Brief an Aussenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier 30.09.2007 19:11
Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,
die mittelfristige Finanzplanung sieht angeblich bis 2010 eine Steigerung der »Verteidigungs«-Ausgaben auf rund 29,5 Milliarden Euro vor. Die Kosten für die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes bezifferte die Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2006 auf rund 460 Millionen Euro. Für den »Tornado-Einsatz« wurden 35 Millionen Euro veranschlagt. Die Experten - auch bei der Bundeswehr - sind sich inzwischen einig: Weit über 50 Millionen Euro seien wesentlich wahrscheinlicher. Der Sprit macht den Tornado-Einsatz teurer als geplant. Das Kerosin muss in Tanklastzügen über eine 2.500 Kilometer lange Strecke aus Karatschi in Pakistan herangeschafft werden; mit allen Sicherheitsrisiken (Quelle: www.tagesschau.de).
»Wir haben einiges erreicht« sollen Sie mit Blick auf den Wiederaufbau des Landes seit dem
Sturz der Taliban gesagt haben (Quelle: AFP vom 29.9.2007). Sehr geehrter Herr
Steinmeier: Wenn Sie in einem zielorienterten
Unternehmen arbeiten müssten und angesichts obengenannter Ausgaben und
der Bilanz von 21 getöteten Bundeswehr-Soldaten anlässlich einer
Leistungsbeurteilung den Satz loslassen würden »wir haben einiges erreicht», würden Sie mitsamt dem Team (in diesem Falle Frau Merkel
und Herr Jung) sofort rausfliegen.
Der Verteidigungsminister sowie die Kanzlerin besitzen wenigstens
noch die Frechheit und präsentieren dem Volk, welches das alles finanziert, so
ungeheuerliche Lügen wie: »80
Prozent der afghanischen Bevölkerung bekommen wieder eine medizinische
Grundversorgung. Fünfmal so viele Schüler wie vor sechs Jahren gingen in die
Schule, darunter viele Mädchen. Das Einkommen der Afghanen hat sich verdoppelt,
die Infrastruktur verbessert (Angela Merkel in ihrer am 15. 9.2007 veröffentlichten
Video-Botschaft). Sie setzte noch eins drauf: bei der Verlängerung des Afghanistan-Mandats
„gehe es nicht nur um das Wohl der afghanischen Bevölkerung, sondern es gehe
auch um die Sicherheit in Deutschland.« Verstehe das, wer will.
Sandra
Petersmann, »Deutsche Welle« aus Kabul berichtet in einer Reportage aus
einem afghanischen Flüchtlingslager »Wir essen Staub«
(Quelle: www.tagesschau.de).
In der Financial Times
Deutschland ist hierzu am 21.9.2007
lesen: »Indessen zog die
afghanische Frauenrechtlerin und Abgeordnete im afghanischen Parlament, Malalai
Joya, eine vernichtende Bilanz des Einsatzes der internationalen Truppen in
ihrem Land seit dem Sturz des Taliban-Regimes. „Ihr Land sei in einer
katastrophalen Lage, dass ein Abzug der ausländischen Soldaten einen
Bürgerkrieg zwischen Taliban und Nord-Allianz - die Fortsetzung der
Militäreinsätze jedoch eine weitere Gewaltspirale und die Unterdrückung der
Bevölkerung bedeuten würde.«
Sie, Herr Steinmeier, haben jetzt die Schwierigkeit, sich eine der beiden
Möglichkeiten auszusuchen.
In Afghanistan
selbst wird Hilfe von den Besatzungstruppen nicht mehr erwartet. Bereits im Mai
hat ein in London ansässiger Thinktank („The Senlis Council“) die Ergebnisse
einer Umfrage publiziert, die das Scheitern der westlichen Besatzungspolitik
offenbaren würden, wäre es jemals darum gegangen, die Lebenssituation der Bevölkerung
zu verbessern (Senlis Afghanistan: On a Knife Edge. Rapid Assessment
FIeld Survey Southern and Eastern Afghanistan,
London/Kabul/Ottawa/Paris/Brüssel, März 2007). Die Umfrage basiert auf Gesprächen mit rund 17.000 Afghanen
in zufällig ausgewählten Distrikten im Süden und Osten Afghanistans. »Die Umfrage zeigt, wie schnell sich die
Lage in diesen Gebieten verschlechtert«, schreiben die Autoren. Demnach ist die Quote derjenigen, die
zugaben, die Taliban zu unterstützen, schon im März auf einen Wert von 26,8
Prozent gestiegen. Mehr als 80 Prozent hatten Schwierigkeiten, sich und ihre
Familien zu ernähren. »Die
überwiegende Mehrheit der afghanischen Bevölkerung«, heißt es in der Studie, »spürt als Ergebnis der internationalen
Präsenz im Lande keine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, weder bei der
Sicherheit noch in humanitärer Perspektive. Stattdessen hat sich die Situation
ständig verschlechtert. Eine alarmierende Anzahl von Menschen lebt heute in
extremer Armut und hat nichts zu essen.« (Quelle: www.german-foreign-policy.com/de).
Und für zahlreiche Menschen ist das auch egal: ihr Schicksal ist
längst entschieden. Als Bush junior sagte: »Wir werden sie ausräuchern«, machte er
sein Versprechen wahr, indem er das Leben für die Ungeborenen zu einer
unerreichbaren und für die Lebenden zu einer nicht auszuhaltenden Realität
machte und so das afghanische Volk und seine zukünftigen Generationen zu einem
vorbestimmten Tod verurteilte. »Nachdem die Amerikaner unser Dorf zerstört
und viele von uns getötet haben, haben wir auch unsere Häuser verloren und
nichts zu essen. Dennoch hätten wir die Qualen ertragen und uns sogar damit
abgefunden, wenn die Amerikaner uns nicht alle zum Tode verurteilt hätten. Als
ich meinen entstellten Enkel sah, begriff ich, dass meine Hoffnungen für die
Zukunft für immer verschwunden sind, anders als die Hoffnungslosigkeit unter
der russischen Barbarei, obwohl ich damals meinen ältesten Sohn Shafigullah
verlor. Diesmal aber weiß ich, dass wir Teil des unsichtbaren Genozids sind,
den Amerika über uns gebracht hat, eines stillen Todes, von dem ich weiß, dass
wir ihm nicht entkommen werden.« (Jooma Khan aus der Laghman-Provinz, März
2003). Und: »Ich erkannte diesen langsamen«, aber sicheren Tod, als ich
Blut in meinem Urin sah und sich starke Schmerzen in meinen Nieren entwickelten,
zusammen mit Atembeschwerden, die ich nie vorher gehabt hatte. Viele meiner
Familienmitglieder klagten über Verwirrtheit, und schwangere Frauen erlitten
Fehlgeburten, während andere behinderte Babys gebaren.« (Akbar Khan aus der
Provinz Paktika, Februar 2003). So beginnt eine Studie von Dr. Mohammed Daud
Miraki unter dem Titel »Amerikas Massenvernichtungswaffen und der
stille Genozid an den Afghanen.« Er berichtet von tödlichen Uranoxid-Partikeln, ein Staub, der
sich über das Land legt, wenn die Amerikaner ihre Bomben mit abgereicherten
Uran abwerfen.
So sieht die Leistungsbilanz Ihrer Schwarz-Roten Regierung aus,
Herr Steinmeier. Sie haben tatsächlich einiges erreicht!
Ich gratuliere zum Erfolg,
Ihr
Dietrich Hyprath
Apartado
46 07830
Sant Josep Ibiza
(Spanien) 24. September 2007 E-Mail: hyprath@terra.es
Kopie: Dr. Angela Merkel
Dr.
Franz Josef Jung
General
Wolfgang Schneiderhan
Generalmajor
Karlheinz Viereck
Oberst
Bernhard Gertz
SPD-Parteivorstand
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