Die EU lässt nicht locker 28.02.2016 21:28
Es scheint, dass die EU über die Obsession einer Einkreisung und
Schwächung Russlands nicht hinauskommt,
wie dies aus dem nachfolgenden Bericht von ›German
Foreign Policy‹
hervorgeht:
Berlin nutzt seine OSZE-Präsidentschaft im
laufenden Jahr zur Ausdehnung des deutsch-europäischen Einflusses in mehreren
Sezessionsgebieten am Schwarzen Meer und im südlichen Kaukasus. Ziel der Einflußarbeit
ist die ›Europäisierung‹ Transnistriens, Abchasiens und
Berg-Karabachs und damit eine Schwächung Rußlands,
das bislang eine starke Position in den genannten Republiken hält. Für Moskau
trägt der Einfluss in den Sezessionsgebieten dazu bei, seine Stellung rings um
das Schwarze Meer zu sichern, das als Sprungbrett ins Mittelmeer und damit auch
als Basis seiner globalen Machtprojektion dient.
Die deutsche Politik gegenüber den
international von nur wenigen Staaten anerkannten Sezessionsrepubliken ist
bisher wenig erfolgreich. Als Mittel der Einflußnahme dient neben Maßnahmen
der ›Konfliktbewältigung‹, die im OSZE-Rahmen
durchgeführt werden, nicht zuletzt die ökonomische Kooperation: Deutsche
Unternehmen entwickeln durchaus Interesse an Geschäften mit den betreffenden
Gebieten, die allesamt eine industrielle Tradition haben.
Der Weg ans Schwarze Meer Bereits seit über einem Jahrzehnt baut die
Europäische Union ihre Stellung rings um das Schwarze Meer aus. Nach dem Start
der ›Europäischen
Nachbarschaftspolitik‹ ENP im
Jahr 2003 führte sie erstmals gemeinsame Projekte mit der Ukraine, der Republik
Moldau und den drei Südkaukasus-Staaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan
durch, begleitet von Sanktionen gegen Transnistrien, das sich von der Republik
Moldau abspalten will. Mit den EU-Operationen ›EUJUST
THEMIS‹ in
Georgien im Jahr 2004, dem ›EUSR
Border Support Team‹
im gleichen Land ein Jahr später, ›EUBAM‹ Moldova/Ukraine im Jahr 2005 und
der Erweiterung der EU um Rumänien und Bulgarien 2007, drang die Europäische
Union dann selbst unmittelbar in die Region vor. Seitdem ist sie nicht nur
Anrainer des Schwarzen Meers, sondern darüber hinaus mit Justizbeamten, Polizei
und Militär in Georgien, Moldau und der Ukraine präsent. Im Mai 2007 lautete
die Bilanz des damalige EU-Repräsentanten für den Südkaukasus, Peter Semneby: »Die
EU ist nun eine Schwarzmeermacht!« Nach dem fehlgeschlagenen Angriff des in
die EU strebenden Georgiens auf Südossetien im August 2008 kam im September
2008 mit der Beobachtermission ›EUMM
Georgia‹
noch eine weitere Polizeimission an den Grenzen Georgiens zu seinen abtrünnigen
Republiken Abchasien und Südossetien hinzu.
Europäisierung Transnistriens? Während die deutsche Moldaupolitik vor dem
kompletten Scheitern steht, hat die Bundesrepublik zuletzt in der abtrünnigen
und international nicht anerkannten moldauischen Republik Transnistrien, Pridnestrowische
Moldauische Republik, einen Erfolg verbuchen können. Transnistrien gilt seit
den 1990er Jahren als Teil des unmittelbaren russischen Einflußgebiets.
Bereits im Jahr 2010 hatte ein Referent der Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die
Grünen) dafür plädiert, die EU müsse ihre direkten Kontakte zur Sezessionsrepublik
verstärken, um eine Europäisierung des Gebiets voranzubringen. Dazu sollte dort
die Werbung für die EU intensiviert und die sogenannte Entwicklungshilfe direkt
in die Hauptstadt Tiraspol überwiesen werden, ohne sie über die Republik Moldau
zu leiten, der Transnistrien offiziell bis heute angehört. Im Einklang mit
diesem Ansatz gab das Auswärtige Amt 2012 eine Studie über den deutschen Handel
mit Transnistrien in Auftrag. Wie die Bundesregierung 2014 einräumte, ist sie
zudem darum »bemüht,
bei Vorhaben auf kommunaler Ebene insbesondere auch Gemeinden aus [...]
Transnistrien in die Zusammenarbeit einzubeziehen.« Ein Punktsieg Inzwischen ist es Brüssel und Berlin und
tatsächlich gelungen, Transnistrien enger an die EU zu binden. Nachdem Brüssel
angekündigt hatte, seit Jahren bestehende Handelspräferenzen für die
Sezessionsrepublik Ende 2015 auslaufen zu lassen, sah sich die transnistrische
Führung gezwungen, mit EU-Vertretern Gespräche über ein neues Handelsabkommen
zu führen; ein Ende der EU-Handelspräferenzen hätte zahlreiche transnistrische
Firmen in den Ruin getrieben, denn rund 35 % der Exporte Transnistriens gehen
in die EU. Am 7. Dezember 2015 erklärten transnistrische Behördenvertreter,
Transnistrien werde dem ›Freihandelsabkommen‹ DCFT der Republik Moldau mit der
EU beitreten. Dazu werde man Teile der transnistrischen Handelsgesetzgebung an
WTO-Standards anpassen und unter anderem eine Mehrwertsteuer einführen.
Letztere war in Transnistrien vor 16 Jahren abgeschafft worden; sie würde zur »Verarmung
eines Gutteils der Bevölkerung« führen, erläuterte die von 2000 bis 2011
amtierende transnistrische Wirtschaftsministerin Elena Tschernjenko. Die EU treibt
somit die Europäisierung Transnistriens voran und überwacht auch die Einführung
armutsfördernder Maßnahmen und - ein wichtiger Punktsieg im Einflußkampf
gegen Moskau.
Schwieriges Terrain Abchasien Mit dem Jahr 2006 begann die EU,
sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen in der georgischen
Teilrepublik Abchasien zu unterstützen, um auch dort eine Abkehr von Rußland
und die Europäisierung zu fördern. Allerdings haben sich die Beziehungen seit
dem Zeitpunkt, als Moskau nach dem Georgien-Krieg die Unabhängigkeit Abchasiens
2008 anerkannte, nur schwierig entwickeln können. Berlin und Brüssel sind im
politischen Bereich, aber auch in der abchasischen Öffentlichkeit, mit hohen
Hürden konfrontiert. Eine 2011 durchgeführte repräsentative Umfrage in
Abchasien ergab, daß viele Bewohner der Region von der EU enttäuscht
seien, da Brüssel seine Beziehungen zu der Republik ausschließlich mit
geostrategischen Faktoren begründe und das Ziel verfolge, Rußland
aus dem Südkaukasus herauszudrängen. Im April 2012 erklärte das abchasische
Außenministerium den Leiter von ›EUMM
Georgia‹,
den früheren polnischen General Andrzej Tyszkiewicz, zur ›Persona non grata‹, da er Abchasien keinen Respekt
zolle und im Sezessionsstreit eine einseitig pro-georgische Position einnehme. Als
EU-Vertreter im vergangenen Jahr erklärten, in der abchasischen Hauptstadt
Suchumi ein Repräsentationsbüro eröffnen zu wollen, trafen sie auf politischen
Widerstand. Repräsentanten Abchasiens verweigerten ihre Zustimmung: Die EU
könne kein solches Büro eröffnen, wenn sie die Unabhängigkeit der Sezessionsrepublik
nicht anerkenne.
Wirtschaftskontakte Trotz der schwierigen politischen
Beziehungen bauen immer mehr EU-Firmen, darunter auch deutsche, ihre
Wirtschaftskontakte mit der international kaum anerkannten Republik aus. So
bekundeten im Jahr 2013 Vertreter von Pfeifer und Langen, dem drittgrößten
deutschen Zuckerproduzenten, Interesse an Geschäften mit Abchasien - trotz
eines georgischen Embargos. Allerdings liegen deutsche Firmen hinter türkischen
und italienischen Unternehmen zurück; letztere gehören zu den wichtigsten
westlichen Handelspartnern Abchasien. Das Land wickelt lediglich 2 % seines
Außenhandels mit Deutschland ab. Ein verbesserter Zugang zum abchasischen Markt
gälte als Chance, die russische Position am Schwarzen Meer zu schwächen;
Beobachter halten jedoch die dazu notwendigen engeren politischen Kontakte
Abchasiens zur EU derzeit für unwahrscheinlich.
Komplizierte Lage in Berg-Karabach Weitaus komplizierter entwickeln sich die
Beziehungen der EU und Deutschlands zur Sezessionsrepublik Berg-Karabach,
Nagorny-Karabach/Arzach, die sich von Aserbaidschan abspalten will. Ende der
1980er Jahre war Berg-Karabach ein industrielles Zentrum der Sowjetunion,
dessen Wirtschaftsdaten teilweise über dem sowjetischen Durchschnitt lagen. In
den 20 Jahren nach dem offiziellen Ende des Berg-Karabach-Kriegs zwischen
Armenien und Aserbaidschan im Jahr 1994 konnte vor allem Frankreich gute
Beziehungen zu der Sezessionsrepublik aufbauen. Im September 2015 fanden die ›Französischen Tage‹ in Arzach statt, und viele
französische Städte unterhalten Partnerschaften mit Orten in Berg-Karabach. Für
Deutschland sind Kontakte in das Gebiet delikat, da Berlin auf enge Beziehungen
zur Türkei und zur Petro-Diktatur in Aserbaidschan setzt.
›Volksgruppen‹-Parteien Seit letztem Jahr versuchen jedoch auch
deutsche Politiker und Diplomaten, auf Berg-Karabach verstärkt Einfluß
zu nehmen. So traf sich der im Juli 2014 zum Speziellen Repräsentanten der EU
für den Südkaukasus ernannte Diplomat Herbert Salber im November 2014 mit dem
Außenminister der Sezessionsrepublik. Im Herbst 2014 reisten außerdem zwei
Bundestagsabgeordnete der CDU nach Berg-Karabach, um dort offizielle Gespräche
zu führen; einer der Abgeordneten ist Ordentliches Mitglied im Auswärtigen
Ausschuß
des Bundestags. Im April 2015 nahm die ›European
Free Alliance‹
EFA, in der ›Volksgruppen‹-Parteien aus ganz Europa
zusammengeschlossen sind, bei ihrem Kongreß in Bautzen die
Demokratische Partei Arzachs DPA als assoziiertes Mitglied auf. Die
EFA wirbt für Grenzrevisionen in der EU und neuerdings offenbar auch über
sie hinaus. Die 2005 gegründete DPA ist die stärkste Partei im
Parlament Berg-Karabachs und stellt seit 2010 den Parlamentspräsidenten. Im
Januar dieses Jahres kündigte die deutsche Botschafterin in Aserbaidschan an,
daß
sich Berlin im Rahmen der deutschen OSZE-Präsidentschaft auch dem
Bergkarabach-Konflikt stärker widmen werde.
Keine Chance: Südossetien Lange Zeit hatten sich die EU-Bemühungen
innerhalb Georgiens auf die südossetische Sezessionsrepublik konzentriert. Der
dortige Konflikt galt als derjenige, der in der gesamten Region die besten Chancen
auf eine Lösung hatte. Doch sind mit dem georgischen Überfall vom August 2008
die Möglichkeiten auf eine Annäherung auf absehbare Zeit wohl zunichte gemacht
worden. Die südossetische Führung strebt derzeit die volle Integration in die
Russische Föderation an und hat durch einen Integrationsvertrag mit Rußland
- gemeinsam mit Abchasien - de facto eine Assoziierung an die Eurasische Wirtschaftsunion
eingeleitet. Eine wirksame deutsche Einflußnahme auf
Südossetien scheint gegenwärtig chancenlos.
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59316 25. 2. 16 Die Schwarzmeermacht EU
Siehe hierzu auch
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1989 23. 8. 12 Alle Macht an Brüssel - Von Russland keine Rede
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