Die diesjährige NATO-Unsicherheitskonferenz - Von Doris Auerbach 24.02.2019 23:44
Das jährliche Treffen, das 55. seiner Art, das vom 15. bis 17. Februar stattfand,
ist schon wieder Legende, mitsamt seinen eher als überzahlreich zu betrachtenden Teilnehmern von 600 Personen, zu denen mehr als 40 Staats- und Regierungschefs zählten. Nun figuriert diese Konferenz unverändert unter dem Begriff »Sicherheit«, indessen dürften die von Seiten der USA dort vorgetragenen Forderungen und Drohungen bei Europäern und Nichtamerikanern eine rechte Unsicherheit erzeugt haben.
Was gewissermassen unausweichlich zu erwarten war,
war die Fortsetzung der bereits gewohnten Angriffe Washingtons auf Nord Stream
2 unter Zuziehung aller bereits ausgesprochenen Warnungen. Schon zuvor,
anlässlich der von der USA und Polen organisierten Nahostkonferenz, die am 13.
und 14. 2. in Warschau abgehalten wurde, hatte US-Aussenminister Mike Pompeo
erklärt, dass die russisch-deutsche Erdgaspipeline europäische Länder von
russischen Gaslieferungen abhängig machen würde. Zuvor hatte er im Zuge seiner
Europareise, die er am 11. 2. in Budapest angetreten hatte, die slowakische
Hauptstadt Bratislava besucht, wo er in Erinnerung an den Fall des Eisernen
Vorhangs vor 30 Jahren nicht versäumte, die ewig gleiche Warnung vor der
russischen Aggression vorzutragen, die, wie er zu behaupten beliebte, »die Freiheit auf dem Kontinent zu untergraben
drohe«. Gegner des Projekts, so Pompeo mit offener
Ehrlichkeit, sei die USA auch deswegen, »weil
es Russland überlegener mache«. [1] Was
aus der Sicht Washingtons ja schon gar nicht eintreten darf….
Von Seiten der USA war der Kampf um den europäischen
Energiemarkt schon 2015 in vollem Gange, da diese unverändert danach trachtet,
die europäischen Staaten von der von ihr als ›Energieabhängigkeit
von Moskau‹ bezeichneten Versorgung mit umweltfreundlichem
Erdgas durch Russland zu lösen. »Wer
darin eine Hilfestellung der Amerikaner sieht«, so die
›Deutschen Wirtschafts Nachrichten‹, »der täuscht sich.
Stattdessen sollen US-Konzerne die Energiesicherheit Europas garantieren.
US-Unternehmen sollen in den Fracking- und Kernkraftmarkt Europas eindringen, um
die russischen Energie-Konzerne zu verdrängen«. [2] Damit
die USA ihr umweltschädliches
Fracking-Gas verkaufen kann, »würde es«, so Oskar Lafontaine, »seit
längerem eine Lügenkampagne unter der Beteiligung von ›Bild‹ und ähnlichen ›Qualitätsmedien‹ und einschlägig bekannten ›Atlantikern‹ bei CDU und Grünen geben«. »Ihr Ziel sei es, zu verhindern,
dass Putin einen zu großen Einfluß in Deutschland bekomme«, so
Lafontaine ferner. [3]
Bei dem
von Washington entwickelten Plan, das Projekt Nord Stream 2 durch die
EU-Kommission zum Scheitern zu bringen, ging es darum, dass dieses aus der
deutschen Rechtsprechung herausgenommen werden sollte, so dass die Entscheidung
bei der EU-Kommission läge, wodurch es möglich gewesen wäre, auf europäischer
Ebene Beschränkungen für den Bau der Gasleitung zu verhängen. Und die
Amerikaner wären so imstande gewesen, zu signalisieren, dass sie damit nichts
zu tun hätten, wodurch der Eindruck entstanden wäre, als wäre die Pipeline von
den Europäern selbst abgelehnt worden.
[4] So hatten die Vereinigten
Staaten auch eine verschärfte Drohung gegen die an Nord Stream 2 beteiligten
Unternehmen ausgesprochen, die in dem von dem neuen US-Botschafter in Berlin,
Richard Grenell, an Uniper und die BASF verschickten Schreiben enthalten war.
Darin war die Rede von einem ›signifikanten
Sanktionsrisiko‹ für ›Aktivitäten im russischen
Energieexport-Pipeline-Sektor‹.
Uniper ist wie die BASF-Tochtergesellschaft Wintershall Finanzinvestor des vom
russischen Staatskonzern Gazprom verantworteten Projekts. Indessen machte
Gazprom klar, Nord Stream 2 bei einem Rückzug der Investoren notfalls im
Alleingang fertigzustellen.
Der Vorsitzende des österreichischen
Energiekonzerns OMV, Rainer Seele, der zuvor die Kasseler BASF-Tochterfirma
Wintershall, die zu den von Grenell bedrohten Unternehmen zählt, geleitet
hatte, erklärte Mitte Januar, Grenells Schreiben sei »eine vollkommen inakzeptable Bedrohung von
deutschen Unternehmen. Europa darf sich bei energiepolitischen Fragen nicht von
der USA bevormunden lassen«. Unterdessen schreitet
der Bau von Nord Stream 2 mit hohem Tempo voran. Schon Ende Dezember waren, wie
berichtet, von den etwas mehr als 1.200 Pipeline-Kilometern bereits rund 370
verlegt worden; weiterhin ist geplant, die Erdgasleitung bis Ende dieses Jahres
fertigzustellen, um sie spätestens zum 1. Januar 2020 in Betrieb nehmen zu
können. Gelänge dies, dann hätte Berlin in zumindest einem Streitfall einen
wichtigen Punktgewinn gegen Washington erzielt
[5], auch wenn
Vizepräsident Mike Pence in seiner Rede in München gefordert hat, dass sich
Deutschland von Nord Stream 2 verabschiede. ›Einmalig‹ wie immer verhielt sich das EP, das Mitte Dezember eine
Resolution gegen Nord Stream 2 annahm, die einen Baustopp der Pipeline und
einen Abbruch des gesamten Projektes fordert. Die Resolution bezeichnet das
Projekt als politisch; behauptet wird, dass es eine Bedrohung für die
europäische Sicherheit darstelle. »Das Europäische
Parlament fordert daher die Annullierung dieses Projekts«.
Zudem wird eine Verlängerung der antirussischen Sanktionen gefordert«. [6]
Beides richtet sich völlig unverständlicherweise klar gegen die Interessen der europäischen
Bevölkerung. Wie von der EU-Kommission in der Folge am 12. / 13. 2. bekannt gegeben,
haben die EU-Länder und das EP eine Einigung erzielt, der zufolge der Betreiber
der Gasleitung mit zusätzlichen Auflagen rechnen müsse. Diese vorläufige
Einigung muss vom Rat der Mitgliedsländer und vom EP noch formal gebilligt
werden. Dann wäre die Änderung der Gasrichtlinie endgültig unter Dach und Fach.
Wie sich die EU immer wieder den Forderungen der
USA beugt, ist an der Stellungnahme des Europa-Abgeordneten und Präsidenten der
europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, abzulesen: »Es darf kein geteiltes
europäisches Energierecht geben und keine Sonderrechte für Gazprom und Nord
Stream 2«. Man geht sicherlich nicht fehl, wenn man annimmt, dass sich
innerhalb der EU ohne die mit Drohgebärden verbundene Einmischung Washingtons
gar keine Auseinandersetzung ergeben hätte. [7]
Und was soll da
noch eine Rede von Annalena Baerbock,
dass die Europäer weltpolitikfähig werden müssten: »Sicherheitspolitik
ist mehr als Verteidigung allein, es sind Handelsfragen, es ist eine
Wirtschaftspolitik und die Klimakrise spielt zentral mit rein; dafür braucht es
eine gemeinsame europäische Strategie«, so die Grünen-Chefin. Wie
gedenkt sie das anzustellen, unterliegt doch die Wirtschaft der EU ständigen,
sie zu erdrosseln drohenden Sanktionen
von Seiten Washingtons und einer auf die Erfordernisse der USA ausgerichteten
und von ihr gelenkten Sicherheitspolitik?
[8]
Zankapfel Iran Als wesentlich schwerwiegender resp. folgenreicher
zeigt sich die Auseinandersetzung hinsichtlich des Irans. Am deutlichsten hat
dies wohl der iranische Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif in München
ausgedrückt: »Die USA ist vom Iran
pathologisch besessen«. In seiner Rede empörte er sich über die Angriffe und forderte von Europa mehr
Solidarität. Gewiss kann man ihm hierin folgen, dennoch ergibt sich auch hier
dieselbe Schwierigkeit: Wie soll das bei dem Status der EU als US-Kolonie auf
verlässliche Weise erreicht werden…. Sarif, schreibt ›sputniknews‹,
erfüllt so gar nicht das Klischee vom fanatischen
Mullah, das Washington gern von dem Iraner verbreiten möchte. Der Top-Diplomat
ist Professor für Internationales Recht und Politikwissenschaft, spricht
fliessend Englisch, hat in der USA studiert und war massgeblich an der
Aushandlung des Atomabkommens beteiligt. Wie es überdies hiess, ging US-Vizepräsident Mike Pence dem Vertreter des Erzfeindes
tunlichst aus dem Weg. [9]
Was bleibt, ist, dass Pence in seiner Rede klargestellt hat, dass
die USA von den Europäern erwartet, sich beim Atomabkommen mit dem Iran auf die
Seite der Vereinigten Staaten zu schlagen.
[8]
Ferner hat Pence von Berlin und der EU erneut ultimativ
verlangt, politische und wirtschaftliche Vorhaben, die mit der US-Politik nicht
in vollem Umfang übereinstimmen, umgehend aufzugeben, wozu, wie bereits
erwähnt, natürlich auch die Aufgabe von Nord Stream 2 gehören würde. Die
bedrohlichste Forderung besteht nun allerdings darin, das Nuklearabkommen mit
dem Iran zu kündigen. An diesem wollen die Europäer jedoch festhalten, wie dies
auch Bundeskanzlerin Merkel bekräftigt hat: »Zwar verfolge man ebenfalls das
Ziel, Irans Politik ›einzudämmen‹; dies werde allerdings besser
gelingen, wenn man die Vereinbarung beibehalte, um dadurch vielleicht auch auf
anderen Gebieten Druck machen zu können«. Weder Berlin noch die EU sind zur Zeit bereit, im
Streit mit Washington klein beizugeben. Unklar ist aber auch, vermerkt ›German Foreign Policy‹, ob die Bemühungen, das
Nuklearabkommen mit dem Iran zu retten, gelingen können. Bislang gilt als
Voraussetzung hierfür, dass die Geschäfte mit dem Land zumindest in
nennenswertem Umfang aufrechterhalten werden können, was allerdings bislang
nicht der Fall ist. Auch das kürzlich geschaffene Finanzvehikel ›INSTEX‹ [Instrument in Support of
Trade Exchanges], eine Art Tauschbörse, gilt als ungeeignet, um eine Wende zu
erreichen, was von Irans Aussenminister soeben in München bekräftigt worden ist:
›INSTEX‹, so Sarif, reiche nicht aus. Überdies hat die Atomvereinbarung in
der Bevölkerung im Iran deutlich an Rückhalt verloren, weil die EU zwar in
Bezug auf Handel viel verspricht, aber nicht liefert, wie es die Stiftung ›Wissenschaft und Politik‹ in einer aktuellen Stellungnahme
aufgezeigt hat. Auch im Teheraner Polit-Establishment seien zuletzt die ›Gegner der Vereinbarung gestärkt und die
Hardliner im Land beflügelt‹ worden.
Gebe es beim Handel nicht rasche Erfolge, dann könnten »selbst
die Pragmatiker vor einem Austritt aus der Vereinbarung nicht länger zurückschrecken«,
heisst es weiter: »Damit steht die Atomvereinbarung mit dem Iran auf der
Kippe«.
Wobei Analysen dieser Art durchaus mit Vorsicht zu begegnen ist. [10]
Bezüglich
des ebenfalls umstrittenen INF-Vertrags hat der oberste Aussenpolitiker Chinas,
Yang Jiechi, jetzt am 16. 2. in München erklärt, dass sein Land den Beitritt
zum INF-Verbotsabkommen für nukleare Mittelstreckenraketen ablehnt. Sein Land
orientiere sich bei der militärischen Rüstung ›streng an defensiven Notwendigkeiten‹. »Wir sind gegen die Multilateralisierung des INF-Vertrags«, so Jiechi [11]
und wies die Aufforderung von Bundeskanzlerin Merkel, nach
der Aufkündigung des INF-Vertrags an den internationalen Bemühungen um
Abrüstung mitzuwirken, zurück. Der bilaterale Abrüstungsvertrag habe ›gute Dienste geleistet‹, und
er hoffe, dass die USA und Russland wieder zu ihm zurückkehren. Die
Rüstungsstrategie Chinas mit ihrem rein defensiven Charakter stelle keinerlei
Bedrohung für andere dar. [12] Wie der vormalige Präsident der Sowjetunion
Michail Gorbatschow darlegt, »kann man nur
schliessen, dass hinter der Ausstiegsentscheidung der USA nicht die von
amerikanischen Anführern genannten Gründe stehen, sondern etwas ganz anderes.
Die USA will alle Beschränkungen im Bereich der Rüstung abschaffen, um absolute
militärische Überlegenheit zu erreichen. Wohl um der Welt ihren Willen zu
diktieren - wofür sonst?«. Dies aber sei ein Phantasiewunsch,
behauptete er. Denn die Hegemonie eines Landes sei in der modernen Welt
unmöglich. Gorbatschow hat die Bemühungen der europäischen Staaten zur Rettung
des Vertrags begrüsst und diesbezüglich auch die jüngsten Reisen von Heiko Maas
nach Moskau und Washington erwähnt. »Es ist
bedauerlich, dass dieser Versuch nicht erfolgreich war. Aber man muss die
Bemühungen fortsetzen, denn es steht zuviel auf dem Spiel«. [13]
Natürlich ist auch hier der Sündenbock wieder
Russland, auch wenn der Auslöser der ganzen Misere Washington ist. So warf Jens
Stoltenberg Russland vor, die Schwelle zum Nuklearkrieg zu senken, was er mit
den angeblichen russischen Verletzungen des INF-Vertrages begründete. Es gebe
immer mehr russische Raketen in Europa, nicht US-amerikanische. Die NATO, so
Stoltenberg ferner, werde für die notwendige Abschreckung sorgen. [14] Was
uns alle hier in Europa erstarren
lassen dürfte !
Zur Lage in Venezuela Im Hinblick darauf, dass der venezolanische Umstürzler Juan
Guaido bereits von einigen EU-Staaten, immerhin noch nicht
von der EU als Ganzes, aber, wiederum einmalig, auch vom EP schon eilfertig als Übergangspräsident anerkannt worden ist, ist die Forderung an die
EU ergangen, diesen nun als legitimen Präsidenten Venezuelas anzuerkennen. Inzwischen sind es
rund 50 Staaten, darunter eine Reihe lateinamerikanischer Länder, die Guaido
als Übergangspräsidenten gutheissen. Mike Pence zufolge ist Maduro »ein
Diktator, der kein Recht mehr auf die Macht hat. Er müsse gehen«. Wenn
Pence das so sieht, muss ja wohl so sein …
[15] Die Krise in Venezuela
spitzt sich im Augenblick fatalerweise dramatisch zu: Hilfslieferungen werden
abgewiesen, bei den Auseinandersetzungen kommt es zu Toten. Jetzt sieht auch
Aussenminister Mike Pompeo die Zeit zum Handeln gekommen. [16] Man
kann ruhig hinzufügen: Endlich! Ziel erreicht. Schliesslich ist das Weisse Haus
direkt in die Aufheizung der Unruhen eingebunden, wie dies aus den beiden
Berichten
Venezuela - Die Eskalation seit Monaten geplant und Venezuela - Ein neuer Brandherd? hervorgeht.
Noch vor den Massenprotesten gegen
Maduro, zu denen die von der oppositionell geführten Nationalversammlung am 23.
1 aufgerufen hatte, hatte Vizepräsident Pence eine Videobotschaft
veröffentlicht, in der er seine ›unerschütterliche Unterstützung‹
für einen Regimewechsel in Venezuela bekräftigte. Und Regimewechsel pflegt die
USA bekanntlich ohne grössere Skrupel zu lancieren, man ziehe hier nur einmal
das letzte Opfer dieser Schachzüge, die Ukraine, in Betracht, die sich heute
einem das Land niederdrückenden Chaos ausgesetzt sieht. Schon Anfang Januar
hatte Pence verlauten lassen, dass es für das venezolanische Volk an der Zeit
sei, ›die Dinge selbst in die Hand zu nehmen‹. »Die Vereinigten
Staaten unterstützen die mutige Entscheidung von Juan Guaido, dem Präsidenten
der Nationalversammlung, die verfassungsmässigen Befugnisse dieses Gremiums
geltend zu machen, Maduro zum Usurpator zu erklären und die Bildung einer
Übergangsregierung zu fordern«. Wer natürlich die Geschicke des Landes in die
Hand nehmen möchte, ist niemand anderes als Washington selbst. Seit Februar
2013, Chavez starb am 5. März 2013, ist Venezuela Ziel wirtschaftlicher US-Sanktionen
und administrativer US-Schikanen. Und seit Anfang November 2017 sanktioniert
auch die EU. Ihre gegen Venezuela verhängten Sanktionen hat die USA jetzt noch ausgeweitet, insbesondere
die, die Venezuelas überlebenswichtige Erdölbranche treffen. Hinzu
kommt, dass der Ölpreis derzeit lediglich bei 30 US-Dollar pro Barrel liegt. Indessen benötigte
Venezuela Einnahmen in Höhe von 120 $ pro Barrel, um seine Ausgaben zu decken. Eine
Steigerung der derzeitigen Förderung von 2,3 Millionen pro Tag auf 5 Millionen
pro Tag ist auf Grund fehlender Mittel für die erforderlichen Investitionen
jedoch nicht durchführbar.
Die fünftgrösste Nation Südamerikas mit 31
Millionen Einwohnern verfügt mit etwa 50 Milliarden Tonnen über die weltweit
grössten und wohlgemerkt anzapfbaren Ölreserven; zudem gehören Gold, Diamanten
und Eisen zu den nahezu unerschlossenen Potentialen des Landes. Nun zählt
Venezuela, wie der in Sao Paulo lebende Autor Wolf Gauer darlegt, zu den
wenigen ressourcenstarken Wirtschaftsräumen, die noch nicht unter
US-amerikanischer Vormundschaft stehen und obendrein wirtschaftliche
Beziehungen zu Russland und China pflegen. Das reizt zum Einschreiten. [17] Man erinnere sich: Am 11. April
2002 war Chavez, der 1999 an die Macht gelangt war, mit Unterstützung der CIA
von wohlhabenden Oppositionskräften aus dem Amt geputscht worden. Nur zwei Tage
später zogen 1,5 Millionen Menschen vor den Regierungssitz in Caracas,
vertrieben die Putschregierung und holten Chavez zurück in sein Amt. [18]
Im
November 2005 schrieb
der mit zahlreichen Preisen bedachte Journalist John Pilger: »Während
die Welt auf den Iran und Syrien blickt und die nächste Bush-Attacke dort
vermutet, wissen die Venezolaner genau: Sie könnten die nächsten sein. Am 17.
März berichtete die ›Washington Post‹, dass Feliz Rodriguez, ›ein ehemaliger CIA Agent mit guten
Verbindungen zur Bush-Familie‹ an
dem Plan zum Mordanschlag gegen den Präsidenten von Venezuela beteiligt war. Am
16. September sagte Chavez, ›ich
habe Beweise, dass es Pläne zur Invasion von Venezuela gibt. Des weiteren haben
wir Dokumente, wie viele Bombenflugzeuge Venezuela am Tag der Invasion überfliegen werden..… Die Vereinigten Staaten führen Manöver auf der Karibikinsel Curaçao durch,
die sogenannte Operation Balboa‹. Seitdem
haben interne Dokumente des Pentagons, die den Medien zugespielt wurden, Venezuela
als eine ›post-Irak-Drohung‹ identifiziert, die eine Planung ›im vollen Ausmaß‹ erfordere«. [19]
Die Grenzunruhen – offensichtlich
orchestriert Am 11. 2. berichtete ›German
Foreign Policy‹, dass Guaido
Provokationen an Venezuelas Grenze angekündigt hatte und sich offen für einen
Einmarsch von US-Truppen in das Land zeigte. Am Wochenende 9./10. Februar hatte
er davon gesprochen, dass erste, nicht näher bezeichnete ›Gruppen‹ versuchten, in
den Nachbarländern antransportierte Hilfsgüter ins Land zu bringen.
Gegebenenfalls sei er bereit, auch eine Intervention fremder Streitkräfte zu
autorisieren. Wie es in Washington hiess, handle es sich bei dem Antransport
der Hilfsgüter nicht etwa um ›eine
humanitäre Mission‹, sondern lediglich
um den Versuch, die Streitkräfte doch noch zu einer Erhebung zu motivieren.
Guaidos jüngstem Vorstoss waren bisher vergeblich gebliebene Bemühungen, die
venezolanischen Streitkräfte zum Putsch zu bewegen, vorausgegangen. Um für
einen solchen erwünschten Putsch zu werben, hatte die Nationalversammlung
bereits vor Guaidos Selbstproklamation zum Präsidenten eine Amnestie für alle
Soldaten beschlossen, die bereit gewesen wären, sich gegen die Staatsspitze zu
erheben. Verständlicherweise
lehnt es Maduro ab, auf dem Umweg über angeblich humanitäre Lieferungen den
Umstürzlern faktisch die Entscheidungsgewalt in Caracas zu übertragen. [20]
Die Begründungen, mit denen Aussenminister
Pompeo seinerseits die von ihm dekretierte Notwendigkeit zum Handeln untermauert,
spiegeln eine einzige Heuchelei: Es ist die Rede von Washingtons Unterstützung der Demokratie, um dem verzweifelten venezolanischen Volk zu helfen, von der Ergreifung
von Massnahmen gegen jene, die sich der friedlichen
Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela widersetzen und von der
Solidarität mit jenen, die ihren Kampf für die Freiheit fortsetzen. [21] Er
verfehlte auch nicht, den Familien derjenigen, die bei den gewaltsamen
Zusammenstössen an der Grenze zwischen Venezuela und Brasilien ums Leben
gekommen sind, sein Mitgefühl auszusprechen. «Wir schliessen uns deren
Forderung nach Gerechtigkeit an», schloss Pompeo seine Botschaft. [22]
Am 18. 2. hatte Trump in seiner
Rede in Miami dem venezolanischen Militär, das noch an der Seite Maduros stehe,
schwere Konsequenzen angedroht, wenn es weiterhin für den Staatschef Maduro einträte
[23]
und am 6. 2. hatte er seine volle Unterstützung
für die venezolanische Opposition zum Ausdruck gebracht. [24] Desgleichen
Bundesaussenminiser Heiko Maas am 18. 2. im Anschluss an Beratungen mit EU-Amtskollegen in Brüssel:
»Wir sind uns eigentlich einig, dass wir unsere
Unterstützung für Juan Guaido nicht nur aufrechterhalten, sondern dass wir sie
intensivieren müssen«. [25] Letzten
Nachrichten zufolge sind nach Angaben der Einwanderungsbehörde Kolumbiens inzwischen
etwa 60 Mitglieder der Sicherheitskräfte Venezuelas desertiert und über die
Grenze geflohen. Zwei Lastwagen mit Lebensmitteln und Medizin konnten allerdings
nicht über die Grenze gebracht werden und mussten umkehren.
Ursula von der Leyen hatte die Konferenz gemeinsam
mit ihrem britischen Kollegen Gavin Williamson, der erst seit einem Jahr im Amt
ist, eröffnet. Dieser zeichnete sich unmittelbar dadurch aus, dass er nicht
davor zurückschreckte, seine hässliche Kritik an Russland vorzutragen, die dem
Land ›Abenteurertum‹,
Versuche, Vertrauen zu unterminieren und in allen Grauzonen der realen und
virtuellen Welt Destabilisierung zu fördern und Zwietracht zu säen, vorwarf. Der
Kreml, so Williamson, hoffe »to get away with murder
while having blood on his hands«. Das werde nicht
gelingen. Letzteres veranlasste die ›Frankfurter
Allgemeine Zeitung‹
immerhin zu folgendem Statement: »Die
Vereisungen der internationalen Politik sind unübersehbar. So braucht der
britische Verteidigungsminister Gavin Williamson nur wenige Sekunden
Redeanlauf, um die russische Regierung als ›Abenteurer‹ und Mörder zu attackieren«. [26] Von Wolfgang Ischinger, dem Chef der Münchner
Sicherheitskonferenz, wurde Russland als ›momentaner
Problembär‹ dargestellt. Es ist effektiv erstaunlich,
mit welcher Gelassenheit Russland auf all die infamen Anschuldigungen reagiert.
[27]
Ansonsten mahnte Heiko Maas zu einem selbstbewussteren
Auftreten in einer Welt, die »von neuen Rivalitäten zwischen etablierten und
aufstrebenden Mächten geprägt« sein werde. Wichtig sei ein »starkes,
handlungsfähiges Europa«, das als starker Akteur auftrete, nicht als ›Objekt globaler Politik‹. Erneut: Um solches zu erreichen,
müsste sich die EU zunächst von dem Joch der US-Sanktionen befreien können. [28]
Aller Zerwürfnisse entgegen hat der frühere US-Vizepräsident Joe Biden die Verbündeten der USA gebeten, sein Land trotz
der gegenwärtigen Schwierigkeiten in den transatlantischen Beziehungen nicht
abzuschreiben. Mit Blick auf die derzeitige US-Regierung unter Donald Trump
sagte er am letzten Tag der Sicherheitskonferenz: »Ich
versprechen Ihnen, das wird vorbeigehen«. Jedoch kann sicherlich
auch er heute noch nicht verlässlich abschätzen, wie sich die Lage entwickeln
wird. [29]
In Anbetracht der Zwiespältigkeit der
Einstellungen, wie sie jetzt in München zutage getreten sind, muss dieses
Treffen bedauerlicherweise als Unsicherheitskonferenz im Gedächtnis bleiben.
mailto:d.auerbach@gmx.ch
[1] https://bazonline.ch/ausland/europa/usaussenminister-warnt-vor-russland-und-china/story/21960842 12. 2. 19
[2] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/04/09/griechenland-und-ungarn-kooperieren-mit-russland-bei-turkish-stream/ 9. 4. 15 [3] https://de.sputniknews.com/politik/20190208323893488-lafontaine-kommentar-us-politik-europa/?fbclid=IwAR13inTDItqc2-8ougM4yVuCBMJQSxEU3aATTD7PM5iEsskQnMzOZ7oall8&utm_source=https://www.facebook.com/&utm_medium=short_url&utm_content=kE4N&utm_campaign=URL_sh 8. 2. 19
[4] https://de.sputniknews.com/kommentare/20190131323794981-us-kampf-gegen-nord-stream-2/ 31. 1. 19 [5] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7831/
16. 1. 19 Die Souveränität der Macht [6] https://de.sputniknews.com/politik/20181212323263894-eu-abbruch-nordstream2/ 12. 12. 18
[7] https://www.nzz.ch/wirtschaft/nord-stream-2-eu-einigt-sich-auf-regeln-fuer-pipeline-projekte-ld.1459415 13. 2. 19
[8] https://www.swr.de/swraktuell/Wir-haben-ein-Problem-Houston-Ischinger-zieht-duestere-Bilanz-der-Sicherheitskonferenz,ende-sicherheitskonferenz-100.html 18. 2. 19 [9] https://de.sputniknews.com/politik/20190217324008496-iran-sarif-munchen-sicherheitskonferenz-usa/ 17. 2. 19 [10] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7863/
18. 2. 19 Europas ›geopolitische Identität‹ [11] https://deutsch.rt.com/newsticker/84369-china-lehnt-unterzeichnung-des-inf-vertrags-ab/ 16. 2. 19 [12] https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/chinas-vertreter-in-muenchen-lehnt-beteiligung-an-neuem-abruestungsvertrag-ab-a2797428.html
16. 2. 19 [13]
https://de.sputniknews.com/politik/20190213323938606-gorbatschow-bewertet-inf-ausstieg-usa/ 13. 2. 19
Was steckt hinter INF-Ausstieg der USA? [14] https://de.sputniknews.com/politik/20190215323981538-stoltenberg-angst-msk-2019/ 15. 2. 19 [15] https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/pence-eu-soll-guaido-als-praesidenten-venezuelas-anerkennen-2-a2797312.html 16. 2. 19 [16] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/pompeo-werden-massnahmen-fuer-demokratie-in-venezuela-ergreifen-16057338.html 24. 2. 19 [17] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2743
8. 1. 18 Das »Schweizer Taschenmesser der
US-Außenpolitik« - Der Fall Venezuela
- Von Wolf Gauer [18] https://www.gegenfrage.com/cia-putsch-venezuela/ 11. 4. 2018 [19] http://www.newstatesman.com/200511140005
14. 11. 2005 Amerikas
neuer Feind im Aufstieg - Von John Pilger im ›New Statesman‹ / ZNet
11. 11. 2005 [20] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7856/
11. 2. 19 Aufforderung zum Putsch [21] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/pompeo-werden-massnahmen-fuer-demokratie-in-venezuela-ergreifen-16057338.html
24. 2 19 [22] https://www.srf.ch/news/ticker
24. 2. 19 7.34 Uhr [23] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/donald-trump-droht-maduro-treuen-militaers-in-venezuela-16048623.html 19. 2. 19 [24] https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/83751-trump-verspricht-unterstutzung-us-waffenlieferungen-venezolanische-behoerden-beschlagnahmt/ [25] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/venezuela-eu-staaten-drohen-maduro-mit-weiteren-sanktionen-16048134.html
18. 2. 19
[26] https://www.faz.net/aktuell/politik/sicherheitskonferenz/sicherheitskonferenz-kein-politisches-tauwetter-in-muenchen-16043596.html 15. 2. 19 [27] https://de.sputniknews.com/politik/20190117323625134-ischinger-msk-erwartungen/ 17. 1 19 [28] https://www.epochtimes.de/politik/europa/von-der-leyen-wir-europaeer-muessen-mehr-in-die-waagschale-werfen-2-a2796741.html 15. 2. 19 [29] https://bazonline.ch/ausland/amerika/amerika-wird-zurueckkommen-exvize-erhaelt-applaus/story/10890371 16. 2. 19
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