Kanzler Scholz, der Marshallplan und die neue NATO-Strategie - Von Wolfgang Effenberger 11.07.2022 14:50
Am 22. Juni 2022 forderte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag [1] und sechs Tage später in seiner Abschlußrede
am Ende des G7-Gipfels in Elmau fast gebetsmühlenartig einen Marshallplan für die Ukraine. [2] Gemeinsam mit der EU soll eine entsprechende internationale Konferenz mit Experten und Wissenschaftlerinnen organisiert und ein umfassendes Konzept zum Wiederaufbau entwickelt werden. Damit erweckt Scholz den Eindruck, dass der vormalige Marshallplan ein karitatives Unternehmen gewesen sei. Scholz ist Jahrgang 1958 und könnte sich noch an ähnliche Bilder aus seiner Kindheit erinnern. Zumindest
aber an entsprechende werbewirksame Darstellungen in den Schulbüchern. Dieses
von den USA nach 1945 geförderte Narrativ ist nicht unbedingt hilfreich für die
Bewältigung der gegenwärtigen Probleme. Um eine zukunftsweisende, den Frieden
fördernde Initiative anzustoßen, ist es notwendig, alle Motive zu kennen.
Was
wollten die USA 1947 mit dem ›European Recovery Program‹ [›ERP‹]
bezwecken? Am 5. 6. 1947 hielt der ehemalige Generalstabschef der USA [seit 1.
September 1939 !] und nunmehrige Außenminister George Marshall an der Harvard
Universität vor Veteranen [3] des Zweiten
Weltkriegs eine weltweit Aufsehen erregende Abschlußrede, die die Welt
verändern sollte. In dieser 12-minütigen Rede betonte Marshall, der in seiner
militärischen Laufbahn überwiegend mit Kriegsplanungen beschäftigt war, dass
der Krieg angesichts der sowjetischen Aggression nicht wirklich vorbei sei und
dass das bedrohte Europa »erhebliche zusätzliche Hilfe erhalten muß,
sonst droht ihm der wirtschaftliche, soziale und politische Verfall«. [4]
Der Handschlag von Torgau an der Elbe war schnell vergessen und die gerade noch
verbündete Sowjetunion wurde zum Reich des Bösen erklärt: Der sich anbahnende
Kalte Krieg warf die ersten Schatten voraus. [5] Dass die Sowjetunion die Masse
ihrer 12 Millionen Soldaten weiter unter Waffen hielt, während die USA das Gros
ihrer 11,5 Millionen Soldaten nach dem 2. Weltkrieg sofort in die Heimat zurückschickten,
war für die US-Falken ein willkommener Anlaß, ihr böse Absichten zu
unterstellen. Allerdings war in den USA die Industrie nicht zerstört, vielmehr
boomte sie auf hohem Niveau, und man brauchte die Arbeitskräfte. Ganz anders in
der Sowjetunion: Dort hatte der Krieg große Landstriche verheert und die
Industrie bis zum Ural schwer in Mitleidenschaft gezogen. Daher fehlten
flächendeckend Unterbringungsmöglichkeiten und Arbeitsplätze, sowohl für die
Soldaten als auch für die Bevölkerung.
Marshall,
der Präsident Delano Roosevelt während des 2. Weltkriegs in demutsvoller
Ergebenheit gedient hatte, handelte nicht eigenständig und schon gar nicht als
Altruist. Er war zeitlebens Soldat, der nur eine Aufgabe sah: Amerika zu
dienen. So steht Marshalls Rede in direktem Zusammenhang mit der Erklärung von
Präsident Harry S. Truman, der am 12. März 1947 vor beiden Häusern des Kongresses
verkündet hatte: »Wir können keine Veränderungen des Status quo
erlauben, die durch Zwangsmethoden oder Tricks wie die politische Infiltration
unter Verletzung der Charta der Vereinten Nationen erfolgen. Wenn sie freien
und unabhängigen Nationen helfen, ihre Freiheit zu bewahren, verwirklichen die
Vereinigten Staaten die Prinzipien der Vereinten Nationen. Die freien Völker
der Welt rechnen auf unsere Unterstützung in ihrem Kampf um die Freiheit. Wenn
wir in unserer Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden in der Welt und
wir schaden mit Sicherheit der Wohlfahrt unserer eigenen Nation». [6] Bereits
im Oktober 1945 hatte Truman General Eisenhower beauftragt, einen
hypothetischen Plan für einen umfassenden Krieg gegen die Sowjetunion
auszuarbeiten. Mit der ›Operation Totality‹ sollten mit einem
Schlag 20 wichtige Städte [Moskau,
Leningrad, Swerdlowsk, Tiflis…..] ausradiert werden. [7] Mit der sogenannten ›Truman-Doktrin‹
war Moskau nun offiziell der Fehdehandschuh zugeworfen worden. Im März 1947 übernahmen die USA auch die ehemals britische
Schutzmachtrolle über Griechenland und die Türkei, um einer »sowjetischen
Machtausweitung entgegenzuwirken«, so die offizielle Darstellung. [8] Hier
wurde wohl die geopolitische Absicht kaschiert, die Handlungshoheit über die
Dardanellen auszuüben.
Die
Hauptziele des Marshallplans, eines bedeutenden Instruments bei der praktischen
Ausgestaltung der Truman-Doktrin, waren, den beherrschenden Einfluß der USA in
den vom Krieg zerstörten westeuropäischen Staaten zu sichern, den Aufschwung
der in vielen Ländern beträchtlich gewachsenen revolutionären Bewegung zu verhindern,
und natürlich die damaligen Volksdemokratien Osteuropas von der UdSSR
abzutrennen bzw. auf den kapitalistischen Entwicklungsweg zurückzuführen. Es ging
unter anderem darum, die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen
Privilegien der Eliten, der großen Unternehmen, in ganz Europa
aufrechtzuerhalten. [9] Vor allem galt es, Westeuropa als einen verläßlichen
Partner der USA zu etablieren. Dazu durfte es nicht zu selbständig werden. [10]
Es sollte helfen, die von Truman bereits am 16. April 1945 skizzierte künftige
Außen- und Wirtschaftspolitik der USA als globale Führungsmacht zu
unterstützen. [11] Zudem sollte Westeuropa ein Grundgerüst zur europäischen
Integration ausbilden und Motor der transatlantischen Kooperation werden. [12] Eine
entscheidende Rolle dürfte auch der enorme Außenhandelsüberschuß der USA
gespielt haben. Die Konzerne - allen voran der Militärisch-Industrielle Komplex
- brauchten dringend neue Märkte, die Oligarchen nach den Kriegsprofiten
weitere Gewinne, und die Plutokraten wollten zudem ihre Macht ausweiten.
Die
aus den USA importierten Waren wurden zu 90 % aus dem Marshallplan bezuschußt, 10 % mußten selbst bezahlt werden. [13] Den Gegenwert der Zuschüsse mußten die Empfängerländer dann allerdings in inländischer
Währung in Gegenwertfonds [Counterpart Funds] einzahlen. In Deutschland
verwaltet die am 16. Dezember 1948 ins Leben gerufene ›Kreditanstalt für
Wiederaufbau‹ [KfW] noch heute das ursprünglich aus dem Marshallplan
entstandene Sondervermögen, dessen Verwendung nach wie vor durch die ›Economic
Cooperation Administration‹ [›ECA‹] genehmigt werden muß.
Die USA gewährten im Rahmen des Marshallplans
Gelder in Höhe von insgesamt fast 14 Milliarden Dollar; Westdeutschland erhielt
davon ca. 1,4 Milliarden. Die Gesamtsumme entspricht einem heutigen Geldwert
von etwa 130 Milliarden US-$ [Stand 2015]. Zum Vergleich: 2012 hat Deutschland
allein zur Euro-Rettung nach der Finanzkrise von 2007/2008 Hilfsprogramme für
Irland, Portugal und Griechenland betreut und eine maximale Haftung von bis zu
211 Milliarden Euro übernommen. Wird das Volumen für Hilfskredite beider
Schirme einfach addiert, könnte die deutsche Gesamthaftung im schlechtesten
Fall sogar auf rund 400 Milliarden Euro hochschnellen. [14] Die auf Deutschland
zukommenden Beiträge im Rahmen des aktuellen Ukrainekriegs dürften diese Summen
noch weit übersteigen. Das auf kapitalistischen Prinzipien und Freihandel aufgebaute
›Hilfsprogramm‹ stand sozialistischen Prinzipien diametral
entgegen. Zudem verlangten die USA als Gegenleistung für den Erhalt von ›ERP‹-Mitteln
Einsicht in die Budgetplanungen der
betreffenden Länder. [15] Nur wenige
Wochen nach Marshalls Rede, am 26. Juli 1947, wurde der ›National
Security Act‹ verabschiedet, eines der wichtigsten Gesetze in der amerikanischen
Nachkriegsgeschichte. Mit ihm wurde die Sicherheits- und Verteidigungspolitik
auf institutioneller Ebene vollzogen. Nach einer Analyse von Harvey Sapolsky
und Kollegen aus dem Jahr 2009 ist der ›National Security Act‹
bis heute Grundlage weltweiter amerikanischer Militärmacht. [16] Die wichtigsten Punkte des Gesetzes waren die
Zusammenlegung des vorherigen Kriegsministeriums und des Marineministeriums,
die Schaffung einer unabhängigen Luftwaffe [USAF], die Beibehaltung und
Institutionalisierung des während des Krieges eingerichteten Vereinigten
Generalstabs [Joint Chiefs of Staff, JCS], die Schaffung des ›Nationalen
Sicherheitsrats‹ [›NSC‹] sowie die Gründung der ›Central
Intelligence Agency‹, der CIA.
Walter
Lippmann, einflußreicher Propagandist des Neoliberalismus und einer gelenkten
Demokratie, schrieb 1947 im Zusammenhang mit der Einbindung von Griechenland
und der Türkei in den Marshallplan: »Wir haben die Türkei und
Griechenland nicht deshalb ausgewählt, weil sie besonders hilfsbedürftig sind,
und auch nicht deshalb, weil sie glänzende Muster für Demokratie sind, sondern
weil sie das strategische Tor darstellen, das ins Schwarze Meer führt, in das
Herz der Sowjetunion«. [17] Im Jahr 2021 war dieses strategische Tor für
die US-/NATO-Aktivitäten weit geöffnet. Im Rahmen des mehrmonatigen Manövers ›Defender
Europe 21‹ fanden die Schwerpunktaktivitäten in der Region des Schwarzen
Meers statt: Ein sichtbarer Erfolg der offenen Aggressivität der Truman-Doktrin
und des Marshallplans. Alle drei Ereignisse, ›Truman-Doktrin‹,
Marshallplan und der ›National Security Act‹, stehen in einem
direkten Zusammenhang.
Im
März 1948 beschlossen die vom Marshallplan subventionierten Regierungen
Großbritanniens, Frankreichs und der drei kleinen Benelux-Monarchien den ›Brüsseler
Pakt‹: Er verstand sich als Militärbündnis gegen eine erneute deutsche
Aggression und gegen eine drohende sowjetische Aggression. Am 4. April 1949 wurde die NATO offiziell als
Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion gegründet. [18]
Der
erste Generalsekretär der NATO, Lord Ismay, formulierte die Aufgabe der NATO salopp: »Die Russen draußen, die
Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten« [19] Im
Bündnisvertrag wurde festgehalten, dass wirtschaftlicher Wiederaufbau und
wirtschaftliche Stabilität wichtige Elemente der Sicherheit seien, daher der Marshallplan. Am 19. Dezember 1949
verabschiedeten die USA den Kriegsplan ›Dropshot‹, mit dem 1957
die Sowjetunion angegriffen werden sollte. In der ›Grundannahme‹
heißt es wörtlich: »Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten
Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein
Krieg aufgezwungen worden«. [20] Daraufhin sollten 300 Atombomben und
29.000 hochexplosive Bomben auf 200 Ziele in einhundert Städten abgeworfen
werden, um 85 % der industriellen Kapazität der
Sowjetunion mit einem einzigen Schlag zu vernichten. Der Zeitpunkt war zweifellos
auf den ursprünglich geplanten Abschlußtermin der Remilitarisierung
Westdeutschlands abgestimmt. Als dann jedoch 1957 der fiepsende Sputnik seine
Kreise um die Erde zog, mußten die Kriegsplanungen überarbeitet werden, und der
Zeitpunkt für ›Dropshot‹ wurde vertagt. In Moskau aber ist
der Plan unvergessen.
1951
stellte der Koreakrieg den Auftakt für weitere Kriege in Südostasien dar,
begleitet von Destabilisierungsmaßnahmen. Den Auftakt zu einer Reihe
gewaltsamer völkerrechtswidriger Umstürze bildete 1953 der Sturz des
demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh in
einer Geheimoperation namens Ajax. In der Folge übernahm ein internationales
Konsortium die Förderung und Vermarktung des iranischen Erdöls für die nächsten
25 Jahre. Dabei wurde der Anteil britischer Firmen auf 40 % reduziert, bei
gleichzeitigem Einstieg von 5 amerikanischen Ölgesellschaften mit zusammen 40 %Geschäftsanteil.
[21] Am 4. Juni 2009 gestand Präsident Barack Obama in seiner Rede an die islamische
Welt als erster US-Regierungschef öffentlich das ein, was die CIA
jahrzehntelang geleugnet hatte: »Mitten im Kalten Krieg spielten die
Vereinigten Staaten eine Rolle beim Sturz einer demokratisch gewählten
iranischen Regierung«. [22] Ein Geständnis ohne Einsicht. Denn Obama und
sein Vizepräsident Joe Biden spielten im Februar 2014 selbst die zentrale Rolle
beim Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine, Wiktor
Janukowytsch; dabei standen im Hinblick auf die Zerstörung Russlands geostrategische
Ziele im Vordergrund.
Am
29. Juni 2022 räumte NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf dem NATO-Gipfel in
Madrid ein, dass sich das Bündnis seit 2014 auf einen Konflikt mit Russland
vorbereitet hat. [23] Vor Medienvertretern erklärte er, „dass das Militärbündnis
seit der Machtübernahme durch russische Truppen auf der Halbinsel Krim damit
begonnen habe, seine Truppen in Osteuropa zu verstärken«. [24] Die
Bewohner der Krim wurden 1954 nicht gefragt, ob sie zur Ukraine wollen.
1991 strebte die Krim die Unabhängigkeit an. Warum ist der ›Werte-Westen‹
nicht bereit, den Menschen auf der Krim
ihr verbrieftes Selbstbestimmungsrecht zuzubilligen? Warum der jahrelange Krieg
im Donbass mit der Ausweitung zu einem großen europäischen Krieg? Vor den Staats-
und Regierungschefs sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj [er
nahm nur virtuell teil], die Russische Föderation wolle die künftige
Weltordnung diktieren. Das ist eine ungeheure Unterstellung, und sie ist
lächerlich angesichts der permanenten NATO-Osterweiterung seit 1991. Die USA
sind es, die konsequent nach einer unipolaren Weltordnung streben; eine ›neue
Ordnung der Zeitalter‹ findet sich auf der Rückseite der Ein-Dollar-Note,
darüber das Auge der Vorsehung über einer unvollständig gemauerten Pyramide, des
Siegels der Vereinigten Staaten. [25] Und die US-Langzeitstrategie ›TRADOC
525-3-1‹, ›Win in a Complex World 2020-2040‹, ist in
diesem Sinn mehr als eindeutig. Abschließend forderte Selenskyj
Sicherheitsgarantien vom Westen und wies darauf hin, dass die Ukraine fast 5
Milliarden $ pro Monat für Verteidigung und Schutz benötige.
Vor
dem aufgezeigten Hintergrund wird deutlich, dass der von Scholz geforderte
Marshallplan für die Ukraine mit dem Marshallplan von 1947 nur eine Parallele
hat: Die Stärkung der Ukraine als Rammbock gegen Rußland. Unter dieser
Überschrift hat der Autor im ›Schwarzbuch EU & NATO‹ [2020]
dem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet. Der
Marshallplan von 1947 war ein Plan des Kriegsgewinners USA [militärisch und
wirtschaftlich] zum Wiederaufbau der kriegsgebeutelten westlichen Verbündeten [der
Verlierer Deutschland kam später hinzu[. Eine derartige Situation stellt sich
heute nicht dar. Europa hat keine moralische Schuld gegenüber der Ukraine, höchstens
vielleicht eine Mitverantwortung beim Putsch auf dem Maidan, dem Ausblenden von
acht Jahren Bürgerkrieg, sowie Interesselosigkeit bei der Umsetzung von Minsk I
und II.
Was
die Welt jetzt braucht, ist kein leeres Geschwätz über eine Neuauflage des
Marschallplans, sondern aktives Handeln in Richtung Waffenstillstand,
das hoffentlich in einen FRIEDEN mündet, welcher den Namen verdient. Oberste
Pflicht von Bundeskanzler Scholz muß es zunächst sein, dass Deutschland nicht
weiter in den Krieg hineingezogen wird. Angesichts weiterer Lieferungen von
Panzerhaubitzen 2000 und der Eskalation durch Litauens Blockierung des
russischen Transitverkehrs nach Kaliningrad, das frühere Königsberg, und die
Erhöhung der Zahl der NATO-Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft von 40.000 auf
mehr als 300.000, wird vor einem möglichen Frieden wohl die Ausweitung des
Krieges stehen.
Das
in Madrid nach dem NATO-Gipfel verabschiedete neue strategische Konzept liest
sich wie eine Kriegserklärung an Russland und hat der Eskalationsspirale einen
weiteren Impuls gegeben. In Madrid kündigte US-Präsident Joe Biden eine
umfassende Aufstockung der US-Truppen in Europa auf 100.000 an sowie die
Einrichtung eines ständigen US-Militärhauptquartiers in Polen, ein bisher noch
nie dagewesener militärischer Vorstoß der USA in einem Land des ehemaligen
Warschauer Pakts. Dazu soll in Rumänien eine zusätzliche ›Rotationsbrigade‹
mit 5.000 Mann stationiert werden, zwei zusätzliche F-35-Kampfstaffeln sollen nach
Großbritannien verlegt werden und in Deutschland und Italien zusätzliche
Luftabwehrsysteme in Stellung gebracht werden, was ja nur Sinn macht, wenn mit Luftangriffen
auf diese NATO-Staaten gerechnet wird. Schweden und Finnland wurden nun
offiziell eingeladen, dem Bündnis beizutreten. [26] Vorausgegangen war ein
wochenlanges Tauziehen mit dem türkischen Autokraten Erdogan. Er schaffte es,
dass die zukünftigen NATO-Länder sich weitgehend den türkischen Forderungen
beugten. Sie kündigten bereits an, dass kurdische Aktivisten, die die Türkei
als ›Terroristen‹ bezeichnet, an die Türkei ausgeliefert werden, und
dies, obwohl ihnen in der Türkei Folter und lange Haftstrafen drohen. [27] Über
die völkerrechtswidrigen Angriffen der Türkei gegen die Kurden in Syrien oder
im Irak wird die NATO weiterhin wohlwollend hinwegsehen.
Mit
dem NATO-Beitritt von Schweden und Finnland verdoppelt sich die Landgrenze der
NATO zu Rußland, das als die ›bedeutendste und direkteste Bedrohung für
die Sicherheit der Verbündeten‹ definiert wird. Mit Schweden und
Finnland wird die Ostsee zu einem NATO-Meer. Nun kann auch der Seezugang zu
Kaliningrad von der NATO gestört werden Zur Erinnerung: Das Korridorproblem
zwischen Deutschland und Polen führte am 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg, und
das NATO-Land Türkei kann der russischen
Schwarzmeerflotte den Zugang zum Mittelmeer versperren. Zugleich kontrolliert
die NATO über die Straße von Gibraltar den Zugang zum Mittelmeer. Die
angelsächsische Meerengenpolitik ist immer noch sehr erfolgreich. Mit der
gegenwärtigen Situation können die US-Strategieplaner von ›Win in a
Complex World 2020-2040‹ [September 2014] sehr zufrieden sein.
Doch
wie könnten die Reaktionen auf der anderen Seite des Schachbretts aussehen?
Wird man dort warten, bis USA und UK noch mehr Militärmaterial für einen
Angriff auf Rußland nach Europa schaffen? Im Februar 2007 hat Putin auf der
Münchner Sicherheitskonferenz bereits die rote Linie gezogen: Weder
Georgien noch die Ukraine dürfen Teil der NATO werden. Da westliche
Politiker nicht müde werden, immer wieder zu betonen, dass Rußland besiegt werden
muß, und damit Putin unmißverständlich deutlich machen, dass momentan ein
Abnutzungskrieg gegen Rußland als Stellvertreterkrieg mit der NATO geführt
wird, wird es das Ziel des Kremls sein, die Strukturen von NATO und EU zu
zerschlagen bzw. funktionsunfähig zu machen. Da im sogenannten ›Werte-Westen‹
die Stimmen, die zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit Rußland raten [z.B.
Sarah Wagenknecht, Alice Weidel], diffamiert werden, muß man kein Prophet sein,
um vorauszusehen, dass in Europa wieder wie 1914 die Lichter ausgehen könnten [Edward
Grey, damals britischer Außenminister], sofern nicht doch noch ein Wunder
geschieht.
Zum
«Schwarzbuch EU & NATO - Warum die Welt keinen Frieden findet» siehehttps://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=3077
Quellen
[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw25-de-regierungserklaerung-897774 [2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/g7-gipfel-elmau-kanzler-scholz-2058172 [3] Die ehemaligen Soldaten konnten aufgrund
eines Gesetzes zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung von Veteranen des
Zweiten Weltkriegs in das zivile Leben studieren, 22. Juni 1944. Eingetragene
Gesetze und Resolutionen des Kongresses, 1789-1996 https://www.archives.gov/milestone-documents/servicemens-readjustmentact#:~:text=Signed%20into%20law%20by%20President,WWII%20and%20later%20military%20conflicts [4]
Zitiert aus Opinion: The 75-year-old
lesson for pushing back against Putin https://edition.cnn.com/2022/06/07/opinions/marshall-plan-wwii-anniversary-peace-avlon/index.htm [5]
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/252298/umfrage/armeestaerken-im-zweiten-weltkrieg-nach-laendern/ [6] Zit. wie Görtemaker, Manfred et al.: Das Ende
des Ost-West-Konflikts, Berlin 1990, S. 58 [7] Siehe Wolfgang Effenberger: Schwarzbuch EU
& NATO, Höhr-Grenzhausen 2020, S. 99f [8]
Zit. wie
www.academia.edu/32323328/Die_ungarische_Revolution_von_1956_pdf [9] Vgl. ebd. [10] Vgl.
Michelle Cini ›From the Marshall Plan to EEC: Direct and Indirect
Influences‹.
In: Schain 2001, S. 34 [11] Hofbauer, Hannes: Westwärts Österreichs
Wirtschaft im Wiederaufbau, Wien 1992, S. 44 f. [12]
Auch das Clayton-Memorandum vom 27. Mai
1947 dachte eine »Europäische Wirtschaftsföderation« an. Vgl. Roman Fried:
Marshall-Plan und österreichischer Wiederaufbau. Eine Betrachtung vor dem
Hintergrund des Kalten Krieges. http://othes.univie.ac.at/10266/1/2010
-05-15_0501711.pdf (abgerufen am
21.5. 21) [13]
Curt Tarnoff ›The
Marshall Plan: Design, Accomplishments, and Relevance to the Present‹.
In: Report for Congress. 6.1.1997, S. 13 (abgerufen am 24.1.2021) [14]
Der dauerhafte Geldtopf zur Euro-Rettung
wurde vom Bundeskabinett beschlossen; dabei sind wichtige Details noch nicht
geklärt: Die parlamentarische Kontrolle und die genaue
Haftungssumme für Deutschland vom 14.3.2012.
Vgl. www.handelsblatt.com/ politik/deutschland/rettungsschirm-
schlimmstenfalls-haftet-deutschland- fuer-400-milliarden-euro/6327118-2. html?ticket=ST-8149832-i1rJVtWdT-
c0RacxGBVj2- [15] Rebecca Belvederesi-Kochs und Paul Thomes:
Der Marshall-Plan. In: Themenportal Europäische Geschichte, 2010,
https://www.europa.clio-online.de/ essay/id/fdae-1526 [16] Vgl. Sapolsky, Harvey/Gholz, Eugene/Talmdge, Caitlin: US Defense
Politics London 2009, S. 4 [17] Lippmann, W., ›The Cold War‹
[18] Die Gründerstaaten der NATO
sind Kanada und die USA und die europäischen Länder Belgien, Dänemark,
Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen
und Portugal [19] https://internationalepolitik.de/de/nordatlantische-allianz [20] LONG-RANGE PLANS FOR WAR WITH THE USSR –
DEVELOPMENT OF A JOINT OUTLINE PLAN FOR USE IN THE EVENT OF A WAR IN 1957
(Short Title --"DROSHOT") [21] https://web.archive.org/
web/20080327181230/http://www.nioc. ir/brief_history/page6.html [22] https://obamawhitehouse.archives.
gov/issues/foreign-policy/presidents- speech-cairo-a-new-beginning [23] https://www.republicwo rld.com/world-news/russia-ukraine-crisis/natos-stoltenberg-admits-alliance-has-been-preparing-for-conflict-with-russia-since-2014-articleshow.html [24] Ebd. [25] Auf der Rückseite der gültigen 1-Dollar-Note
befindet sich seit 1935 das stilisierte Siegel der USA [26] http://www.defenddemocracy.press/nato-is-preparing-world-war-against-russia-and-china [27] https://www.fr.de/politik/tuerkei-erdogan-nato-beitritt-schweden-finnland-zugestaendnisse-weder-ueberzeugend-noch-werteorientiert-zr-91643076.html
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