Verträge« rechtfertigt nicht, die Souveränität der Schweiz preiszugeben. In verdankenswerter Weise nimmt der Chefredaktor Eric Gujer die längst notwendige Debatte über das Verhältnis der Schweiz zur EU auf. In seinem Leitartikel »Die Schweiz muss mehr Selbstbewusstsein zeigen« spricht er sich dann allerdings für den Abschluss eines Rahmenabkommens mit der Europäischen Union aus, also für ein Abkommen, das die Schweiz verpflichtet, in weiten Rechtsbereichen auf die Selbstbestimmung zu verzichten, diese der EUabzutreten und auch die Streitbeilegung dem EU-Gerichtshof
zu übertragen. [1] Oder, wie es der damals für dieses Dossier zuständige
Staatssekretär, Yves Rossier, in der ›NZZ
am Sonntag‹ ausdrückte: »Ja, es sind fremde Richter, es
geht aber auch um fremdes Recht.«
Debatten im Halbdunkeln
Gujer stört die frühzeitige Stellungnahme zu diesem
noch nicht bis ins Detail vorliegenden Rahmenvertrag. Besonders hart geht er
mit der SVP ins Gericht, die nicht nur den Vertrag, sondern schon das
Verhandlungsmandat ablehnte: Die SVP sei »aussenpolitisch irgendwo zwischen Tells Apfelschuss und dem Jahr 1291
stehengeblieben«. Nun, was
zwischen Tells Apfelschuss und 1291 passiert ist, entzieht sich meiner
Kenntnis. Aber soviel steht fest: Wer für die Schweiz ein Rahmenabkommen
abschliessen will, das so grundlegende
Werte des Landes preisgibt, fällt weit ins Mittelalter und weit vor 1291
zurück. Zumindest haben die einfachen Bauern damals gerade das fremde Recht und
diese Art fremder Herrschaft beseitigt.
Die Delegation der Rechtssetzung an eine fremde Macht
und der Rechtsprechung an fremde Richter ist unhaltbar
Gujer bedauert, dass die Debatte beendet sei, bevor
sie begonnen habe. Er glaubt, dies sei das Ergebnis »beträchtlicher Denkfaulheit«. Tatsächlich wäre genügend Zeit
vorhanden gewesen. Allzu viele scheuten sich aber, über die Absicht und das
Ziel dieses Vertrags zu diskutieren, weil dessen Verwerflichkeit sonst allzu
rasch erkennbar gewesen wäre. Darum sind der Bundesrat und die
Vertragsbefürworter in Parlament, Verwaltung und Medien bis heute dem
Grundsätzlichen ausgewichen. Die Bereitschaft, unser Selbstbestimmungsrecht,
die Rechtssetzung und Rechtsprechung der EU zu überlassen, war von Beginn weg
nicht zu leugnen. Aber dazu stehen, das wollte man nicht.
Schon zu meiner Bundesratszeit, also vor 2007, war der
Rahmenvertrag ein Thema, das aber glücklicherweise damals noch keinen Anklang
fand. Am 7. Juli 2011 legte der vom Bundesrat bestellte Zürcher Staatsrechtler
Daniel Thürer ein ›Gutachten über
mögliche Formen der Umsetzung und Anwendung der bilateralen Abkommen‹ vor. Dieses Gutachten ist eine
Anleitung, wie man die Schweiz ohne Volksabstimmung
in die EU führt, nämlich dadurch, dass das EU-Recht über das schweizerische
Recht gestellt wird, wie es ja das angestrebte Rahmenabkommen vorsieht. Dieses
Gutachten sollte streng geheim bleiben. Nicht zuletzt unter dem Druck der SVP
stellte es der Bundesrat dann am 20. Dezember 2012 nach 18 Monaten doch noch
still und leise ins Internet.
»Anleitung
zum Staatsstreich«
Die Auffassung des Gutachters, in dieser Weise Volk und Stände zu
entmachten, kritisierte ich anlässlich
der Albisgütli-Tagung 2013 und bezeichnete das Vorgehen als »Anleitung zum Staatsstreich«. Am 10. November 2013 richtete
der Präsident der EU-Kommission ein Schreiben an die Schweiz, in dem er klar
und deutlich die institutionelle Integration bei Rechtssetzung und Rechtsprechung
verlangte. Dies war eine klare Aufforderung zum »EU-Beitritt auf Samtpfoten«. Der Bundesrat erklärte sich
hierauf in einem Verhandlungsmandat bereit, der Forderung aus Brüssel zu
entsprechen. Doch der genaue Wortlaut des bundesrätlichen Verhandlungsmandats
blieb im Dunkeln.
Es ist dieses Jahr 25 Jahre her, seit das
Schweizervolk und die Stände den EWR-Vertrag abgelehnt haben. Dieser Vertrag
hätte uns ebenfalls verpflichtet, einen Grossteil des europäischen Rechts zu
übernehmen und sich fremder Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Es ging also auch
damals um eine Schweiz ›mit fremdem
Recht und fremden Richtern‹. Die
Konsequenzen eines solchen Vertrages legte der Bundesrat damals allerdings noch
klar auf den Tisch. Er schrieb in seiner Botschaft ans Parlament: »Unsere Teilnahme am EWR kann nicht
mehr als das letzte Wort in unserer Integrationspolitik gelten. Sie ist im
Rahmen einer Europastrategie zu sehen, die in zwei Phasen ablaufen soll und den
vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur
EG zum Ziel hat.« Das
Gleiche soll sich nun mit dem Rahmenvertrag wiederholen.
Es geht um die Grundsatzfrage
Um die für unser Land enorme Bedeutung dieser Fragen
konzentriert aufzuwerfen und um den nun einmal angetretenen Irrweg mit allen
Mitteln zu verhindern, bin ich im Mai 2014 aus dem Parlament zurückgetreten.
Das von mir präsidierte ›Komitee
gegen den schleichenden EU-Beitritt (EU-No)‹
bereitet sich für den Abstimmungskampf gegen diesen verhängnisvollen
Rahmenvertrag vor. Auf Details des Vertrages muss nicht gewartet werden. Aus
einer schlechten Absicht und verwerflichen Zielen kann nichts Gutes entstehen! Die
Delegation der Rechtssetzung an eine fremde Macht und der Rechtsprechung an
fremde Richter ist unhaltbar. Ersteres ist noch tragischer als das Zweite. Doch
Eric Gujer behandelt nur die ›fremden
Richter‹ und nennt dies beschönigend
ein ›willkürlich aufgebauschtes
Detailproblem‹; allfällige
Streitigkeiten könnten durch Gerichtshöfe von EU oder Efta oder auch durch ›zusätzliche Schiedsgerichte‹ erledigt werden.
Schon ein erster Blick auf die offizielle Website der
Europäischen Union genügt, um die Problematik zu erkennen. Sie bezeichnet die
Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs ausdrücklich wie folgt: ›Gewährleisten, dass EU-Recht in allen
EU-Mitgliedsländern auf die gleiche Weise angewendet wird, und dafür sorgen,
dass Länder und EU-Institutionen das EU-Recht einhalten.‹ Wir vernehmen die Drohung, ohne Einigkeit mit der EU würde diese
ihre Gesetze ohne Mitsprache der Schweiz erlassen. Ja und? Das tun alle anderen
Staaten der Welt auch. Die gleiche Drohung bestand schon vor 25 Jahren im Falle
eines Neins zum EWR-Beitritt, den die Schweiz dennoch ablehnte. Der von den
Beitrittsbefürwortern kleinmütig vorausgesagte wirtschaftliche und
gesellschaftliche Niedergang des Landes bei einem EWR-Nein ist ausgeblieben. Ja
er hat sich ins Gegenteil gekehrt.
Wie soll im übrigen der Europäische Gerichtshof beispielsweise
in einem Streit darüber, ob in einem konkreten Fall schweizerisches Recht oder
EU-Recht gelten soll, unparteiisch
urteilen können?
Nichts Neues unter der Sonne
Es ist nicht neu, dass führende Leute in guten
friedlichen Zeiten die Grundlagen unseres Staates vergessen oder
vernachlässigen, um untergeordnete Anliegen unter Verletzung wichtiger Staatsmaximen
durchzusetzen. Auch eine wie immer geartete »Weiterentwicklung der bilateralen Verträge« rechtfertigt nicht, die Souveränität der Schweiz preiszugeben. Die
Schweiz sei im Vergleich zu Frankreich, Italien, Deutschland oder Polen »ein Bollwerk der Stabilität und Vertragstreue«, stellt Gujer fest. Doch die
Ursache dieser besseren Position liegt in unseren soliden Staatssäulen, nämlich
Unabhängigkeit, Föderalismus, Neutralität, direktdemokratische Volksrechte und
eine Weltoffenheit, ohne sich in fremde Staatsgebilde einbinden zu lassen. Ich
sage dies ausdrücklich als langjähriger, international tätiger moderner
Industrieller, der die Zustände unseres Landes international beurteilen kann.
Es ist doch nicht einzusehen, warum man die
erfolgreichen schweizerischen Staatssäulen dieser EU – laut Gujer »voller Selbstzweifel und Probleme« – opfert.
Anmerkung politonline d.a.
In seinem im Juli letzten Jahres erschienenen Buch ›Beuteland: Die systematische Plünderung
Deutschlands seit 1945‹ schreibt
der Autor, Dr. Bruno Bandulet, dass »der Europäische
Gerichtshof das Recht deformiert, anstatt es zu schützen. Das Überleben des Euros
beruht seit 2010 auf fortgesetzten Rechtsbrüchen. Die Gewaltenteilung zwischen
Exekutive, Legislative und Judikative, eine der großen Errungenschaften der
europäischen Zivilisation, wird unterlaufen. Und mit der Demokratie hätte die
EU selbst bei bestem Willen ihre Probleme, weil sich Demokratie umso schwerer
realisieren läßt, je größer ein Staat oder ein staatsähnliches Gebilde ist. Die
unverhohlene Abneigung der tonangebenden
EU-Kreise gegen die Schweiz ist kein Zufall: Allein das Recht der Schweizer, in
Volksabstimmungen das letzte Wort zu haben
- ein Attribut echter Demokratie -
macht eine EU-Mitgliedschaft unmöglich. Denn der europäische Zentralismus
könnte nicht funktionieren, wenn auch nur ein Mitglied das Recht hätte, in
Brüssel beschlossene Gesetze zurückzuweisen.«
[2]
Wie
die ›Deutschen Wirtschafts
Nachrichten‹ im Februar 2014
schrieben, unterläuft Brüssel nationale Gerichte mittels EU-Staatsanwälten. So will
die nach Altiero Spinelli (1907–1986), einem historischen Vordenker der
europäischen Integration benannte Spinelli-Gruppe nach eigener Aussage »…. ein Netzwerk von Personen sein, die das Europäische Interesse über das Nationale stellen und dazu
bereit sind, ein föderalistisches Projekt auch in ihrem jeweiligen Umfeld zu
verteidigen.« Ebenfalls im Februar 2014 hielt ›Inter Info Linz‹ in seiner
Ausgabe Nr. 422 fest, ›daß der
Europäische Gerichtshof nationale Vorschriften immer wieder mit dem Hinweis auf
höherrangiges Europarecht gekippt hat‹,
während Beatrix von Storch diesen
Februar erklärte, »daß sich der EuGH nicht als
unabhängiges Gericht versteht, sondern als Motor der EU-Zentralisierung und daß
sich das deutsche Bundesverfassungsgericht nicht traut, die Reißleine zu
ziehen.«
Der italienische EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi, einer
der 11 Generalanwälte beim Europäischen
Gerichtshof, forderte beispielsweise im März dieses Jahres: »Jeder Mensch auf der Welt – dem Folter oder auch nur
erniedrigende Behandlung droht – soll das Recht haben, ein Visum für ein
EU-Land seiner Wahl zu erhalten. Damit könne er legal in sein ›Wunsch-EU-Land‹
einreisen, dort Asylwerber werden – und
bleiben.« Ferner: »Alle EU-Botschaften hätten
künftig für jedermann weltweit humanitäre Visa auszustellen.« Das muss man sich
einmal konkret vorstellen; dies würde zweifelsohne auf die finanzielle
Zerstörung der EU-Staaten hinauslaufen, von den ethnischen Implikationen ganz
abgesehen. [4]
Quelle:
https://www.nzz.ch/meinung/europapolitik-die-schweiz-darf-nicht-der-eu-geopfert-werden-ld.1314601 6. 9.17 Christoph Blocher
[1] https://www.nzz.ch/meinung/verhandlungen-mit-der-eu-die-schweiz-muss-mehr-selbstbewusstsein-zeigen-ld.1312015 25. 8. 17
Die Schweiz muss mehr Selbstbewusstsein zeige – Eric
Gujer
[2] Bruno Bandulet. Beuteland. Die systematische
Plünderung Deutschlands seit 1945, Seite 206
[3] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/02/13/bruessel-unterlaeuft-nationale-gerichte-mit-eu-staatsanwalt/ 13. 2. 14
[4]
http://www.epochtimes.de/politik/europa/der-eugh-muss-gestoppt-werden-visa-fuer-alle-fluechtlinge-wuerde-deutschland-schweden-und-oesterreich-zerstoeren-a2062338.html 5. 3. 17