Chile - Aufstand 17.11.2019 21:09
In Chile toben seit Wochen Massenproteste, als deren eigentliche
Ursache die dramatische Armut und die eklatante
soziale Ungleichheit im Land gelten. Chile
war das erste südamerikanische
Land, das 2014 eine
CO2-Steuer einführte. Kaum von den Medien erwähnt ist die Tatsache, dass die
Stromversorgung der Metro Santiago 2018 umgestellt wurde: Sie wird jetzt
anstatt von konventionellen Energieträgern grösstenteils durch teurere ›erneuerbaren‹
Quellen mit Strom aus Wind versorgt. Wie ›achgut‹ darstellt,
vermutete James Taylor von der konservativen amerikanischen Denkfabrik
Heartland-Institute, dass diese Massnahme als eine Art Willkommensgruss an den ›UNO-Klima-Wanderzirkus‹
gedacht war, der diesen Dezember im Rahmen der 25. COP-Konferenz in Santiago stattfinden
sollen hätte, jedoch auf Grund der Demonstrationen abgesagt werden musste. [1]
Wie ›German Foreign Policy‹ unter dem
Titel ›Der Pakt der weißen Eliten‹ hierzu ausführt, »stärkt die
Bundesregierung Chiles Präsident Sebastián Pinera in seinem Abwehrkampf gegen
anhaltende Massenproteste den Rücken. Man teile mit Chile grundlegende Werte, heißt es
im Auswärtigen Amt; Außenminister Heiko Maas sagte seinem chilenischen
Amtskollegen zu, Deutschland stehe »auch in schwierigen Zeiten an der Seite
Chiles«. Pinera, Milliardär und Angehöriger der alten Eliten, läßt die Proteste
durch Polizei und Militär mit blutiger Gewalt niederschlagen. Pinera, mit
dessen Partei ›Renovación Nacional‹ die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung seit
Jahren kooperiert, obwohl zu ihren Funktionären erklärte Pinochet-Anhänger
zählen, stützt die alten, weißen Eliten auch in anderen Ländern Lateinamerikas,
wie etwa in Venezuela.
Vertrauensvolle Beziehungen
Chile unterhält
allgemein, wie das Auswärtige Amt konstatiert, langjährige enge Bindungen mit
Deutschland. Die politischen Beziehungen werden als eng und vertrauensvoll
eingestuft; auch wirtschaftlich arbeiten beide Länder intensiv zusammen. Chile,
mit dem die Bundesregierung im Jahr 2013 eine Rohstoffpartnerschaft geschlossen
hat, ist neben Peru Deutschlands wichtigster Kupferlieferant und stellte 2017
drei Viertel der deutschen Lithiumimporte. Die Streitkräfte des Landes verfügen
über signifikante Bestände an deutschen Waffen. Zwei der 4 chilenischen U-Boote
wurden von HDW produziert; ›ThyssenKrupp Marine Systems‹ (TKMS) bemüht sich um
den Auftrag, die alternden Boote Mitte
der 2020er Jahre durch neue Modelle zu ersetzen. Chiles Heer hat seit 2007
insgesamt 186 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 aus den Beständen der Bundeswehr
gekauft und modernisiert; außerdem hat es in Deutschland 270 Schützenpanzer des
Typs Marder beschafft. Nicht zuletzt hat der Bundessicherheitsrat in den
vergangenen Jahren die Lieferung einer ganzen Reihe an Schusswaffen nach Chile
genehmigt.
Jenseits der allgemein engen Beziehungen bestehen besondere Kontakte zur
aktuellen chilenischen Regierungspartei ›Renovación Nacional‹ (›RN‹). Die ›RN‹
wird bereits seit den 1990er Jahren von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt.
Dabei wickelt die Stiftung ihre Fördermaßnahmen gewöhnlich über ›RN‹-nahe
Einrichtungen ab, etwa über das ›Instituto Libertad‹, das zuweilen als Think
Tank der ›RN‹ bezeichnet wird. Als einen Arbeitsschwerpunkt in Chile
bezeichnet die Stiftung zum Beispiel die parlamentarische Beratung, die sie
Abgeordneten im chilenischen Parlament zukommen läßt. Darüber hinaus widmet sie
sich der Bildung neuer Führungskreise
für das Land. Die ›RN‹ ist gemeinsam mit der ›Unión Demócrata Independiente‹
(›UDI‹), einem Sammelbecken von Anhängern der ehemaligen Militärdiktatur unter
Augusto Pinochet, Mitglied in der ›Unión de Partidos Latinoamericanos‹
(›UPLA‹), der führende Rechtsparteien des Subkontinents angehören. Die ›UPLA‹
wiederum wird schon seit 1992 ebenfalls von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt.
Die ›RN‹ hat kürzlich Schlagzeilen geliefert, weil eine ihrer Abgeordneten in
Chiles Parlament, Camila Flores, sich auf einer Parteiversammlung vor 500
Parteimitgliedern unter tosendem Beifall als Pinochet-Anhängerin bezeichnete
und äußerte, sie sei dessen Militärdiktatur ›dankbar‹. Als daraufhin öffentlich
Kritik laut wurde, erhielt sie offizielle Rückendeckung durch die
Parteiführung, die ihrerseits mit der Hanns-Seidel-Stiftung kooperiert.
Putschisten
Sowohl die ›RN‹ wie auch Präsident Pinera, als
Milliardär einer der reichsten Männer seines Landes, haben sich zuletzt unter
anderem mit entschiedener Unterstützung für die Putschisten in Venezuela
hervorgetan, die ihrerseits den alten weißen Eliten des Landes entstammen.
Bereits am 23. Januar, dem Tag, an dem sich in Caracas der Oppositionspolitiker
Juán Guaidó zum Präsidenten erklärte und die Streitkräfte zum Putsch aufrief,
stellte sich die ›RN‹ in einer von der ›UPLA‹
veröffentlichten Erklärung auf die Seite der venezolanischen Umstürzler. Das Papier
wurde auch von Óscar Ortiz vom bolivianischen ›Movimiento
Demócrato Social‹
unterzeichnet, der in den aktuellen Umsturz in Bolivien involviert ist; seiner
Partei, die die Interessen der alten weißen Eliten Boliviens vertritt, gehört
die selbsternannte bolivianische Übergangspräsidentin Jeanine Áñez an. Auf die
Publikation der Pro-Guaidó-Erklärung folgten Unterstützungsbesuche von ›RN‹-Politikern
bei dem Putschisten; zudem stärkte Präsident Pinera ihm den Rücken, indem er
ihn offiziell als angeblichen venezolanischen Präsidenten anerkannte und ihm
praktische Hilfe zukommen ließ. In Pinera haben die Putschisten aus Venezuela
bis heute einen verläßlichen Helfer. Guaidó sei Venezuelas legitimer
Präsident, behauptete das chilenische Staatsoberhaupt zuletzt etwa am 22.
September.
Massenproteste
Hat Pinera dazu beizutragen versucht, in Venezuela die alten weißen
Eliten wieder an die Macht zu bringen, so werden er und die chilenischen Eliten
seit Oktober selbst von Massenprotesten bedroht. Ausgelöst durch eine relativ
geringe Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr, haben sich Proteste
entwickelt, die zeitweise mehr als eine Million Menschen auf die Straße
brachten, Generalstreiks beinhalteten und bis heute nicht zur Ruhe gekommen
sind. Als tatsächliche Ursache der Proteste gilt die krasse soziale
Ungleichheit in Chile, wo ein Prozent der Bevölkerung rund 35 % des Reichtums
besitzt, während offiziell gut 14 % unterhalb der Armutsgrenze von etwa 145 US-$
im Monat leben und die Hälfte der Lohnabhängigen weniger als 400 Euro im Monat
verdient. Weltweit auf Kritik stößt inzwischen die Brutalität, mit der die
chilenischen Repressionskräfte die Privilegien und den Reichtum der
chilenischen Elite verteidigen. Bei den Protesten wurden laut offiziellen
Angaben mittlerweile über 5.600 Menschen festgenommen sowie mehr als 2.000
verletzt, etwa die Hälfte davon durch Schußwaffen. Rund 200 Menschen wurden
durch Polizeigeschosse am Auge getroffen; derlei Verletzungen führen oft zum
Erblinden. Die Zahl der Todesopfer wird offiziell mit 23 angegeben; in fünf
Fällen ist bislang Mordanklage gegen Polizisten und Soldaten erhoben worden.
Menschenrechtsorganisationen beklagen zahlreiche Fälle von Folter. Zeitweise
patrouillierten die Streitkräfte auf den Straßen der Hauptstadt mit Panzern.
Die Bundesregierung bezieht Position - und zwar auf Seiten der chilenischen
Eliten. Chile sei für Deutschland ein wichtiger und verläßlicher Partner, heißt
es in einem aktuellen Beitrag aus dem
Auswärtigen Amt: Beide Länder teilten grundlegende Werte. Außenminister Heiko
Maas habe mit seinem Amtskollegen in Santiago telefoniert und ihm versichert,
dass Deutschland auch in schwierigen Zeiten an der Seite Chiles steht, heißt es
weiter: » Maas begrüßte die Anstrengungen
von Staatspräsident Pinera zur Lösung der Krise«.
Die Haltung ist stringent; auch in Venezuela sowie in Bolivien unterstützt
Berlin jeweils die alten weißen Eliten und nimmt Stellung gegen die indigene
Bevölkerung und gegen die weithin indigenen Unterschichten. So hat sie etwa den
venezolanischen Putschisten Guaidó, wie es etwa auch Chiles Präsident Piñera
tat, als angeblichen Präsidenten seines Landes anerkannt und den aktuellen
Putsch in Bolivien gebilligt. Mittlerweile haben sich auch der Putschist Guaidó
sowie die selbsternannte Übergangspräsidentin Boliviens, Jeanine Ánez, in ihren
gänzlich illegal angemaßten Ämtern wechselseitig anerkannt.
Damit schließen
sich die Kreise im Pakt der weißen Eliten.
[2]
[1] https://www.journalistenwatch.com/2019/10/29/chiles-aufstand-oekowahn/ 29. 10. 19
[2]
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8107/ 15. 11. 19 Der
Pakt der weißen Eliten
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