Herr Präsident, sind Sie dabei, den Nahen Osten in die Luft zu sprengen? - Von F. William Engdahl 14.02.2016 23:56
Ich habe das sehr ungute Gefühl, daß der US-Präsident eine Verkettung
von Ereignissen auslöst, die den Nahen Osten buchstäblich
in die Luft sprengen werden. Ich habe schon früher die recht bedächtigen
Schritte, Fehllenkungen und Unternehmungen
der wichtigsten Akteure der Regierung Obama, vom Präsidenten selbst über den
Außenminister John Kerry, den CIA-Direktor John Owen Brennan, den Vorsitzenden
der Vereinigten Stabschefs, General Joseph ›Kämpfer
Joe‹ Francis Dunford Jr., bis hin
zum Spezialisten Washingtons für schmutzige Tricks und jetzigen
UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten,
Jeffrey D. Feltman, und den zahlreichen anderen, die weniger im Rampenlicht stehen, im Detail beschrieben. Die
Reaktion dieser Leute auf die Provokationen des türkischen Sultans im
Wartestand Recep Tayyip Erdogan, der bislang nur türkischer Präsident ist, und
des Verteidigungsministers Saudi-Arabiens und Königs in spe, Prinz Mohammed
Salman, in den Monaten seit dem überraschenden Eintritt Rußlands auf der Seite
des rechtmäßig gewählten Präsidenten Baschar al-Assad in den Syrienkrieg sind
eindeutig nicht die Folge einer stümperhaften, verworrenen Politik Washingtons.
Washington hat für den vom Wahn besessenen Prinzen Salman der saudischen
Monarchie und seinen Busenfreund Erdogan eine gewaltige, tödliche Falle
aufgestellt. Jetzt sieht es so aus, als würden sie in ihre Falle
hineinspringen. Zunächst ist es sinnvoll, sich ein wenig genauer die von der
UNO betreuten ›Friedensgespräche‹ Genf III, die in der ersten
Februarwoche begonnen haben, anzuschauen. Die Gespräche waren trotz der
russischen und syrischen Bemühungen von Anfang an eine Farce. Die von der UNO
eingesetzte Hauptperson, um die Sabotage der Genfer Vorgänge zu steuern, ist
der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Jeffrey D. Feltman.
Der Feltman-Bandar-Plan Feltman ist ein Spezialist für schmutzige Tricks des
US-Außenministeriums. Er war 2005, zum Zeitpunkt der Ermordung des
libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri Botschafter im Libanon. Davor
diente Feltman im Irak unmittelbar nach der militärischen US-Invasion. Noch
früher, in den frühen 1980er-Jahren, hatte man ihn in Jugoslawien eingesetzt,
um eine Rolle bei der Aufteilung des Landes durch
Washington zu übernehmen. Sein Lebenslauf deutet darauf hin, daß er ein
Spezialist der US-Regierung für ihre sehr beliebte und sehr häufig ausgeübte
Kunst, Nationen aufzustückeln, war. Zurzeit leidet Feltman an der
Zwangsvorstellung, das Regime Baschar al-Assads zu Fall zu bringen. Das ist
nicht gerade ein unparteiischer Friedensmittler. Tatsächlich hatte Feltman 2008
zusammen mit dem ehemaligen Botschafter Saudi-Arabiens in Washington, Prinz
Bandar bin Sultan, einen geheimen Plan verfaßt. Bandar hatte wegen seiner engen
Beziehungen zur Familie Bush von George W. Bush den Spitznamen ›Bandar Bush‹ bekommen. Der Feltman-Bandar-Plan flog 2011 in den internen
Dokumenten mit den Tausenden von Dateien auf, die Hacker von ›Stratfor‹, jener
undurchsichtigen US-Beratungsagentur für ›strategische
Intelligenz‹ für das
US-Verteidigungsministerium und die Rüstungsindustrie, veröffentlicht haben.
Jener Feltman-Plan, den Bandar nach Berichten mit 2 Milliarden
Dollar aus seiner privaten Schatulle finanziert hat, beschreibt im Detail, was
dann eingetreten ist, nachdem Washington unter der damaligen Außenministerin
Hillary R. Clinton nach der Zerstörung von Gaddafis Libyen im März 2011 den
Krieg in Syrien in Gang gebracht hatte. Der Feltman-Bandar-Plan baute ›strategisch‹ auf der Ausbeutung des legitimen Wunschs der Völker nach
Freiheit, Würde und Abschaffung der Korruption auf, indem er diese Wünsche in
einen Aufstand gegen Assad umwandelte. Auch sah er die Aufteilung Syriens unter
verschiedene ethnische Gruppen vor: Die Alawiten, Sunniten, Schiiten, Kurden,
Christen, und teilte das Land in drei Bereiche ein: in Großstädte, Kleinstädte
und in Dörfer. Danach sollten die USA, Saudi-Arabien sowie ausgewählte
Verbündete verdeckt mit der Rekrutierung und Ausbildung von Akteuren auf fünf
Ebenen oder Netzwerken beginnen. Sie sollten unter Anleitung durch die CIA und
den Saudi-Nachrichtendienst, dessen Leitung Bandar danach übernahm, die
Zerstörung oder nationale Zerstückelung Syriens durchführen. Der Plan skizziert
folgende fünf Netzwerke, die man manipulieren wollte:
- Als Zündstoff::
ausgebildete, arbeitslose Jugendliche, die auf eine dezentralisierte Weise
miteinander in Verbindung gebracht werden sollten.
- Schläger:
Gesetzlose und Verbrecher aus entlegenen Gebieten, vorzugsweise Nicht-Syrer.
- Ethnische Sektierer:
junge Menschen mit geringer Bildung aus ethnischen Gruppen, die den Präsidenten
unterstützen oder ablehnen; sie sollten unter 22 Jahre alt sein.
- Medien: einige
Führer von Institutionen der Zivilgesellschaft mit europäischer, nicht
amerikanischer, Finanzierung, um die Rolle der USA verborgen zu halten.
- Als Kapital: nur
Händler, Unternehmer, Banken und Einkaufszentren in Damaskus, Aleppo und Homs.
Das Ziel jenes Feltman-Bandar-Plans von 2008 war laut
informierten Quellen, Syrien zurück in die Steinzeit zu versetzen. Der Plan forderte
jeden der von den Saudis und der CIA rekrutierten Bereiche auf, ›schreckliche blutige Massaker gegen
diejenigen, die sich nicht fügen, zu begehen. Diese Verbrechen müssen gefilmt
und so schnell wie möglich in die Medien gebracht werden‹. Wenn wir uns die zahllosen Fotos von den heutigen Großstädten,
Städten und Dörfern in Syrien ansehen, dann hat man das Ziel in dem fast fünf
Jahre dauernden Krieg ziemlich genau erreicht.
Schuldvorwürfe gegen die Russen und Assad In Genf hat die von den Saudis unterstützte ›Opposition‹, der pompös klingende ›Hohe
Verhandlungsausschuß‹ (HNC), dessen
Mitglieder von der saudischen Monarchie unter den sunnitischen Stämmen
handverlesene Saudi-Anhänger sind, und auf den sich die Medien als das ›wichtigste Oppositionsbündnis‹ beziehen, bisher nichts anderes
unternommen als querzutreiben und darauf zu bestehen, daß die Gespräche in Genf
so lange nicht vorankommen, wie die Vereinten Nationen nicht die ›Verbrechen‹ der syrischen Regierung als Vorbedingung für ihre Teilnahme beendet
haben. Schließlich hat sich am 2. Februar die für Genf handverlesene Delegation
des saudi-arabischen HNC von den Gesprächen zurückgezogen und damit praktisch die gesamten
Bemühungen zu Fall gebracht. Ihre Begründung war eine Lüge. Sie nannte
als Grund für ihren Auszug die anhaltenden unterstützenden Bombardements Rußlands
zur Befreiung Aleppos und anderer von den Terroristen belagerter Städte in
Syrien und warf Rußland und Assad die Verletzung ›internationalen Rechts‹
vor. Sie gab nicht an, auf welches Recht sie sich genau bezog.
Insbesondere hat der Sprecher des ›Hohen Verhandlungsausschusses‹,
Farah al-Atassi, völlig falsch angegeben, daß die fortlaufende syrisch-russische
Offensive gegen den Daesh resp. IS und gegen die syrische terroristische al-Qaida-Gruppe
namens al-Nusra-Front für den HNC der Grund sei, das Treffen platzen zu lassen:
»Unser Ziel ist die Gewährleistung der sofortigen Umsetzung der Absätze 12 und
13 der UN-Resolution 2254 vor Beginn irgendeiner Verhandlung. Aus der
gegenwärtigen Situation geht klar hervor, daß das Regime und seine Verbündeten,
insbesondere Rußland, fest entschlossen sind, die Bemühungen der UNO
abzulehnen, internationales Recht umzusetzen.« Paragraf 12 der UN-Resolution
vom Dezember 2015 lautet im Auszug wie folgt: »Fordert die Parteien auf, den
Hilfsorganisationen in ganz Syrien auf dem direktesten Weg sofort schnellen,
sicheren und ungehinderten Zugang zu gestatten, damit alle Menschen in Not die sofortige humanitäre Hilfe
erreicht, insbesondere in allen belagerten und schwer zu erreichenden
Gebieten...« Humanitäre Hilfsmaßnahmen mit Notnahrungsmitteln und medizinischer
Versorgung aus der Luft durch die syrische Luftwaffe wurden ständig von eben
diesem IS, der al-Nusra-Front und anderen mit Saudi-Arabien verbündeten
Terrorgruppen immer wieder sabotiert. Darüber hinaus besagt Paragraf 13 nichts
über eine vollständige Waffenruhe aus, die noch VOR den Genfer Gespräche
beginnen könne. Paragraf 13 lautet im Auszug ferner wie folgt: »Verlangt, daß
alle Parteien mit sofortiger Wirkung alle Angriffe gegen Zivilisten und zivile
Objekte als solche einstellen, einschließlich Angriffe auf medizinische
Einrichtungen und Personal, und jeden wahllosen Einsatz von Waffen, unter
anderem durch Beschuß und Bombardierung. Er begrüßt die Zusage der ISSG, die
Parteien dahingehend zu drängen, und verlangt des weiteren, daß alle Parteien
unverzüglich ihren Verpflichtungen gegenüber dem Völkerrecht, einschließlich
dem humanitären Völkerrecht und den zutreffenden internationalen Menschenrechtsnormen
nachkommen.«
Jetzt machen sich in perfekter Abstimmung mit Washington
deren Mann in der UNO, Feltman, Prinz Salman und Recep Tayyip Erdogan von der
Türkei daran, die Zündschnur etwas anzuzünden, was als einer der dramatischsten
Fälle ›nationaler Zerstückelung‹ seit 1939 Gestalt annimmt. Nur weil
die neunmalklugen Prinz Salman und
Erdogan aufgrund der lockeren und subtilen Ermutigung durch John Kerry, Joe
Biden und andere in Washington fest davon überzeugt sind, grünes Licht für die
Eroberung und Übernahme der reichen Öl- und Gasvorkommen Syriens und die sich
für die Türkei eng daran angrenzenden riesigen Öllagerstätten bei Mosul im Irak
bekommen zu haben, sind sie tatsächlich dabei, in eine schreckliche Falle zu
tappen. Diese Falle wird darin bestehen, daß wahrscheinlich die Karte der
gesamten Nahost-Region zum ersten Mal seit dem geheimen britisch-französischen
(und russischen - vor der bolschewistischen Machtergreifung im
Jahre 1917) Sykes-Picot-Plan grundlegend
neu gezeichnet wird. Wie im Jahre 1916 werden nicht die Kartografen und
Geografen Riads oder Ankaras die neuen Grenzen festlegen. Das werden die anglo-amerikanischen
vornehmen, jedenfalls ist das der Plan des Spiels.
Anscheinend können wir Amerikaner in diesen Tagen nur
noch Kriege organisieren. Früher einmal haben wir hochwertige Automobile,
Stahl, Werkzeugmaschinen hergestellt, um unsere Industrie auszubauen.
Quelle:
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/f-william-engdahl/herr-praesident-sind-sie-dabei-den-nahen-osten-in-die-luft-zu-sprengen-.html 8. 2. 2016 Herr
Präsident, sind Sie dabei, den Nahen Osten in die Luft zu sprengen? - Von F.
William Engdahl
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