Das Covid-Gesetz beendet die freie Schweiz

Mit der Abstimmung vom 13. Juni haben die Schweizer die Möglichkeit,

zum »Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie« mit NEIN zu stimmen.

Wie Michael Bubendorf, der Mediensprecher der das Referendum proponierenden »Verfassungsfreunde« erklärt, ist »das Covid-Gesetz bis Ende 2031 in Kraft«; er räumt damit mit einer oft verbreiteten Unwahrheit auf, denn das Gesetz kann für die kommenden zehn Jahre genutzt werden, um die Grundrechte weiter einzuschränken, so, wie es die Politiker in den vergangenen Sessionen getan haben.  [1]    Auf den ersten Blick scheint es um eine lupenreine gesetzliche Grundlage zu gehen, mit deren Hilfe die Schweizer Regierung Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen Covid-19 ergreifen kann:
»Dieses Gesetz regelt besondere Befugnisse des Bundesrates zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie und zur Bewältigung der Auswirkungen der Bekämpfungsmassnahmen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Behörden«, heisst es dazu gleich in Artikel 1 an erster Stelle. Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Andreas Kley, Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, Verfassungsgeschichte sowie Staats- und Rechtsphilosophie an der Universität Zürich, hat hierzu im Magazin Zeitgeschehen im Fokus gleich eine ganze Reihe von schwerwiegenden Bedenken geäussert.  [2]   

Denn Kley zufolge ermögliche das Gesetz dem Bundesrat unter anderem, per Verordnung direkt in andere Gesetze einzugreifen und diese zu verändern. Genau dies aber sei ein eklatanter Verfassungsbruch: »Die Bundesverfassung erlaubt es nicht, dass der Bundesrat Gesetzesmaterien, die dem Parlament zustehen, selber reguliert«. Mit unserer Bundesverfassung scheinen es die Väter des Covid-19-Gesetzes jedoch nicht so genau genommen zu haben. Denn früher seien die Gesetze, in die der Bundesrat jetzt eingreifen könne, als bundesgesetzwürdig  angesehen worden, erklärt Prof. Kley. Betroffen seien Verfahrensgesetze in Zivil- und Verwaltungsangelegenheiten, Schuldenbetreibungs- und Konkursgesetze ebenso wie Gesetze rund um die Arbeitslosenversicherung oder die Zulassung von Medikamenten. Die Schweiz, attestiert der Verfassungsrechtler, »mache einen grossen Schritt in Richtung Exekutivstaat«. Will heissen: Überall dort, wo bislang das Parlament über die Änderung von Gesetzen bestimmte, entscheiden jetzt die sieben Mitglieder des Bundesrats allein und nach eigenem Ermessen. Das Gleichgewicht der Gewalten ist seit Herbst 2020 erheblich gestört.

Ist es sinnvoll, dem Bundesrat deutlich mehr Macht zu geben ?  

»Verfassungswidrig, unverhältnismässig und willkürlich«
Auf die Frage, weshalb er im Nationalrat gegen das Gesetz gestimmt hat, antwortete Pirmin Schwander, langjähriger Nationalrat und Mitglied der Finanzkommission: »Weder in der Bundesverfassung noch im Epidemiengesetz von 2016 gibt es Kriterien, welche festlegen, wann eine ausserordentliche Lage  eintritt bzw. ausgerufen werden soll und kann. Am 16. März 2020 schrieb der Bundesrat: »Er stuft die Situation in der Schweiz neu als ausserordentliche Lagegemäss Epidemiengesetz ein«. Wie kann der Bundesrat etwas einstufen, wenn es keine Kriterien gibt? Folglich hat der Bundesrat die ausserordentliche Lage einfach beschlossen - ohne Rechtsgrundlage. Dieses verfassungswidrige Notrecht – vom Parlament nahezu 1:1 in ordentliches Recht überführt -  ist in seiner Folge ebenso verfassungswidrig wie willkürlich und unverhältnismässig.

Das Covid-19-Gesetz enthält Notrechtsvollmachten für den Bundesrat und Finanzhilfen für Betroffene der Corona-Politik, beides in einem Gesetz. »Das ist«, erklärt Schwander ferner, »ebenfalls verfassungs- und gesetzeswidrig. Einerseits müssen Aufsichtskommissionen die Möglichkeit haben, vor Genehmigung eines Kredits die Rechtsgrundlagen der Kredite zu prüfen; ist alles im gleichen Gesetz, wird das praktisch verunmöglicht. Stimmbürger können nicht mehr frei und unabhängig abstimmen und das eine ablehnen und dem anderen zustimmen; politische Rechte werden so vereitelt.

»Ihre Motion«, so eine weitere Frage an Nationalrat Schwander, »verlangt die   Überführung der Finanzhilfen in ein eigenes Gesetz. Weshalb?«  »Das Covid-19- Gesetz«, so Schwander, »regelte zu Beginn hauptsächlich die sanitarischen Massnahmen zur Eindämmung des Virus. Durch die Beschlüsse des Parlaments wandelte sich das Covid-19-Gesetz zusehends zu einem wirtschaftspolitischen Erlass, der Unterstützungsleistungen für betroffene Branchen vorsieht. Das Referendum richtet sich meines Erachtens primär gegen die sanitarischen Massnahmen und das Notstandsregime insgesamt. Die Finanzhilfen sind hingegen wenig bzw. weniger umstritten. Der Bundesrat und die   Kantonsregierungen haben das öffentliche Leben und die halbe Wirtschaft stillgelegt. Damit wurde den Betroffenen Schaden zugefügt, und zwar ohne faktenbasierte Grundlage. Bund und Kantone haften damit voll für den Schaden, den sie angerichtet haben. Es geht also nicht um Finanzhilfen,  sondern um den effektiven Schaden!«

»Viele Selbständige und Unternehmer«, so die abschliessende Frage, »machen sich Sorgen, dass sie bei einem Nein zum Covid-19-Gesetz keine Hilfsgelder mehr erhalten. Sind diese Sorgen berechtigt?«

»Nein, gar nicht«, sagt der Nationalrat; »Bundesrat und Parlament haben es in der Hand, in der kommenden Sommersession meine Motion umzusetzen. Das Parlament hat es bereits bewiesen, dass gesetzliche Änderungen in nur einer Session möglich sind. Es braucht dazu lediglich den politischen Willen«.

  

[1]  https://unser-mitteleuropa.com/schweiz-referendum-gegen-das-covid-gesetz/  7. 5. 21  Schweiz: Referendum gegen das Covid-Gesetz

[2]  https://www.zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-8-vom-26-mai-2021.html#article_1213
Abstimmung vom 13. Juni: Covid-19-Gesetz: «Die Demokratie benötigt Parlamentsmitglieder, die auf das grosse Ganze blicken»