Ukraine - NATO - Russland 24.01.2022 14:53
Wie in der Presse vielfach festgehalten, hatte Russland am 17. Dezember 2021 von den USA
und von der NATO die klar formulierte und schriftlich festgehaltene Zusicherung verlangt, dass die NATO keine weiteren Länder an der Grenze Russlands zu Mitgliedern macht und dass die zunehmende Aufrüstung der an der Grenze zu Russland gelegenen Länder durch die NATO gestoppt wird. Dabei wurde eine schriftliche Antwort bis am 14. Januar 2022 erwartet. Jedoch haben bis jetzt weder die USA noch die NATO schriftlich geantwortet
und beide haben die bislang von Russland geforderten Sicherheitsgarantien
mündlich rundweg abgelehnt.
Die USA und die NATO berufen sich darauf, dass von westlicher Seite nie
versprochen worden sei, die NATO nach dem Kollaps der Sowjetunion nicht nach
Osten zu erweitern. Auch wenn Michail Gorbatschow aus heutiger Sicht leider
nicht darauf bestanden hat, dies in einem Vertrag festzuhalten, so herrschte
damals in diesem Punkt dennoch Konsens. Soeben hat Andreas Zumach, der seit
Jahrzehnten die Ost-West-Beziehungen als politischer Korrespondent genau
beobachtet, auf diesen Punkt hingewiesen. Er selbst sass am 11. Februar 1990 im
gleichen Flugzeug wie der damalige deutsche Aussenminister und
Vize-Bundeskanzler Hans-Dietrich Genscher auf dem Flug nach Ottawa zur
KSZE-Konferenz zum Thema ›Open Skies‹ und hat
die Fakten aus den Gesprächen mit den Politikern im Flugzeug auch selber
gehört. Geschrieben hat damals niemand darüber, weil es klar war. Die USA
wussten bestens, dass Russland in diesem Punkt äusserst sensibel war, was auch
immer der damalige russische Präsident Boris Jelzin dem Geld von Bill Clinton
für seine Wiederwahl zuliebe später noch gesagt haben sollte. Im Mai 1995 hat
das Jelzin Bill Clinton bei einem
Treffen in Budapest in aller Deutlichkeit klargemacht. Und auch
dieser Satz von Boris Jelzin zu Bill Clinton ist im ›National Security Archive‹
der USA jetzt einsehbar:
«For me
to agree to the borders of NATO expanding towards those of Russia – that would
constitute a betrayal on my part of the Russian people» - «Für
mich wäre eine Zustimmung zur Ausweitung der NATO näher an die Grenzen
Russlands ein Verrat an der russischen
Bevölkerung».
Die Realität ist die, dass Russland den Warschau-Pakt, der ursprünglich als
Reaktion auf den Beitritt Deutschlands zur NATO am 14. Mai 1955
gegründet worden war, aufgelöst hat, im Gegensatz zur NATO, die trotz des
Ausfalls des ursprünglichen Feinds Sowjetunion nicht bereit war, sich
aufzulösen. Russland hat nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands
zugelassen, es hat sich auch militärisch aus der ehemaligen DDR vollständig
zurückgezogen, während die USA im Westen Deutschlands sogar Atombomben neuester
Technologie eingelagert hat. Und während die USA auf der ganzen Welt gegen tausend
Militärbasen betreibt, hat Russland ausserhalb der ehemaligen
Sowjetunion gerade einmal eine Militärbasis
- die in Syrien - um sich den
Zugang zum Mittelmehr offen zu halten. [1]
Was nun die Besuche von Victoria Nuland am 10. 10. 2021 in Moskau betrifft,
so hat sie dort angeblich drei Gespräche mit hochrangigen Gesprächspartnern
geführt. Es spricht für russisches Selbstbewusstsein, führt Willy Wimmer aus,
Frau Nuland zu politischen Gesprächen in Moskau zu empfangen. Nicht nur, weil
diese geradezu sprichwörtlich das ›Gesicht‹ des amerikanischen Putsches in Kiew
2014 gewesen ist, eines Putsches, der nicht nur gegen die legitime ukrainische
Regierung gerichtet war. Bei dem Sommer-Meeting 2021 mit Putin in Genf
hatte Joe Biden Victoria Nuland
gleichsam im Gepäck mit dabei, frisch gestylt für die Konfrontation mit dem russischen
Präsidenten. Auf diesem Feld ist sie geradezu notorisch, und offensichtlich
Anführerin einer eigenen Kampfgruppe einflussreicher Damen und Herren in
Washington. So einflussreich, dass man sich in Washington schon fragen muss, ob
man Präsident Biden schicken kann oder ob Nuland selbst kommen muss...... An
nichts wird das deutlicher als an dem Begriff ›Staatsraison‹ und dem
Verhalten einem Nachbarn gegenüber, dem wir die Wiedervereinigung unseres
Landes in den heutigen Grenzen verdanken können. In Berlin müsste doch der eine
oder andere eine leichte Ahnung davon haben, das die Ukraine nur das
Vehikel für die Umsetzung rein amerikanischer Interessen gegen Russland ist.
Wohin das führt, hat die Dame Nuland 2014/2015 krachend unter Beweis gestellt.
Es ist die Ukraine, die den Preis bezahlt und diejenigen in der Europäischen
Union, denen Frau Nuland verbal einen Tritt verpasst hatte.
Nulands angebliches Angebot an die russische Seite bei ihrem Moskau-Besuch
war dies: Russland schwenkt auf die amerikanische Linie ein und erhält dafür
milliardenschwere Investitionen. Der Besuch muss so schlechte Auswirkungen
gehabt haben, dass der CIA-Chef anschliessend nach Moskau flog und ein langes
Gespräch mit Präsident Putin gehabt haben soll.
Auffällig ist: All das, was in der Ukraine durch die USA geschieht, ist
darauf ausgerichtet, die Beitrittsablehnung durch Frankreich und
Deutschland zu unterlaufen. In einer Nachrichtensendung am Abend des 14. 1.
2022 sagte der Korrespondent der BBC in Kiew, «dass das Ziel der US-Bemühungen
in der Ukraine darin bestehe, so enge Verbindungen zwischen der NATO und der
Ukraine zu schaffen, als wäre die Ukraine in der NATO, ohne ein
Mitglied zu sein». Was die Pipeline North Stream angeht, so kommt es nicht
darauf an, auf welchem Weg man sie verhindert. Sie soll auch durch Biden
verhindert werden und notfalls durch Ereignisse, die die Nutzung der Pipeline
sofort unmöglich machen. Dafür nimmt man in Kauf, dass die Europäer weniger an
das ›gemeinsame europäische Haus‹ als an das ›gemeinsame Massengrab in Europa‹ auf amerikanisches Betreiben hin denken sollen. Die USA sind kurz
davor, ihre Ziele auf dem Kontinent, die sie seit 1871 und seit der Bildung des
Deutschen Reiches gezielt betreiben, zu verwirklichen.
Die Schwächung Russlands war schon im Ersten Weltkrieg
dadurch zu betreiben, dass die Entente Russland übertragen hatte, 1914 als
erstes Land zu mobilisieren und damit für Deutschland den Kriegsgrund zu
liefern. Danach kam durch die alliierte Invasion Russlands nach der Revolution
der erste Versuch, Russland zu teilen. Durch die Förderung von Hitler - antibolschewistisch und antijüdisch - sollte der Vernichtungsschlag gegen die
Sowjetunion erfolgen. Nicht ohne Grund hat der russische Historiker Starikov
provokativ danach gefragt, wer «Hitler gezwungen habe, Stalin anzugreifen?»
Nach dem Ende des Kalten Krieges will man nun durch die Vollendung der
NATO-Osterweiterung Russland strangulieren, Russland entsprechend der Konferenz
von Bratislawa Ende April 2000 aus Europa herauszudrängen und in Russland
selbst einen Prozess in Gang zu setzen, wie der seit 1922 in Deutschland durch
Hitler. Es geht nicht um die Ukraine, sondern darum, die amerikanischen Ziele
zu verwirklichen. Man muss das Gesamtbild vor Augen haben.
Aussenministerin Annalena Baerbock traf am 17. Januar, dem 30. Jahrestag
der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine,
in Kiew ein. Anlass der Verhandlungen Baerbocks mit ihrem Amtskollegen Dmytro
Kuleba und Präsident Wolodymyr Selenskyj ist der aktuelle Machtkampf des
Westens gegen Russland und seine Folgen für die Ukraine. Der Jahrestag verweist auf die lange Geschichte der
Kontakte zwischen Berlin und Kiew, und auf die Funktion, die diese Kontakte im
alten Machtkampf zwischen Deutschland und Russland haben. Ende der 1980er Jahre
nutzte Bonn erste Anzeichen einer Öffnung der Sowjetunion, um an die alte
Tradition deutscher Unterstützung für die Ukraine zwecks Zerschlagung der
östlichen Großmacht anzuknüpfen. So war die Bundesrepublik der erste westliche
Staat, der 1989 ein Generalkonsulat in Kiew eröffnete; als sie es später, am 7.
Februar 1992, zur Botschaft erhob, da war sie der erste westliche Staat mit
einer vollgültigen diplomatischen Vertretung in der unabhängigen Ukraine.
Bereits im April 1991 hatte Bonn wohlwollend beobachtet, dass Leonid Krawtschuk
– damals Parlamentspräsident der Ukrainischen Sowjetrepublik – bei einem Besuch
in der bundesdeutschen Hauptstadt die Flagge des späteren Staates Ukraine an
seinem Wagen führte: Ein diplomatischer Affront gegen Moskau. Im Oktober 1991
warb dann Bonn mit der Durchführung einer ›deutschen
Kulturwoche‹ in der Ukraine um enge
Beziehungen, und am 17. Januar 1992 nahm die Bundesrepublik volle diplomatische
Beziehungen auf. [2]
Das Treffen von Lawrow und Blinken
Die Erkenntnisse aus den Besuchen von US-Aussenminister Blinken in Kiew und
Berlin waren - wie Wimmer ausführt
- zwiespältig genug. In Kiew waren
während des Aufenthalts von Blinken und seinem verstreuten eskalierenden
Alarmismus wenig unterstützende Erklärungen der örtlichen Führung zu vernehmen,
wie dies die besorgten Twitter-Mitteilungen von Präsident Selensky zeigten:
«Nein, man sei durchaus eine Großmacht und nein, man fühle sich in der Region
nicht besonders zusätzlich bedroht».
Das Treffen von Lawrow und Blinken in Genf erweckt wegen der Kürze der
Begegnung den Eindruck, «man habe sich zu einer Schweizer Schokolade
getroffen, weil es auf einen selbst kaum ankomme, sondern auf ein baldiges
Treffen der Chefs». Die ›Treffen
à la Genève‹ vermitteln einen
Eindruck in intensiver Weise. Die
Ukraine tritt geradezu in den Hintergrund. Sie ist der Steigbügelhalter der USA
und ihrer Pudel, wenn es gilt, sich über Russland herzumachen. Wenn Blinken in
diesen Tagen die Welt darüber zu belehren versucht, was von Unverletzlichkeit
der Grenzen bis hin zur staatlichen Souveränität so alles geachtet werden
müsse, sollte er mal kurz zurückschauern, was die USA von der internationalen
Rechts- und Friedensordnung übriggelassen haben. Der gegen Russland gerichtete
Strafkatalog macht eines deutlich: Es geht um die hybride Vernichtung
eines Staates, und damit kommt es darauf an, koste es, was es wolle, einen
entsprechenden Anlass zu finden, wie fingiert er auch immer sein möge. Von der ›Maine‹ über Gleiwitz bis Tonkin, da blitzt Erfahrung auf und das Wissen,
wie man so etwas macht. Die NATO verfährt für die Verbündeten der USA zunehmend
nach dem Geltungsrahmen des ›Nürnberger
Landrechts‹ und seinem ›mitgefangen, mitgehangen‹.
[3]
Am 11. Januar hatten der Iran und Russland mit ihren gemeinsamen
Marineübungen ›2022 Marine Security
Belt‹ im nördlichen Indischen Ozean
begonnen. Das Ziel der Übungen, hiess es gemäss dem iranischen Admiral
Gholamreza Tahani, sei ›die
Verstärkung der Sicherheit des internationalen Seehandels, die Verteidigung
gegen Piraterie auf hoher See sowie gegen den Terrorismus‹. Russland schickte der russischen Ostseeflotte drei Schiffe zu
der Übung. Die Manöver dauerten laut der iranischen Agentur IRNA drei Tage und
erstreckten sich auf eine Fläche von 17.000 Quadratkilometern. Nach iranischen
Angaben sollte auch die indische Marine zu den Manövern hinzustossen, dies als ›Botschaft des Friedens und der
Freundschaft an Länder in der Nachbarschaft und Region‹. Bereits im Dezember 2019 hatten die Russland, der Iran und China
ein gemeinsames Manöver im Indischen Ozean sowie im Golf von Oman durchgeführt.
Am Golf hatten sich im Spätsommer 2019 die Spannungen zwischen dem Iran und
Saudi-Arabien sowie dessen Verbündetem USA
bedrohlich hochgeschaukelt. Ausdruck dessen war die sogenannte ›Tankerkrise‹ und der Schockangriff der jemenitischen Houthi-Gruppe mittels
Drohnen auf saudische Raffinerieanlagen.
Dieses Mal jedoch hat China nicht an den Übungen des Irans und Russlands teilgenommen.
»Gerade China zeigt sich der neuen Regierung in Washington gegenüber eher
vorsichtig. Dem Kurs Teherans folgt man in Peking nicht», sagt Christian Wirth
vom GIGA-Institut. In der Folge hatte sich unter Führung der USA eine
internationale Allianz zur Sicherung des Persischen Golfs gebildet, die
sogenannte ›Task Force Sentinel‹, zu der jedoch weder China, noch
Russland, noch der Iran gehören. [4]
Iran-Russland haben die Maximalstrategie gewählt
Bei dem dreistündigen Gespräch mit Putin anlässlich des auf Einladung des
russischen Präsidenten erfolgten offiziellen Besuchs des iranischen Präsidenten
Ebrahim Raisi in Moskau, führt Pepe Escobar aus, «erklärte Raisi dass ihre
erneuerte Beziehung nicht ›kurzfristig
oder positionell sein sollte; sie werde dauerhaft und strategisch sein‹. Eine von Raisis
Tatsachenbehauptungen lautete: ›Wir
leisten seit mehr als 40 Jahren Widerstand gegen die Amerikaner‹. Viel produktiver, so Escobar ferner,
war jedoch ›ein Dokument über die
strategische Zusammenarbeit‹
zwischen dem Iran und Russland, das Raisi und sein Team russischen Beamten
vorlegten. Raisi betonte, dass diese Roadmap ›die Aussichten für mindestens 20 Jahre im voraus bestimmen‹ oder zumindest ›die langfristige strategische Interaktion zwischen der Islamischen
Republik Iran und der Russischen Föderation‹
klären kann. Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian bestätigte, dass beide
Präsidenten ihre Spitzendiplomaten mit der Arbeit an der Roadmap beauftragt
hätten. Diese ist in der Tat eine Aktualisierung eines früheren, 2001
unterzeichneten Kooperationsvertrags mit einer Laufzeit von 20 Jahren, der
ursprünglich auf 10 Jahre angelegt war und dann zweimal um fünf Jahre
verlängert wurde.
Ein Schlüsselelement der neuen 20jährigen strategischen Partnerschaft
zwischen den beiden Nachbarn wird sicherlich ein in Eurasien ansässiges
Clearing-Netzwerk sein, das mit SWIFT, dem globalen Nachrichtensystem zwischen
Banken, konkurrieren soll. Beginnend mit Russland, Iran und China (RIC) hat
dieser Mechanismus das Potential, Mitgliedsstaaten der Shanghai Cooperation
Organization (SCO), der Eurasia Economic Union (EAEU), ASEAN, BRICS und anderen
regionalen Handels-/Sicherheitsorganisationen zu vereinen. Das kombinierte
geo-ökonomische Gewicht all dieser Akteure wird unweigerlich viele andere im
globalen Süden - und sogar in Europa
- anziehen. Die Basis ist bereits
vorhanden. China führte 2015 sein Cross-Border Interbank Payment System (CIPS)
mit dem Yuan ein. Russland hat sein System zur Übertragung von
Finanznachrichten (SPFS) entwickelt. Der Aufbau eines unabhängigen
russisch-chinesischen Finanzsystems durch die Verknüpfung beider sollte kein
Problem darstellen. Die Hauptfrage ist, die Standardwährung zu wählen,
möglicherweise den Yuan.
Sobald das System eingerichtet ist und läuft, ist das perfekt für den Iran,
der den Handel mit Russland unbedingt steigern will, aber weiterhin durch
US-Sanktionen behindert wird. Der Iran hat bereits Handelsabkommen
unterzeichnet und ist an der langfristigen strategischen Entwicklung sowohl mit
Russland als auch mit China beteiligt.
Der neue Fahrplan
Als Amir-Abdollahian Raisis Besuch in Russland als ›Wendepunkt in der Politik der guten Nachbarschaft und des Blicks
nach Osten‹ bezeichnete, gab er
die Kurzfassung des Fahrplans, dem die
neue iranische Regierung folgt: ›Eine
nachbarzentrierte Politik, eine auf Asien ausgerichtete Politik mit Fokus auf
den Blick nach Osten und eine auf die Wirtschaft ausgerichtete Diplomatie‹. Im Gegensatz dazu sind Sanktionen
die einzige ›Politik‹, die der kollektive Westen de facto
sowohl gegen Russland als auch gegen den Iran einsetzt. Diese zunichte zu
machen, steht daher für Moskau und Teheran ganz oben auf der Agenda. Der Iran und die EAWU haben bereits ein
befristetes Abkommen. Was sie eher früher als später brauchen, ist, vollwertige
Partner in einer Freihandelszone zu werden.
Laut Raisi ist ›die Strategie
der Vorherrschaft nun gescheitert, die Vereinigten Staaten befinden sich in ihrer
schwächsten Position, und die Macht unabhängiger Nationen erlebt ein
historisches Wachstum‹. Und er hat
die Duma sicherlich mit seiner Analyse der NATO verführt: ›Die NATO ist damit beschäftigt, unter dem Vorwand der Deckung in
die geografischen Räume verschiedener Länder einzudringen. Wiederum
bedrohen sie unabhängige Staaten. Die Verbreitung des westlichen Modells - nämlich der Widerstand gegen unabhängige
Demokratien und der Widerstand gegen die Selbstidentifikation von Völkern
- genau das steht auf der Agenda der
NATO. Es ist nur eine Täuschung; wir sehen die Täuschung in ihrem Verhalten,
das schliesslich zu ihrer Auflösung führen wird‹.
Raisis Hauptthema ist der Widerstand, was sich in all seine Treffen
einprägte; so hob er den afghanischen und irakischen Widerstand gebührend
hervor: ›In der heutigen Zeit spielt
der Widerstandsbegriff eine zentrale Rolle in
Abschreckungsgleichungen‹. In
der Islamischen Republik Iran dreht sich alles um diesen Widerstand: ›In verschiedenen historischen Perioden
der iranischen Entwicklung war unsere Nation immer dann, wenn sie das Banner
des Nationalismus, der Unabhängigkeit oder der wissenschaftlichen Entwicklung
gehisst hatte, mit Sanktionen und dem Druck der Feinde der iranischen Nation
konfrontiert‹, betonte Raisi. Zum
JCPOA erklärte er folgendes - die neue Verhandlungsrunde in Wien ist aus
praktischen Gründen immer noch festgefahren: ›Die Islamische Republik Iran meint es ernst mit dem Erreichen
einer Einigung, wenn auch die anderen Parteien es mit der effektiven und
operativen Aufhebung der Sanktionen ernst meinen‹.
Professor Mohammad Marandi von der Universität Teheran, der sich im
Augenblick als hochrangiger Berater der iranischen Delegation in Wien
befindet, vergleicht seine Erfahrungen
mit den ursprünglichen JCPOA-Verhandlungen im Jahr 2015, als er Beobachter war.
Marandi bemerkt hinsichtlich der Amerikaner: ›Es ist die gleiche Mentalität. Wir sind der Boss, wir haben
besondere Privilegien‹. Er betont,
dass ›ein Deal nicht unmittelbar
bevorsteht‹; die Amerikaner
verweigerten Garantien: ›Das
Hauptproblem ist der Umfang der Sanktionen, viele davon wollen sie
aufrechterhalten. Tatsächlich wollen sie den JCPOA nicht. Im Grunde ist es die
gleiche Einstellung wie unter Trump‹.
Marandi bietet praktische Lösungen an: Entfernen Sie alle
Höchstdrucksanktionen. Akzeptieren Sie ›einen
angemessenen Überprüfungsprozess, wenn Sie nicht die Absicht haben, das
iranische Volk erneut zu betrügen‹.
Geben Sie Zusicherungen, damit ›die Iraner wissen, dass Sie das
Abkommen nicht noch einmal verletzen werden. Der Iran wird während der
Verhandlungen keine Drohungen oder Fristen akzeptieren‹.
Es ist unwahrscheinlich, so Marandi des weiteren, dass die Amerikaner
jemals etwas davon akzeptieren werden. Der Kontrast zwischen den Regierungen
Raisi und Rouhani ist krass: ›In der
Hoffnung, etwas vom Westen zu bekommen, hat die vorherige Regierung ernsthafte
Gelegenheiten sowohl mit China als auch mit Russland vertan. Jetzt ist es eine
ganz andere Geschichte‹. Der
chinesische Blickwinkel ist ziemlich faszinierend. Marandi stellt fest, dass
Amir-Abdolliahan gerade aus China zurückgekehrt ist und dass die einzige Nation
in Westasien, auf die sich die Chinesen zuverlässig verlassen können, der Iran
ist. Das ist in ihr 20jähriges strategisches Abkommen eingebaut, dessen viele
positive Aspekte vom russisch-iranischen Mechanismus übernommen werden sollten
- die Züge einer neuen Welt.
Der Kern von Raisis Exposé gegenüber der Duma ist der, dass der Iran
Schlachten an zwei verschiedenen Fronten gewonnen hat: Gegen den
Salafi-Dschihad-Terrorismus und gegen die amerikanische Kampagne des maximalen
wirtschaftlichen Drucks. Und damit sei der Iran als russischer Partner mit
seinem ›umfassenden wirtschaftlichen
Potential, insbesondere in den Bereichen Energie, Handel, Landwirtschaft,
Industrie und Technologie› sehr gut
aufgestellt. Zur geo-ökonomischen Position bemerkte Raisi, dass ›die privilegierte geografische Lage
des Irans, insbesondere im Nord-Süd-Korridor, den Handel von Indien nach
Russland und Europa kostengünstiger und erfolgreicher machen kann›. Raisis Besuch fand kurz vor Beginn
der gemeinsamen Übung ›2022 Marine
Security Belt‹ im Golf von Oman
statt; Pentagonbefürworter der ›Indo-Pazifik‹-Strategie werden daher kaum amüsiert
sein......
Dass China Eurasien als grössere Bühne nutzt, um seine globale Rolle
parallel zu der sich rasch entwickelnden chinesisch-russisch-iranischen
Interaktion aufzuwerten, hat weitreichende Auswirkungen auf die westlichen
Torwächter der imperialen ›regelbasierten
Ordnung‹. Eine der entscheidenden
geopolitischen Fragen unserer Zeit ist die, wie sich eine entstehende,
vermeintlich chinesische Hegemonie artikulieren wird. Wenn Taten mehr sagen als
Worte, dann sieht die Sino-Hegemonie locker, formbar und umfassend aus, ganz
anders als die US-Variante. Zum einen jedenfalls betrifft es die absolute
Mehrheit des globalen Südens, die sich beteiligen und lautstark einbringen
wird, wobei der Iran einer der Anführer des Globalen Südens ist.
Russland, das tief in die Entwestlichung der Weltordnung verwickelt ist,
nimmt eine einzigartige Position ein: Diplomatisch, militärisch, als
Energieversorger und als besondere Verbindung zwischen Ost und West - die
unersetzliche eurasische Brücke und der Garant für die Stabilität des globalen
Südens.
Während die atlantische Achse in Hybris, Arroganz und Inkompetenz ertrinkt
- willkommen in den Zügen der eurasischen postwestlichen Welt. [5]
[1] https://seniora.org/politik-wirtschaft/darum
-fordert-russland-den-stop-der-nato-osterweiterung 23. 1. 22
Christian Müller
[2] https://www.seniora.org/politik-wirtschaft/die-besuche-von-frau-nuland-und-frau-baerbock-in-moskau-moskau-ist-eine-reise-wert 16. 1. 22 Willy Wimmer
[3] https://seniora.org/politik-wirtschaft/wladimir-und-joe-sollen-es-richten-genf-nach-dem-treffen-von-lawrow-und-blinken 21. 1. 22 Wladimir und Joe sollen es
richten: Genf nach dem Treffen von Lawrow und Blinken - Von
Willy Wimmer
[4] https://www.dw.com/de/marine%C3%BCbungen-irans-mit-russland/a-56564313 16. 2. 22
[5] Quelle:
https://thecradle.co/Article/columns/6033
https://seniora.org/politik-wirtschaft/darum
-fordert-russland-den-stop-der-nato-osterweiterung 23. 1.
22
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