Roman Tschupp - Die drei Institutionen hinter der EU

Kaum ist die Erweiterung der Personenfreizügigkeit vom Volk angenommen worden, diskutiert man vielerorts schon wieder über den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union. Nachdem viele Befürworter vor der Abstimmung noch verlauten liessen, die Annahme der Personenfreizügigkeit sei der sicherste Weg, um einem EU-Beitritt zu entgehen, scheint dies nun vergessen, und FACTS suchte schon einmal vorsorglich das Beitrittsgesuch der Schweiz in Brüssel [1].

Es ist deshalb an der Zeit, drei der mächtigsten Institutionen hinter der EU etwas genauer anzuschauen. Ich kann den Leser allerdings beruhigen. Statt an das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission, dachte ich an die UNICE, den ERT und den TABD. Alle drei kommen sie aus der Wirtschaft und haben grossen Einfluss auf die Politik der EU und  -  wie wir sehen werden -  von Zeit zu Zeit auch auf die Bilateralen in der Schweiz. Da ich Ihnen diesen Zusammenhang nicht vorenthalten möchte, beginnen wir gleich mit der UNICE.
 
Die „Union des Industries de la Communauté Européenne“, kurz UNICE, entstand im März 1958 aus der „Union des Industries des pays de la Communauté Européenne“, welche zum 1949 gegründeten „Conseil des Fédérations Industrielles d'Europe“ (CIFE) gehörte. Letzterer wurde gegründet, um den Wiederaufbau im Nachkriegseuropa zu fördern. Heute veröffentlicht UNICE jedes Jahr um die hundert, von verschiedenen Task Forces ausgearbeiteten „official UNICE position papers“, in welchen Vorschläge zu EU-Gesetzgebungen wiedergegeben werden. Danach sei es, laut der offiziellen Website [2], Aufgabe der Mitglieder, dafür zu sorgen, dass die Vorschläge berücksichtigt werden, wenn die Gesetzgebung beschlossen wird. Zu diesen Mitgliedern gehören zur Zeit 39 Wirtschaftsverbände aus 33 Staaten und es dürfte auch niemanden verwundern, dass auf der Mitgliederliste auch die Propaganda-Schleuder Economiesuisse aufgeführt wird.
 
1983 ging aus der UNICE eine weitere Organisation hervor, die einen noch beträchtlicheren Einfluss auf die Politik der EU haben sollte. Im Beisein der beiden EU-Kommissare Etienne Davignon * und Francois-Xavier Ortoli wurde in Paris im April 1983 der „European Round Table of Industrialists“, kurz ERT genannt, gegründet. Das Ziel der CEOs von 48 der grössten europäischen Unternehmen sei  - so der ERT selbst -  ein einziger Markt aus letzten Endes 450 Millionen Bürgern, der flexibel genug sei, die in einem globalen Umfeld nötigen Änderungen zu vollziehen, und welcher es den europäischen Unternehmen erlaube, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Laut Nestlés Ex-Verwaltungsratspräsident in seiner Funktion als damaliger Vorsitzender des ERT sei der European Round Table of Industrialists „teilweise eine Lobby, aber nicht für die Interessen einzelner Industriezweige, sondern für die Wettbewerbsfähigkeit Europas.“ Da dies ein grundsätzliches Anliegen sei, das europäische Behörden mit ihnen teilten, seien sie auch bevorzugte Gesprächspartner in diesen Angelegenheiten. 3 Oder, wie es der Topmann des Ölkonzerns BP Amoco, Peter Sutherland *, ausdrückt: „Ich denke, dass sich die Bedeutung des ERT nicht einfach daraus ergibt, dass über ihn zwischen den wichtigsten Industrien in Europa ein kohärenter Ansatz koordiniert und erzeugt wird, sondern daraus, dass seine Mitglieder auf der obersten Unternehmensebene tätig sind und dass praktisch alle von ihnen aufgrund ihrer Position in den Konzernen einen ungehinderten Zugang zu den Regierungschefs haben. Tatsache ist, dass es der ERT nur den grössten Konzernen in jedem Land der Europäischen Union erlaubt, Mitglied zu werden. So hat schon per definitionem jedes Mitglied Zugang zu den höchsten Regierungsebenen [3].
 
Die Macht des ERT wird dadurch gefördert, dass die EU-Kommission zwar über das Initiativrecht verfügt, die politischen Entscheidungen jedoch nach wie vor von der Entscheidungsmacht des Ministerrates abhängig sind. Deswegen ist es für die Kommission oftmals entscheidend, die Unterstützung mächtiger gesellschaftlicher Gruppen zu gewinnen. Einen der grössten Coups landete der ERT mit dem Maastricht-Vertrag, welcher die neoliberale Orientierung in der EU bekanntlich sehr beschleunigte. Um den Einfluss des ERT auf dieses Vertragswerk zu erfassen, ist hier nochmals Peter Sutherland zuzuhören: „Man kann behaupten, dass nicht die Regierungen die Durchführung des Binnenmarktkonzeptes anregten, sondern der Roundtable und seine Mitglieder. Ich denke überdies, dass er auch danach eine ziemlich beständige Rolle spielte, indem er sich mit der Kommission darüber austauschte, wie die Marktliberalisierung praktisch umzusetzen ist.“ Was beim Maastricht-Vertrag passierte, geschah auch noch später und findet auch noch heute statt. Profanes Lobbying muss dieser „Privatklub“ laut Junge Welt nicht betreiben, er teile seine „gemeinsame Meinung“ schlicht den EU-Institutionen, einzelnen Kommissaren oder am besten gleich dem Präsidenten der Kommission mit. Es stelle sich dann meistens heraus, dass man einer Meinung ist bzw. dass die Kommission macht, was der ERT vorschlägt [4].
 
Da gerade top-aktuell, kommt zum Schluss noch der TABD zur Sprache. Der Trans-Atlantic Business Dialogue ist ein Forum für 30 CEOs europäischer und amerikanischer Firmen. 1995 als ein Teil der „New Transatlantic Agenda“ (NTA) gegründet, ist das Ziel des TABD  - wie könnte es auch anders sein -  einen von jeglichen Hemmnissen befreiten, transatlantischen Markt zu errichten, welcher als Beschleuniger für Wohlstand und eine weltweite Freie Marktwirtschaft fungieren soll. Nach eigenen Angaben arbeitet der TABD mit dem State Department, dem „US Trade Representative’s Office“, den EU-Kommissaren für Unternehmen und Handel und dem Vorsitz des Rates der Europäischen Union (zur Zeit England) zusammen [5]. Diese Zusammenarbeit mit der EU sei, laut Thierry Meyssan, letzthin ausgeweitet worden, habe doch der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, 70 Projekte zur Gesetzgebung verworfen, weil sie angeblich zu komplex seien und die öffentliche Meinung störten. Laut Thierry Meyssan will er solche Sachen ab jetzt einem „Forum réglementaire transatlantique animé par les grands patrons du TABD“ überlassen [6]. Warum auch nicht, spielte doch der TABD nach eigenen Angaben schon bei der Festlegung von Standards im Bereich Telekommunikation, Kosmetik und Medikamente zwischen der EU und den USA eine grosse Rolle. Sieht man sich die Mitgliederliste des TABD an, sind da einige crème de la crème Firmen vertreten wie zum Beispiel Coca-Cola, General Electric, Deutsche Bank, Philips etc.
 
Diese Richtigstellung der Machtverhältnisse in der EU soll dazu beitragen, den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern zu einer umfassenden Meinung über einen EU-Beitritt der Schweiz zu verhelfen. Dies besonders in einer Zeit nach den angenommenen Bilateralen, in welcher ein EU-Beitritt wieder vermehrt zur Sprache kommen wird. Wer sich als Spielball der „Kosmokraten“ in die EU einreihen will, soll sein Kreuz entsprechend machen.
 
Meine persönliche Meinung ist, dass es auch Wege gibt, ein Ticket für eine wirklich neue und gerechtere Ordnung dieser Welt zu lösen. Mit einer Neinstimme allein wird es zwar noch nicht getan sein. Aber ist der bequemste Weg denn auch zwingend der Beste?
 
 
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Etienne Davigon ist ein langjähriger Bilderberger und hat derzeit den stellvertretenden Vorsitz bei den jährlichen Treffen, von denen Sie im allgemeinen nichts aus der Presse erfahren, inne.
Desgleichen Peter D. Sutherland. Für nähere Einzelheiten siehe den Bericht über die ‚Bilderberger-Konferenz 2005’ resp. den über das ‚50. Bilderberger-Treffen vom 3. bis 6. Juni 2004  in Stresa’ auf unserer homepage.



[1] FACTS vom 29.September 05 S.22

[2] http://www.unice.org

[3] http://www.jungewelt.de/2004/08-17/004.php

[4] http://www.jungewelt.de/2004/08-17/004.php

[5] http://www.tabd.com/about