Zum Thema Terror:

Terrorfahndung auf Bestellung: Warum gerade jetzt? Gastkommentar von Andreas Hauß 1 Es gab Zeiten, da brüsteten sich Terroristen ihrer Taten. In ihren Communiqués erklärte die RAF, was sie wollte. Das wurde zwar selten klar, aber man hatte das Gefühl von Originalität. Anders heute: Da erläutert der Verteidigungsminister als erster, was die Terroristen wollten (Flughäfen zerbomben: aber Jung ließ offen, wann, warum, wie und welche). Dann meldeten sich die anderen, die zuvor ihren Einsatz verpaßt hatten. Schäubles Zurückhaltung war das Auffallendste. War es, weil ihm niemand mehr glaubt, Jung aber noch Reputation hat? Der Zeitpunkt war jedenfalls gut gewählt: passend zu den Jahrestagen des 11. Septembers und der Schleyer-Entführung sowie zur baldigen Abstimmung über noch mehr Afghanistan-Abenteuer. Und sanft eingebettet in die Debatte, ob die USA in Pakistan bomben sollten.

Die Londoner Attentate im Jahre 2005 drehten das Thema des gleichzeitig stattfindenden G-8-Gipfels in Gleneagles von Afrika-Entschuldung auf Antiterrorkampf. Die Festnahme der libanesischen angeblichen Kofferbomber paßte haargenau zur Debatte um den Libanon-Einsatz. Und die Madrider Bomben explodierten punktgenau im spanischen Wahlkampf. Gestern kamen nicht nur die behaupteten »Verbindungen nach Pakistan« wie gerufen für die Entwicklung der bundesdeutschen Regierungspolitik, sondern auch Zeitpunkt und Begründung der Festnahmen. Einerseits wurden die Herren Terroristen seit Monaten beobachtet - andererseits kam erst am Mittwoch der »Zugriff«. Einerseits waren weder Ort noch Zeit der angeblich geplanten Anschläge klar, die Bomben auch noch gar nicht gebaut (Spiegel online) - andererseits (CSU-MdB Hans-Peter Uhl) waren es nur noch »Stunden« vor dem Horroranschlag. Einerseits sei man so »nah dran« gewesen (Generalbundesanwältin Monika Harms), daß man durch Verwanzung von Wohnungen und Telefonen genau gewußt habe, was geplant sei. Andererseits (wieder Harms) war man dabei so supervorsichtig, die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen, indem man das angeblich dem Bombenbau dienliche Wasserstoffperoxid durch eine dreiprozentige - und somit harmlose - Lösung habe ersetzen können.

Warum dann ausgerechnet jetzt die Festnahmen? Den Befehl zum Losschlagen gab nicht Kommissar Zufall, sondern jemand, der sich von genau diesem Termin etwas versprach. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Vielstimmigkeit des Geplappers derer, die sich den »Erfolg« an die Brust heften wollen. Vor Gericht wird demnächst auch zu klären sein, welche Rolle ein verdeckter Ermittler spielen kann, der Grundstoffe zum Bombenbau sowohl beschafft als auch auswechselt. Ist es nicht ein Agent provocateur, der den einzigen handfesten Beweis für eine Straftat beliebig auf- und abbaut? Ein Staatsdiener, der die Gruppe erst zu dem macht, was ihr vorgeworfen wird? 

Höchst aufschlussreich sind auch die zum gleichen Thema dargelegten Ausführungen von Frank Brendle 2:

Wie ernst es den drei verhafteten »Terrorverdächtigen« tatsächlich gewesen ist, weiß im Moment niemand. Es spielt auch keine Rolle, denn spätestens mit ihrer Festnahme fängt nun der nächste Akt des Schauspiels an: Für den heutigen Freitag [7.9.07] hat Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Länderkollegen zu einer Sondersitzung zusammengetrommelt. Beschlüsse sind von der Innenministerkonferenz kaum zu erwarten, ihr Zweck ist es vielmehr, den Scharfmachern vor allem aus CDU und CSU ein Forum zu bieten. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) führt sich auf wie ein von der Leine gerissener Kampfhund und sieht seine Stunde gekommen, die Grundrechte endlich in den Orkus zu spülen, und zwar in des christlichen Gottes Namen. Übertritte zur Konkurrenzreligion Islam will er künftig meldepflichtig machen und die Konvertiten überwachen lassen. Religionsfreiheit und die Freiheit, seinen Glauben für sich zu behalten - egal. Online-Durchsuchungen, jetzt erst recht, fordert Beckstein, schließlich hätten die Festgenommenen »das Internet genutzt«. Daß er Internetüberwachung (Surf-Verhalten) und Online-Durchsuchung (Festplatten!) durcheinanderbringt und damit nur seine Ahnungslosigkeit beweist, ist egal. Hauptsache, es wird Alarm geschlagen. In dieser Inszenierung wirken auch Sozialdemokraten mit. So will Berlins SPD-Innensenator Ehrhart Körting »nüchtern überlegen und abwägen«, ist aber - selbstverständlich - »grundsätzlich offen« für Gesetzesverschärfungen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) reagiert »skeptisch« und mahnt, es müsse alles seinen verfassungsmäßigen Gang gehen, aber - selbstverständlich - »prüfe« sie die vorgeschlagenen Gesetzesverschärfungen. Was da seit Tagen gegeben wird und weswegen die IMK-Sitzung heute stattfindet, ist das alte Spiel vom guten Bullen und dem bösen Bullen. Es funktioniert immer noch. Der Aufenthalt in einem »Terror-Ausbildungslager« soll künftig bestraft werden, da herrscht schon so gut wie Konsens. Wer definiert, was solche Lager ausmacht? Was unterscheidet sie von den Ausbildungscamps von Bundeswehr und US-Armee? Daß in letzteren nicht mit Wasserstoffperoxid, sondern mit Panzern und Granaten trainiert wird? Wer stellt demokratiefeindliche, islamistische Bekundungen in Zusammenhang mit völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, die bei der Nato mittlerweile gang und gäbe sind und gegen die niemals ein Staatsanwalt ermittelt? Widerstand ist da allenfalls noch von den Bürgern zu erwarten, die sich nicht in Köpfe, Wohnungen und Computer schauen lassen wollen. Steter Tropfen, so das Kalkül der Schäuble & Co., soll den Stein höhlen. Deswegen wird seit Jahr und Tag in Terrorhysterie gemacht. Sich den Kopf nicht irremachen zu lassen und die Grundrechte gegen die Extremisten der großen Koalition zu verteidigen, ist Aufgabe der Linken. 

1Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/09-06/061.php

Andreas Hauß ist Buchautor und betreibt die website http://www.mai2.eu/

www. medienanalyse-international.de: Hervorhebungen durch politonline

2 Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/09-07/045.php 9.7.07 Guter und böser Bulle

Terrorhysterie mit verteilten Rollen - Von Frank Brendle