EU-Behauptungen über »Desinformationen« sind fragwürdig - Von Karl-Jürgen Müller 05.07.2020 20:08
Zur Wahrung einer unangefochtenen »Oberhoheit« über uns versucht
Brüssel
schon seit geraumer Zeit, jegliche Art von Kritikverboten zu verschärfen. Dieses
Bestreben findet nunmehr einen weiteren Niederschlag in dem Bemühen,
authentische Nachrichten in das Gebiet von ›fake
news‹ zu verschieben, wie das Karl-Jürgen
Müller nachfolgend aufgezeigt hat:
Am
10. Juni 2020 hat der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Aussen- und
Sicherheitspolitik, der Spanier Joseph Borrell, eine 19 Seiten umfassende, in
deutscher Sprache erstellte »Gemeinsame Mitteilung
an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen
Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen» veröffentlicht. [1] Die Mitteilung trägt den Titel »Bekämpfung
von Desinformationen im Zusammenhang mit
Covid-19, Fakten statt Fiktion«.
Diese
Stellungnahme einer EU-Behörde und die dazugehörigen Dokumente sind nicht nur
ein erneuter Versuch, die EU gegen Kritik abzuschotten [2], die Meinungsäusserungs- und
Informationsfreiheit in den EU-Staaten zu beeinträchtigen und die
diesbezüglichen Befugnisse auf der Ebene der EU auszubauen. Seit September 2015
[3]
leistet die EU auch ihren Beitrag zur Kriegspolitik der NATO-Staaten [und
der EU] gegen Russland und mittlerweile auch gegen China. Sie tut dies unter
anderem, indem sie vorgibt, ›Desinformationen‹ [bis 2018 von der EU als ›fake news‹ bezeichnet] zu entlarven und an
den Pranger zu stellen. Die »Gemeinsame Mitteilung« vom 10. Juni gehört in
diesen Zusammenhang. Auf Seite 4 derselben ist nämlich zu lesen:
»Ausländische
Akteure und bestimmte Drittländer, insbesondere Russland und China, versuchen
gezielt, Einfluss zu nehmen und führen im Zusammenhang mit Covid-19 in der EU, in
ihren Nachbarländern sowie weltweit Desinformations-Kampagnen durch, um die
demokratische Debatte zu untergraben, die soziale Polarisierung zu verschärfen
und ihr eigenes Image im Covid-19-Kontext aufzupolieren«. In
der Mitteilung selbst findet sich kein direkter Beleg für diese Aussagen. In
einer Fussnote innerhalb dieses Absatzes wird aber auf ein weiteres Papier der
EU verwiesen, das diese Aussagen belegen soll. Dieser umfangreiche Text war am
28. Mai 2020 veröffentlicht worden und hat den Titel »EAD-Sonderbericht;
Update: Kurzbewertung der Narrative und Desinformation zur Covid-19-Pandemie
(Aktualisierung: 23. April bis 18. Mai) – EU versus Desinformation». [4]
EAD ist die Abkürzung für den ›Europäischen
Auswärtigen Dienst‹, der dem Hohen
Vertreter unterstellt ist. Wer erwartet hat, in diesem Text nun irgendwelche
konkreten, für den Leser nachvollziehbaren Belege für die oben zitierten
Aussagen aus der Mitteilung zu finden, sieht sich getäuscht. Allerdings ist es
sehr interessant zu lesen, was alles nach Meinung des EAD ›Desinformation‹ sein
soll.
Russland
und China So
heisst es zum Beispiel: »Staatliche Akteure
wie China sind weiterhin darum bemüht,
die Schuld von sich zu weisen und im Zuge der Pandemie ihr eigenes
Regierungssystem anzupreisen und ihr Image im Ausland zu verbessern«. Ist das schon ›Desinformation‹? Welche Regierung macht es denn anders? Oder: »Entsprechend unserer
vorherigen Analyse verfolgt China im allgemeinen noch immer das Ziel, das
Narrativ zu Covid-19 zu bestimmen und von jeglicher Kritik am Land abzulenken.
China, ›das Opfer gebracht hat, um
dem Rest der Welt mehr Zeit zu verschaffen‹,
wird als verantwortungsvoller und transparenter Akteur im Zusammenhang mit der
Pandemie und als positives Beispiel für andere Länder dargestellt. Zugleich
finden Bemühungen statt, Zweifel in Bezug auf feststehende Fakten oder vorherrschende
Narrative aufkommen zu lassen, die für China als ungünstig angesehen werden,
oder Kritik an chinesischen Behörden äussern. So werden beispielsweise Zweifel
an der Rolle Chinas beim Covid-19-Ausbruch gesät und internationalen
Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung der Herkunft des Virus in
China entgegengewirkt. Die US-Regierung und ihre Reaktion auf die Pandemie
werden inzwischen direkter in Frage gestellt und ernten Spott. Die staatlichen
chinesischen Medien deuten eine Vertuschung durch die USA an und verlangen
Antworten von den USA«. Viele interessante Punkte, um ins Gespräch
zu kommen. Aber ›Desinformation‹?
Die
USA und die NATO
Dann
heisst es: »Mehrere kremlfreundliche Kanäle haben [auf
Russisch, Französisch und Englisch] über angebliche geheime biologische
Laboratorien der USA in der Ukraine berichtet. Hinter solchen Desinformationen
steckt die Andeutung, dass die USA Angst vor einem Entweichen infektiöser
Stoffe auf eigenem Gebiet haben, solche Labore die Unterstützung der USA für
Euromaidan begünstigten und Epidemien im Umfeld solcher Labore ausbrechen. In
direktem Zusammenhang mit Covid-19 wird signalisiert, dass das Virus in einem
dieser Labore in der Ukraine künstlich hergestellt worden sein könnte.
Diese
Art von Mitteilungen bauen auf einem bekannten kremlfreundlichen
Desinformationsnarrativ über die ›geheimen
militärischen Laboratorien‹ auf, vor
allem im Fall des Lugar-Labors in Georgien. Sie verbreiten sich leicht über die
gesamte Region: In Armenien, Georgien und in der Republik Moldau. Die gleiche
Verschwörungstheorie über biologische Laboratorien der USA in den ehemaligen
Sowjetrepubliken wurde auch von chinesischen Beamten und staatlichen Medien
verbreitet«.
Erneut
gilt: Viele interessante Punkte, um ins Gespräch zu kommen. Aber ›Desinformation‹? Oder gar ›Verschwörungstheorie‹? Für den Leser nachvollziehbare
Beweise dafür fehlen auch hier vollständig.
Interessant
ist auch, mit wem der EAD zusammenarbeitet: »Bei
der Bekämpfung der Desinformation und der Ermittlung und Analyse von
Desinformationen im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 arbeitet der EAD
eng mit der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Der
Europäische Auswärtige Dienst arbeitet in dieser Frage auch mit internationalen
Partnern [G7, NATO und nichtstaatliche
Akteure] zusammen«.
Syrien und die Sanktionen
Dazu passt dann auch die folgende Ungeheuerlichkeit. Es wird in Abrede
gestellt, dass die Sanktionen gegen Syrien das Land auch bei der Bekämpfung der
Corona-Pandemie behindern: »Das syrische Regime
treibt seine Desinformations-Kampagne
gegen Sanktionen, in der behauptet wird, dass westliche Länder einen ›Wirtschaftskrieg‹ gegen Syrien und das syrische Volk führen würden, die Sanktionen den
Gesundheitssektor lahmgelegt hätten und die Massnahmen des Landes gegen
Covid-19 behindern würden, weiter voran. Assad bekräftigte diese Sichtweise und
behauptete, dass Covid-19 zusätzlich zu ‹einer wirtschaftlichen
Herausforderung, der wir infolge von ungerechten Sanktionen gegen unser Volk
seit über neun Jahren gegenüberstehen‹,
eine hohe Belastung darstelle«. Das auch hier von
einer Desinformationskampagne gesprochen wird, verdeutlicht, woher der Wind
weht. Die Wahrheit über die Folgen der Kriegspolitik soll als Desinformation abgetan
werden. Man kann dies auch Kriegspropaganda nennen.
Keinerlei
Hinweis findet man hingegen auf eine Videokonferenz des russischen Präsidenten
Wladimir Putin mit verschiedenen Ministern, Behördenleitern und anderen
verantwortlichen Amtsträgern Russlands am 28. April 2020, in der es auch um die
Corona-Pandemie ging. Und man fragt sich, warum über solche Äusserungen bei uns
nicht berichtet wurde und wird.
Quelle;
https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2020/nr-14-30-juni-2020/hoert-auf-damit-die-corona-pandemie-fuer-eure-kriege-zu-missbrauchen.html 30. 6.
20 Hört
auf damit, die Corona-Pandemie für eure Kriege zu missbrauchen!
[1] https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-tackling-covid-19-disinformation-getting-facts-right_de.pdf
[2] So wird zum Beispiel viel Wert
darauf gelegt, die Berichte über die mangelnde Solidarität innerhalb der EU,
die ja in der Anfangsphase der Reaktionen auf die Corona-Pandemie für alle ganz
offensichtlich war, als «Desinformation» abzutun.
[3] Im September 2015 hat die
EU-Kommission die East StratCom Task Force eingerichtet, die aus Russland nach
Europa strömende «Desinformationen» verfolgen und analysieren soll. Sie
veröffentlicht dazu eine Disinformation Revue.
[4] https://euvsdisinfo.eu/de/ead-sonderbericht-update-kurzbewertung-der-narrative-und-desinformation-zur-covid-19-pandemie-aktualisierung-23-april-bis-18-mai/
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