Wer profitiert eigentlich vom Konflikt in Katalonien? 05.11.2017 23:09
Da schon jetzt feststeht, legt Ernst Wolff dar, daß keiner
der
Kontrahenten als Sieger aus diesem Konflikt hervorgehen wird, stellt sich die
Frage: Wem nützt er? Die Antwort ist schwer zu glauben: Der größte Nutznießer
der gegenwärtigen Entwicklung ist niemand anderes als der Schuldige an der
Misere – die Finanzindustrie.
Die separatistische katalanische Bewegung konnte
nur deshalb so stark werden, weil die sozialen Gegensätze in Spanien in den
vergangenen Jahren explodiert sind. Das wiederum ist vor allem auf die
hemmungslosen Aktivitäten des immer mächtiger gewordenen und vor Kriminalität
strotzenden spanischen Bankensektors zurückzuführen. Kein anderes Land in
Europa hat eine derartige Plünderungsorgie durch die Finanzelite erlebt wie
Spanien. Ab 2001 ließen Spekulanten nach der Liberalisierung des Bodenrechtes
innerhalb von nur 7 Jahren 4 Millionen Wohnungen hochziehen. Die Folge: 2008
platzte die bis dahin größte Immobilienblase in Europa und stürzte Spanien in
seine schwerste Krise der Nachkriegszeit.
Kurz darauf geriet das Land dann auch noch in den
Strudel der Eurokrise und wurde unter die Zwangsverwaltung der Troika aus EZB,
EU und IWF gestellt. Zusammen mit der Zentralregierung in Madrid erlegte die
Troika der arbeitenden Bevölkerung ein Sparprogramm auf, das den Lebensstandard
breiter Einkommensschichten drastisch senkte. Das Ergebnis war eine gewaltige
Volksbewegung gegen die Austerität, die vom Staat mit aller Härte unterdrückt
wurde.
Die Banken wurden mit Samthandschuhen angefasst Anders wurde mit den Banken umgegangen: 2011 wurden
6 praktisch bankrotte regionale Sparkassen von der Regierung verstaatlicht und
zur Gruppe Bankia zusammengeschlossen. Zu ihrem Chef wurde mit Rodrigo Rato [ehemaliger Chef des IWF und von 1996 bis 2004
spanischer Superminister für Wirtschaft und Finanzen] genau der Mann ernannt, der die Immobilienblase als zuständiger Minister
juristisch ermöglicht hatte. Die Rettung der Bankia-Gruppe kostete die
spanischen Steuerzahler 22,4 Milliarden Euro. Da der anschließende Börsengang
enttäuschend verlief, muß ein großer Teil des Geldes als verloren gelten. Rato erlebte den Verlust nicht mehr als Bankia-Chef mit:
Er trat nach einem Jahr von seinem Posten zurück, kassierte eine Millionenabfindung und wurde 2017 wegen
Untreue zu einer Gefängnisstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Eine
weitere Fusion - die der Bankia mit der
Banco Mare Nostrum - wird die spanischen
Steuerzahler mit zusätzlichen 1,1 Milliarden Euro belasten. Erst vor kurzem
hatte die Großbank Santander 51 % ihres Immobilien-Portfolios zu einem Drittel
des Buchwertes an die US-amerikanische
Investmentgesellschaft Blackstone verkauft und den amerikanischen
Finanzgiganten damit zum größten privaten Immobilienbesitzer Spaniens gemacht,
dies zu einer Zeit, da Zehntausende durch die Krise verarmte Spanier mit
Zwangsräumungen zu kämpfen haben. Im Juni dieses Jahres übernahm Santander die
Banco Popolar Espanol für den symbolischen Preis von 1 €, nachdem es zum ersten
Mal in Spanien zur Anwendung des seit 2016 in der EU
gesetzlich vorgeschriebenen ›Bail-in‹ gekommen war: Das heisst, die Aktionäre der Banco
Popolar wurden um 1,3 Milliarden € und die Halter bestimmter [nachrangiger]
Anleihen um 2 Milliarden Euro erleichtert.
Händeringend gesucht Eine Ablenkung von den wahren Schuldigen. Diese ›Bail-in‹-Regelung
ist in doppelter Hinsicht ein politischer Sprengsatz: Zum einen bringt sie
zahlreiche Kleinaktionäre um ihr Geld und sorgt damit für zusätzlichen Unmut
innerhalb der arbeitenden Bevölkerung, zum anderen wird sie ein juristisches
Nachspiel haben, da einige Hedgefonds bereits angekündigt haben, gegen den
Verlust ihrer Gelder zu klagen. Ein solcher Prozeß ist für
die Banken natürlich sehr gefährlich, da er ein Schlaglicht auf ihre kriminellen Aktivitäten werfen und der Öffentlichkeit vor
Augen führen würde, daß kein
anderes Land der Eurozone in den vergangenen zehn Jahren eine derartige
Konzentration im Finanzsektor erlebt hat wie Spanien: Von den 55 Banken, die
während des Baubooms Kredite vergaben, sind nur noch 13 als selbständige
Einheiten erhalten. 60 % aller Spareinlagen entfallen auf die drei größten
Bankengruppen des Landes; die fünf größten Banken, die 1998 noch über einen
Marktanteil von 34 % verfügten, haben diesen inzwischen auf 62 % ausgeweitet: Alles
mit voller Unterstützung der EU und der Zentralregierung in Madrid.
Was kann der Finanzelite in dieser Situation
Besseres passieren, als daß eine regionale politische Gruppierung sie aus der
Schußlinie nimmt, indem sie die Wut und die Aufmerksamkeit der gesamten
spanischen Bevölkerung [und der
europäischen Öffentlichkeit] auf einen
langsam eskalierenden und möglicherweise auf einen Bürgerkrieg hinauslaufenden
Konflikt zwischen Separatisten und Nationalisten lenkt? [1]
Schon im Januar 2015 schrieb Leo Wieland in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ unter dem Titel ›Spaniens
Elite trifft sich im Gefängnis‹: Etliche
spanische Politiker sitzen wegen dubioser Geschäfte in Haft. Die
Toleranzschwelle vor allem für Personen mit öffentlichen Ämtern, die ihre
Stellung für eigene Zwecke mißbrauchten, ist in der
Gesellschaft merklich gesunken. Bis vor kurzem war es aber auch nicht nötig,
weil korrupte Politiker, Lobbyisten, Baulöwen, Notare und ihre Komplizen nur
selten in Haft kamen. Die spanische Krise hat dies nun geändert. In einer
Umfrage des Zentrums für Soziologische Studien nannten die Befragten als ihre
Hauptsorgen: Die Arbeitslosigkeit, die Korruption, die allgemeine
Wirtschaftslage – und die Politiker. Die Krise hat seit ihrem Beginn im Jahr
2008 maßgeblich dazu beigetragen, daß Korruptionsfälle, die früher eher als Kavaliersdelikte eingestuft
worden wären, an die Oberfläche kamen und zum Gegenstand öffentlicher Empörung
wurden. Kaum eine Partei blieb hier ungeschoren, und allmählich füllten sich
die Gefängnisse mit einer neuen Art von Insassen. Weil die Gerichtsverfahren im
Durchschnitt bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen, sitzen manche sehr lange in
Untersuchungshaft.
Da ist Francisco Correa, die Schlüsselfigur in der
Affäre ›Gürtel‹ um Millionenkommissionen für Aufträge der
konservativen Volkspartei. Da ist Luis Bárcenas, der ehemalige Schatzmeister
der gegenwärtigen Regierungspartei und mutmaßliche Hüter schwarzer Kassen. Da
ist der ehemalige Ministerpräsident der Balearen Jaume Matas, der als einer der
wenigen Beschuldigten schon wegen Korruption verurteilt wurde. Da ist die
frühere ›Nummer 2‹ des Partido Popular in Madrid, Francisco Granados,
dem dunkle Geschäfte vorgeworfen werfen. Und schließlich mußte vor Jahresschluß
sogar die bekannteste Volkssängerin Spaniens, Isabel Pantoja, die mit einem
ehemaligen Bürgermeister von Marbella allerlei Gelder gewaschen haben soll,
ihre Haftstrafe antreten….. [2]
Ein Rückblick
auf 2012 Dort hiess es im August: Der Steuerbetrug nimmt
drastisch zu. Spaniens Regierung hat zwar erneut vollmundige Sparkürzungen
angekündigt, jedoch dürfte ein nicht unbedeutender Teil der erhofften
Mehreinnahmen des Staates im Sumpf der Korruption versiegen. Ähnlich wie
Griechenland oder Italien kämpft der Staat gegen eine skrupellose Korruption in
der Privatwirtschaft, die die prognostizierten Steuereinnahmen zu unterlaufen
droht. Schon heute hat der Schwarzmarkt einen Anteil von etwa 23 % an der
nationalen Wirtschaftsleistung. Spaniens Regierung schießt sich durch die
stetige Erhöhung der Steuern selbst ins Knie, denn der Steuerbetrug nimmt horrende
Ausmaße an.
Das im Juli angekündigte Sparpaket in einem Volumen
von 65 Milliarden Euro basiert in erster Linie auf prognostizierten
Mehreinnahmen der Regierung durch eine drastisch erhöhte Mehrwertsteuer. Allein
diese Anhebung soll Madrid pro Jahr rund 22 Milliarden Euro mehr in die
Staatskasse spülen. Auf diese Weise soll das horrende Budget-Defizit des
Staates spätestens ab dem Jahr 2014 in Einklang mit den Vorgaben der
EU-Kommission gebracht werden. Doch sehr wahrscheinlich hat das Kabinett des konservativen
Premiers Rajoy seine Rechnung ohne den im ganzen Lande grassierenden
Korruptionsteufel gemacht. Wie die spanische Tageszeitung El Mercado
berichtete, werden dem Staat durch Korruption und das Unterlassen der
Erstellung von Rechnungen sehr wahrscheinlich rund 18 Milliarden Euro der
veranschlagten Mehreinnahmen von 22 Milliarden Euro verlustig gehen. Der
Mehrwertsteuerbetrug dürfte sich also nach Verabschiedung des jüngsten
Sparpakets noch deutlich erhöhen.
In Spanien ist Steuerbetrug zu einer Art Volkssport
geworden. Die Protagonisten klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, wenn es
darum geht, der Staatskrake ihren Steueranteil vorenthalten zu haben. Auf Basis
aktueller Schätzungen des Steuerverbands Gestha gehen dem Staat pro Jahr 25 %
seiner Einnahmen durch Steuerbetrug durch die Lappen. Es ist nicht
auszuschließen, daß sich dieser Anteil nach der drastischen
Erhöhung der Mehrwertsteuer noch weiter ausweiten wird. Seit dem Ausbruch der
globalen Finanzkrise und dem Platzen der Blase an den heimischen
Immobilienmärkten im Jahr 2007 sind die Steuereinnahmen der spanischen
Regierung von 200 Milliarden € auf nur noch 160 Milliarden € um 20 %
gesunken. [3]
[1] https://de.sputniknews.com/kommentare/20171030318088637-wer-profitiert-eigentlich-vom-konflikt-in-katalonien/ 30. 10. 17
Ernst Wolff
[2] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftskriminalitaet-spaniens-elite-trifft-sich-im-gefaengnis-13361809.html 9. 1. 15 [3] http://www.wirtschaftsfacts.de/?p=23020 7. 8. 12
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