EU-Behauptungen über »Desinformationen« sind fragwürdig - Von Karl-Jürgen Müller

Zur Wahrung einer unangefochtenen »Oberhoheit« über uns versucht

Brüssel schon seit geraumer Zeit, jegliche Art von Kritikverboten zu verschärfen. Dieses Bestreben findet nunmehr einen weiteren Niederschlag in dem Bemühen, authentische Nachrichten in das Gebiet von fake news zu verschieben, wie das Karl-Jürgen Müller nachfolgend aufgezeigt hat:

Am 10. Juni 2020 hat der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Aussen- und Sicherheitspolitik, der Spanier Joseph Borrell, eine 19 Seiten umfassende, in deutscher Sprache erstellte »Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen» veröffentlicht.  [1]  Die Mitteilung trägt den Titel »Bekämpfung von Desinformationen im  Zusammenhang mit Covid-19, Fakten statt Fiktion«.

Diese Stellungnahme einer EU-Behörde und die dazugehörigen Dokumente sind nicht nur ein erneuter Versuch, die EU gegen Kritik abzuschotten  [2], die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit in den EU-Staaten zu beeinträchtigen und die diesbezüglichen Befugnisse auf der Ebene der EU auszubauen. Seit September 2015  [3]  leistet die EU auch ihren Beitrag zur Kriegspolitik der NATO-Staaten [und der EU] gegen Russland und mittlerweile auch gegen China. Sie tut dies unter anderem, indem sie vorgibt, Desinformationen [bis 2018 von der EU als fake news bezeichnet] zu entlarven und an den Pranger zu stellen. Die »Gemeinsame Mitteilung« vom 10. Juni gehört in diesen Zusammenhang. Auf Seite 4 derselben ist nämlich zu lesen:   

»Ausländische Akteure und bestimmte Drittländer, insbesondere Russland und China, versuchen gezielt, Einfluss zu nehmen und führen im Zusammenhang mit Covid-19 in der EU, in ihren Nachbarländern sowie weltweit Desinformations-Kampagnen durch, um die demokratische Debatte zu untergraben, die soziale Polarisierung zu verschärfen und ihr eigenes Image im Covid-19-Kontext aufzupolieren«. In der Mitteilung selbst findet sich kein direkter Beleg für diese Aussagen. In einer Fussnote innerhalb dieses Absatzes wird aber auf ein weiteres Papier der EU verwiesen, das diese Aussagen belegen soll. Dieser umfangreiche Text war am 28. Mai 2020 veröffentlicht worden und hat den Titel »EAD-Sonderbericht; Update: Kurzbewertung der Narrative und Desinformation zur Covid-19-Pandemie (Aktualisierung: 23. April bis 18. Mai) – EU versus Desinformation».   [4]  EAD ist die Abkürzung für den Europäischen Auswärtigen Dienst, der dem Hohen Vertreter unterstellt ist. Wer erwartet hat, in diesem Text nun irgendwelche konkreten, für den Leser nachvollziehbaren Belege für die oben zitierten Aussagen aus der Mitteilung zu finden, sieht sich getäuscht. Allerdings ist es sehr interessant zu lesen, was alles nach Meinung des EAD Desinformation sein soll.

Russland und China 

So heisst es zum Beispiel: »Staatliche Akteure wie China sind weiterhin darum   bemüht, die Schuld von sich zu weisen und im Zuge der Pandemie ihr eigenes Regierungssystem anzupreisen und ihr Image im Ausland zu verbessern«. Ist das schon Desinformation? Welche Regierung macht es denn anders? Oder:   »Entsprechend unserer vorherigen Analyse verfolgt China im allgemeinen noch immer das Ziel, das Narrativ zu Covid-19 zu bestimmen und von jeglicher Kritik am Land abzulenken. China, das Opfer gebracht hat, um dem Rest der Welt mehr Zeit zu verschaffen, wird als verantwortungsvoller und transparenter Akteur im Zusammenhang mit der Pandemie und als positives Beispiel für andere Länder dargestellt. Zugleich finden Bemühungen statt, Zweifel in Bezug auf  feststehende Fakten oder vorherrschende Narrative aufkommen zu lassen, die für China als ungünstig angesehen werden, oder Kritik an chinesischen Behörden äussern. So werden beispielsweise Zweifel an der Rolle Chinas beim Covid-19-Ausbruch gesät und internationalen Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung der Herkunft des Virus in China entgegengewirkt. Die US-Regierung und ihre Reaktion auf die Pandemie werden inzwischen direkter in Frage gestellt und ernten Spott. Die staatlichen chinesischen Medien deuten eine Vertuschung durch die USA an und verlangen Antworten von den USA«. Viele interessante Punkte, um ins Gespräch zu kommen. Aber Desinformation?    

Die USA und die NATO

Dann heisst es: »Mehrere kremlfreundliche Kanäle haben [auf Russisch, Französisch und Englisch] über angebliche geheime biologische Laboratorien der USA in der Ukraine berichtet. Hinter solchen Desinformationen steckt die Andeutung, dass die USA Angst vor einem Entweichen infektiöser Stoffe auf eigenem Gebiet haben, solche Labore die Unterstützung der USA für Euromaidan begünstigten und Epidemien im Umfeld solcher Labore ausbrechen. In direktem Zusammenhang mit Covid-19 wird signalisiert, dass das Virus in einem dieser Labore in der Ukraine künstlich hergestellt worden sein könnte.

Diese Art von Mitteilungen bauen auf einem bekannten kremlfreundlichen Desinformationsnarrativ über die geheimen militärischen Laboratorienauf, vor allem im Fall des Lugar-Labors in Georgien. Sie verbreiten sich leicht über die gesamte Region: In Armenien, Georgien und in der Republik Moldau. Die gleiche Verschwörungstheorie über biologische Laboratorien der USA in den ehemaligen Sowjetrepubliken wurde auch von chinesischen Beamten und staatlichen Medien verbreitet«.

Erneut gilt: Viele interessante Punkte, um ins Gespräch zu kommen. Aber Desinformation? Oder gar Verschwörungstheorie? Für den Leser nachvollziehbare Beweise dafür fehlen auch hier vollständig.    

Interessant ist auch, mit wem der EAD zusammenarbeitet: »Bei der Bekämpfung der Desinformation und der Ermittlung und Analyse von Desinformationen im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 arbeitet der EAD eng mit der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Der Europäische Auswärtige Dienst arbeitet in dieser Frage auch mit internationalen Partnern  [G7, NATO und nichtstaatliche Akteure] zusammen«.  

Syrien und die Sanktionen

Dazu passt dann auch die folgende Ungeheuerlichkeit. Es wird in Abrede gestellt, dass die Sanktionen gegen Syrien das Land auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie behindern:
»Das syrische Regime treibt seine Desinformations-Kampagne gegen Sanktionen, in der behauptet wird, dass westliche Länder einen Wirtschaftskrieg gegen Syrien und das syrische Volk  führen würden, die Sanktionen den Gesundheitssektor lahmgelegt hätten und die Massnahmen des Landes gegen Covid-19 behindern würden, weiter voran. Assad bekräftigte diese Sichtweise und behauptete, dass Covid-19 zusätzlich zu ‹einer wirtschaftlichen Herausforderung, der wir infolge von ungerechten Sanktionen gegen unser Volk seit über neun Jahren gegenüberstehen, eine hohe Belastung darstelle«. Das auch hier von einer Desinformationskampagne gesprochen wird, verdeutlicht, woher der Wind weht. Die Wahrheit über die Folgen der Kriegspolitik soll als Desinformation abgetan werden. Man kann dies auch Kriegspropaganda nennen. 

Keinerlei Hinweis findet man hingegen auf eine Videokonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit verschiedenen Ministern, Behördenleitern und anderen verantwortlichen Amtsträgern Russlands am 28. April 2020, in der es auch um die Corona-Pandemie ging. Und man fragt sich, warum über solche Äusserungen bei uns nicht berichtet wurde und wird.   

   

Quelle;

https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2020/nr-14-30-juni-2020/hoert-auf-damit-die-corona-pandemie-fuer-eure-kriege-zu-missbrauchen.html   30. 6. 20
Hört auf damit, die Corona-Pandemie für eure Kriege zu missbrauchen!

[1]  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-tackling-covid-19-disinformation-getting-facts-right_de.pdf

[2]  So wird zum Beispiel viel Wert darauf gelegt, die Berichte über die mangelnde Solidarität innerhalb der EU, die ja in der Anfangsphase der Reaktionen auf die Corona-Pandemie für alle ganz offensichtlich war, als «Desinformation» abzutun.

[3]  Im September 2015 hat die EU-Kommission die East StratCom Task Force eingerichtet, die aus Russland nach Europa strömende «Desinformationen» verfolgen und analysieren soll. Sie veröffentlicht dazu eine Disinformation Revue.

[4]  https://euvsdisinfo.eu/de/ead-sonderbericht-update-kurzbewertung-der-narrative-und-desinformation-zur-covid-19-pandemie-aktualisierung-23-april-bis-18-mai/