Offenes Schreiben an Bundesrätin Calmy-Rey

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Calmy-Rey, das Ihnen hiermit als attachment zugehende Schreiben an Doudou Diène vom Menschenrechtsrat in Genf wurde diesem am 18. April 07 zugestellt. Es ist eine Antwort auf seine gegen die Schweiz vorgebrachten Anklagen, die in unserem Brief entkräftet werden. Unsere Ausführungen greifen vor allem die Ursachen auf, die dazu führen, dass unser Kontinent von Asylanten überschwemmt wird. Diese werden in der Regel weder von der Deza noch den zahlreichen Organisationen, die die Bekämpfung des Rassismus auf ihre Fahnen geschrieben haben, in der erforderlichen Weise offengelegt. Da Sie in diesem Schreiben namentlich erwähnt sind und dieses gross und somit für viele lesbar auf www.politonline.ch im Internet steht, halten wir es für unsere Pflicht, es Ihnen vorzulegen. Wir sind im übrigen erschüttert, dass wir in der Tagespresse nicht feststellen konnten, dass der Bundesrat oder das Parlament gegen die in unseren Augen völlig ungerechtfertigten Anklagen von Diène unüberhörbar die Stimme erhoben hätte, um uns zu verteidigen. Auch wenn es hin und wieder eine Auseinandersetzung zwischen Asylanten und Schweizern geben mag - was auch in anderen Ländern mitunter der Fall ist und wie so vieles nie hundertprozentig aus der Welt zu schaffen ist, genauso wenig, wie es eine hundertprozentig perfekte Regierung gibt - ist dieses Land im Schnitt in keiner Weise rassistisch.

Wie Sie jetzt nach Ihrem Treffen mit Ban Ki Moon erklärten, hätten Sie beide festgestellt, dass es einen gemeinsamen Willen gebe, die Vereinten Nationen zu stärken. Die Schweiz werde sich weiter für den Menschenrechtsrat und für mehr Transparenz des Sicherheitsrats einsetzen. Aussprüche dieser Art hören wir gewissermassen seit Jahrzehnten, ohne dass sich auch nur das Geringste geändert hätte. Im Gegenteil, die Lage verschärft sich jedes Jahr mehr, was für niemand, der sich mit den Zielen der der UNO zugrunde liegenden Atlantikcharta von 1941 befasst hat, eine Überraschung darstellt. Denn Roosevelt und Churchill forderten bereits darin den freien Zugang zu den Rohstoffen der ganzen Erde, was sich heute im Irak und in Afghanistan sozusagen in der Endphase abspielt und der Grund für die hinter den Kulissen zwischen Russland und der USA im Kaukasus vor sich gehende Gebietsumkämpfung ist. Jeder, der die UNO durchschaut, weiss, dass auf Grund der geltenden, unter den Grossmächten ohne Befragung der Bevölkerungen getroffenen Abmachungen niemand auf die von diesen verfochtenen Strategien Einfluss nehmen kann.   Dafür sorgt schon der Art. 12.1, laut dem die Generalversammlung nur eine Stellungnahme zu Krieg und Frieden abgeben darf, wenn dies der Sicherheitsrat erlaubt: Solange der Sicherheitsrat in einer Streitigkeit oder einer Situation die ihm in der UNO-Charta zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt, darf die Generalversammlung zu dieser Streitigkeit oder Situation keine Empfehlung abgeben, es sei denn auf Ersuchen des Sicherheitsrats selbst. Ferner: Nur wenn es der Sicherheitsrat erlaubt, also wenn keine Grossmacht etwas dagegen hat, darf der Generalsekretär die Generalversammlung darüber unterrichten, was im Sicherheitsrat besprochen worden ist (Art. 12.2). Diese Punkte waren unseres Wissens beim Abstimmungskampf um den UNO-Beitritt der Schweiz kein Gegenstand näherer Erklärungen. Im übrigen stellt sich im Moment die Frage, was die USA und vermutlich auch Israel mit Russland und China vereinbarten, damit im Sicherheitsrat verschärfte Sanktionen gegen den Iran ausgesprochen werden konnten, obwohl sowohl Putin als auch China von Anfang an gegen solche waren. Wir können nirgendwo erkennen, dass die gegen den Iran gerichteten Drohungen Gegenstand von Massnahmen des neuen Rats wären, die diesen ein Ende setzten. Man ist fassungslos, wie eine von uns teuer bezahlte Maschinerie nichts, aber auch nichts bewegen kann, damit das Kesseltreiben gegen dieses Land eingestellt wird. Wollen wir angesichts der laufenden Massaker auch noch ein Abschlachten der Bevölkerung des Irans riskieren? Wie ist es im übrigen möglich, dass Senator McCain soeben völlig entgleiste, indem er öffentlich «Bomb, bomb, bomb, bomb, Iran» sang, ohne dass man ihn angesichts der grauenhaften Foltermethoden, der Bombardierungen und der gegen das Völkerrecht erfolgten Besatzung zweier Länder, die Washington auf dem Gewissen hat, figurativ gesprochen »am Kragen nahm« und von der Rednerbühne entfernte? Aber all das passt in den Rahmen der seit Jahren herrschenden fundamentalen Verlogenheit, bei der auch unsere Regierungen nicht aufbegehren, wenn die USA ihren menschenverachtenden Terrorkrieg mit der zynischen Behauptung deckt, die Demokratie zu bringen.
 
Zur Lage im Irak fiel auch Moon nichts Neues ein; auch er gebrauchte das unendlich abgenutzte Standardwort der Besorgnis. Das enthebt die UNO offensichtlich aller konkreter Taten. Insofern ist zu befürchten, dass auch noch die bestehende Planung einer Dreiteilung des Iraks verwirklicht werden wird, ohne dass der Menschenrechtsrat den Irakern zu Hilfe eilt. Im Klartext: Für den ewig zum Zahlen verpflichteten Bürger werden einmal mehr geölte Worte dargeboten, die keiner mehr ernst nehmen kann, während sich folgern lässt, dass die Grossmächte im Konsens mit den Mitgliedern der Trilateralen Kommission, des CFR, der Bilderberger und der steuerbefreiten Stiftungen auswürfeln, wie letztlich zu verfahren sein wird. Das ist unsere Demokratie. Wie es nach all den Kriegslügen und bei dem Inferno im Irak überhaupt möglich ist, dass ein Mann wie Blair noch in Davos erscheinen kann, bleibt uns ein Rätsel. Das beleuchtet die Gesinnung der dort Versammelten und die Geringschätzung, die sie der arbeitenden Bevölkerung entgegenbringen, ist es doch nicht einmal unter ihrer Würde, sich auf Kosten des Steuerzahlers gewissermassen hinter Stacheldraht beschützen zu lassen. Tiefer, denken wir, kann man gar nicht mehr fallen: auf beiden Seiten. So heisst es, Davos gelte als »Traumgelegenheit für das Händeschütteln.« Das scheint uns auch so, mehr hat sich bislang nicht ergeben, es sei denn, man rechne der ‚Wirtschaftselite’ alle derzeit geführten Kriege als Erfolg an. Zu den von der Presse so gern als illustre Gästeschar bezeichneten Teilnehmern gehörte 2006 auch der bereits genannte McCain, der forderte, dass sich die USA die Option eines Militärschlags gegen den Iran offenhalten sollte. «Wir müssen die militärische Option als letzte Alternative behalten. Wir sollten sie nicht ganz vom Tisch nehmen.» Sonst sei er sich nicht sicher, ob die USA signifikanten Einfluss [!] hätten. Offenbar erfuhr er keinen Widerspruch, da die Kriegshetze reibungslos funktioniert, trotz eines neuen Rats in Genf. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass, wie dies der Politologe und Mitglied der Trilateralen Kommission, Samuel P. Huntington, darlegte, die Davos-Leute praktisch alle internationalen Institutionen, viele Regierungen und das Gros der weltweiten Wirtschafts- und Militärkapazitäten kontrollieren und dass das WEF beansprucht, eine führende Rolle bei der Globalisierung und Finanzliberalisierung zu spielen. Nur unsere Tagespresse pflegt sich von diesem Kapitel der eigentlichen Richtungsbestimmung aller Politik verschämt abzuwenden.
 
Allein die von der EU offen angestrebte Militarisierung spricht den Menschenrechten Hohn. Wir zitieren wörtlich: »Die europäischen Rüstungskonzerne wollen in Zukunft stärker von den neuen Kriegen profitieren. Die EU bereitet ihnen politisch den Weg dazu und finanziert diesen Wirtschaftssektor hinter dem Rücken der Öffentlichkeit.« *  Wie es am 7. 3. 06 in der Basler Zeitung hiess, »will die EU bei der nächsten Erweiterung Geld von der Schweiz.« Womöglich für ihre Militärpolitik?  Ferner: »Weitere Zahlungen bei künftigen Erweiterungsrunden schloss Micheline Calmy-Rey auch auf Anfrage nie explizit aus.« Es ist zu hoffen, dass der Zeitpunkt kommt, an dem die Bevölkerung angesichts der eigenen Verschuldung solchen Forderungen massiv entgegentreten wird, zumal in der EU in den zurückliegenden Jahren buchstäblich Milliarden in der Korruption versumpft sind.
 
Bedenkt man die fortschreitende militärische Ausrichtung der EU und die Tatsache, dass die USA bis 2011 noch weitere Kriege führen will, kann man auch den neuen Rat, will man ehrlich sein, lediglich als eine Augenwischerei für den Bürger betrachten, denn seine Macht ist weitgehend mit einer totalen Ohnmacht gleichzusetzen. Das lässt sich allein schon daran ermessen, dass man im Zuge des uns nicht ungeplant erreichenden Kampfes gegen den Terror - die perfekte Vorstufe zur ebenfalls geplanten totalen Überwachung des Menschen - fast nur noch von der Tötung mutmasslicher Terroristen liest, der selbstverständlich zahllose Zivilisten zum Opfer fallen. Von einer Gefangennahme ist kaum mehr die Rede. Wie am 20. 6. 06 gemeldet [Tages-Anzeiger Online], lief die Rüstungszusammenarbeit zwischen der Schweiz und Israel trotz der Angriffe im Libanon weiter. »Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat bislang darauf verzichtet, eine Sistierung zu beantragen. Grund dafür ist laut Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, dass der Konflikt zwischen Israel und der Hizbollah-Miliz bislang nicht als Konflikt zwischen zwei Staaten eingestuft wurde und demnach auch nicht das Neutralitätsrecht Anwendung fand. Erst wenn dies der Fall wäre, würden Rüstungsverkäufe nach Israel verboten.« Können Sie uns erklären, was ein Neutralitätsfaktor angesichts der nahezu totalen Zerstörung und Vernichtung menschlichen Lebens noch für eine Rolle spielen kann? Damit verkommt der Menschenrechtsrat unserer Auffassung nach buchstäblich zu einem Witz, denn auch der Libanonkrieg war sorgfältig geplant und trug die in unseren Augen absolut perverse Bezeichnung »A Clean Break«. Wie die Basler Zeitung vom 16. 7. 06 darlegte, versprachen Sie gleichzeitig, die diplomatischen Bemühungen der Schweiz für ein Ende der Gewalt im Nahen Osten zu verstärken. [….] Auf diese Weise sollten die dringlichsten Bedürfnisse der humanitären Hilfe genauer abgeklärt werden, schrieb das Aussenministerium. Es ist einfach einzigartig: Der Krieg wird geplant, geht mit Brachialgewalt über die Bühne, jeder spricht vordergründig von Vermittlung, und schon wird von uns mit der grössten Selbstverständlichkeit verlangt, humanitäre Hilfe zu leisten. Sie werden es uns hoffentlich nicht verübeln, wenn wir die Hoffnung hegen, dass diese Doppelspurigkeit, die den Kriegstreibern praktisch grünes Licht für die nächsten zu inszenierenden Bombardierungen gibt und uns die Schäden aufbürdet, in nicht allzu weiter Ferne von der Bevölkerung unterbunden werden wird. Es muss Druck auf die Regierungen entstehen, damit diesem, für unsere Begriffe einem unverhohlenen Missbrauch der Arbeitskraft des Bürgers gleichkommenden Modus, der vor allem unsere Nationalschuld vergrössert - dies sicherlich nicht zur Unfreude der Hochfinanz - ein Ende gesetzt wird. Dies wäre in unseren Augen eine der Hauptaufgaben des neuen Rats, da besagter, von der UNO etablierte Mechanismus an eine kalte Enteignung grenzt. Als etwas anderes lässt sich dies nicht mehr bezeichnen.
 
Im Interesse einer verbesserten Aufklärung der Öffentlichkeit werden wir auch diesen an Sie gerichteten Brief auf www.politonline.ch ins Internet stellen. Wir dürfen Sie um eine kurze Stellungnahme an eine der angegebenen Adressen bitten.
 
Mit freundlichen Grüssen
 
Peter Aebersold, Zürich mailto:peteraeb@bluewin.ch
Doris Auerbach, Bettingen d.auerbach@gmx.ch
Willy Wahl, Zürich  willy.wahl@seniora.ch 25. 4. 07
 
 
 
cc:
Bundesrat Pascal Couchepin
Prof. Georg Kreis
Prof. Prof. Walter Kälin
Dr. Ronnie Bernheim
UNO-Botschafter Blaise Godet
 
 
*Martin Hantke: Ohne Kontrolle https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2006/12-28/020.php 

Anmerkung: Das Schreiben an Doudou Diène wurde als Offenes Schreiben an den Menchenrechtsrat am 21. 4. 07 auf politonline veröffentlicht.