand. Die Unternehmen erlangten hierdurch einen einseitigen Vorteil, vor allem aber würde die nationale Souveränität untergraben. Ist ein Konzern in einem Land, in dem er geschäftlich tätig ist, hinsichtlich der Gesetzgebung zu Bankentrennung, Mindestlohn oder einem Verbot giftiger Chemikalien unzufrieden, so kann er an Stelle eines Gerichts ein internationales Schiedsgremium anrufen, dessen Entscheidungen nicht anfechtbar sind und in dem Unternehmensanwälte sitzen! Wie US-Senator Bernie Sanders betont hat, werden Freihandelsabkommen von führenden Konzernbeauftragten geschrieben, die davon selbst finanziell enorm profitieren, während die  gewählten Volksvertreter der USA nicht einmal den Inhalt kennen. Wie Elizabeth Warren darlegt, durften einige EU- Europaparlamentarier nach langem Hin und Her einen Teil der Verhandlungsdokumente lesen, aber nur, nachdem sie schworen, nichts vom Inhalt  preiszugeben. Zwar lautet eine Erklärung Washingtons: »Das ISDS, das Investor-State Dispute Settlement  - oder Investor-Staat-Streitbeilegung -  ein Instrument des internationalen Rechts, das auch als Investitionsschiedsverfahren bezeichnet wird, kann und darf kein Land dazu zwingen, irgendein Gesetz oder eine Vorschrift zu ändern«, was indessen nicht der Kernpunkt von Warrens Kritik ist. Es gehe vielmehr darum, dass eine Grossbank oder ein multinationaler Konzern behaupten kann, Gesetze würden seinen Interessen unangemessen schaden oder den freien Handel verletzen, so dass dem Betreffenden eine Entschädigung in Millionen- oder gar Milliardenhöhe zugesprochen werden könnte, für die der Steuerzahler aufkommen muss. Laut Strategic Alert ist ein weiterer in dem Abkommen enthaltener hochumstrittener Vorschlag der, die Regeln für verschiedene Produkte zu vereinheitlichen, womit kein europäisches Land mehr eigene Vorschriften haben dürfte, wenn sie nicht von einem unabhängigen Gremium genehmigt worden wären.«  [2]  Dass ein solches Gremium kaum je unabhängig sein kann, geht allein schon daraus hervor, dass die TTIP höchstwahrscheinlich eine Neuerung bringen wird, eine transnationale Plattform der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden, wo besprochen werden könnte, ob die regulatorische Antwort auf das gleiche Problem und die beschlossenen Massnahmen miteinander kompatibel sind oder nicht. Das Risiko hierbei ist wie folgt: Diese transnationale Plattform der Zusammenarbeit, legt das Jacques Delors Institut dar, erlaubt es europäischen Aufsehern nicht länger, über ihre Massnahmen nur auf der Grundlage der Wünsche ihrer Bürger zu entscheiden, sondern sie hat ihre Entscheidungen gemäss den politischen Optionen des amerikanischen Gegenübers und umgekehrt zu treffen. Dieses Risiko der Osmose von  Regulierungen wirft akut die Frage nach der demokratischen Legitimierung und der Achtung unserer politischen Entscheidungen auf. Deshalb ist es wichtig, sich des Risikos eines solchen technokratischen Systems transnationaler Zusammenarbeit bewusst zu sein. Die TTIP ist eine lebende Vereinbarung und ist mit der Unterschrift nicht abgeschlossen. Sobald die Anfangsparameter festgelegt sind, entwickelt sie ein Eigenleben... Es ist ein Schlüssel, der viel mehr Türen öffnet, als wir das heute sehen können.

Wie einem Bericht der
Deutschen Mittelstands Nachrichten zu entnehmen ist, »will die Union die Kosten für Schiedsgerichtsverfahren für mittelständische Betriebe senken. Das bedeutet, dass die Regeln zum Investitionsschutz im Entwurf erhalten bleiben. Ich habe das heute hier in den Diskussionen unterstrichen, sagte Merkel nach einem Treffen mit Juncker am 4. 3. 15 in Brüssel; Junckers Erklärung hierzu: Die Kommission arbeitet zielorientiert daran, vor Ende dieses Jahres zu einem belastbaren Verhandlungsergebnis zu kommen. Die Kanzlerin betonte, dies könne die Kommission nur mit entsprechender Unterstützung; die Bundesregierung wolle Klarheit bei den umstrittenen aussergerichtlichen Schiedsgerichten, damit Regierungshandeln nicht an den Rand gestellt wird. Wir müssen eine vernünftige Balance finden, sagte sie. Fakt ist indessen, dass der EU seit 2009 auch für die Investitionsschutzabkommen resp. die bilateralen Investitionsabkommen die alleinige Kompetenz zusteht. Wie sich das auswirken kann, zeigt der folgende Fall: »Die wuchernden bilateralen Investmentschutzabkommen haben bereits die damit verbundenen Nachteile und Gefahren gezeigt und am Ende zu erheblichem Widerstand in der Bevölkerung geführt. Betroffen waren vor allem Länder Lateinamerikas, die zu hohen Zahlungen verurteilt wurden, nachdem sie Umweltschutzvorschriften erlassen hatten. Aber auch Deutschland musste sich mit Vattenfall vor den Gerichten auseinandersetzen, nachdem die Stadt Hamburg dem Unternehmen auferlegt hatte, beim Kohlekraftwerk Moorburg die verschärften Standards für die Wasserqualität entlang der Elbe zu befolgen. Weil dies angeblich die Wirtschaftlichkeit des Projekts beeinträchtigte, hatte Vattenfall 2010 von der Bundesregierung unter Berufung auf die Investitionsschutzklausel der von Deutschland unterzeichneten Energie Charta 4,1 Milliarden € an Schadensersatz verlangt. Der Ausgang des Verfahrens wurde geheim gehalten, doch betrachtete das Unternehmen Insidern zufolge den Ausgang als einen vollen Erfolg, weil die Stadt Hamburg unter dem Druck des Schiedsverfahrens die Umweltbedingungen nachträglich aufweichte und vor allem einen umstrittenen Kühlturm genehmigte. Ausserdem betreibt Vattenfall vor einem Schiedsgericht eine Klage gegen die Aufkündigung des Atomkonsenses im Rahmen des Atomausstiegs nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Diese Schiedsklage betrifft die Frage, ob die Bundesrepublik das Gebot des Fair and Equitable Treatment verletzt hat, indem sie den Atomkonsens aufgekündigte.«  [3]  Leider dürfte es noch eine Weile dauern, bis dem Steuerzahler klar wird, wie er durch Abkommen dieser Art ausgebeutet werden kann. 

Kritiker hatten nach derartigen Erfahrungen verlangt, auf Vorschriften hinsichtlich Investor-Staat-Schiedsverfahren zu verzichten und die Regelung von Ersatzansprüchen von Seiten der Investoren der normalen Gerichtsbarkeit zu überlassen. Es ist aber so gut wie absehbar, dass sie mit ihrer Forderung nicht durchdringen werden. Wie auch Strategic Alert zur ISDS-Klausel über die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren ausführt, könnten EU- und US-Unternehmen Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten verklagen, wenn sie meinen, dass ihnen durch nationale Gesetze und Beschlüsse Gewinne entgehen. Multis und Fonds könnten also vom Steuerzahler Ersatz verlangen, wenn eine Regierung Beschlüsse zum Schutz ihrer Bürger fasst, wie z.B. die Einführung neuer staatlicher Dienste, Erhöhung von Unternehmenssteuern oder des Mindestlohns. Fast alle Gewerkschaften und zahlreiche andere Organisationen in Europa haben die TTIP offen abgelehnt. Die neuen Regeln würden auch die Wiederverstaatlichung privatisierter Unternehmen unmöglich machen, weil die Unternehmen auf entgangenen Gewinn klagen könnten. Britische Gewerkschaften sind vor allem besorgt, dass das staatliche Gesundheitswesen trotz gegenteiliger Beteuerungen der Regierung Cameron nicht von der Deregulierung ausgenommen und an amerikanische Geierfonds, die in der USA schon Gesundheitseinrichtungen kaufen, verkauft werden könnte.  [4]  Sorgen dieser Art sind nur allzu berechtigt. Auch der Verdi-Bereichsleiter für Wirtschaftspolitik, Dierk Hirschel, lehnt Investorenschutz via private Schiedsgerichte, Regulationsräte und Negativ-Listen generell ab. Dennoch hat Juncker in diesem Zusammenhang Vorwürfe zurückgewiesen, dass seine Behörde über einen Ausverkauf europäischer Werte verhandle. 

Die Kritik an der Geheimhaltung hat jetzt dazu geführt, dass die Verhandlungstexte öffentlich sind:

Die Texte können hier eingesehen werden

http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230  Now online - EU negotiating texts in TTIP

Dennoch werden die Verhandlungen zur TTIP zur Zeit offenbar noch immer hinter verschlossenen Türen weitergeführt und der aktuelle Stand der Verhandlungen bleibt, wie es am 7. Januar hiess, weiterhin im Verborgenen. In Brüssel liegen mehrere Bürgerinitiativen vor, die Beschwerde wegen der Geheimhaltung eingelegt haben.   

Befürworter des Abkommens und Einflüsse, gegen die wir kaum aufkommen 
Natürlich ist auch die auf das engste mit den Interessen der USA verbundene Bertelsmann-Stiftung beteiligt: Sie ist Mitglied im TTIP-Beratungsgremium, aber auch im ›Transatlantic Policy Network‹ (TPN), dem Interessenvertreter des ›Transatlantic Economic Council‹ (TEC). Wie Wolfgang Effenberger festhält, »wird das Engagement durch enge Kontakte zum ›American Institute for Contemporary German Studies‹ (AICGS), zum ›Council on Foreign Relations (CFR) und zum ›Transatlantic Community Foundation Network (TCFN) ergänzt. Erst beim Einblick in die machtvollen transatlantischen Fesselungen wird die EU-Politik nachvollziehbar. Nun geht es um das, was Zbigniew Brzezinski bereits Ende der 90er Jahre in ›The Grand Chessboard‹ [›Die einzige Weltmacht‹] formulierte: Die Beherrschung der eurasischen Landmasse. Dieses Ziel ist seit dem 4. Dezember 2014 offizielle US-Staatsdoktrin, die seit dem 15. Januar 2015 von den europäischen Vasallen kritiklos mitgetragen wird.« Mit diesen höchsten Zirkeln der   europäischen Politik und Wirtschaft vernetzt ist Elmar Brok, der Protagonist des Transatlantischen Freihandelsabkommens. Er schwingt, wie Effenberger im weiteren schreibt, als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Random-House-Lobbyist im EU-Parlament den Taktstock. Des weiteren unterhält er enge und langjährige Verbindungen zu Bertelsmann. »Jeder in Brüssel weiss, dass Herr Brok Mr. Bertelsmann ist«, äusserte EP-Mitglied Tony Robinson. Mit der Bertelsmann Stiftung personell eng verflochten ist wiederum die ›Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik‹. Sicherlich ist dies nur ein kleiner Ausschnitt aus den übrigen Verflechtungen, die hinter den Kulissen der offiziellen Politik unbehindert agieren können, zumal die Anzahl der Medien, die auf diese Beeinflusser einzugehen wagen, enorm beschränkt ist.  [5]  In diesem Zusammenhang ist durchaus daran zu erinnern, dass Brok, seines Zeichens ein CDU-Mann, was eigentlich die Frage aufwirft, für was diese Partei im Endeffekt steht, im Februar letzten Jahres das Votum der Schweizer für eine Begrenzung der Zuwanderung kritisierte. Er befürchtete, dass es chauvinistischen Kräften in ganz Europa Auftrieb geben würde. Offene Grenzen für Arbeitnehmer gehören laut Brok zu den Prinzipien des Binnenmarkts und die Schweiz habe sich an diese Regeln zu halten, so dass er bezüglich des Schweizer Entscheids erklärte: »Wir können das nicht widerspruchslos hinnehmen.« Über Brok heisst es darüber hinaus in dem Beitrag Für wen kämpft Elmar Brok an der Ostfront?: »Es gibt offenbar Leute, die unbedingt nachträglich den 2. Weltkrieg gewinnen wollen und dafür bereit sind, einen Dritten Weltkrieg anzuzetteln. Elmar Brok, der noch-Vorsitzende des Aussenausschusses im Europaparlament gefährdet mit seiner unverantwortlichen Russlandhetze und Kriegstreiberei die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und den Frieden in Europa. Bis 2011, als er die Pensionsgrenze erreichte, arbeitete Brok auch als Senior Media Vice President für Bertelsmann. Dieses Unternehmen ist bekanntlich wesentlich mehr als ein global bestens vernetztes Medienhaus. Bertelsmann bzw. die Bertelsmann-Stiftung ist eine Schlüsselinstanz der bisherigen transatlantischen Kontrolle über alle wesentlichen Bereiche deutscher Politik. Ein wesentliches Ziel ist die Umwandlung der EU in einen Juniorpartner des globalisierten Britischen Finanzempires. [6]  Bekanntlich unterstützt auch der Nachfolger von Van Rompuy, der Pole Donald Tusk, den weiteren Ausbau des Binnenmarkts und das Freihandelsabkommen TTIP. Wie Pieter Cleppe vom Brüsseler Büro des Think Tanks Open Europe schätzt, ist Tusk wirtschaftlich liberal und lehnt die Idee, dass die EU eine grundlegende Reform braucht, wie etwa die Dezentralisierung resp. die Rückkehr von Zuständigkeiten an die nationalen Regierungen, ab. Die Vorstellung, dass der EU-Ratspräsident nur eine Art von Sekretär wäre, ist falsch, denn das Amt ist von Herman Van Rompuy zu einer mächtigen Position ausgebaut worden und als Leiter dieser Institution neigt Tusk dazu, eine möglichst zentralistische EU zu bevorzugen.  

Wie Reuters letzten Dezember berichtete, »forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel die CDU und CSU dazu auf, das geplante EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP gegen alle Widerstände durchzukämpfen.« Eine eigenartige Aufforderung, muss ihr doch klar sein, dass der Widerstand, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nicht allzu gross ist, da die Parlamente von einer aktiven Mitsprache ausgeschlossen sind. »Wenn Deutschland als Exportnation in zehn Jahren noch erfolgreich sein wolle, müsse man mit Haut und Haaren, mit Elan und wirklicher Überzeugung verhandeln«, erklärte sie am 12. 12. 14 auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg. »Sonst scheitere die TTIP.« Da die Gegner der TTIP beanstanden, dass die Verhandlungspositionen der EU nur teilweise veröffentlich werden, warb Merkel dafür, dass es in den Verhandlungen eine gewisse Vertraulichkeit geben müsse. Seit dem G-20-Gipfeltreffen in Australien hat Merkel mehrfach und mit immer dramatischeren Worten gewarnt, dass sich die EU und Deutschland ohne das Abkommen mit der USA in der globalisierten Welt nicht mehr behaupten könnten. Laut dpa warnte Merkel die gut 1000 Delegierten, dass Europa nur mit der TTIP aus der langjährigen Wirtschaftskrise herausfinden werde. Bis dahin ist sie längst nicht mehr am Ruder und kann für keine ihrer Prognosen zur Rede gestellt werden. Indessen gibt es auch in der CSU teilweise kräftige Vorbehalte gegen das Abkommen. Hierzu die Deutschen Wirtschafts Nachrichten: »Merkels massives Eintreten für die TTIP ist logisch: Der Deutsche Bundestag wird an den Verhandlungen zur TTIP nicht teilnehmen. Seit 2009 ist [auch] der Freihandel in der Kompetenz der EU. Daher versucht Merkel, die TTIP nun in eine ähnliche Sphäre der Alternativlosigkeit zu rücken wie seinerzeit die Enteignung der europäischen Steuerzahler für den ESM. Denn in einem gewissen Sinn hat sie recht: Die TTIP ist für die Bürger der europäischen Nationalstaaten alternativlos, weil sie von der Mitwirkung an dem Abkommen ausgeschlossen sind. Daher ist es auch nur logisch, dass Merkel erneut betonte, dass es bei den Verhandlungen eine gewisse Vertraulichkeit geben müsse. Denn es ist davon auszugehen, dass die TTIP vor allem das Lohn-Dumping in der EU beschleunigen wird. Erst kürzlich hatte die erste unabhängige Studie zur TTIP ergeben, dass knapp 600.000 Arbeitsplätze in Europa durch das Abkommen eliminiert werden. Der Autor der Studie warnte im Interview mit den DWN vor den Folgen des TTIP für die Arbeitnehmer in Europa.«  [7]  

Absehbare Entrechtung auf Gesetzesebene 
Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 wurde der EU, wie bereits erwähnt, die alleinige Kompetenz für den Beschluss von Freihandelsabkommen übertragen, insbesondere mit Bezug auf Dienstleistungen, geistiges Eigentum und Auslandsdirektinvestitionen. »Wer jetzt noch wirklich glaubt«, las man daher Ende Januar in der Wochenzeitung Der Freitag, »die   deutschen Politiker in Berlin könnten mitentscheiden, ob die TTIP kommt oder nicht, der träumt mit offenen Augen. Auch würde kein halbwegs intelligenter Mensch glauben, dass sich die Amerikaner an europäischen Standards orientieren werden. Und wie jetzt bekannt wurde, kann nach der Einführung von TTIP kein Gesetz mehr in Europa verabschiedet werden, ohne die vorherige Zustimmung von Amerika erhalten zu haben.  [8]  Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26. Januar »soll die USA ein Mitspracherecht bei neuen EU-Gesetzen bekommen.« »EU und Mitgliedstaaten sollen nach dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens wichtige Gesetze und neue Standards vorab mit der USA abstimmen.« Dieser Vorschlag hat ebensowenig einen Sturm erzeugt wie andere Vorschriften, die uns die USA problemlos zu verordnen beliebt. Wie es weiter heisst, sollen Europäer und Amerikaner mindestens einmal im Jahr eine Liste der auf zentraler und nicht-zentraler Ebene geplanten Gesetzesvorhaben veröffentlichen, so ein interner Verhandlungsvorschlag der EU-Kommission zur regulatorischen TTIP-Zusammenarbeit. Die Liste soll Ziele und deren Zuschnitt nennen sowie einen Zeitplan und Angaben zu den Folgen für den transatlantischen Handel und die damit verbundenen Investitionen enthalten. Auf dieser Basis sollen die Handelspartner ihrer Ansicht nach bedenkliche Gesetzesvorhaben oder geplante Standards identifizieren und bei der vorgesehenen zentralen Anlaufstelle der Gegenseite Beratungen darüber beantragen können. Die Beratungen sollen so früh wie möglich beginnen und im Bedarfsfall bis zur endgültigen Annahme des Gesetzes oder der Standards weiterlaufen. Die regulatorische Zusammenarbeit in der TTIP ist ein neuer Ansatz in der Handelspolitik der EU. USA und Europäer wollen mittels TTIP nicht nur bestehende nicht-tarifäre Handelsschranken abbauen, sprich etwa bestimmte Standards angleichen oder den Standard der anderen Seite als gleichwertig anerkennen. Sie wollen durch eine enge Zusammenarbeit auch verhindern, dass neue Regeln und Standards entstehen, die den Handel zwischen beiden Seiten nach dem Abschluss des Abkommens unnötig behindern. Kritiker der TTIP befürchten indessen, dass die EU damit nur noch schwer neue Umwelt- oder Sozialstandards erlassen kann. Als oberste Instanz will die EU einen Regulatory Cooperation Body, ein Gremium zur regulatorischen Zusammenarbeit, einrichten.  [9]   

Wer in diesem Gremium das Übergewicht haben wird, gälte es frühzeitig wissen…. 

Schwer zu glaubende Versprechungen 
Europa werde bei den Verhandlungen keinen seiner Standards, so beispielsweise bei Lebensmitteln, opfern, betonte Juncker. Auch werde offen und transparent für die Bürger verhandelt: »Wir wollen dieses Abkommen.« Merkel wies letzten Dezember Kritik, dass etwa Sozial- und Umweltstandards durch das Wirtschaftsabkommen gefährdet würden, erneut zurück: »Es wird nicht ein einziger europäischer Standard verraten und abgemildert«, sagte sie. Auch kommunale Dienstleistungen seien nicht gefährdet. »Nichts dergleichen ist geplant.« Auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung im Mai 2014 hatte Merkel das TTIP-Abkommen mit den Worten verteidigt, dass dieses »ein Mehr an Umweltschutz, ein Mehr an Verbraucherschutz« bringen werde. Die EU verfüge über etliche Freihandelsabkommen mit anderen Ländern »und die EU hat jedes Mal ein Mehr an Umweltschutz, ein Mehr an Verbraucherschutz herausgehandelt«, betonte die CDU-Chefin. »Deshalb sind diese Abkommen gut für uns.« Man stelle nun diese Erklärung der Entschädigungsforderung von Vattenfall gegenüber, um sich bewusst zu machen, wie es um die Richtigkeit solcher Aussagen bestellt ist. »Wenn europäische Standards für ein Freihandelsabkommen mit Amerika unterschritten würden, wären viele Bedenken gerechtfertigt«, sagte die Regierungschefin. »Aber es bleibt bei unseren sehr hohen europäischen Standards für Verbraucher und Umwelt. Dafür stehe ich ein.« Das alles kann sie, wie gesagt, unbesorgt vortragen, denn selbst wenn dies nicht eintreten wird, bleibt es für sie ohne Belang. »Ein Freihandel zwischen den beiden grossen Wirtschaftsräumen der Welt, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem europäischen Binnenmarkt, ist von unschätzbarem Wert«, so Merkel im September 2014 vor dem Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin: »Für mich ist klar, dass die Vorteile die vermeintlichen Nachteile weit überschreiten werden.« Die von den Gegnern des Abkommens beschworenen Schreckensszenarien durch die TTIP würden nicht eintreten. Weder werde die EU die Einfuhr von Chlorhühnchen noch von gentechnisch veränderten Lebensmitteln erlauben. »Wir sagen den Menschen auch: Rote Linien werden nicht überschritten« so die Kanzlerin. Zur selben Zeit gab Sigmar Gabriel EU-Handelskommissar Karl de Gucht die Verantwortung dafür, dass die Gespräche mit der USA so viele Ängste ausgelöst hätten. »Wenn man die TTIP zum Scheitern bringen will, dann muss man es so machen wie de Gucht«, sagte er. »Monatelang habe etwa die angebliche Einfuhr amerikanischer Chlorhühner in Deutschland die Debatten bestimmt, was jedoch gar nicht zur Debatte stehe.« Warten wir es ab, wenn wir überhaupt je eine Möglichkeit haben werden, dies exakt nachprüfen. Der Chef des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, Matthias Wissmann, hatte das TTIP-Abkommen letzten Juli als Jahrhundertprojekt bezeichnet. Seiner Auffassung nach »brauche die EU die Vereinigten Staaten als Partner, politisch und wirtschaftlich.« »Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Anspannung in vielen Ländern Europas und der immer stärker werdenden Konkurrenz aus den Schwellenländern wird sich eine transatlantische Kooperation schnell auszahlen«, betonte er. »Alle Kritiker, die sich derzeit antiamerikanischer Ressentiments bedienen, übersehen, dass ein Scheitern der Freihandelsgespräche vor allem zu Lasten von Europa ginge.« Denn ohne die TTIP würde sich die USA auf ihre Transpazifische Partnerschaft konzentrieren. Dann würde es für die EU viel schwerer, ihre Industrie- und Verbraucherinteressen durchzusetzen.  [10]  Indessen bleibt die Befürchtung, dass uns Abkommen dieser Art in die Abhängigkeit der grossen Konzerne bringen, was unseren Umweltstandard zurückzuführen droht, bestehen.  

Berechtigte Vorbehalte 
Bezüglich eines Zustandekommens der TTIP vermerkte Willy Wimmer im Juli 2014: »Schiedsgerichte im Interesse der US-Anwaltsfabriken würden dann dem Rest der parlamentarischen Demokratie in unseren Staaten den Garaus machen«, und Gerhard Wisnewski im Februar 2014: »Jede Grenze des Menschen steht unter Beschuss. Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU ist dafür ein weiteres eindrucksvolles Beispiel. Im Ergebnis haben wir es mit einem strukturellen Krieg gegen die gesamte Menschheit zu tun.«  Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider führt in seiner Abhandlung Bürgerlicher Widerstand ist notwendig und gerechtfertigt folgendes aus: »Mit dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP würde ein weiterer Schritt in die falsche Richtung, nämlich dem Abbau der demokratischen Grundordnung vollzogen werden, weil die Praktizierung dieses Abkommens nicht einer demokratischen Kontrolle unterläge und auch gar nicht unterliegen soll.«  [11]  »Wenn man betrachtet«, so die DWN, »welch weitreichende Wirkung die Selbst-Entmachtung der EU im Falle der gegen Rußland verhängten Sanktionen hat, kann man sich vorstellen, welch untergeordnete, ja folkloristische Funktion die nationalen Parlamente künftig spielen werden. Es ist kein Zufall, daß US-Vizepräsident Joe Biden die EU auffordert, das TTIP-Abkommen zügig fertigzustellen. Er tut dies just in derselben Rede, in der er Angela Merkel und die anderen EU-Regierungschefs bloßstellt: Biden gibt nämlich offiziell bekannt, daß die EU die Sanktionen nicht wollte und von der US-Regierung dazu gezwungen wurde, d.h. für geopolitische Pläne, die ausschließlich im Interesse Washingtons und der dort tätigen Industrie-Lobbyisten liegen, hierdurch Schaden in Kauf zu nehmen.«  [12]  Die EU wird schon seit langem als Werkzeug für die Globalisierung benutzt und ist inzwischen fast schon eine supranationale Regierung Europas geworden. Die TTIP schafft gewissermassen die Voraussetzung dafür, dass eine Verschmelzung der USA mit der EU zu einem einzigen Markt erfolgt: Ein Riesenschritt in Richtung einer globalisierten Weltordnung. Denn eine erfolgreiche Eliminierung jeglicher Diversität ebnet den Weg zu Profitmaximierung und einer gleichzeitig stattfindenden Kontrolle über die Nationen. Schon jetzt ist beispielsweise der Einfluss der US-Pharmalobby und der amerikanischen Handelskammer auf die TTIP-Verhandlungen immens. Darüber hinaus ermöglichen die Vertragstexte die Einarbeitung von

Fallstricken der Lobbyisten zugunsten mächtiger Konzerne; amerikanische Anwälte dominieren bereits heute in verschiedenen Bereichen und die erwähnten Schiedsgerichte können überdimensionierte Konventionalstrafen verhängen und diese auch gegen demokratisch gewählte Regierungen und Gremien durchsetzen. Trotzdem sind sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Merkel offensichtlich darin einig, das TTIP-Abkommen noch 2015 zum Abschluss zu bringen. 

Aus dem gesamten Vorgehen von EU und Washington spricht eine ungeheure Arroganz uns gegenüber. Nicht umsonst sagt daher Werner Rügemer: »In der Öffentlichkeit wird das Theater Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP und zum Dienstleistungsabkommen TiSA aufgeführt. Arbeitsrechte und Arbeitsbedingungen sind ausgeklammert, die Entscheidungen fallen hinter den Kulissen. Um dies zu ändern, muss der Widerstand von Gewerkschaften, linken und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland wie in der EU noch ganz andere Formen annehmen als bisher.   [13]   

 

[1]  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1317   13. 9. 09  
Monsantos heile Welt – Von Lívia Duarte und Andreas Behn  
[2]  Strategic Alert, Jahrgang 28, Nr. 11 vom  11. März 2015  
[3]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/22/das-boese-erwachen-fuer-die-spd-entscheidung-ueber-ttip-ist-chefsache/  21. 9. 14 
[4]  Strategic Alert, Jahrgang 27, Nr. 31 vom 30. 7. 14 
[5]  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2358   25. 1. 15 
EU-Parlament von US-Kriegsvirus infiziert - Von Wolfgang Effenberger  
[6] 
http://www.bueso.de/node/7313  8. 5. 14 
[7]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/12/13/mit-haut-und-haaren-merkel-will-ttip-gegen-alle-widerstaende-durchkaempfen/  13. 12. 14  
[8]  https://www.freitag.de/autoren/tendenz/verbrecherorganisation-atlantikbruecke   29. 1. 15   [9]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=46331&title=Bericht%3A+USA+sollen+Mitspracherecht+bei+neuen+EU-Gesetzen+bekommen&storyid=1422289826188  26. 1. 15 

[10]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=35765&title=VDA-Chef+warnt+vor+Scheitern+der+Freihandelsgespr%E4che+mit+den+USA&storyid=140569543531   18. 7. 14  
[11] 
http://www.pi-news.net/2015/03/schachtschneider-in-frankfurt-buergerlicher-widerstand-ist-notwendig-und-gerechtfertigt/#more-451775  9. 3. 15  
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2005
    23. 9. 12 
Ein weiterer Schritt zur Diktatur  -  Von Prof. Karl Albrecht Schachtschneider 

[12]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/10/06/ttip-und-ceta-degradieren-den-bundestag-zu-einer-folklore-veranstaltung/   14. 11. 14    
[13]  https://www.jungewelt.de/2015/02-19/019.php    19. 2. 15  
Gesichter der »Märkte« - Werner Rügemer