Offenes Schreiben an Dr. Günther Nonnenmacher von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Sehr geehrter Herr Dr. Nonnenmacher, Ihr auf FAZ.NET vom 21. 5. 07 erschienener Artikel »Im deutschen Interesse« erfordert für meine Begriffe auf Grund diverser einseitiger Ausführungen einige Berichtigungen.

Ihrer Ansicht nach wirft der inzwischen berühmt gewordene Satz des ehemaligen BRD-Verteidigungsministers Struck »Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt« zwar mancherlei Fragen auf, hätte aber ein unzweifelhaftes Verdienst, da er ausspreche, dass die Bundeswehr in Afghanistan deutsche Interessen verteidige. Angesichts des fortschreitenden brutalen Einschlagens auf das bereits ausgeblutete Land, was dessen schrittweise Zermalmung auslöst, ist man fassungslos, sich mit einer derartigen Aussage konfrontiert zu sehen. Erstens muss jeder, der sich auch nur annähernd mit den Verhältnissen in Afghanistan befasst hat, Strucks Behauptung als nicht nur von einer gnadenlosen Überheblichkeit geprägt, sondern auch als restlos absurd betrachten. Was hätte Deutschland dort zu verteidigen? Genau besehen nichts, es sei denn, man sähe die zitierten deutschen Interessen unter dem Aspekt des Versuchs, sich anteilmässig in den Besitz fremder Ressourcen zu bringen. Der Begriff Verteidigung kann schon gar keine Anwendung finden, da Deutschland überhaupt nicht angegriffen wurde, oder soll bereits auch für die BRD gelten, dass unter den von der USA konzipierten preemptive strikes jede Art von Verdrehung resp. Lüge gestattet ist? In diesem Sinne stelle ich in Abrede, dass, wie Sie schreiben, die inzwischen dort umgekommenen 21 deutschen Soldaten ihr Leben im Dienst für ihr Vaterland, »für uns alle«, verloren hätten. Das, Herr Dr. Nonnenmacher, wird Ihnen niemand abnehmen, denn dieses Leben haben sie in meinen Augen ausschliesslich im Vasallendienst der USA geopfert, also in einem Krieg, gegen den von Anfang an die Mehrheit der EU-Bürger war, der unter den fadenscheinigsten Behauptungen über das Land verhängt wurde und der ein Verbrechen gegen ein fremdes Volk darstellt.
 
Die bis zum Überdruss benutzte Parole: »Terror dort bekämpfen, wo er entsteht«, lautet, wenn Sie ehrlich sein wollen, in Wirklichkeit: »Den Terror dort weiterführen, wo er gesät wurde«. Das verdeutlicht ein zunächst kurzer Blick auf den sogenannten Dschihad. Es war in erster Linie Zbigniew Brzezinski, der Mitbegründer der Trilateralen Kommission und Sicherheitsberater von US-Präsident Carter, der die Mudschaheddin 1979 im Kampf gegen die Sowjetunion aufbaute und ausstatten liess: im Rahmen der CIA-Operation »Zyklon« trainierte und bewaffnete man rund 35 000 islamische Fundamentalisten. »Der [von der USA finanzierte] Dschihad«, schreibt John Cooley in seinem Standardwerk »Unholy Wars: Afghanistan, America and International Terrorism», wurde von der Regierung Thatcher bedingungslos unterstützt. Einen grossen Teil der Koordinationsarbeit in Islamabad leisteten Beamte des britischen Auslandsgeheimdiensts MI6, was den US-Steuerzahler 4 Milliarden $ kostete. Richard Perle, Alexander Haig, ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber, und Caspar Weinberger, Verteidigungsminister unter Ronald Reagan, waren in den achtziger Jahren an der Hochrüstung der afghanischen Mudschaheddin federführend beteiligt. Der Aufbau von Koranschulen und Terrorlagern in Pakistan und Afghanistan wurde von der USA unterstützt, denn die in Intensivkursen produzierten heiligen Krieger, so Zbigniew Brzezinski, sollten den Erzfeind UdSSR zum präventiven Einmarsch locken, um diesem sein »Vietnam« zu bereiten. Neben den von den Saudis einfliessenden Milliarden war eine weitere Finanzierungsquelle das florierende Heroingeschäft. Bei derart »schillernden« Figuren durfte natürlich auch Richard Armitage nicht fehlen, der zwecks Organisation des Dschihads unter Reagan öfters in Pakistan weilte. Das nächste Ziel der USA war dann der Aufbau der Taliban, denen bei der Sicherung der geplanten Transportwege für den Export der riesigen Öl- und Gasvorkommen sowie anderer Bodenschätze aus Zentralasien durch Afghanistan die entscheidende Rolle zufallen sollte. Führende Vertreter wurden nach Texas eingeladen, wo sich George W. Bush - zu jener Zeit Gouverneur - sowie Topmanager des Ölkonzerns UNOCAL [United Oil of California] in Houston höchstpersönlich um sie bemühten. Es ging um nichts anderes als die geopolitischen Interessen der USA; was die Schreckensherrschaft der Taliban für das Land selbst bedeutete, fiel nicht ins Gewicht. Die Rechnung ging bekanntlich nicht auf, denn als die Taliban 1996 in Kabul an die Macht gelangt waren, begannen sie, sich von den USA loszusagen. Damit war ihr Los, in Grund und Boden bombardiert zu werden, besiegelt. Und nicht wahr: Wären die Taliban bereit gewesen, den Wünschen der anglo-amerikanischen Ölmacht gemäss zu handeln, hätten sie auch weiterhin unter deren Schutz gestanden, ungeachtet des fast tödlich repressiven Regimes, das sie vertraten. Heute will es die Ironie der Geschichte, dass das Erdöl Turkmenistans, das ursprünglich durch Afghanistan nach Pakistan geleitet werden sollte, von Turkmenistan am Kaspischen Meer entlang durch Kasachstan nach Russland fliessen wird. Das endgültige Abkommen über die Ausweitung der Förderung und den Transport von Erdöl und Erdgas zwischen den Präsidenten von Russland, Kasachstan und Turkmenistan soll am 1. 9. 2007 unterzeichnet werden. Dies trotz Washingtons noch Anfang Oktober letzten Jahres unternommenen Versuchs, den damaligen turkmenischen Präsidenten Saparmurat Niyazov von der Notwendigkeit einer neuen Gasleitung von Turkmenistan nach Pakistan zu überzeugen.
 
Auf einen einfachen Nenner gebracht: Die USA und ihre Verbündeten sind im Begriff, das, was die USA selbst aufgebaut hat, mit tödlicher Kaltblütigkeit zu vernichten. Heute heisst es auf Seiten der Besatzer mit grösster menschenverachtender Selbstverständlichkeit: Sie müssen verstehen, dass wir hier sind, um die Taliban zu töten, nicht um ihren Schlafmohn umzupflügen. Das wird buchstabengetreu erfüllt, so dass man allein Ende April in nur zwei Tagen 136 Taliban auf einmal tötete, wobei sich jetzt nach dem Einsatz der Tornados die Zahl der dabei umkommenden Zivilisten erschreckend erhöht. Wir finanzieren einen Menschenrechtsrat der UNO, der sich im Moment mit der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe beschäftigt, aber ganz offensichtlich übersieht resp. sich nicht damit befasst, dass inzwischen jedem einzelnen Widerstandskämpfer in Afghanistan das Todesurteil sozusagen aufs Haupt geschrieben ist. Das Wort Gefangennahme ist gestrichen und fünf Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes hat Afghanistan bei der vor allem in Kabul herrschenden Korruption seine Stellung als grösster Opiumproduzent weiter ausgebaut. Am Drogenhandel ist nachweislich auch der Bruder des Präsidenten, Walid Karzai, beteiligt, was für Brüssel natürlich kein Hinderungsgrund ist, Milliarden unserer Steuergelder, wozu auch die Ihrigen zählen, in dieses für den Westen praktisch schon verlorene Land zu pumpen. Wie man sich angesichts der völkerrechtswidrigen Zerstörung Afghanistans als Politiker noch entblöden kann, von politischer Stabilisierung zu reden, zeigt für mich glasklar, dass die Zusammenhänge ganz einfach ignoriert werden.
 
Sie lassen uns ferner folgendes wissen: Ziel des »Afghanistan-Engagements« - eine unglaubliche Verbrämung des hier wirklich zu gebrauchenden Ausdrucks: nämlich der brutalen Besatzung - sei es, Anschläge und andere terroristische Umtriebe »auf Distanz« zu halten. Wie soll das ermöglicht werden, wenn - wie dies aus den Reden der für die Sicherung der EU-Länder zuständigen Verantwortlichen ersichtlich ist - diese offenbar nicht einmal begreifen wollen, dass zur Verzweiflung getriebenen Widerstandskämpfern bei der nackten Übermacht der ihr Land vernichtenden Streitkräfte nur noch die Wahl von Selbstmordanschlägen bleibt? Die für den Widerstand benutzte Terror-Etikettierung zeugt von  blankem Zynismus. Ferner können die von der EU und USA unentwegt ausgestossenen Terrorwarnungen bei dem in meinen Augen den inkarnierten Terror darstellenden Vorgehen ihrer eigenen Regierungen in Afghanistan und im Irak bei jedem aufgeklärten Bürger nur noch ein Hohngelächter hervorrufen. Solange diese Scheuklappen nicht abgelegt werden, bzw. solange diese nicht abgelegt werden dürfen, wird die Furcht vor Anschlägen womöglich unser tägliches Brot bleiben, das uns die Regierenden sozusagen selbst bereiten. Der Terror wird nur unter zwei Voraussetzungen von den Tagesmeldungen zu streichen sein: Entweder wird die von der anglo-amerikanischen Ölmacht betriebene Vernichtungspraxis die beiden angegriffenen Länder in einem Masse ausgelöscht haben, dass die Überlebenden - wie sich das schon jetzt im Irak abzeichnet und was der längst geplanten Dreiteilung des Landes perfekt in die Hände spielt - keine Kräfte mehr zum Widerstand haben, oder es wird der Rückzug der Besatzungsmächte in die Wege geleitet, jedoch ohne dass zuvor noch ein für die Zeit nach dem Abzug dienendes Marionettenregime installiert wird. Einen Mittelweg wird es nicht geben, sonst laufen wir der Gefahr, dass sich die für uns ohne Unterlass heraufbeschworenen Terroranschläge zu einer Hydra entwickeln, die mit immer neuen Arten von Gegenwehr auftauchen wird.  Diversen Autoren resp. Insidern zufolge ist die jetzige Terrorphase im übrigen als Teil einer für uns schon seit langem vorgesehenenen Strategie zu sehen, um uns zur Aufgabe von Bürgerrechten zu zwingen und für die totale Überwachung gefügig zu machen, ein Ziel, das sich immer schlechter verdecken lässt. Die Tatsache, dass fast der gesamte Bundestag dem Einsatz der Tornados, der von mehr als 70 % der Bevölkerung abgelehnt wurde, zugestimmt hat, ist meiner Auffassung nach nicht nur eine Beihilfe zum Mord an den Afghanen, sondern zeugt gleichzeitig auch von einer beispiellosen Verantwortungslosigkeit der eigenen Bevölkerung gegenüber, die mit dieser Zustimmung unter Umständen genau dem ausgesetzt wird, was man uns täglich zu fürchten lehrt: den Terroranschlägen. Damit ist für mich die von Ihnen aufgeworfene Frage, »ob die Strategie, welche das westliche Bündnis in Afghanistan verfolgt, dazu geeignet ist, diesen Zweck - also die Stabilisierung des Landes - zu  erreichen«, beantwortet.
 
Im übrigen, denke ich, wird sich kaum jemand Ihrer Sicht anschliessen, dass den afghanischen Aufständischen und Terroristen das Leiden ihrer Landsleute genauso gleichgültig sei wie das eigene Leben, oder wollen Sie den Widerstandskämpfern etwa absprechen, dass sie versuchen, die Befreiung ihres Landes zu erzielen? Wie Sie darlegen, wird es keinen nachhaltigen Aufbau geben können, wenn die »Zerstörer« nicht militärisch ausgeschaltet werden, worin ich Ihnen völlig recht gebe, nur in einem gänzlich anderen Sinn: Es sind die echten Zerstörer auszuschalten, nämlich die den Krieg führende USA und alle, die daran teilhaben und nicht etwa die Widerstandskämpfer in ihrem eigenen Land, ob in Afghanistan oder im Irak. »Dies ist kein Auftrag, der in überschaubarer Zeit erledigt ist; das ist ein Engagement, das noch Jahre oder gar Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird«, schreiben Sie.  Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein, denn das liefe für meine Begriffe effektiv darauf hinaus, den grössten Teil der Bevölkerung aufzureiben, wie dies im Irak geschieht, wo schon nicht mehr durchschaubar ist, welche Anschläge den Geheimdiensten resp. den Milizen des Marionetteregimes anzulasten sind oder dem Widerstand selbst. Oder wandeln Sie hier auf den Pfaden eines Dick Cheneys, der nicht davor zurückschreckte, am 14. 1. 07  im US-Fernsehsender Fox News in Bezug auf die Bekämpfung des Terrorismus zu verkünden: »Ich denke, wenn Sie sich den Konflikt, um den es hier geht, anschauen, und sich entsinnen, dass der Irak nur Teil eines umfassenderen Krieges ist, ist es tatsächlich ein globaler Krieg, der sich von Pakistan bis nach Nordafrika erstreckt. [….] Es ist jene Art von Konflikt, die unsere Politik und unsere Regierung für die nächsten 20 oder 30 oder 40 Jahre beschäftigen wird.« Noch erschreckender als die Aussage selbst, die meines Erachtens eine nicht zu überbietende menschenverachtende Einstellung kundtut, ist die Tatsache, dass eine derartige Prognose, die ich als restlos abartig betrachte, weder bei den Politikern, noch bei den Konzernen oder den Banken einen Aufschrei zeitigt. Eine Fortsetzung der Kämpfe und der Besatzung - des Engagements, wie Sie dies zu bezeichnen belieben - würde die Steuerzahler der Internationalen Gemeinschaft weiterhin zum Zahlsklaven der USA degradieren. Die Hegemonialmacht bombt nach Belieben und wir schultern die Kosten der Destruktion. Haben Sie das jemals zu Ende gedacht?   
 
In diesem Zusammenhang fragt man sich, wie lange man sich noch erzählen lassen soll, dass praktisch jeder Anschlag auf das Konto von Al Kaida resp. Al Qaida geht. Peter Scholl-Latour bezeichnet das Terrornetzwerk Al Kaida als Mythos. Für Thierry Meyssan stellt Al Qaida ein generischer Begriff dar, mit dem die USA alle möglichen Dinge abdeckt, die untereinander in keiner Beziehung stehen. Es ist lächerlich, schreibt Meyssan, den Angriff auf das Pentagon und die Bombenexplosion in einem Nachtclub auf Bali den gleichen Individuen zuzuschreiben; desgleichen sei die Theorie eines weltweiten islamischen Komplotts eine nicht nachprüfbare Hypothese von Regierungssprechern und Sensationsmedien. Man muss, so Meyssan, zwangsweise konstatieren, dass bis heute keine offizielle Untersuchung eine organisatorische Verbindung zwischen dem 11. September, den Anschlägen in Bali am 12. 10. 02, in Casablanca am 16. 5. 03, in Madrid am 11. 3. 04 oder in London am 7. 7. 04 ergeben hat. Es existiert kein konkretes Element, das erlauben würde, zu behaupten, dass es ein islamistisches Netzwerk gäbe, das eine weltweite terroristische Aktivität ausübt. Selbst für den türkischen Geheimdienst gibt es keine als Al Qaida zu bezeichnende Organisation, was zu offen angestellten Betrachtungen führte, lt. denen Al Qaida eher der Name einer verdeckten US-Operation ist. »Das Konzept des Bekämpfens des Terrors bilde den Hintergrund einer in einer monopolaren Weltordnung geführten Kriegsführung niedriger Intensität.« Es sei interessant, so Kurt Nimmo, dass der türkische Geheimdienst zugebe, dass der Krieg gegen den Terrorismus der Neokonservativen ein vollständig künstliches Konstrukt sei. Ursprünglich, so Mathias Bröckers, bezeichnete man mit dem Begriff Al Qaida nichts weiter als die Dokumentation, die Bin Laden in dem Mitte der achtziger Jahre im pakistanischen  Peshawar eröffneten Rekrutierungsbüro über die dort eintreffenden Araber, die am Afghanistankrieg teilnehmen wollten, anlegen liess. Bei der Komplizität der Tagespresse kann dieser Begriff inzwischen problemlos auf alles Anwendung finden, was man mit dem Terroretikett belegen und verfolgen will. Gleich wo heute ein Anschlag passiert, Al Kaida geistert pflichtgemäss durch die Spalten. Das logistische Netzwerk, das diese Organisation besitzen müsste, um die ihr angelasteten Anschläge zu vollziehen, müsste geradezu gigantisch und die Kapazitäten überirdisch sein. Und was Bin Laden betrifft, so legte die indische Schriftstellerin Arundhati Roy in Ihrer Zeitung folgendes dar: »Wenn es Osama Bin Laden nicht gäbe, müssten ihn die Amerikaner erfinden. (...) Er ist der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten.« Abschliessend sei nochmals Mathias Bröckers zitiert: »Über alle Maßen wahrscheinlich ist eben dieses: Al Qaida war und ist unterwandert von Doppelagenten, Al Qaida war und ist ein Werkzeug der inoffiziellen US-Aussenpolitik, Al Qaida wurde und wird aus saudischen Quellen gespeist.«
 
Schon fordert Bush mehr Verantwortung von uns in Afghanistan: Die NATO-Verbündeten müssten einen grösseren Anteil an der Belastung und am Risiko tragen. Mit anderen Worten: Washington inszeniert den Krieg und die NATO hat einsatzbereit zu sein. Wer sollte noch überrascht sein, dass Jaap de Hoop Scheffer pflichteifrig bekräftigte, Afghanistan sei noch immer einer der wichtigsten Fronten im Kampf gegen den Terrorismus? Was soll man auch sonst von ihm erwarten? Wohin man auch schaut: der eigene Terror, das anhaltende Blutvergiessen, also der Auslöser des derzeitigen Infernos in Afghanistan und im Irak, ist keiner Erwähnung wert. Was sich Washington an Aussagen sozusagen ungestraft erlauben kann, hat kaum Parallelen: Bei der Verabschiedung von Rumsfeld Mitte Dezember letzten Jahres bezeichnete Bush den Krieg gegen die Taliban in Afghanistan 2001 als »einen der [ich füge ein: lange im voraus geplanten und wohl daher] innovativsten Militärfeldzüge in der Geschichte der modernen Kriegsführung.« Sie werden derartige Aussagen kaum je angeprangert sehen, was darauf hindeutet, von wem wir regiert werden.
 
Es gilt, wie Sie darlegen, von der Illusion Abschied zu nehmen, dass Afghanistan auf absehbare Zeit so etwas Ähnliches wie ein Verfassungsstaat nach westlichem Muster werden könnte. Betrachtet man die Verfassung der EU näher, so ist es auch gar nicht erstrebenswert, dass Afghanistan sich an dieses Muster anlehnen sollte. Letztlich hat Brüssel die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gesetzgebung bereits weitgehend entmachtet, auf die geplante Militarisierung des Weltraums, die jedermann, der sich noch ein Quentchen Durchsicht bewahrt hat, zutiefst  widerstreben muss, hat der Bürger nicht den geringsten Einfluss - auch wenn die EU-Feiern unter dem Motto »gemeinsam« liefen - und es lässt sich ferner kaum in Abrede stellen, dass die wachsende EU-Rüstungsindustrie das weltweite Auflodern von Krisen geradezu fördert. Daneben wird diese EU von vielen bereits als Diktatur betrachtet. Insofern stimme ich wenigstens hier völlig mit Ihnen überein, wenn Sie sagen: »Wie sich diese in Stämme und Ethnien zerfallene Gesellschaft dereinst regieren will, kann und sollte nicht Gegenstand ausländischer Vorgaben sein.«
 
Sie schliessen Ihren Artikel mit folgenden Worten: »Eine Befriedung Afghanistans - selbst in dem eingeschränkten Sinn, dass von dort keine Terrorgefahr mehr ausgeht - wird es ohne grundlegende Veränderungen im Nachbarland Pakistan nicht geben. Von dort bekommen die Taliban ihren Nachschub, dort ist eine Brutstätte des islamistischen Extremismus. Doch das ist ein neues Kapitel, und auch da ist guter Rat teuer.« Wozu lediglich noch anzumerken wäre, dass sich in Pakistan selbst wenig ändern wird, solange es seiner Rolle als enger, über Jahre hinweg vom IWF vor dem Bankrott bewahrter Verbündeter der USA nicht entkommen kann. Bei den sich daraus für die Bevölkerung ergebenden Nachteilen entsteht Extremismus, gleich welcher Natur, sozusagen zwangsweise. Von daher gesehen wäre es geradezu naiv, nicht damit zu rechnen, dass die gegen die Besatzungsmacht kämpfenden Taliban von dort auch weiterhin Nachschub erhalten. Sonst könnten sie genauso gut dazu übergehen, sich reihenweise widerstandslos erschiessen zu lassen.  
 
Mit freundlichen Grüssen
Doris Auerbach, Bettingen, den 2. Juni 2007