Kriegsverbrecher auf freiem Fuß - Von Daniele Ganser 21.01.2018 19:11
Viele westliche Politiker und Militärs gehören lebenslang hinter Gitter.
Es
ist ein weit verbreiteter Irrglaube, daß Demokratien keine Angriffskriege
beginnen und keine Terroranschläge ausführen. Die historischen Fakten für die
Zeit von 1945 bis heute zeigen eine ganz andere Realität: Immer wieder haben
sich demokratische Staaten aus Europa und Nordamerika in den vergangenen 70
Jahren an Angriffskriegen und Terroranschlägen beteiligt.
Dies
ist die Einleitung des auf die Zeitgeschichte seit 1945 und die internationale
Politik spezialisierten Schweizer Historikers Dr. phil. Daniele Ganser zu
seinem in dem Buch ›Fassadendemokratie
und Tiefer Staat: Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter‹ veröffentlichten Beitrag; letzteres haben wir in dem Artikel DER
TIEFE STAAT bereits
vorgestellt. Die nachfolgenden beiden Kriegshandlungen sind Gansers Beitrag
entnommen:
- Der illegale Angriff der europäischen
Demokratien Großbritannien und Frankreich auf Ägypten 1956; - der illegale Angriff von US-Präsident Donald
Trump auf Syrien am 7. April 2017.
Weil
die Massenmedien weder in den europäischen noch in den amerikanischen
Demokratien diese Verbrechen offen ansprechen und kritisieren und weil die
verantwortlichen Politiker bisher auch nicht von einem Gericht verurteilt
wurden, hält sich in der Bevölkerung der
angreifenden Staaten hartnäckig der Irrglaube, daß Demokratien nie Kriege
beginnen und auch niemals Terror als Instrument der Politik einsetzen würden. Doch
die beiden Beispiele belegen eindrücklich:
Demokratien,
die dem NATO-Militärbündnis angehören sowie im UNO-Sicherheitsrat über ein
Veto-Recht verfügen, durch das sie sich vor Verurteilung schützen können, haben
wiederholt andere Länder angegriffen. Das ist illegal. Denn in der UNO-Charta
von 1945 heißt es in Artikel 2 Ziffer 4: »Alle Mitglieder unterlassen in ihren
internationalen Beziehungen jede ..… Anwendung von Gewalt.« Die Charta billigt
den Einsatz von Gewalt nur dann, wenn ein angegriffener Staat sich verteidigt
oder der UN-Sicherheitsrat den Militärschlag genehmigt hat. In allen anderen
Fällen verbietet die UNO Kriege. Terroranschläge sind zudem immer verboten.
Der
Angriff auf Ägypten 1956 Ägypten
ist strategisch ein wichtiges Land, weil der 1869 eröffnete und 160 Kilometer
lange Suezkanal für die Versorgung Europas mit Erdöl eine zentrale Rolle
spielt. Der Kanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und erspart den
Schiffen vom Persischen Golf nach Europa den Weg um Afrika. Der Kanal wird
heute täglich von Tankern passiert, die Erdöl und verflüssigtes Erdgas auf den
europäischen Markt bringen. Für Gamal Abdel Nasser, der Ägypten in den 1950er Jahren
als Präsident regierte, war der Suezkanal ein verhaßtes Symbol des europäischen
Kolonialismus. Denn die lange und schmale Wasserstraße durch die ägyptische
Wüste war von den Franzosen erbaut worden und befand sich danach als private
Suezkanal-Gesellschaft im gemeinsamen Besitz von Frankreich und der
Kolonialmacht Großbritannien. Nasser verfolgte im Kalten Krieg eine
nationalistische Neutralitätspolitik und pflegte die Zusammenarbeit mit Indien
und Jugoslawien, deren Blockfreiheit er bewunderte. Um zu verhindern, daß
Ägypten in den Einflußbereich der kommunistischen Sowjetunion geriet,
versprachen die Amerikaner und Briten Ägypten 1955 zusammen mit der Weltbank
einen Kredit für den Bau des großen Nilstaudammes bei Assuan. Der Staudamm
sollte es Nasser erlauben, die Wassermassen des Nils beim jährlichen Hochwasser
für die Landwirtschaft zu regulieren und für die Industrialisierung Ägyptens erneuerbaren
Strom aus Wasserkraft zu produzieren.
Doch
im Juli 1956 änderte der amerikanische Präsident Dwight Eisenhower seine
Meinung und erklärte nach Rücksprache mit London und der Weltbank, Ägypten sei
nicht kreditwürdig, weil Nasser die Volksrepublik China anerkannt und zudem öffentlich
erklärt habe, er wolle Israel vernichten. Nasser war erbost und entschied, daß
die Gebühren für den Erdöltransport durch den Suezkanal nun den Bau des geplanten
Assuan-Dammes finanzieren mußten. Daher verstaatlichte er am 26. Juli 1956 zum
Entsetzen von Frankreich und Großbritannien die Suezkanal-Gesellschaft. Der
britische Premierminister Anthony Eden war schockiert und fürchtete, die
Sowjets würden ihren Einflußbereich ausdehnen. Eden hatte im April 1956, kurz
vor der Verstaatlichung des Suezkanals, den sowjetischen Regierungschef Nikita
Chruschtschow mit deutlichen Worten gewarnt: »Was das Öl betrifft, so muß ich
Ihnen ganz unverblümt meine Meinung sagen – wir würden dafür kämpfen ..… Wir
könnten ohne Öl nicht leben und ..… wir haben nicht die Absicht, uns
strangulieren zu lassen.« Nach der Verstaatlichung insistierte auch US-Außenminister
John Foster Dulles gegenüber dem britischen und französischen Außenminister, daß
»eine Möglichkeit gefunden werden« müsse, »Nasser dazu zu veranlassen, den
Kanal wieder auszuspucken.« [1]
Großbritannien
entschied, mit militärischen Mitteln um den Kanal und den Zugang zum Erdöl des
Nahen Ostens zu kämpfen. »Wir sind wahrhaftig in ein schreckliches Dilemma
geraten«, notierte der britische Schatzkanzler Harold Macmillan in sein
Tagebuch: »Wenn wir energisch gegen Ägypten vorgehen und der Kanal deshalb
geschlossen wird, die Pipelines in der Levante unterbrochen werden, der Persische Golf revolutioniert und
die Ölförderung eingestellt wird – dann sind das Vereinigte Königreich und
Westeuropa ›erledigt‹.« Doch »wenn wir eine diplomatische
Niederlage erleiden, wenn Nasser ›ungeschoren davonkommt‹ – und
die Länder im Nahen Osten sich einigen, das Öl zu verstaatlichen ..… sind wir
ebenso ›erledigt‹. Was sollen wir also tun? Mir scheint klar zu
sein, daß unsere einzige Chance darin liegt, energisch vorzugehen und zu
hoffen, daß unsere Freunde im Nahen Osten zu uns halten, unsere Feinde besiegt
werden und wir das Öl retten können – aber es ist eine ungeheure Entscheidung. [2]
Im
Rahmen einer Verschwörung - laut
Definition eine geheime Absprache zwischen zwei oder mehr Personen, um gemeinsam
ein Ziel zu erreichen - trafen sich
ranghohe Vertreter Großbritanniens, Frankreichs und Israels vom 22. bis 24.
Oktober 1956 in einer Villa in Sèvres bei Paris, um die streng geheime ›Operation Musketeer‹ zu planen. Die britische Delegation
wurde von Außenminister Selwyn Lloyd, die französische von Premierminister Guy
Mollet und die israelische von Ministerpräsident Ben Gurion geleitet. Die
Verschwörer beschlossen, Israel solle Ägypten angreifen und durch die wenig besiedelte
Sinai-Halbinsel militärisch auf den Suezkanal vorstoßen. Frankreich und
Großbritannien würden danach Nasser ein unannehmbares Ultimatum stellen,
wodurch ein Vorwand geschaffen würde, den Suezkanal militärisch zu besetzen.
Ziel der Aktion war es, die Kontrolle über den Suezkanal zu erlangen und, so
hoffte Israel, Nasser zu stürzen. Natürlich war der geplante Krieg illegal,
denn er widersprach dem Gewaltverbot der UNO-Charta, aber die Verschwörer
kümmerten sich nicht um das Völkerrecht. Am 29. Oktober 1956 griff die
israelische Armee planmäßig Ägypten an und besetzte die Sinai-Halbinsel. Damit
machte sich Israel des Verbrechens der Aggression schuldig.
Die
USA erkannten schnell, daß es sich hierbei um einen illegalen Angriffskrieg
handelte und riefen schon am 30. Oktober den Sicherheitsrat zu einer
Sondersitzung zusammen. US-Botschafter Henry Lodge forderte den »sofortigen
Stopp der militärischen Aktionen von Israel gegen Ägypten«. Auch der
Botschafter von Ägypten, Omar Loutfi, verurteilte den Angriff von Israel auf
sein Land in den schärfsten Tönen. »Israelische Truppen sind an verschiedenen
Orten in das ägyptische Territorium eingedrungen«, dies sei ein »äußerst
gefährlicher Akt der Aggression. [3]
Der
israelische Botschafter Abba Eban bestritt nicht, daß die israelische Armee
Ägypten angegriffen hatte, betonte aber, dies sei ein Akt der
Selbstverteidigung gewesen. Der französische UNO-Botschafter stellte sich wie
abgesprochen auf die Seite Israels. Der »ägyptische Imperialismus« versuche das
Gebiet vom Atlantik bis zum Persischen Golf zu kontrollieren und habe »die
Vernichtung Israels« zum Ziel. Entgegen aller rechtlichen Verpflichtungen habe
Ägypten zudem einen Kanal beschlagnahmt, der »für das Leben der Nationen sehr
wichtig« sei. Dann brachten Frankreich und Großbritannien wie abgesprochen ihr
unannehmbares Ultimatum ein und forderten, die Streitkräfte von Ägypten und
Israel müßten sich bis auf eine Distanz von 10 Meilen vom Kanal zurückziehen
und britischen und französischen Truppen erlauben, strategische Positionen am
Suezkanal zu kontrollieren. Man warte nur zwölf Stunden auf eine Antwort,
warnte der britische Botschafter Sir Pierson Dixon, danach würden »britische
und französische Truppen in der notwendigen Stärke intervenieren.« [4]
Natürlich
war dieses Ultimatum für Ägypten unannehmbar. Es diente den europäischen
Demokratien Frankreich und Großbritannien als Vorwand, Ägypten anzugreifen.
Dies war natürlich illegal, denn sie verfügten nicht über ein Mandat des
Sicherheitsrates. Die Verschwörung, die es vor dem Angriff der drei Länder
gegeben hatte, blieb damals geheim und wurde erst Jahre später von Historikern
aufgedeckt. »Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, um die Spannungen
im Nahen Osten abzubauen«, beteuerte der britische Botschafter Dixon
scheinheilig. »Und wenn nun die Spannungen zugenommen haben, dann daher, weil
unglücklicherweise weder Israel noch seine arabischen Nachbarn auf unseren Rat
und den unserer Freunde gehört haben.« Botschafter Dixon schloß seine verlogene
Rede mit den Worten, daß er »überzeugt sei, daß die Mehrheit der
Sicherheitsratsmitglieder mit ihm einig gehen, daß die Taten von Frankreich und
Großbritannien im Interesse des Friedens und der Sicherheit sind.« [5]
Die
USA brachten im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution ein, die den Angriff Israels
auf Ägypten verurteilte und den sofortigen Rückzug der israelischen
Streitkräfte aus Ägypten forderte. Doch die Veto-Mächte Frankreich und Großbritannien
stimmten am 30. Oktober 1956 gegen die Resolution, die daher auch nicht
angenommen werden konnte. Der UNO-Sicherheitsrat war völlig blockiert. Am
nächsten Tag, am 31. Oktober, begannen die Briten und Franzosen mit der
Bombardierung ägyptischer Flugplätze. Dabei handelte es sich um einen illegalen
Angriffskrieg, der die UNO-Charta verletzte. Präsident Nasser, überrascht und
erbost über die Angriffe, entschied, den Zufluß von Erdöl nach Europa zu
unterbrechen. Noch am Tag, als die britischen und französischen Bomben auf
Ägypten fielen, versenkten ägyptische Kommandoeinheiten Dutzende mit Steinen
und Zement gefüllte Schiffe im etwa 300 Meter breiten Suezkanal. Der Kanal war
danach für die Schifffahrt blockiert. Weil gleichzeitig syrische Ingenieure auf
Anweisung von Nasser die Erdölpipelines durch Syrien sabotierten, kam der Ölfluß
aus dem Nahen Osten im November 1956 zum Stillstand, was Westeuropa in größte
Sorgen versetzte.
Die
von Europa in Richtung Suezkanal ausgelaufenen leeren Erdöltanker kreuzten abwartend
im Mittelmeer, während die beladenen Tanker im Roten Meer regungslos im Wasser
lagen und warteten. Niemand wußte, wann Nasser die Blockade des Kanals wieder
aufheben würde. Und innerhalb der NATO kam es zu heftigem Streit. Der
amerikanische Präsident Eisenhower war erzürnt über das koloniale Abenteuer der
Briten, Franzosen und Israelis, weil diese ihre Verschwörung nicht mit
Washington abgesprochen hatten, und weigerte sich, Europa mit Erdöllieferungen
über den Atlantik zu helfen. Auch die Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow
befahl den Franzosen und Briten ultimativ, ihren Angriffskrieg einzustellen.
Damit
war die Niederlage der Europäer besiegelt. Am 6. November 56 stellten
Frankreich und Großbritannien das Feuer ein und vor Weihnachten waren alle
britischen und französischen Soldaten wieder zu Hause. Die Europäer waren gedemütigt
und verloren ihre ehemals dominierende Stellung in der Region.
Nasser
triumphierte, weil es ihm gelungen war, seine militärische Niederlage in einen
politischen Sieg über zwei europäische Großmächte umzumünzen. Die von Nasser
versenkten Schiffe blockierten den Suezkanal noch bis zum Frühling 1957, danach
waren alle Schäden behoben und der Kanal wieder normal befahrbar. Die
israelischen Truppen zogen sich von der Sinai-Halbinsel zurück. Den
Assuan-Staudamm baute Nasser in den folgenden Jahren mit Hilfe von Tausenden
sowjetischer Ingenieure und Architekten. Das Prestigeprojekt wurde 1971
eingeweiht.
Der
illegale Angriff auf Syrien 2017 Als
im Januar 2017 mit Donald Trump ein neuer Präsident ins Weiße Haus einzog,
fragten sich kritische Beobachter, wie lange es wohl dauern würde, bis die
demokratischen USA ein anderes Land bombardieren. Schon am 7. April 2017 war es
soweit: Präsident Trump griff als oberster Befehlshaber der US-Armee Syrien an:
Zwei amerikanische Kriegsschiffe im Mittelmeer feuerten 59 Marschflugkörper vom
Typ Tomahawk des US-Rüstungskonzerns Raytheon auf den syrischen
Militärflughafen al-Schairat ab. Die amerikanischen Erstschlagwaffen steuerten
das vom Weißen Haus definierte Ziel mit einer Geschwindigkeit von 800 Stundenkilometern
an und flogen auf nur geringer Höhe von 15 bis 100 Metern über den syrischen
Boden, bevor sie einschlugen und explodierten.
Schon Trumps Vorgänger, Präsident Barack Obama, hatte im September
2014 damit begonnen, Syrien zu bombardieren. Doch sowohl der Angriff von
Obama wie auch jener von Trump auf Syrien sind illegal, weil die USA nicht über
ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates verfügen. Wie zuvor dargelegt und in meinem
Buch »Illegale Kriege« an vielen Beispielen explizit dargestellt, billigt die
Charta der Vereinten Nationen den Einsatz von Gewalt nur dann, wenn ein
angegriffener Staat sich verteidigt oder der UN-Sicherheitsrat den
Militärschlag genehmigt hat. Beides war hier nicht der Fall. Syriens Präsident
Baschar al-Assad hatte die USA nicht bombardiert, es lag also kein Fall von
Selbstverteidigung vor. Und der Sicherheitsrat der UNO hatte weder Präsident
Obama noch Präsident Trump ein Mandat erteilt, Syrien zu bombardieren. [6]
»Es
ist peinlich geworden, ein Amerikaner zu sein«, bedauerte der US-Amerikaner
Paul Craig Roberts selbstkritisch im Frühling 2017. »Trump hat Syrien mit
US-Streitkräften angegriffen und ist somit früh in seiner Regentschaft zum
Kriegsverbrecher geworden«, so die klaren Worte von Roberts. Mit Jahrgang 1939
hat Roberts selbst viel miterlebt und diente unter Präsident Ronald Reagan als
Abteilungsleiter für Wirtschaftspolitik im Finanzministerium. Roberts weiß, daß
die UNO-Charta Angriffskriege verbietet. Daher kritisiert er, daß Präsident
Bill Clinton 1999 Serbien bombardierte, ohne ein Mandat der UNO zu haben. Daß
Präsident George Bush Junior 2003 den Irak angegriffen hat, erneut ohne Mandat
der UNO; daß Präsident Barack Obama 2014 Syrien bombardierte; und daß nun auch
der neue Präsident Trump das Völkerrecht mißachtet. »Unser Land hatte vier
kriminelle Präsidenten in Folge«, so das ernüchternde Fazit von Roberts. [7]
Weil
Rußland an der Seite der syrischen Armee gegen die Terrormiliz IS in Syrien
kämpft, birgt Trumps Angriff die Gefahr einer direkten Konfrontation der
Atommächte USA und Rußland. Die von Trump illegal angegriffene Schairat-Basis
beherbergte auch Gebäude für russische Soldaten und russisches Militärgerät. Kurz
vor dem Angriff hatte Washington das russische Militär noch informiert, so daß
die amerikanischen Tomahawks keine russischen Soldaten töteten. Da in Syrien
die russischen Luftabwehrsysteme S-300 und S-400 stationiert sind, bleibt die
indirekte Konfrontation der Atommächte dennoch brandgefährlich und erinnert an
die Kubakrise 1962. »Es ist bedrückend, daß den ohnehin zerbrochenen
Beziehungen zwischen Rußland und den USA weiterer Schaden zugefügt wird«,
mahnte der russische Außenminister Sergei Lawrow. Und Präsident Putins Sprecher
Dimitri Peskow verurteilte die »Aggression gegen einen souveränen Staat« und
den Verstoß gegen die UNO-Charta scharf.
[8]
Auch
Dieter Deiseroth, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig,
schätzt den Angriff Trumps auf Syrien als sehr gefährlich ein. Der Angriff sei
illegal, betont Deiseroth, und verletze »die territoriale Integrität des UN-Mitgliedsstaates
Syrien gravierend.« Gemäß dem im Völkerrecht verankerten Prinzip der
Selbstverteidigung hätte Syrien nun das Recht, sich zusammen mit seinen
Alliierten Rußland und Iran gegen den amerikanischen Angriff zu verteidigen.
»Syrien hatte und hat bei weiteren US-Militäraktionen dieser Art auch künftig
ein Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung und dürfte mithin
auch seine Verbündeten - also zum
Beispiel Rußland und den Iran - völlig
legal um militärische Unterstützung bitten. Es ginge dann um kollektive
Selbstverteidigung dieser Staaten gegen die USA«, so Deiseroth. Dies sei »eine
hochexplosive Situation«, weil eine direkte Konfrontation der Atommächte USA
und Rußland weitreichende Folgen hätte.
[9]
Zwei
Tage vor dem Angriff auf Syrien hatte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki
Haley mit Verweis auf einen ungeklärten Giftgasangriff von Chan Scheichun vom
4. April 2017 den illegalen militärischen Alleingang angekündigt: »Wenn die
Vereinten Nationen es anhaltend versäumen, ihrer Pflicht zum gemeinsamen
Handeln nachzukommen, dann gibt es einen Zeitpunkt im Leben von Staaten, an dem
wir gezwungen sind, unsere eigenen Aktionen zu ergreifen«, hatte sie gewarnt. [10] Doch
dieses Recht auf Angriffskriege hat keiner der 193 UN-Mitgliedstaaten, auch
nicht die amerikanische Demokratie. Wer auch immer hinter dem hinterhältigen
Einsatz des Giftgases steckt: Dieses Verbrechen rechtfertigt keinen
Völkerrechtsbruch durch die USA und muß aufgeklärt werden. Zu präsent sind noch
die Kriegslügen von Präsident George Bush Junior, der 2003 mit Verweis auf
ABC-Waffen seinen illegalen Angriffskrieg auf den Irak begründete.
Fazit Es
ist an der Zeit, daß die Bevölkerungen in den Demokratien von Europa und
Nordamerika offen über die globale Gewaltspirale diskutieren, in der wir uns
gegenwärtig befinden. Natürlich treiben nicht nur Demokratien diese
Gewaltspirale an. Aber es scheint mir wichtig, daß auch in Deutschland,
Österreich und der Schweiz offen über den Anteil des Westens an der mit dieser verbundenen
Eskalation gesprochen wird.
Die
Verbrechen der NATO-Staaten müssen ehrlich analysiert werden, damit daraus die
notwendigen Konsequenzen gezogen werden können. Der illegale Angriff
Frankreichs und Großbritanniens auf Ägypten 1956, der illegale Terroranschlag
Frankreichs auf das Schiff von Greenpeace 1985 und der illegale Angriff der USA
auf Syrien 2017 zeigen mit aller Deutlichkeit, daß auch Demokratien die
Gewaltspirale antreiben. Zu
oft sehen wir den Splitter im fremden Auge, aber nicht den Balken im eigenen.
»Auch
der laufende sogenannte ›Krieg gegen den Terror‹«,
so Ganser, »ist mit Lügen durchsetzt. Dieser von den USA und den NATO-Ländern
2001 ausgerufene Krieg bietet keinen glaubwürdigen Ausstieg aus der Gewaltspirale
an und geht die realen Ursachen für den Terror überhaupt nicht an, weil er im
Kern gar nicht auf diesen oder dessen Beseitigung, sondern auf die Eroberung
und Sicherung von Erdöl, Erdgas, Geld und Macht abzielt. Der sogenannte ›Krieg
gegen den Terror‹ ist und bleibt ein Kampf um Rohstoffe und die globale
Vorherrschaft, also alter Wein in neuen Schläuchen.« [11]
Ganser
leitet das ›Swiss Institute for
Peace and Energy Research‹ in Basel; seine
Forschungsschwerpunkte sind Friedensforschung, Geostrategie, verdeckte
Kriegsführung, Ressourcenkämpfe und Wirtschaftspolitik. Sein Buch ›NATO Geheimarmeen in Europa - Inszenierter
Terror und verdeckte Kriegsführung‹
erschien im März 2008 im Orell Füssli Verlag in Zürich, ›Illegale Kriege - Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine
Chronik von Kuba bis Syrien‹ im
Oktober 2016, ebenfalls im Verlag Orell Füssli.
Quellen:
https://www.rubikon.news/artikel/kriegsverbrecher-auf-freiem-fuss 13.
1. 18 resp.
https://de.sputniknews.com/politik/20180114319051968-kriegsverbrecher-freier-fuss/ 14. 1. 18
[1] Daniel
Yergin: ›Der Preis.
Die Jagd nach Öl, Geld und Macht‹; S.
605 und 608; Fischer Verlag 1991
[2] Daniel
Yergin: a.a.O, S. 609
[3] UNO-Sicherheitsrat, 30. Oktober 1956
[4] Ebenda
[5] Ebenda
[6] Vergleiche: Daniele Ganser: Illegale Kriege.
Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik von Kuba bis Syrien.
Zürich Orell Füssli Verlag 2016
[7] Paul Craig
Roberts: A Government of Morons, 15. April 2017
https://www.paulcraigroberts.org/
[8] Diesmal präsentieren sie nicht einmal Fakten.
›Tages-Anzeiger‹ vom 7. April 2017
[9] Marcus Klöckner: »Der von Trump angeordnete
Raketenangriff ist eine schwere völkerrechtswidrige Straftat«. Ein Interview
mit Dieter Deiseroth; NachDenkSeiten vom 10. April 2017
[10] Trump im Syrien-Dilemma. Die Welt vom 7.
April 2017
[11] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/10/10/die-neue-aufgabe-der-nato-ist-der-globale-energie-krieg/ 10. 10. 14
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