04.03.2018 20:57
in Hergiswil (NW) unter anderem dem geplanten institutionellen Rahmenabkommen
der Schweiz mit der EU. Die 74köpfige Fraktion verlangt vom Bundesrat, die
Fakten endlich klar auf den Tisch zu legen. Die hinsichtlich dieses für die
Unabhängigkeit und Selbstbestimmung unseres Landes wichtigste Dossier
existierende Vernebelungstaktik - nebst entsprechenden
Wortkreationen - sind endlich zu
beenden.
Die SVP-Fraktion hatte vom Bundesrat verlangt, im
Hinblick auf dessen Klausur vom 21. 2. in Bezug auf folgende Fragen Klarheit zu
schaffen:
Für welche bestehenden bilateralen Abkommen soll
das institutionelle Rahmenabkommen gelten?
- Gemäss
dem bundesrätlichen Aussenhandelsbericht sollen fünf Abkommen betroffen sein:
Personenfreizügigkeit, gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen
MRA, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr. Dahingehend sind im
Verhandlungsmandat der EU explizit 9 Abkommen aufgeführt, darunter auch das
Freihandelsabkommen von 1972 oder das Abkommen über das öffentliche
Beschaffungswesen.
Für welche künftigen bilateralen Abkommen soll das
institutionelle Rahmenabkommen gelten?
- Falls nur
Binnenmarktzugangsabkommen davon betroffen sind: Wer definiert, welche
Regulierungsbereiche zum EU-Binnenmarkt gehören?
Ist der Bundesrat der Überzeugung, dass das
institutionelle Rahmenabkommen dem Landesrecht übergeordnet ist, d.h. vorgeht?
Was sind die konkreten Folgen, sollte sich das
Parlament oder das Stimmvolk weigern, gewisse EU-Regelungen zu übernehmen? Im
Faktenblatt des EDA steht, dass eine Ausgleichsmassnahme bis zur Suspendierung
des entsprechenden Abkommen reichen kann. Würde das heissen, dass mit der
Guillotine-Klausel automatisch alle 7 Verträge aus dem Bilaterale I-Paket
suspendiert würden? Welche anderen Ausgleichs- bzw. Strafmassnahmen sieht die
EU vor?
Warum will der Bundesrat ausgerechnet nur das Personenfreizügigkeits-Abkommen
aus dem institutionelle Rahmenabkommen ausnehmen [Beibehalten der 8-Tage-Regel
usw.]? Kauft er sich damit indirekt die Unterstützung der Gewerkschaften und der
Linken für diese Abkommen? Welche anderen ›roten Linien‹ sind sonst noch vorgesehen [40-Tonnen-Limite usw.]?
Wie sieht der neue Streitschlichtungsmechanismus
genau aus, den der Bundesrat dem Vernehmen nach der EU vorgeschlagen hat? Geht
der neue Vorschlag mit der Bedingung einher, dass der EuGH als EU-Gericht keine
für die Schweiz verbindlichen Entscheide fällen bzw. verbindlichen Gutachten
erstellen kann?
Ist das institutionelle Rahmenabkommen mit
regelmässigen oder wiederkehrenden Zahlungen der Schweiz an die EU verbunden?
Was sind die konkreten finanziellen und
regulatorischen Auswirkungen des institutionellen Rahmenabkommens auf der Ebene
von Bund, Kantonen und Gemeinden? Hat sich die Schweiz den Beihilferegeln der
EU zu unterwerfen? Welche konkreten staatlichen Beihilfen der Kantone und
Gemeinden wären betroffen?
Hat das institutionelle Rahmenabkommen Auswirkungen
auf das föderale Steuersystem der Schweiz? Ist z.B. damit zu rechnen, dass die
Schweiz bei der Mehrwertsteuer das Maximalsatzsystem an das Minimalsatzsystem
der EU anpassen muss? Wird es zu einer weiteren Steuerharmonisierung kommen?
Wenn ja, in welchen Bereichen?
Geht mit dem institutionellen Rahmenabkommen die
Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie oder Teilen davon einher?
Welche Auswirkungen hat das institutionelle
Rahmenabkommen im Sozialversicherungsbereich? Sind Mehrkosten im Bereich der
Arbeitslosenversicherung zu erwarten, etwa weil Leistungen aus der ALV an
Grenzgänger über einen längeren Zeitraum als bisher ausgerichtet werden
müssten? Welche Änderungen sind bei der EL, der IV, der AHV, der Sozialhilfe
usw. zu erwarten?
Im Anschluss an die Fraktionssitzung nahmen
Bundesrat Maurer und zahlreiche National- und Ständeräte bei einem ›SVP bi dä Leyt‹ in
Stans beim Winkelrieddenkmal teil.
Der EU-Rahmenvertrag: Behauptungen und Fakten Das «Paket I» der bilateralen Verträge besteht aus
7 Verträgen. Diese sind mit einer sogenannten Guillotine-Klausel, eine stumpfe
Waffe, aneinandergeknüpft. Diese Klausel besagt: Wird einer der 7 Verträge
gekündigt, laufen die anderen 6 Verträge ein halbes Jahr später automatisch
aus. Mit dieser Guillotine-Klausel zielt die EU ganz direkt auf die
Ausschaltung der Direkten Demokratie in der Schweiz. Weil der Schweizer
Souverän, Volk und Stände, Brüssel und dem EU-Beitritt in Volksabstimmungen
mehrmals die kalte Schulter gezeigt hatten, wollte Brüssel diesen Souverän ein-
für allemal entmachten. Es sollte unterbunden werden, dass Volk und Stände der
Schweiz in einzelnen Verträgen auf einzelne Vertragsbestimmungen Einfluss
nehmen können, beispielsweise mittels Wahrnehmung des in der Schweizerischen
Bundesverfassung gewährleisteten Referendumsrechts.
Traurig genug, dass die Schweizer Unterhändler,
angeleitet von Bundesrat, diese den Schweizer Souverän entrechtende Bestimmung
aus Brüssel devot akzeptierten. Bundesrat und Bundesverwaltung wurden damit zu Komplizen
der fundamentalistischen Feinde der Direkten Demokratie: Stellungnahmen zu
Sachfragen sollten dem Volk damit kategorisch untersagt werden.
Wie dem auch sei: Die Guillotine-Klausel ist derzeit
in Kraft. Weil der Bundesrat ihr ausdrücklich zugestimmt hat, dürfte sie so
rasch nicht wegzubringen sein, auch wenn FDP-Präsidentin Petra Gössi von deren
Eliminierung träumt. Da sie nun einmal besteht, soll nachfolgend untersucht
werden, welchen Schaden diese Guillotine-Klausel der Schweiz bereiten könnte,
wenn seitens der Schweiz die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit erfolgen
würde, jener Personenfreizügigkeit, welche die wesentliche Ursache der nicht
aufzuhaltenden Masseneinwanderung in die Schweiz darstellt. Deren Kündigung
drängt sich um so mehr auf, als Bundesrat und Parlament sich weigerten, den
Volksentscheid vom 9. Februar 2014 gegen die Masseneinwanderung auch
umzusetzen. Nicht nur diese Weigerung ist verfassungswidrig. Verfassungswidrig
ist auch das Ansinnen, der Personenfreizügigkeit höhere Geltung einzuräumen als
der Bundesverfassung.
Dennoch: Die Klausel besteht. Welchen Schaden kann
sie der Schweiz bereiten, falls die EU sie in die Tat umsetzen wollte?
Technische Handelshemmnisse Inhalt: Der Vertrag bewirkt die Vereinfachung der
gegenseitigen Produktezulassung: Wer in die EU exportiert, muss sein Produkt
aufgrund dieses Vertrags nur noch von einer Zertifizierungsstelle überprüfen
lassen. Das spart Zeit und Geld. Der Vertrag vereinfacht den Handel mit allen
zertifizierten Produkten.
Beurteilung: Bereits vor diesem Vertrag hat die Schweizer Wirtschaft
Vereinfachungen bezüglich Produktezulassung und -zertifizierung in Absprache
mit europäischen Partner-Firmen erreicht. Ein Wegfall dieses Vertrags würde
keine existenzbedrohenden Probleme verursachen. Es ist Schweizer Firmen schon
heute möglich, ihre Produkte von einer EU-Zertifizierungsanstalt in einem
EU-Land freiwillig zertifizieren zu lassen. EU-Firmen teilen das
Schweizer Interesse an einer vereinfachten Produkte-Zulassung. Und die Schweiz
importiert wesentlich mehr Güter aus der EU, als sie in die EU exportiert. Die
Kosten aus technischen Handelshemmnissen liegen bei rund 0,08 bis 0,16 % des
Schweizer Exportvolumens. Die Behauptung, Schweizer Firmen müssten bei Wegfall
dieses Vertrags ihre Produkte in den 28 EU-Mitgliedländern einzeln
zertifizieren lassen, ist falsch. Die Zertifizierung in einem einzigen EU-Land
gilt für die ganze EU.
Öffentliches Beschaffungswesen Inhalt: Die Ausschreibungspflicht für Beschaffungen
oder Bauten wird ausgedehnt auf Gemeinden und gewisse private Unternehmen.
Beurteilung: Die Ausschreibungspflicht für öffentliche Aufträge ab 8,5
Millionen Franken wird in erster Linie durch WTO-Abkommen geregelt. Das
EU-Abkommen bringt einerseits gewisse Verbesserungen, anderseits baut es auch
immer mehr bürokratische Hindernisse auf. Der Wegfall dieses Abkommens würde
wenig spürbare Nachteile verursachen.
Landwirtschaft Inhalt: Vereinfachung von Export und Import von
Agrarprodukten. Freihandel für Käse. Senkung der Zolltarife für Früchte, Gemüse
und Fleischspezialitäten. Beurteilung:
Ein Wegfall hätte keine spürbaren Auswirkungen.
Landverkehr Inhalt: Dieser Vertrag garantiert die Marktöffnung
für den Transport von Personen und Gütern zwischen der Schweiz und der EU. Beurteilung: Dieses Abkommen ist für die EU sehr
wichtig. Ohne Vertrag ist der freie Landverkehr auf der
Nord-Süd-Achse Basel - Chiasso für EU-Spediteure nicht gewährleistet. Die
Schweiz ›subventioniert‹ mit dem Landverkehrsabkommen jede Transitfahrt von
Grenze zu Grenze indirekt mit mindestens Fr. 300.–. Aufgrund dieser Vorteile
wird die EU dieses Abkommen kaum je fallenlassen. Für die Schweiz brächte der
Verzicht auf das Abkommen Vorteile: Sie könnte den Verkehr von Grenze zu Grenze
wieder selbst regeln.
Luftverkehr Inhalt: Der
Vertrag gewährt gegenseitige Zugangsrechte zu den Luftverkehrsmärkten.
Schweizer Airlines können Flughäfen in der EU diskriminierungsfrei
anfliegen.
Beurteilung: Die Garantie diskriminierungsfreien Zugangs zu den Flughäfen der
EU-Mitgliedstaaten für alle Fluggesellschaften ist zwar von etwelcher
Bedeutung. Nach eventueller Kündigung des Luftverkehrsabkommens ist indessen
keinerlei Zusammenbruch des Flugverkehrs zu befürchten. Sehr viele
Fluggesellschaften fliegen die Schweiz gerne an. Und die früheren, vor
Abschluss des Luftverkehrsabkommens mit den europäischen Staaten einzeln
abgeschlossenen Abkommen sind für Schweizer Fluggesellschaften noch immer
gültig.
Wollte die EU dem Schweizer Luftverkehr vorsätzlich
Schaden zufügen, wäre die Lufthansa-Tochter Swiss am stärksten betroffen. Ob
Deutschland das zulassen würde?
Forschung Inhalt: Schweizer Forscher und Firmen können sich
an Forschungsprogrammen der EU beteiligen und davon wissenschaftlich,
technologisch und wirtschaftlich profitieren – allerdings zu hohen Kosten. Beurteilung: Im internationalen Vergleich belegen
unsere Hochschulen (ETH Zürich, ETH Lausanne) Spitzenplätze. Sie sind zusammen
mit britischen Universitäten, die bald die EU verlassen werden, in Europa
einsame Spitze, arbeiten am häufigsten aber mit amerikanischen Hochschulen
zusammen. EU-Hochschulen ziehen aus der Schweizer Spitzenstellung hohen Gewinn.
Würde die Schweiz von der EU ausgeschlossen, könnte sie die dadurch eingesparten
Beitragskosten an EU-Programme auf schweizerische Forschungsprojekte
konzentrieren und resultatorientiert einsetzen.
Fazit Die Schweiz könnte, käme die Guillotine-Klausel je
zur Anwendung, ohne grosse Probleme auf die Bilateralen I verzichten. Die
Beibehaltung der Personenfreizügigkeit verursacht ihr weit mehr Nachteile als
ein eventueller Wegfall der Bilateralen I. Von zentraler Bedeutung ist dabei: Das
Freihandelsabkommen von 1972, das sowohl der Schweiz als auch der EU den
Zutritt zum Binnenmarkt der Vertragspartnerin garantiert, untersteht ebenso
wenig der Guillotine-Klausel wie weit über hundert weitere bilaterale Abkommen
zwischen Brüssel und Bern.
Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang: Die Schweiz
bezieht deutlich mehr Produkte und Dienstleistungen aus der EU, als sie dorthin
exportiert. Die Schweiz ist also Kundin gegenüber der EU. Notabene - keineswegs eine Selbstverständlichkeit
- eine zahlungsfähige Kundin. Auf der
Kundenliste der EU steht die Schweiz nach den USA und China auf dem dritten
Platz. Sie ist, obwohl viel kleiner als die EU, so Kundin von Gewicht.
»Am Abend der Annahme der
Masseneinwanderungsinitiative«, so eine Notiz
der NZZ vom 6. Dezember 2017, »wurde Angela Merkel gefragt, ob die EU nun die
übrigen bilateralen Verträge fallenlassen würde. Sie sagte: ›Wir lassen doch nicht Verträge fallen, die wir in
unserem Interesse abgeschlossen haben.‹
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