Iran - »Inszenierte Feindschaft«

d.a. Die konstanten Nadelstiche Washingtons gegen den Iran, gleich,

wer dort am Ruder ist, setzen sich nahtlos fort. Und seit nun US-Präsident Trump – legt man die Anzeichen zugrunde -  offensichtlich auch noch glaubt, dass die Geschicke dieser Welt ausschliesslich in seinen Händen gedeihen können, haben sich die Angriffe gegen das Land, ob taktischer oder rein verbaler Natur, erneut verstärkt. Der feste Wille der Vereinigten Staaten, die Nationen unter die Hegemonie der USA zu bringen, war letztlich auch für den US-Militärstrategen Thomas P.M. Barnett der Anlass, die hierfür konzipierten Massnahmen auf nicht weniger als 415 Seiten in seinem Buch über die zukünftige US-bestimmte Neue Weltordnungschonungslos auszubreiten, was den Leser allerdings mit Schrecknissen aller Art zurücklässt ….. [1].  Was nun den Drang resp. die Obsession angeht, die Politik der Staaten steuern zu wollen, so dürfte allerdings George Soros mit Trump unverkennbar gleichauf liegen..…..

Inzwischen haben die Spannungen, wie in den Medien hinlänglich berichtet, Auswirkungen auf den internationalen Flugverkehr. Am 20. 6. hatte der Iran eine US-Aufklärungsdrohne, die bei Kuh-Mubarak in der Provinz Hormusgan in den iranischen Luftraum eingedrungen war, abgeschossen; hierzu erklärte der Chef der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami: »Dies war eine klare und konsequente Botschaft an diejenigen, die unsere Grenzen verletzen wollen. Der Iran wolle mit niemandem Krieg, sei aber auf jeden militärischen Konflikt vorbereitet«. Die Grenzen des Landes stellten die rote Liniedes Irans dar.  »Jeder, der sie überschreitet, wird zerstört, und auch nicht mehr zurückkehren«, sagte der General ferner. Die US-Armee hat den Abschuss zwar bestätigt, jedoch dementiert, dass die unbemannte Drohne in den iranischen Luftraum eingedrungen sei. Kommentar von Trump: »Der Iran hat einen sehr grossen Fehler gemacht!«.  [2]

Der Vorfall hat den Iran darüber hinaus dazu veranlasst, sich auf Grund der Verletzung des Luftraums am Persischen Golf an den UNO-Sicherheitsrat zu wenden, um gegen den eindeutigen und provokativen Verstoss der USA zu protestieren. Den US-Angaben zufolge soll sich die Drohne rund 34 km von der Küste Irans entfernt im internationalem Luftraum befunden haben, was vom iranischen Aussenministerium, das die Koordinaten des Abschusses veröffentlicht hat, jedoch als Lüge bezeichnet wird. Wie sich dieser Zwischenfall entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel al-Dschubair, gewarnt, dass es, sollte der Iran die Strasse von Hormus sperren, es eine sehr, sehr starke Reaktion geben werde; er bekräftigte indessen gleichzeitig, dass sein Land keinen Krieg mit dem Iran wolle.  Wie am 21. Juni bekannt gegeben, hat die US-Luftfahrtbehörde ein Flugverbot über dem Persischen Golf und dem Golf von Oman verhängt; dieses gelte für alle in den USA angemeldeten zivilen Fluggesellschaften.  

Einer letzten Meldung vom 21. 6. zufolge hat ein iranischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters mitgeteilt, dass Präsident Trump über den Oman ausrichten liess, er wolle keinen Krieg gegen den Iran, sondern Gespräche über verschiedene Themen. Die Antwort hierauf  - ebenfalls via Oman -  soll besagt haben, dass eine Entscheidung hierzu dem geistlichen und staatlichen Oberhaupt Chamenei obliege. Einem Insider zufolge soll dieser jedoch Gespräche mit den USA ablehnen. Zuvor hatte es noch geheissen, dass Trump nach dem Abschuss der Drohne zunächst Angriffe auf Ziele im Iran genehmigt hätte, diese aber doch nicht ausführen liess.  [3]  Das kann man nun glauben oder nicht, widersprechen sich doch die Meldungen mit schöner Regelmässigkeit ……

Unter dem Titel Inszenierte Feindschaftlegen die Autoren Jochen Mitschka und Hossein Pur Khassalian dar, wie der Westen eine Demokratisierung des Irans systematisch verhindert hat und das Mullah-Regimeerbittert bekämpft.  [4]

Jochen Mitschka, Jahrgang 1952, war u.a. Unternehmensberater mit eigenem Unternehmen in Südostasien und einem kurzen Einsatz im Rahmen einer UNO-Massnahme in Vietnam. Seit seinem Ruhestand im Jahr 2017 schreibt er für verschiedene alternative Internetseiten Artikel, und schreibt Bücher mit dem Schwerpunkt Außenpolitik. [5]  Der im Jahr 1938 geborene Dr. Hossein Pur Khassalian ist gebürtiger Iraner und studierte in Bonn Medizin; als Ruheständler forscht und schreibt er seit 2001 Texte über den Iran und den Islam.

Der Iran war das erste Land in der Region, das versuchte, eine Demokratie zu entwickeln. Der Versuch wurde,  nicht allein, aber maßgeblich und immer wieder, durch westliche Mächte unterbunden. Jedes Mal, wenn eine Demokratisierung begonnen hatte, wurde sie wieder zertreten.       

Seit der Amtsübernahme des US-Präsidenten Donald Trump wird die Liberalisierung und Demokratisierung des Irans erneut behindert. Die politischen   Auseinandersetzungen zwischen der Islamischen Republik und den USA sind in eine neue Phase eingetreten. Mit der Weigerung, sich an den Atomvertrag, den Joint Comprehensive Plan of Action JCPOA zu halten, hat Trump alles über Bord geworfen, was Frank-Walter Steinmeier in seinem vorherigen Amt als Außenminister in der Iran-Frage erreicht hatte: Insbesondere den Iran und die USA an einen Tisch zu bringen, den Atomstreit beizulegen und die Vertragsverhandlungen in Wien, die im November 2013 begannen, im Jahr 2015 zu einem positiven Abschluß zu bringen.                 

Was möchte Donald Trump? Möchte er alles anders machen als Obama, möchte er den Herren Netanjahu und Mohammad bin Salman gefallen? Oder will er ein Diener der Waffenindustrie sein?

Ich denke, dass er alle drei Rollen gleichzeitig spielt. Hinzu kommt, dass er selbst mit all seinen präsidialen Möglichkeiten an sein privates Geschäft denkt. Er macht sich wichtig, indem er die Menschen an die Achsen der Bösen erinnert, wobei der Iran am bösesten sein soll. Hört oder liest man, wie er den Iran und dessen Regierung beschreibt, unterscheidet es sich kaum von dem, was man westlichen Medien entnehmen kann. Mal sei der Iran ein Gottesstaat, mal ein Mullah-Staat, in dem die Regierung dem Volk ihre eigene Art des Islam vorschreibe. Der Iran sei das Zentrum des Weltterrorismus  - er unterstütze die Terroristen -  und der schiitische Iran sei entschlossen, die Welt zu erobern. Und dann dieser kernige Satz: »Erst, wenn die Wurzel des Übels beseitigt ist, wird es Frieden geben«.  

Mullah-Staat oder Gottesstaat sind für mich vulgäre Beschimpfungen des Irans. Wie rasch die Geistlichen tatsächlich ihre Positionen im Staat verlieren, kann man an Hand der Anzahl ihrer Sitze im Parlament ersehen: In der ersten Legislaturperiode waren von 327 Abgeordneten 164, also knapp über die Hälfte, religiöse Gelehrte. In der zweiten Legislaturperiode wurde die Anzahl der Abgeordneten auf 277 reduziert, davon waren noch 153 Mullahs beziehungsweise Religionswissenschaftler. Schon in der dritten Legislaturperiode mit 278 Abgeordneten reduzierte sich die Zahl der religiös bestimmten Abgeordneten auf 30 % oder 85 Abgeordnete. Und so ging es kontinuierlich weiter bis auf nur noch 5,5 % in der 10. Legislaturperiode.     

Der Iran unterstützt die Terroristen ist eine viel zu pauschale Unterstellung. Es muß betont werden, dass aus der Sicht Israels jeglicher legitime Kampf gegen Besatzung und jeder Widerstand gegen einen Angriffskrieg als terroristischer Akt bezeichnet wird.  

Der Iran wäre ein Unterstützer des internationalen Terrorismus und hätte Verbindungen zu al-Kaida und zum ISIS. Diese Behauptung ist natürlich eher eine Satire, weil niemand die beiden Terrororganisationen in Syrien entschiedener bekämpft als die iranischen Hilfseinheiten der Revolutionären Garden. Und gerade im vergangenen Jahr hatte es tödliche Anschläge einer ISIS-Zelle in Teheran gegeben, auf die der Iran mit Mittelstreckenraketen auf ein Hauptquartier der Terroristen geantwortet hatte. Jeder dürfte inzwischen wissen, dass die Hauptunterstützer dieser Dschihadisten die USA, die Türkei und Saudi-Arabien sind, sowie bis vor kurzem Katar. Sie agieren als Stellvertreterarmeen in Syrien, um das Land zu destabilisieren. Das ist in so vielen Quellen nachzulesen, dass ich hier darauf verzichte, sie einzeln zu erwähnen.

Der Iran unterstützt die Hisbollah, das ist richtig, aber sie ist keine Terrororganisation, sondern gerade wieder als stärkste Partei ins Parlament des Libanons gewählt worden. Sie ist grimmiger Verteidiger der südlichen Grenzen des Landes, gegen das Israel bereits zweimal vergeblich Krieg führte, ohne die wichtigen Wasser-Ressourcen des Libanons besetzen zu können. Durch die Hisbollah blieb dem Libanon das Schicksal Syriens erspart, dessen Golanhöhen von Israel besetzt wurden, das dort nun Öl und Gas ausbeuten wird. [Diese hat US-Präsident Trump, völlig eigenmächtig gilt es hinzuzufügen, vor kurzem formell als Staatsgebiet Israels anerkannt; Anmerk. Redaktion politonline].  

Den Jemen unterstützt der Iran diplomatisch und mit humanitären Lieferungen, die jedoch von Saudi-Arabien mit Hilfe der USA durch eine Totalblockade immer wieder abgefangen werden. Ob auch Militärberater vor Ort sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig wie die Lieferung von Waffen. Und ja, der Iran unterstützt die legitime Regierung Syriens beim Anti-Terror-Krieg gegen Einheiten, die von den USA und ihren Verbündeten bewaffnet, trainiert, finanziert und mit Aufklärung und Logistik unterstützt werden.    

Zum Vorwurf des Terrorismus in Palästina durch Palästinenser schreibt Tim Anderson: »Dann gibt es den aktiven Widerstand, der den bewaffneten einschließt. Es gibt keinen Zweifel, dass dieser im Kontext der gewalttätigen Kolonialisierung legitim ist. Er wird sehr wohl durch internationales Recht anerkannt; er gilt jedoch als böse in Zeiten von genozidaler Aufhetzung durch zionistische Anführer, die wiederholt Angriffe auf palästinensische Siedlungen unterstützen. Diese Angriffe sind zum großen Teil dazu bestimmt, palästinensische Gebiete unbewohnbar zu machen, um die Bewohner so aus dem gelobten Land zu vertreiben (Wadi 2018). In diesem Zusammenhang ist sowohl sich wehren als auch zurückschlagen Widerstand. Der Apartheidstaat besetzt mehr Land als zuvor, und doch zeigen die Aufstände der Palästinenser, dass die neuen Siedlungen, ihre Militärbasen und Zubringerstraßen nicht sicher sind. Sie können blockiert werden und unter Feuer geraten, und solche Vorfälle geschehen regelmäßig, fast täglich.  

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat bei mehreren Gelegenheiten das Recht von kolonialisierten Völkern  - insbesondere von Palästinensern -  bestätigt, sich mit allen verfügbaren Mitteln, besonders auch dem bewaffneten Kampf zu widersetzen (UNGA 1978). Die UNO-Generalversammlung hatte außerdem erklärt, sie »verurteile scharf alle  Regierungen, die das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Menschen unter kolonialer und ausländischer Herrschaft sowie die Unterjochung durch Fremde nicht anerkennen, insbesondere den Kampf der Menschen von Afrika und des palästinensischen Volkes« (UNGA 1974).

Bemerkenswert ist, dass Trump für den aktuellen Versuch der Unterwerfung des Irans nicht unbedingt militärische Mittel einsetzen muss. Die Sanktionen, die er verordnet hat, reichen aus, den Iran bei der Entwicklung eines demokratischen Prozesses zu behindern. Und das ist nach meiner Meinung nicht das erste Mal, dass eine westliche Macht dem Iran dies antut.

Die Geschichte der Zerstörung demokratischer Hoffnungen
ist die, wie der mühsam erkämpfte Demokratisierungsprozeß im Iran im Verlauf der letzten 100 Jahre mindestens sechsmal beendet oder behindert wurde.

Der erste Versuch

1905 fand eine Revolution statt, die zur Bildung einer konstitutionellen Monarchie führte. Es wurde eine Verfassung geschrieben, ein Parlament gewählt und die kaiserliche Macht eingeschränkt. Dies war in dem Gebiet östlich der Donau ein einmaliger Vorgang.

Zwischen 1905 und 1911 kam es zur Bildung einer konstitutionellen Revolution, dem Kampf des Parlaments (Madschlis) gegen Mohammed Ali Schah und den im August 1907 unterzeichneten Britisch-Russischen Teilungsvertrag.

1915 wurde der Iran zwischen Rußland und Großbritannien aufgeteilt, die Entwicklung der Demokratie beendet.

In den Jahren 1915 bis 1921 wurde der Iran von britischen und russischen Truppen besetzt und in den im Ersten Weltkrieg gegen das Osmanische Reich geführten Krieg  [pro-osmanische Gegenregierung in Qom]  und die Interventionskriege gegen die junge Sowjetunion verwickelt.

Der zweite Versuch

Der zweite Versuch, sich aus dem Einfluß der westlichen Mächte zu befreien und eine Demokratie zu entwickeln, unternahm ein im Westen ausgebildeter liberal-demokratischer Volljurist, Dr. Mohammad Mossadegh im April 1951. Auch diese demokratische Bewegung war für das Gebiet östlich der Dardanellen einmalig.

Der zweite Abbruch: Lange durfte Mossadegh nicht wirken. Im August 1953 wurde er durch einen von den USA inszenierten Militärputsch gestürzt. Der Iran wurde durch die Intervention der CIA wieder zu einer brutalen Diktatur.

Der dritte Versuch

Der dritte Versuch war die Revolution von 1979. Bis dahin regierte der Schah mit eiserner Hand, was ihm die volle Unterstützung der USA sicherte. Es gelang ihm aber nicht, die Wunde zu heilen, die der Putsch von 1953 hinterlassen hatte.   Michael Lüders spricht das aus, was jeder Iraner ihm bestätigen würde: »Ohne den Putsch von 1953 wäre die Revolution 1979 nicht zustande gekommen«.  [6] Die Revolution in falsche Bahnen zu lenken wurde gleich von mehreren relevanten politischen Gruppierungen versucht. Nach einem Zusammentreffen der Vertreter der Großmächte in Guadeloupe vom 3. und 4. Januar 1979 wurden Pläne entworfen, die weitere Entwicklung der Revolution bestimmen zu können.

Jimmy Carter und Helmut Schmidt waren sich sicher: Wenn die von den USA eingerichtete iranische Armee unangetastet bliebe, könnte der Iran auch ohne den Schah weiterhin in den Diensten des Westens stehen. Es war der NATO-General Robert Huyser, den man als Schah-Ersatz in den Iran beorderte. Dass die Soldaten und die jungen Offiziere der Armee auch Menschen waren, die nun ihre Freiheit wünschten, stand nicht in ihrer Kalkulation. Der Schah ging und die Monarchie verschwand, obwohl er noch 7 Jahre zuvor das 2.500-jährige Bestehen des Königtums im Iran feierte und sich fest im Sattel fühlte.

6. Januar 1979: Abreise des Schahs

1. Februar 1979: Ein triumphaler Empfang für Khomeini, an dem, nach Einschätzung von Peter Scholl-Latour, über 2 Millionen Menschen teilnahmen.

5. Februar 1979: Mehdi Bazargan wurde die Aufgabe zuteil, den   Demokratisierungsprozeß voranzutreiben. Es wird im Westen kaum über Bazargan und sein Schicksal berichtet, resp. darüber, wie sehr er bemüht war, nach dem Sturz der Monarchie die Ruhe im Saal durchzusetzen. Die Entscheidung Khomeinis für Mehdi Bazargan (1907-1995), war richtungsweisend, blieb aber im Westen unbeachtet. Allein die Krawatte, der weiße Kragen und der Anzug zeugten von seiner politisch-gesellschaftlichen Ausrichtung. In der schriftlichen Beauftragung vermerkte Khomeini (Quelle persisch): »Nach dem Vorschlag des Revolutionsrates und nachdem die überwiegende Mehrheit des Volkes mir die Führung der Revolution überlassen hat, sehe ich es als meine religiöse Pflicht an, Sie, Mehdi Bazargan, mit der Bildung der vorläufigen Regierung zu beauftragen«. Zu seinen Aufgaben gehörte neben den Regierungsgeschäften die Durchführung von Volksbefragungen und Wahlen.

Beachtenswert sind dabei folgende Fakten:  

-   Die Ernennung Bazargans war keine Alleinentscheidung Khomeinis. Er folgte der Entscheidung des Revolutionsrates.

-   Der Revolutionsrat war paritätisch besetzt, allerdings ohne Beteiligung der Vertreter der muslimischen Radikalen und der Kommunisten.   

-   Die Auswahl der Mitglieder des Revolutionsrates zeigte, dass Khomeini nicht daran gelegen war, die muslimischen Radikalfundamentalisten an der Macht teilnehmen zu lassen, soweit er zu entscheiden hatte.

-   Viele Radikalfundamentalisten hielten die Volksbefragung für überflüssig.

-   Viele der Radikalfundamentalisten waren gegen einen prowestlich gekleideten Regierungschef.

-   Aus Besorgnis über einen möglichen US-Putsch bestand Khomeini auf der unverzüglichen Durchführung der Wahlen.

-   Wissend, wie stark die Front der radikalen Fundamentalisten war, bestand Khomeini auf einem System, in dem neben den religiösen Elementen auch republikanische in der Verfassung verankert wurden.

-   Aber es lauern auch heute noch einige Ayatollahs darauf, einen rein islamischen Staat ohne republikanische Elemente durchzusetzen.

Was den 3. Abbruch betrifft, so waren es nicht nur einige religiöse Gelehrte, die Bazargan Steine in den Weg legten. Für viele linke Intellektuelle galt er als ein prowestlicher Regierungschef, und daher ungeeignet für einen aus der Revolution entstandenen Staat. Bazargan wäre ein Wegbereiter für die Imperialisten, sagten sie. Am 4. November 1979 war es dann soweit. Die Reise des Schahs in die USA erweckte bei den linken Intellektuellen den Verdacht, die USA würden wieder einen Putsch vorbereiten und diesen bald durchführen. Das war der Grund für die Besetzung der Botschaft der USA in Teheran. Ohne die Auslieferung des ehemaligen Diktators an die neue Regierung, damit ihm im Iran der Prozeß gemacht werden konnte, schwebte das Damoklesschwert eines erneuten Regimewechsels über der jungen Republik. Die Botschaftsbesetzung wollte Bazargan nicht mittragen. Er trat am 5. November 1979 zurück. Dies zeigt  einmal mehr, welche Wunde der 1953er Putsch hinterlassen hatte.

Der vierte Versuch

Dieser wurde während der Präsidentschaft von Abolhassan Banisadr (geb. am 22. März 1933) begonnen. Am 24. Januar 1980 wurde Banisadr als erster Präsident in der Geschichte des Irans frei gewählt. Welches Wunder, dass wieder ein in Frankreich promovierter junger Mann mit sozialdemokratischer Ausrichtung eine führende Position bekam. Beachtenswert ist, dass er sogar Khomeinis Favorit war.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 1980 wurde Khomeini bedrängt, Jalal-Al Din Farssi, einen fundamentalistischen Kandidaten mit einem Hang zum Marxismus, vorzuziehen. Khomeini winkte ab. Als Begründung wies er auf dessen Herkunft hin, sein Vater sei kein Iraner, sondern Afghane. Laut Verfassung käme er deshalb nicht infrage. Wer Khomeini kennt, weiß, dass er pragmatisch genug war, um sich für den Favoriten der Fundamentalisten zu entscheiden, wenn er darin einen Vorteil für die Islamische Republik gesehen hätte.

Khomeini ging sogar einen Schritt weiter. Zum Leidwesen der Radikal- Fundamentalisten übergab er Banisadr die gesamte Entscheidungsmacht über die bewaffneten Kräfte, so dass viele fundamentalistische Kräfte einen prowestlichen, sozialdemokratischen Banisadr als Oberbefehlshaber ertragen mußten. Hätte es keinen Krieg gegeben, hätten sie vielleicht Banisadr ertragen. Aber der Irak hatte im September 1980 mit maßgeblicher Unterstützung der USA einen Krieg gegen den Iran begonnen. Bald bemängelten die Kritiker Banisadrs, zu recht oder zu unrecht, Fehler und Führungsschwäche bei ihm. Sie baten Khomeini um die sofortige Absetzung des Präsidenten. Sie hielten sich für fähiger, sie wären opferbereiter, heldenhafter und mutiger. Sie würden den Islam und den Iran besser verteidigen. Khomeini hatte keine andere Wahl, als ihrem Drängen nachzugeben. Das Land mußte verteidigt werden. Trotzdem lehnte er die sofortige Absetzung Banisadrs ab. Mit Hinweis auf die Verfassung bestand Khomeini darauf, dass nur das Parlament diese Entscheidung treffen könne, und das nur mit zwei Drittel der Stimmen. Er zögerte so lange, bis sich das frisch gewählte erste Parlament konstituiert hatte. Aus dieser Entwicklung schließe ich, dass Banisadr ohne den Irakkrieg mehr bewirken können hätte, so dass der Demokratisierungsprozeß vorangetrieben worden wäre. Seine Absetzung bezeichne ich als vierten Abbruch.   

Der fünfte Versuch

Dieser war der eindeutige Sieg Mohammad Khatamis bei der Präsidentenwahl 1997 gegen Ali-Akbar Nateq-Nuri, einen fundamentalistischen Kandidaten, einen Geistlichen, der Khameneis Favorit war. Für Khatami war die Fortentwicklung des Demokratisierungsprozesses wichtig. Er hätte mehr bewirken können, wenn es den US-Präsidenten George Bush senior nicht gegeben hätte. Dieser war aufgebrochen, um alle widerspenstigen Kräfte in der Region hinwegzufegen. Der 11. September 2001 gab ihm den Anlaß, sich beauftragt zu fühlen, erst die Taliban in Afghanistan zu bekämpfen und dann den Irak zu erobern. Dass der frei und demokratisch gewählte Präsident im Iran ein Demokrat, liberal und moderat war, hinderte ihn nicht daran, den Iran als Teil der Achse des Bösen zu bezeichnen. Damit nicht genug, der Iran mußte mit Sanktionen bestraft werden, obwohl Khatami ihm einen Versöhnungsvorschlag unterbreitet hatte, der folgende Punkte anbot: 

-   Volle Transparenz und die Garantie, dass der Iran nicht den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstrebt; 

-   Vorgehen gegen alle Terroristen auf iranischem Boden und Mitarbeit zur Bekämpfung der regional agierenden Terroristen;

-   Informationsaustausch über alle terrorbezogenen Fragen;

-   Zusammenarbeit bei Herstellung der Stabilität im Irak und in Afghanistan;

-   Anerkennung der Zweistaatenlösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern;

-   Beendigung der materiellen Unterstützung palästinensischer Oppositionsgruppen [Hamas und Islamischer Dschihad];

-   Einstellung der Urananreicherung.

Als Gegenleistung verlangte Khatami, die USA mögen mit den Sanktionen gegen den Iran aufhören und das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie gewähren. Hierzu schreibt Michael Lüders: »Wie viele Tote, Verletzte und zerstörte Häuser wären den Menschen erspart geblieben, wenn George Bush die versöhnende Hand Khatamis nicht ausgeschlagen hätte«.  [7]  Bewirkten die Sanktionen Unzufriedenheit der Massen, so war der Nutznießer bei der darauffolgenden Präsidentschaftswahl 2005 Mahmud Ahmadinedschad, ein Radikalfundamentalist, ein Populist. Sein Sieg war infolge der breiten Resignation der Reformer möglich geworden. Das war aus meiner Sicht der fünfte Abbruch.

Nun kommen wir zurück zu Donald Trump.

Der sechste Versuch

Der sechste und bisher letzte Versuch war die eindeutig freie Präsidentschaftswahl vom 14. Juni 2013, aus der Hassan Rohani als Sieger hervorging. Mit seiner moderaten Haltung und der Bereitschaft, die Konflikte mit den USA beizulegen, trug er entscheidend zum Erfolg des am 14. Juli 2015 geschlossenen JCPOA- Atomvertrags bei. Leider konnte er die Wirtschaft nur über kurze Zeit beleben, als man begann, die Sanktionen stufenweise abzubauen. Dies geschah während der Präsidentschaft Barack Obamas. Dann kam Donald Trump, ein Präsident, der entschlossen ist, aus dem Iran einen US-abhängigen Staat zu machen.

Somit ist der sechste Abbruch vorprogrammiert. Infolge der wiederholt ausgesprochenen lauten und deutlichen militärischen Drohungen gegen den Iran entsteht Angst und Unsicherheit. Die iranische Bevölkerung kauft massenweise Devisen, das führt zur galoppierender Inflation und Geldabwertung. Dass sich dabei auch die Korruption ausbreitet, ist als eine natürliche Folge zu betrachten.

Donald Trump hat den 6. Abbruch des laufenden Demokratisierungsprozesses eingeleitet. Nachdem die westlichen Handelspartner ihre Niederlassungen im Iran auf US-Druck hin aufgaben, war in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 eine rapid  ansteigende Zahl von Arbeitslosen zu verzeichnen. Es ist bitter, wenn auf diese Weise Menschen mit Sachkenntnis und akademischer Ausbildung arbeitslos werden. Werden die Sanktionen die iranische Wirtschaft weiter abwürgen, dann wird ein Radikalfundamentalist wieder beste Chancen haben, bei der nächsten Wahl das Rennen zu machen. Und die Liberalisierung des Landes wird wieder einmal unterbrochen. 


[1]  Thomas P.M. Barnett »Der Weg in die Weltdiktatur - Krieg und Frieden im  21. Jahrhundert. Die Strategie des Pentagon«. Dezember 2016
ISBN-13: 9783941956513

Original: Thomas P.M. Barnett »Blueprint for Action – A Future worth creating«
October 2006
ISBN-13: 978-3941956490

[2]  https://www.bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/trump-der-iran-hat-einen-sehr-grossen-fehler-gemacht/story/24336386    20. 6. 19

[3]  https://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html#n3    21. 6. 19

[4]  https://www.rubikon.news/artikel/inszenierte-feindschaft
23. 1. 19  Inszenierte Feindschaft  - Von Jochen Mitschka und Hossein Pur Khassalian   

[5]  Von Jochen Mitschka erschienen u.a. 2018 Die Menschenrechtsindustrie im humanitären Angriffskriegund Schattenkriege des Imperiums - Der Krieg gegen den Iran; er übersetzte ferner Dirty War on Syria von Tim Anderson, dessen deutsche Version  „Der Schmutzige Krieg gegen Syrien – Washington, Regime Change und Widerstand“ im Liepsen-Verlag erschien; ISBN  978-3-9812703-9-6

[6]  Michael Lüders Armageddon im Orient, C. H. Beck 2018, Seite 48      
[7]  ebenda Seite 89-90