Zum Atomabkommen mit dem Iran

Der »umfassende gemeinsame Aktionsplan«, auf den sich die »P5+1-Gruppe«, die fünf

ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland, am 14. Juli 2015 in Genf mit dem Iran einigte, schreibt Strategic Alert, könnte eine historische Wende in der Weltpolitik sein, wäre da nicht vor allem auf Seiten der USA sowie Großbritannien, die weiterhin Regimewechsel im Nahen Osten und Provokationen gegen Rußland und China betreiben, der Mangel an Klarheit und gutem Willen. Oberflächlich betrachtet ist der Aktionsplan ein entscheidender Schritt zur diplomatischen Beilegung heikler globaler Sicherheitsfragen. Vorgesehen ist, daß die harten Wirtschaftssanktionen, die der UN-Sicherheitsrat, die USA und die EU wegen des Streits über das iranische Atomprogramm verhängt hatten, aufgehoben werden, wenn der Iran die Bedingungen erfüllt. Überwachen wird dies die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), deren Inspektoren regelmäßigen Zugang zu den iranischen Atomanlagen erhalten und deren Generaldirektor Yukia Amano am 14. 7.  einen entsprechenden Fahrplan mit dem iranischen Vizepräsidenten Ali Akbar Salehi vereinbarte. 

Die wichtigsten Bedingungen für den Iran legen fest, daß der Iran die Vorräte an schwach angereichertem Uran um 98 % reduziert und die Anzahl der Zentrifugen zur Anreicherung mindestens 15 Jahre lang von jetzt 19.000 auf 6000 reduziert. Der Iran verzichtet in diesem Zeitraum auch auf eine Anreicherung auf mehr als 3,67 % sowie den Bau neuer Anreicherungs- oder Schwerwasseranlagen. Die Anreicherung wird auf eine einzige Anlage beschränkt, wo in den kommenden 10 Jahren nur Zentrifugen der ersten Generation verwendet werden.   

Die gesamten Verhandlungen, die sich mehr als ein Jahrzehnt lang hinzogen, beruhten aber auf einer falschen Prämisse, nämlich daß der Iran am Bau einer Kernwaffe arbeite. Selbst die US-Dienste berichteten 2007 und 2011 in ihren offiziellen Geheimdienst-Einschätzungen, daß dafür keine Beweise vorlagen. Der Iran hat stets bestritten, eine Atombombe bauen zu wollen, und Staatsführer Ajatollah Chamenei erließ sogar ein religiöses Dekret (Fatwa), das die Entwicklung chemischer oder atomarer Waffen untersagt. Der Iran pochte aber immer auf sein Recht, zivile Kerntechnik zu entwickeln und zu nutzen, und seine Unterhändler und die Regierung erklärten am 14. 7. zu recht, daß sie diesen Kampf gewonnen haben. Obama seinerseits verkündete, er habe einen großen Sieg errungen, weil er verhindere, daß der Iran sich eine Atombombe verschaffe. So oder so war die Zusammenarbeit der russischen und chinesischen Vertreter mit dem US-Team um Außenminister John Kerry eine entscheidende Voraussetzung für die Vereinbarung. Das Abkommen mit dem Iran hat positive und negative Aspekte. In positiver Hinsicht zeigt es, daß Diplomatie ein wirksameres Mittel zur Lösung von Konflikten und Streitigkeiten ist als die Kriege, die die USA, Großbritannien und die NATO seit dem Golfkrieg gegen den Irak 1991 geführt haben. In negativer Hinsicht ist festzuhalten: Präsident Obamas erste Erklärung dazu und seine Drohungen bis hin zum Einsatz militärischer Gewalt gegen den Iran, falls das Land nicht alle Zusagen einhält, sind Belege dafür, daß es ihm nicht wirklich um den Frieden geht, sondern daß er nur seinen geschädigten Ruf als Friedensstifter und seinen Nachruhm aufbessern will. Zukünftige Regierungen können leicht wieder zum entgegengesetzten Kurs wechseln. Die Welt hat nicht vergessen, daß der Irak 2003 überfallen wurde, obwohl das Land alle Forderungen der UN-Waffeninspekteure erfüllt hatte und keine Massenvernichtungswaffen besaß, was Washington und London sehr wohl wußten. Mit dem Sturz und der Hinrichtung Saddam Husseins stürzte das Land in ein blutiges Chaos, das nicht nur bis heute andauert, sondern sich verschlimmert. Auch Libyens Staatschef Muammar Gaddafi gab nach und lieferte seine Atomwaffen aus, was ihn dennoch nicht vor der Invasion der NATO schützte; auch Libyen stürzte ins Chaos. Gleichzeitig ist die Hysterie über das Abkommen in Israel und in Saudi-Arabien ein böses Omen für die Region. Beide Länder hatten geschworen, eine Einigung zu verhindern; sie führen einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran und dessen Verbündete in der Region. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu macht keinen Hehl aus seiner Absicht, militärische Gewalt gegen die Atomanlagen des Irans einzusetzen, was allerdings ohne die Unterstützung der USA unmöglich wäre, und jeder Sicherheitsexperte in Israel weiß, daß die Konsequenzen einer solchen Aktion für das Land katastrophal wären. Die fanatische Feindschaft Israels und Saudi-Arabiens gegen den Iran, die Hisbollah und Assads Syrien ist einer der gefährlichsten Faktoren in dem religiösen Stellvertreterkrieg, der in mehreren Ländern der Region  tobt und der sich leicht zu einem regionalen Krieg mit weltweiten Konsequenzen ausweiten kann, wenn ihn die USA und die EU nicht eindämmen.  [1]     

Was nun die Annahme des Abkommens durch den US-Kongress betrifft, so ist die Kritik von Seiten oppositioneller Republikaner und pro-israelischer Lobbygruppen von Aussenminister Kerry zurückgewiesen worden. Bei einer Anhörung im Senat hat Kerry erklärt, der Vorwurf, dass die USA einen besseren Vertrag erreichen können hätte, sei reine Phantasie. Ausser Kerry standen auch Energieminister Ernest Moniz und Finanzminister Jacob Lew dem Senatsausschuss zu dem   Abkommen Rede und Antwort. Der Kongress hat jetzt 60 Tage Zeit, um das Abkommen zu überprüfen und gegebenenfalls zu blockieren. Zum jetzigen Zeitpunkt lehnen sowohl Israel als auch die Republikaner das Verhandlungsergebnis ab. Wie die Basler Zeitung berichtet, [2], versucht der »Amerikanisch-Israelische Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten, eine pro-israelische Lobbygruppe in der USA, die Abgeordneten mit einer Werbekampagne zur Ablehnung des Vertrags zu bewegen. Viele der Republikaner, die in beiden Kammern die Mehrheit haben, sind aber ohnehin entschlossen, gegen das Abkommen zu stimmen.« Wie es heisst, hat Obama angekündigt, im Falle eines negatives Parlamentsvotums sein Veto einzulegen.  

Paul Craig Roberts schrieb noch vor dem Abschluss der Verhandlungen in seinem Artikel Das Atom-Abkommen mit dem Iranu.a.: »Frustriert versuchten die fanatischen Neokonservativen über Washingtons bis zur Bedeutungslosigkeit verkommenen Politiker eine Vereinbarung zu verhindern. Die Republikanische Partei, die gegenwärtig von Israel kontrolliert wird, lud sogar den durchgeknallten israelischen Ministerpräsidenten ein, vor beiden Häusern des US-Kongresses zu sprechen, um die Zustimmung Präsident Obamas zum Iran-Abkommen abzublocken. Dieses Abkommen in der jetzigen Phase kurz vor seinem Abschluß zu verhindern, wäre ein Eingeständnis der Tatsache, daß die Atomwaffenfrage niemals mehr als nur eine Tarnung für Washingtons tatsächliches Ziel war, die iranische Unabhängigkeit zu zerstören. Im Streit Washingtons mit dem Iran ging es zu keiner Zeit um das Atomprogramm des Landes. Die von den Neokonservativen vorgebrachte Behauptung, der Iran arbeite nur deshalb an einem zivilen Atomprogramm mit einer Urananreicherung von 5 %, um sein Atomwaffenprogramm  - mit der erforderlichen Anreicherung von 95 % und mehr -  vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, war immer nur ein Vorwand und ein Deckmantel der tatsächlichen Gegnerschaft zum Iran und seinen wirklichen Absichten. Israel seinerseits will natürlich, daß Washington alle Hindernisse aus dem Weg räumt, die der israelischen Expansion im Mittleren Osten im Wege stehen. Nachdem sich Israel schon Palästina unter den Nagel gerissen hat, ist nun der Südlibanon sein nächstes Ziel. Ich kann allerdings mit Sicherheit sagen, daß das Nuklearabkommen mit dem Iran nicht das eigentliche Thema ist. Ob das Abkommen gelingt oder scheitert, wird keine weitreichenden Auswirkungen haben, da Washington die Unabhängigkeit des Irans grundsätzlich ablehnt. Der Iran schwebt unabhängig des Erfolgs oder Scheiterns des Abkommens weiterhin in Gefahr. Ich bin überrascht, daß die von Washington unter Druck gesetzten Regierungen immer wieder daran scheitern, die tatsächlichen Probleme zu erkennen, und stattdessen einfach die Washingtoner Sichtweise der Probleme übernehmen. ……. Trotzdem sind die iranische Regierung und die iranischen Medien dem Beispiel Washingtons und dessen korrupten Medien gefolgt und haben dieses auf Lügen aufgebaute Problem als die eigentliche Auseinandersetzung akzeptiert. Angesichts dessen wäre es ein Wunder, wenn der Iran überlebte.«  [3] 

Einen wesentlich tieferen Einblick in das Geschehen vermittelt der Artikel des emeritierten US-Wirtschaftsprofessors Ismael Hossein-zadeh, der insbesondere die Einschränkungen, die dem Iran für eine unverhältnismässig lange Dauer auferlegt sein werden, detaillierter darlegt:  [4] 

Die Bedeutung des Atomabkommens mit dem Iran: Geopolitische Auswirkungen   

Anläßlich eines Treffens mit Regierungsvertretern am 18. Juli, vier Tage nach Abschluß des Atomabkommens, lobte der Präsident des Irans, Hassan Rohani, die Arbeit seines Verhandlungsteams und bezeichnete das Abkommen als einen Triumph. Hat der Präsident recht? Bedeutet das Abkommen wirklich einen Sieg für den Iran, wie er behauptet, oder eine schwer fassbare Kapitulation, worauf eine Reihe von Kritikern hingewiesen haben? Um diese Fragen zu beantworten, ist eine kurze Übersicht über die Inhalte des Abkommens angebracht.  

Das Atomabkommen in Kürze 
Eine eingehende Lektüre der Inhalte des Abkommens läßt erkennen, daß das Abkommen strenge Beschränkungen und umfangreiche Kontrollen der iranischen Atomtechnologie im Gegenzug zu einem Versprechen des schrittweisen Abbaus von Sanktionen platziert. Es etabliert effektiv die Kontrolle der Vereinigten Staaten von Amerika [durch die IAEA] über die gesamte Produktionskette der nuklearen und zugehörigen Industrien des Irans, vom Uranbergbau zur Herstellung von Zentrifugen bis zum Anreicherungsprozeß. Präsident Barack Obama sagte am Tag des Abschlusses des Abkommens: Inspektoren werden Zutritt zur gesamten nuklearen Versorgungskette des Irans, zu seinen Uranminen und Anlagen der Erzverarbeitung, seiner Aufbereitungsproduktion, seiner Zentrifugenherstellung und Lageranlagen haben: Einige dieser Transparenzmaßnahmen werden 25 Jahre lang gelten. Auf Grund dieses Abkommens werden die Inspektoren auch Zugang zu allen verdächtigen Orten haben. Diese Einschränkungen beinhalten unter anderem folgendes: Herunterfahren der Anreicherungsmöglichkeiten des Irans von 20 % auf 3,67 %, Einfrieren dieses Minimalpegels auf 3,67 % Anreicherung für 15 Jahre, Reduzierung seiner derzeitigen Kapazität von 19.000 Gaszentrifugen auf 6.104 [eine Reduktion von 68 %], Reduzierung des Lagerbestands von niedrig angereichertem Uran von derzeit 7.500 kg auf 300 kg [eine Reduktion von 96 %], und Einführung strenger Limits für seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Während versprochen wird, daß einige Einschränkungen bei Forschung und Entwicklung nach 10 Jahren gelockert werden, werden andere bis zu 25 Jahre lang bestehen.  

Zusätzlich muß der Iran ein extensives Kontroll- und Inspektionsregime akzeptieren, das nicht nur die deklarierten Atomanlagen betrifft, sondern auch militärische und andere nicht deklarierte Anlagen, von denen die Überwacher verdächtige Aktivitäten annehmen oder sich solche vorstellen können; die Überwachung wird rund um die Uhr gehen. Das ausgefeilte System der Überwachung und Inspektion ist von Obama am Tag des Abschlusses des Abkommens am 14. Juli kurz und bündig beschrieben worden: Einfach gesagt wird die Organisation, die für die Inspektionen verantwortlich ist, die IAEA, Zutritt haben, wo es nötig ist, wann es nötig ist. Diese Regelung gilt durchgehend.Es stimmt, daß der Iran theoretisch oder auf dem Papier gegen exzessive oder unvernünftige Zutrittsforderungen protestieren kann. Praktisch sind seine Hände allerdings gebunden, weil eine Schiedskommission, die eingesetzt würde, um zu beurteilen, ob die Zugangsanfragen der Inspektoren gerechtfertigt sind oder nicht, von den Mächten oder Behörden, die hinter den Anfragen der Inspektoren stehen, nicht unabhängig ist. Anders gesagt wären Kläger, Strafverfolger und Richter alles in einem vereint: In den Vereinigten Staaten von Amerika und ihren Alliierten, die die Entscheidungen und Operationen der IAEA gravierend beeinflussen. Der vorgesehene Schiedsprozeß scheint also eine bloße Formalität zu sein, hauptsächlich um iranische Stimmen, die dem Abkommen kritisch gegenüberstehen, zu beschwichtigen.  

Die Sanktionen  
Der Abbau derselben wird im Gegenzug zu den oben angeführten Verpflichtungen des Irans versprochen. Das Abkommen verbindet allerdings eine Reihe von potentiell problematischen Richtlinien mit dem Abbau-Programm. Fürs erste ist für den Abbau der Sanktionen ein Zeitraum von 10 Jahren vorgesehen, während der Iran akzeptiert hat, all seine Verpflichtungen in den ersten 6 Monaten des Abkommens zu erfüllen. Zum zweiten wird der Abbau nicht beginnen, bevor der Iran nachweislich alle seine Verpflichtungen in die Tat umgesetzt hat. Mit anderen Worten: Die sogenannte Implementierungsphase des Abkommens hat für die beiden Seiten des Abkommens diametral entgegengesetzte Bedeutungen: Während sie für den Iran die vollständige Erfüllung seiner Verpflichtungen bedeutet, bedeutet sie für die USA und deren Anhang den Beginn der Umsetzung ihrer Versprechen. Drittens gibt eine snap-back-Klausel, die die rapide Wiederverhängung von Sanktionen ermöglicht, falls erachtet wird, daß der Iran sich nicht an seine Zusagen hält, der USA und ihrem Anhang in Bezug auf die Umsetzung des Abkommens die Peitsche in die Hand. Aus diesen Forderungen ergibt sich offensichtlich, daß während die snap-back-Klausel und andere verpflichtende Bedingungen des Abkommens die Einhaltung des Abkommens durch den Iran gewährleisten, dieses von Seiten der Vereinigten Staaten keine ähnlichen Garantien verlangt, damit diese ihren Teil des Abkommens zu erfüllen. Wenn zum Beispiel am Ende der ersten 6 Monate oder zu irgendeinem Zeitpunkt in den folgenden 10 Jahren des schrittweisen Abbaus der Sanktionen die USA ihre Versprechungen nicht einhält, könnte der Iran nichts dagegen unternehmen. Zwar könnte er sagen: Das Abkommen gilt nicht mehr. Aber das würde nichts nützen, weil es sozusagen das Thema Atomprogramm einfach in die Startposition zurückversetzen würde; der Iran würde sich dann in einer viel schwächeren Position befinden, nachdem er all seine früheren Trumpfkarten weggegeben oder wirkungslos gemacht hätte: Sein auf 20 % angereichertes Uran, seine 19.000 Zentrifugen, seine 7.500 kg angereichertes Uran, seine robusten Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und Wissenschaftler, wie auch seine entwickelten Trägerraketen. Des weiteren hätten dann die USA und ihr Anhang Zugang zu und somit Informationen über viele der wichtigen nuklearen, militärischen, geheimdienstlichen Anlagen und Dokumente der nationalen Sicherheit des Irans erlangt. Vor dem Abschluß des Abkommens hatten Präsident Rohani und sein Verhandlungsteam dem iranischen Volk wiederholt gesagt, daß die roten Linien ihres Landes, die vom obersten Anführer Ayatollah Chamenei festgelegt und als Gesetz vom iranischen Parlament beschlossen worden waren, nicht verletzt würden. Die wichtigsten dieser roten Linien waren:

-  Gleichzeitige Umsetzung des Abkommens durch beide Seiten

-  Kein Zugang zu militärischen Anlagen

-  Kein Zugang zu Atomwissenschaftlern

-  Erhaltung der Anreicherung auf industriellem Niveau als Minimalniveau der Anreicherung 

Der obige kurze Abriß des Atomabkommens zeigt jedoch klar, daß im Gegensatz zu den wiederholten Behauptungen der Unterhändler des Irans alle der sogenannten iranischen roten Linien übertreten werden. Vielleicht ist das der Grund, warum die Unterhändler des Irans während der 20 Monate dauernden Verhandlungen dem iranischen Volk nichts über all die asymmetrischen Kompromisse sagten, die sie eingegangen sind; augenscheinlich aus einer Angst heraus, daß die Kenntnis des Volks von dem, was hinter seinem Rücken aufgegeben wurde, die Verhandlungen möglicherweise entgleisen lassen hätten. Vielleicht ist das auch der Grund, warum über das Abkommen, sobald seine einseitige oder unfaire Natur beim Abschluß der Verhandlungen am 14. 7. sichtbar wurde, vom UN-Sicherheitsrat am 20. Juli 2015 so schnell abgestimmt und dessen Annahme beschlossen wurde, wodurch dem Parlament des Irans, dessen oberstem Sicherheitsrat, seinen Verteidigungs- und Sicherheitsapparaten, kurz gesagt dem iranischen Volk,  die Möglichkeit genommen wurde, sich zu der Absegnung des unfairen Handels durch den UN-Sicherheitsrat zu äußern. Formell wird der Text des Abkommens vom Parlament und vom Obersten Sicherheitsrat des Irans im Hinblick auf Änderungen, Annahme oder Ablehnung begutachtet. Praktisch gesehen ist das allerdings eine Augenauswischerei, da das Ergebnis dieser Begutachtung keinen Einfluß auf die Verpflichtungen haben wird, die die Annahme des als Resolution 2231 kodifizierten Abkommens durch den UN-Sicherheitsrat für den Iran geschaffen hat. Das heißt, daß der gesamte Prozeß der atomaren Verhandlungen  - vom formellen Beginn in Genf im November 2013 über die 20 Monate langen geheimen Gespräche hinweg -  bis zu seiner hastigen Annahme durch den Sicherheitsrat im wesentlichen hinter dem Rücken des iranischen Volkes betrieben wurde – eine höchst undemokratische Methode.  

Geopolitische Auswirkungen   
Es gibt klare Anzeichen dafür, daß die Befürworter des Atomabkommens sowohl auf Seiten des Irans als auch der USA eine breitere wirtschaftliche und geopolitische Zusammenarbeit anstreben als lediglich die im Rahmen des Atomabkommens gegebene. Indem er das Abkommen als diplomatischen Erfolg charakterisierte, erklärte zum Beispiel der iranische Außenminister Javad Zarif vor kurzem: »Für eine Verbreiterung der regionalen und internationalen Zusammenarbeit ist die Atmosphäre jetzt sehr reif.« Bereits früher hatte er darauf hingewiesen, daß das Abkommen für die Zusammenarbeit im Kampf gegen Extremismus neue Horizonte eröffnen wird, ein Hinweis auf die Aussichten einer formellen Verbindung der Streitkräfte des Irans mit den Vereinigten Staaten bei der Bekämpfung von Gruppierungen wie ISIS und al-Qaida. Laut IRNA [Islamic Republic News Agency] machte auch Rohani in einem Telefongespräch vom 18. Juli mit dem britischen Premierminister Cameron eine ähnliche Andeutung; in diesem wies er darauf hin, daß gemeinsame Anstrengungen im Kampf gegen extremistische Gruppen in der Region wesentlich zu deren Niederlage beitragen würden. Camerons Büro gab bekannt, daß der Premierminister die Hoffnung ausgedrückt habe, daß das Atomabkommen einen neuen Start für die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Iran markieren werde; ebenso, daß Cameron darauf hingewiesen habe, daß die Atomverhandlungen auch Themen wie Bürgerkriege in Gebieten wie dem Irak und in Jemen berührt hätten. Diese und viele ähnliche Erklärungen, wie auch die Akzeptanz des nicht so ehrenhaften Atomabkommens, weisen darauf hin, daß mächtige Stimmen in und außerhalb der Administration Rohani den Widerstand aus der Zeit der Revolution gegen unterdrückerische imperialistische Pläne schrittweise  - aber systematisch -  über Bord werfen, sogar wenn derartige Pläne das Nachgeben bei fundamentalen Fragen wie Souveränität und nationale Sicherheit beinhalten. Auch die Obama-Administration hat darauf hingewiesen, daß das Atomabkommen der Beginn einer breiteren Zusammenarbeit mit dem Iran sein würde oder sein könnte, und daß sie die Absicht hat, das Atomabkommen zu benützen, um den Iran dazu zu zwingen, der USA bei der Durchsetzung ihrer geopolitischen Ziele in der Region behilflich zu sein. Indem er die bisherige Politik des Ausschlusses des Irans von geopolitischen Diskussionen in dem Gebiet rückgängig machte, kündigte Obama vor kurzem an, daß der Iran Teil des Gesprächs über die Lösung des Konflikts in Syrien sein sollte. Mit der Einführung dieser neuen Taktik der Einbeziehung der Kooperation mit dem Iran verfolgt die Administration Obama eine Reihe von Zielen: 

Das erste Ziel ist, durch Mäßigung, Neutralisierung und/oder Gewinnung der Kooperation des Irans die Herausforderung ihrer Politik durch die sogenannte Achse des Widerstands  - diese besteht aus dem Iran, der Hizbollah, Assads Syrien, der schiitischen Kräfte resp. der Regierung im Irak, dem Jemen und Bahrain -  automatisch aufzubrechen oder zu untergraben. Gleichzeitig hätte dies den Vorzug, den Iran vor zu engen Beziehungen mit Rußland und China abzuhalten.  

Das zweite Ziel besteht darin, daß Washington  - wenn seine Interventionen und militärischen Abenteuer in der Region auf diese Weise weniger umstritten wären oder die Obama-Administration diese besser gemanaged bekommt -  gegen Rußland und China, die zunehmend als die größere Bedrohung der weltweiten Interessen der USA betrachtet werden, aggressiver vorgehen kann als gegen jedes andere Land.

Das dritte Ziel strebt an, daß die neue Taktik Europa dazu verhelfen könnte, seine Erdöl- und Erdgasimporte aus Rußland durch solche aus dem Iran zu ersetzen, wodurch Rußlands Einfluß über Europa unterminiert würde.

Diese und ähnliche Anzeichen für potentiell breit angelegte Partnerschaften zwischen dem Iran und den Mächten des Westens haben den weitverbreiteten Eindruck geschaffen, daß das Abkommen für Israel, Saudi-Arabien und andere Alliierte der USA einen Verlust an Einfluß darstellt, während es gleichzeitig einen Zuwachs an Macht und Prestige für den Iran und dessen Verbündete in der Region bedeute. Diese Auffassungen und Projektionen scheinen auf der Annahme zu beruhen, daß das Atomabkommen ein freiwilliges Übereinkommen zwischen gleichwertigen oder fast gleichen Seiten darstellt. In Wirklichkeit ist es bei weitem keine freiwillige Vereinbarung zwischen zwei ähnlich positionierten Unterhändlern. Der Iran verhandelte unter Druck. Weitgehend vom internationalen Handel ausgeschlossen und ständig unter Drohung der wirtschaftlichen Strangulierung verhandelte er im wesentlichen angesichts vorgehaltener Waffe. Ein scharfsinniger Beobachter der Verhandlungen sagte es so: »Der Iran stimmte dem Abkommen in der gleichen Weise zu wie das Opfer eines Raubes freiwillig zustimmt, wertvolle Besitzstücke herzugeben.« Nicht überraschend ist das Abkommen mit einem ausgeklügelten Dokument gleichzusetzen, in dem die Bedingungen der Kapitulation des Irans auf subtile Weise umrissen werden. Ebenfalls nicht überraschend haben es eine Reihe von Beobachtern als das nukleare Turkmanchai  charakterisiert, ein Hinweis auf den berüchtigten Turkmanchai-Vertrag von 1828, in dessen Folge der Iran riesige Gebiete im Kaukasus  - darunter Baku, Shirvan, Ganja, Nakhichevan und Eriwan -  an das zaristische Russland verlor.  

Es stellt sich die Frage, warum die durch die Administration Rohani repräsentierten herrschenden Kreise des Irans ein derart widerwärtiges Abkommen akzeptiert haben. Angesichts der brutalen wirtschaftlichen Sanktionen, die einen wirtschaftlichen Zusammenbruch und möglicherweise einen Volksaufstand heraufbeschworen hätten, der die Macht und das Eigentum der herrschenden Eliten bedroht hätte, standen diese Eliten vor zwei eingehend debattierten Alternativen, um die wirtschaftlichen Probleme des Irans zu lösen und ihre Herrschaft zu erhalten: 

Eine Widerstandswirtschaft gegenüber einer Wirtschaft der Austerität. Entsprechend der von Ayatollah Chamenei vorgeschlagenen und von radikalen Teilen der oppositionellen Stimmen gegen die neoliberale Politik der Rohani-Administration unterstützten Widerstandswirtschaft sollte der Iran die wirtschaftlichen Sanktionen als Chance sehen, um selbständig zu werden: Indem er heimische Talente und Ressourcen nutzt, um autark zu werden, indem er so viele Konsumgüter und andere Industrieprodukte wie möglich herstellt. In der Tat erzielte der Iran dadurch, daß er bis zum Aufstieg von Rohani ins Präsidentenamt dieser Philosophie der Widerstandswirtschaft mehr oder weniger folgte, beträchtliche Fortschritte bei der wissenschaftlicher Forschung, technischem Know-how und in der Industrieproduktion. Die Proponenten dieser Alternative befürworten auch relativ starke Sicherheitsnetze, um die finanziell benachteiligten Teile der Bevölkerung zu schützen. 

Die andere Alternative, die von der Rohani-Administration und deren Verbündeten befürwortet wird, fordert die Annahme von angebotsorientierter, neoliberaler Wirtschaft oder einer Wirtschaft der Sparpolitik. Laut dieser Doktrin sind die Lösungen für wirtschaftliche Stagnation, Armut und Unterentwicklung im ungehinderten Zugang zum freien Markt sowie in einer uneingeschränkten Integration in das System des Weltkapitalismus zu finden: Rezession, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not in vielen weniger entwickelten Ländern seien weniger durch wirtschaftlich schlechte Leitung oder die Natur des globalen Kapitalismus verursacht, sondern durch Eingriffe der Regierungen und/oder den Ausschluß von den kapitalistischen Weltmärkten. So, wie die meisten der ehemaligen Anführer der Revolution von 1979 in die Jahre gekommen sind, scheint auch ihr damaliger Appetit auf radikale wirtschaftliche Alternativen geschwunden zu sein. Gleichzeitig scheinen sie einen starken Appetit auf die Anhäufung von Macht und Besitz bekommen zu haben. Dementsprechend haben die zu Oligarchen gewordenen Revolutionäre in und außerhalb der Rohani-Administration die Widerstandswirtschaft zugunsten der Austeritätswirtschaft abgelehnt. Das hilft bei der Erklärung, warum das Atomabkommen so einseitig gegen den Iran gerichtet ist: Indem Präsident Rohani und sein Verhandlungsteam ihren Glauben, daß die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme des Irans in dessen Beitritt zu den globalen Finanzmärkten liegt, nicht zügelten, oder ihren Enthusiasmus, zum Pantheon des westlichen Kapitalismus zugelassen zu werden, nicht im Griff hatten, schwächten sie unbewußt ihre Verhandlungsposition. Zugleich verführten sie die USA und deren Anhang dazu, mit harten Bandagen zu kämpfen. 

Es hilft auch zu erklären, warum das Abkommen, wenn es durch den Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika ratifiziert wird, dem Iran größeren Schaden zufügen kann, als nur dessen wissenschaftliche Forschung und Entwicklung einzuschränken oder seine technologische Entwicklung aufzuhalten. Denn noch wichtiger ist, dass es seine Souveränität untergraben wird, da es für den Iran schwierig wäre, sich geopolitischen Plänen der USA [und deren Anhängseln] in der Region zu widersetzen, da dies ein snap-back der Wirtschaftssanktionen auslösen könnte. In der Tat würde der Iran im Fall einer zukünftigen geopolitischen Meinungsverschiedenheit oder einer Auseinandersetzung mit der USA vor einer Situation stehen, die mit dem in der amerikanischen Rechtssprechung üblichen Urteilshandel vergleichbar ist: Nimm, was geboten wird, oder es setzt lähmende wirtschaftliche Sanktionen. 

In diesem Licht betrachtet wird der Iran jetzt nach dem Atomabkommen kaum in einer Position sein, in der er sich den geopolitischen Plänen der USA widersetzen resp. diese beeinflussen könnte. Und das ist es, warum das Abkommen im Gegensatz zu gängigen Auffassungen nicht einen Sieg für den Iran [und dessen Verbündete], sondern für die Verbündeten der Vereinigten Staaten von Amerika wie Israel und Saudi-Arabien darstellt, trotz Benjamin Netanyahus Geschrei und Brustgetrommel. 

Siehe hierzu auch  Iran - verschärfte Sanktionen   und weitere Artikel auf politonline

 

Anmerkung politonline d.a. 
Aus den dargelegten Fakten geht unwiderlegbar hervor, dass das Abkommen den Iran der totalen Kontrolle der USA und des Westens unterwirft. Insofern ist die Folgerung von
Strategic Alert, »daß die tatsächliche Aufhebung der Sanktionen dazu führen wird, daß nicht nur der Iran zu einer regionalen Wirtschaftsmacht mit einem großen Markt aufsteigen wird, sondern daß auch die Strategie der Neuen Seidenstrasse  [5]  zur Entwicklung der Wirtschaft und Zusammenarbeit zwischen Ost und West eine ganz neue Dimension annehmen wird«, stark in Zweifel zu ziehen. Denn am 19. März 1999, fünf Tage vor dem Beginn der 78-tägigen Bombardierung Jugoslawiens, verabschiedete der US-Kongress unter Clinton das sogenannte Seidenstrassen-Strategie-Gesetz, den Silk Road Strategy Act H.R. 1152 - 106th Congress. Mit diesem Gesetz definiert die USA ihre umfassenden wirtschaftlichen und strategischen Interessen in dem breiten Korridor, der riesigen ehemaligen Region, die bis vor einigen Jahren zur wirtschaftlichen und geopolitischen Sphäre Moskaus gehörte und sich vom Mittelmeer bis nach Zentralasien erstreckt. Hierzu zitiert Wolfgang Effenberger  [6]  den US-Geostrategen Ariel Cohen, Mitarbeiter des Davis Institute for International Studies der Heritage Foundation: »Bereits im Juli 1997 erschien von diesem ein bemerkenswerter Artikel über den Aufbau einer Neuen Seidenstraße zur Erhöhung der US-ökonomischen  Prosperität. Dazu sei in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts der adäquate Zugang zu den kaukasischen und zentralasiatischen Öl- und Erdgasreserven zu sichern. Mit den reichlichen Ressourcen im postsowjetischen Raum hätte die USA eine Lösung für die gegenwärtigen Herausforderungen und würde sich vom instabilen Nahen Osten unabhängig machen. Laut Cohen verbindet die USA mit Eurasien neben dem Zugang zum Öl und Erdgas der Kaspischen Meerregion weitere geostrategische Interessen. So würden manche US-Politiker das Entstehen eines neuen russisches Imperiums zunehmend mit Sorge betrachten. Rußland könnte versucht sein, die amerikanischen Pläne zu durchkreuzen und selbst die exklusive Kontrolle über die Kaspi-Region gewinnen. Als nicht weniger bedrohlich wird das radikale islamische Regime im Iran gesehen und dessen potentieller Einfluß auf die islamischen zentralasiatischen Staaten.«

Mit anderen Worten: Mit dem Inkrafttreten des Nuklearabkommens wird der Iran als möglicher Partizipant an den Ressourcen der Seidenstrasse zwar nicht gänzlich ausgeschaltet, aber dennoch in Schach zu halten sein. Gleichzeitig dürfte man kaum in der Annahme fehlgehen, dass die USA alles daran setzen wird, die Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran nach Möglichkeit zu torpedieren. Jedenfalls hat sich die USA, segnet der Kongress das Abkommen ab, ihr Einfallstor in der Region endgültig gesichert, wodurch sie in ihrem Ziel, die Einkreisung Russlands voranzutreiben, einen bedeutenden weiteren Schritt zurückgelegt hätte. Mit dem gleichzeitig erzwungenen Zugang zu restlos allen für die Entwicklung des Landes notwendigen Stätten dürfte es sich dann hoffentlich auch überlebt haben, iranischen Atomwissenschaftlern nach dem Leben zu trachten. 

Was nun den von Obama im Fall der Nichterfüllung der das Land knebelnden Konditionen angedrohten Einsatz militärischer Gewalt angeht, so sollte man sich der Worte des vormaligen Chefs der Internationalen Atomenergie Agentur, ElBaradei, erinnern: »Wer den Iran angreift, ist verrückt. Ein Angriff würde die gesamte Region zerfetzen.«   

[1]  Strategic Alert Jahrgang 28, Nr. 30 vom 22. Juli 2015  
[2]  http://bazonline.ch/ausland/amerika/ussenat-nimmt-den-atomdeal-auseinander/story/17395900   23. 7. 15
   
[3] 
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/dr-paul-craig-roberts/das-atom-abkommen-mit-dem-iran.html   10. 7. 15  Das Atom-Abkommen mit dem Iran  -  Von Dr. Paul Craig Roberts 
[4]  http://www.counterpunch.org/2015/07/24/making-sense-of-the-iran-nuclear-deal-geopolitical-implications/  
July 24, 2015 
Making Sense of the Iran Nuclear Deal: Geopolitical Implications by Ismael Hossein-zadeh  http://ismaelhossein-zadeh.com/ 
Die deutsche Version des Artikels ist der website  http://antikrieg.com/inhalt.htm  zu verdanken 
[5] 
Chinas Präsident setzt die »Neue Seidenstrasse« wieder auf die Tagesordnung 
[6] 
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/machtpoker-entlang-der-historischen-seidenstrasse.html  13. 1. 2010 Machtpoker entlang der historischen Seidenstraße - Wolfgang Effenberger