Drohungen

politonline d.a. Diese sind auf der Ebene der Politik praktisch zu einem täglichen Bestandteil geworden. So konnte sich Frankreichs Aussenminister Bernard Kouchner (Bild) nicht zurückhalten, die Iren eindringlich davor zu warnen, gegen den neuen EU-Vertrag zu stimmen. Irland habe mehr als andere Länder von der Europäischen Union profitiert, sagte Kouchner. »Es wäre sehr, sehr peinlich, wenn wir uns nicht auf die Iren verlassen könnten, die sich ihrerseits sehr auf Europa verlassen haben.« Eine Ablehnung würde den Worten Kouchners gemäss in ganz Europa auf »gigantisches Unverständnis« stossen.

Hier dürfte er einem ebenso gigantischen Irrtum erliegen, was die Proteste gegen das Vertragswerk von Bürgerrechtsbewegungen beweisen, bedeutet dieser doch einen noch gewaltigeren weiteren Schritt in Richtung einer supranationalen Diktatur, als es das  Monstrum  Maastrichter Vertrag und Stabilitätspakt bereits gewesen ist. Nun hat Irland den Lissabon-Vertrag am 13. Juni klar abgelehnt, was alle Gegner in Europa mit grosser Erleichterung aufgenommen haben dürften, auch wenn die EU-Kommission bereits beschlossen hat, dass der EU-Reformvertrag am 1. Januar 2009 auch dann in Kraft treten wird, wenn einzelne EU-Mitgliedstaaten diesen in Volksabstimmungen ablehnen sollten. Damit verrät sie wieder einmal ihre Auffassung von Demokratie. Nicht umsonst las man am 29. 3. 08 anlässlich einer Grossdemonstration in Österreich auf einer Spruchtafel: »Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur erwachen«. »Mit diesem Reformvertrag wird eine verbindliche Verfassung für über 500 Millionen Menschen geschaffen, die allerdings nicht demokratisch legitimiert ist. [...] Der Europäische Rat wird durch das vereinfachte Änderungsverfahren dazu ermächtigt - ermächtigt! - fast das gesamte bestehende Unionsrecht zu ändern [...] Eine Zustimmung des Europäischen Parlaments ist dabei nicht mehr notwendig«.So der aus der CDU ausgetretene deutsche Abgeordnete Henry Nitzsche, offenbar einer der ganz wenigen, die den Vertrag genau gelesen haben 1. Am bedrohlichsten dürfte der Fakt sein, dass die EU, ohne ein Parlament zu befragen, einen Krieg beginnen kann, denn über Militäreinsätze wird in Zukunft allein der Ministerrat zu entscheiden haben. In Anbetracht der fortschreitenden Militarisierung der EU und der Absicht, die Armee zur Sicherung von Ressourcen einzusetzen, mehr als erschreckend.
 
Wie Interinfo Linz 2 mitteilt, steht der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der EG-Verordnung zur Informationsfreiheit, der den Zugang zu Dokumenten der Union weiter einschränken würde, derzeit in der Kritik. Wie die gegenüber der EU kritisch eingestellte britische Bürgerrechtsbewegung Statewatch am 28. 4. 08 mitteilte, hat die EU-Kommission am 18. April 08 einen Vorschlag zur Änderung der EG-Verordnung 1049/2001 vorgelegt. In dieser Verordnung wird der Zugang von Bürgern, Institutionen und der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU geregelt. Die EU-Kommission reagierte damit auf die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs und die Empfehlungen des EU-Parlaments aus dem Jahr 2006, indem die Kommission  zwar den Vorschlägen uneingeschränkt zustimmte, tatsächlich aber gleichzeitig empfahl, den Zugriff auf die Dokumente weiter einzuschränken. So können sich nun die EU-Institutionen auch weiterhin auf die üblichen Klauseln berufen, wenn sie ein Dokument nicht herausgeben wollen. Sobald etwa internationale Beziehungen, die öffentliche Sicherheit oder Fragen der Verteidigung oder des Militärs betroffen sind, sollen Dokumente unter Verschluss bleiben können. Ausserdem, so Statewatch, könne eine EU-Institution schlicht selbst bestimmen, was sie als ›Dokument‹ betrachte und was nicht. Papiere etwa, die nicht offiziell als Dokumente im Sinne der Verordnung deklariert wurden, können weiterhin unter Verschluss gehalten werden. Auch die Rechte der Mitgliedstaaten und der Drittstaaten, etwa der USA, gegen die Veröffentlichung von EU-Dokumenten ein Veto einlegen zu dürfen, bleiben in dem Kommissionsentwurf erhalten, schreibt Statewatch. Was Deutschland betrifft, so will der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler mit einer Verfassungsklage das Inkrafttreten des EU-Reformwerks verhindern. Bei diesem Vorhaben wird er offensichtlich von seinen Mitabgeordneten kläglich im Stich gelassen.
 
Was die gegen den Iran ohne Unterlass ausgestossenen Drohungen betrifft, so schreibt Uwe H. Sattler 3 sehr treffend, dass Bush den Europäern beim Gipfeltreffen der USA und der EU in Brdo seine politische Linie diktiert habe, nämlich »Drohgebärden gegenüber dem Iran, Verschärfung der Einreisebestimmungen in die Vereinigten Staaten, Marktöffnung der Europäer, keinerlei Festlegungen beim Klimaschutz. Besonders makaber dabei ist, dass selbst ein zumindest symbolisches Aufbegehren der EU angesichts der ablaufenden Amtszeit von Bush wohl keinerlei negative Folgen für die transatlantischen Beziehungen gehabt hätte.« Von daher gesehen hätte der Titel seines Artikels nicht treffender ausfallen können, nämlich Brüssel übt den Kotau. »Tatsächlich«, schreibt Sattler weiter, »regte sich bei Barroso, dem EU-Kommissionspräsidenten, beim Aussenbeauftragten Javier Solana und beim amtierenden Ratspräsidenten, dem slowenischen Premier Janez Jansa, keinerlei Widerstand, als US-Präsident George Bush die unbedingte Gefolgschaft der Europäer einforderte. Artig bestätigte die EU die Gipfelerklärung, in welcher dem Iran wegen des von Washington vermuteten Atomwaffenprogramms Strafmaßnahmen angekündigt werden. US-Medien haben bereits über militärische Präventivschläge spekuliert. In den Beziehungen zu Washington scheint es Brüssel und den EU-Regierungen die Sprache verschlagen zu haben. Nicht unerwähnt soll die Frage des Türkei-Beitritts bleiben. Bush sprach nicht etwa von einem Wunsch Washingtons, dieser eine rasche Aufnahme in die EU zu gewähren, nein, er stellte explizit die Forderung nach einer schnellen Aufnahme der Türkei in die EU, was noch verbleibende Zweifel ausräumen sollte, wer die Geschicke der Europäer in vielen Bereichen in Wirklichkeit bestimmt.
 
Kriegsprofite
Wie Rainer Rupp in dem nachfolgenden Artikel darlegt, wird Bush offenbar insbesondere auch von der Rüstungsindustrie zu einem Schlag gegen den Iran angetrieben. In diesem Zusammenhang ist es durchaus interessant, einen Blick auf diejenigen zu werfen, die mit dieser »verfilzt« sind. Wie Ralph Forbes schreibt 4 erzielen 151 Kongressabgeordnete einen finanziellen Profit aus dem Krieg. Mehr als ein Viertel der Senatoren und Abgeordneten des Kongresses haben mindestens 196 Millionen US-$ ihres Vermögens in Firmen investiert, die mit dem Verteidigungsministerium Geschäfte tätigen, also von Tod und Zerstörung im Irak profitieren. Mitglieder der Sektoren Aussenbeziehungen des Senats sowie des Komitees für bewaffnete Dienste, denen die Überwachung des Irakkriegs obliegt, werden Investitionen zwischen 32 und 44 Millionen $ in die genannten Firmen zugeschrieben. Der Kriegsfalke Joe Lieberman hatte 2006 mindestens 51.000 $ in diese investiert. Hillary Clinton, die für Bushs Krieg gestimmt hatte, besass Aktien von Firmen wie Honeywell, Boeing and Raytheon, die Kontrakte mit dem Verteidigungsministerium haben, verkaufte diese allerdings im Mai 2007. Kein einziger dieser 151 Abgeordneten, deren Investitionen an die Verteidigung (d.h. an den Krieg) gebunden sind, fährt Forbes fort, hat unseres Wissens nach bis jetzt das Angebot unterbreitet, seine blutbefleckten Profite dem Finanzamt zukommen zu lassen, um die durch den Krieg entstandene furchtbare Verschuldung auszugleichen. Hat etwa einer von ihnen, fragt Forbes, angeboten, auch nur einen cent seiner Kriegsprofite zu opfern, um diese Schuld, die sich täglich um mehr als 1 Million $ vergrössert, zu verringern? Hingegen sind die verwundeten US-Soldaten gezwungen, jegliche Zahlungen, die ihnen während der Zeit ihrer Hospitalisierung zugehen, zurückzuerstatten. Sie müssen sogar die Kosten für die Helme und Uniformen tragen, die in dieser Kriegshölle zerstört werden. »Trotzdem fahren sie damit fort, für das Recht dieser Politiker zu kämpfen, damit diese ihre Kriegsprofite behalten können.« Den Schätzungen Joseph Stieglitz’ zufolge belaufen sich die tatsächlichen Kosten der Kriege »gegen den Terror« im Irak und in Afghanistan auf 3.000 Milliarden US-$, eine im Prinzip nicht mehr vorstellbare Zahl. Der Gedanke, dass sich hier eine Wandlung anbahnen und die fortlaufende Erhöhung der Militäretats zahlreicher Länder auf  Widerstand stossen könnte, scheint bar jeglicher Hoffnung. Schliesslich war 2007 für die Kriegsindustrie wiederum ein goldenes Jahr: Der Anstieg der Militärausgaben hat sich weltweit fortgesetzt und mit offiziell 851 Milliarden € (1,34 Billionen $) einen historischen Höchststand erreicht. Damit hat das Waffengeschäft in den letzten zehn Jahren um fast die Hälfte zugenommen. Das bedeutet gleichzeitig ein weiterer tiefer Griff in unsere Steuerkassen, da auf Grund der durch eben diese Waffen erzeugten Krisen und Kriege immer mehr Entwicklungs- resp. Aufbauhilfe erforderlich wird. Kaum einer unserer Parlamentariern scheint gewillt zu sein, zu erfassen, was dieser Leerlauf bedeutet. Bei den Debatten über die Höhe der Milliardenzuschüsse für die beiden genannten Sektoren wird zu keinem Zeitpunkt die Verbindung zwischen diesen sich gegenseitig hochschaukelnden Faktoren gemacht.

Inzwischen erging von Seiten des israelischen Vizeregierungschefs Schaul Mofas eine neue  Drohung an den Iran. »Wenn der Iran sein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen fortsetzt, werden wir angreifen«. Nun lassen sich die Behauptungen, der Iran verfolge das Ziel eines Baus von Atomwaffen in dieselbe Kategorie wie die massiven Lügen einreihen, die den Irakkrieg erst ermöglichten. Als ob es dieser Globus noch verkraften könnte, ein weiteres Land der Vernichtung und der Verwüstung preiszugeben.
 
»Mit allen Mitteln«
Verstärkte Warnungen vor US-Krieg gegen Iran. Die New York Times berichtet von Angriffsplänen der Bush-Administration im August 2008 - Von Rainer Rupp
 
»Das am schlechtesten gehütete Geheimnis in Washington ist die Tatsache, daß Bush und sein Vizepräsident Dick Cheney nach einem Vorwand suchen, um Bomben- und Raketenangriffe gegen den Iran anzuordnen«. Das schrieb am 2. 6. 08 der langjährige hochrangige CIA-Mitarbeiter Ray McGovern, der vor dem Hintergrund von Bushs Irak-Kriegslügen gemeinsam mit einer Gruppe ehemaliger Kollegen zu einem der schärfsten Kritiker der Kriegstreiber im Weißen Haus geworden ist. Unter Berufung auf Insider berichtete die New York Times letzte Woche, daß die Bush-Administration für August einen Angriff gegen den Iran plant. Hierzu habe es von der Regierung bereits ein Einweisung für die führenden Mitglieder des Geheimdienstausschusses des US-Senats gegeben. Widerstand gegen die Kriegspläne sei laut New York Times nur von den beiden Senatoren Dianne Feinstein (Demokraten) und Richard Lugar (Republikaner) gekommen. Die Sprecher der beiden Senatoren haben aber inzwischen den Bericht dementiert. Dennoch halten sich die Gerüchte und Befürchtungen, daß ein neuer Krieg unmittelbar bevorsteht, hartnäckig weiter Maßgeblich trägt dazu die Tatsache bei, daß Bush nach dem Irakkrieg öffentlich versprochen hat, das Iran-Problem vor Ende seiner Amtszeit zu »lösen«, und zwar »mit allen Mitteln«, friedlich oder anders. Dies sehe Bush, so der politische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh, als seine »gottgegebene Aufgabe« an.  
 
Riß durch die Parteien
Da nach ihm kein US-Präsident das Wagnis eingehen würde, den Iran anzugreifen, wird Bush insbesondere von der Rüstungsindustrie, von neokonservativen Strategen, von der eng mit der Bush-Regierung liierten israelischen Regierung, von der Stammwählerschaft der Bush-Regierung: den evangelikalen Fundamentalisten und von den großen erzkonservativen Medien angetrieben. Diesbezüglich geht jedoch ein Riß sowohl durch Bushs republikanische als auch durch die oppositionelle demokratische Partei. In letzterer hatte der zionistische ehemalige demokratische Senator Joseph Lieberman im vergangenen Herbst mit einer parlamentarischen Initiative den Weg freigemacht, um wegen eventueller »terroristischer« Aktivitäten militärisch gegen die iranische Regierung vorzugehen.
 
Fakten schaffen
Die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hatte sich dem mit Blick auf die jüdisch-amerikanische Wahlkampfunterstützung enthusiastisch angeschlossen und gedroht: »Wir werden den Iran auslöschen«. Andererseits hat der einflußreiche demokratische Senator Joseph Biden Bush gewarnt, daß ein Krieg gegen den Iran ohne Zustimmung des Kongresses ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) nach sich führen werde. Seit drei Jahren wird von verschiedenen Seiten immer wieder von einem unmittelbar drohenden Krieg gegen den Iran gewarnt. In Reaktion darauf verschärft die Bush-Administration regelmäßig ihre Anti-Iran-Rhetorik. So behauptete ein Mitarbeiter der israelischen Regierung während Bushs jüngstem Besuch in Israel, daß ein hochrangiges Mitglied aus seiner Begleitung von einem Angriff auf den Iran vor Ende der Amtsperiode berichtet habe. Ein solcher Angriffsplan wurde inzwischen vom Weißen Haus dementiert. Derweil warnen prominente US-Politiker wie Zbigniew Brzezinski * erneut vor einem bevorstehenden, von der USA nach dem Vorbild des »Golf von Tonking« inszenierten Ereignisses, um einen Angriffskrieg gegen den Iran zu rechtfertigen. Beobachter der Washingtoner Politik nehmen an, daß durch die Initiierung eines Irankriegs militärische Fakten geschaffen werden sollen, die auch den Nachfolger Bushs, egal wer es wird, auf die Fortführung der bisherigen Kriegspolitik festlegen. Gestoppt werden könnte der Krieg jedoch noch durch eine Welle des öffentlichen Protestes.
 
1 http://spatzseite.de/ 4. 5. 08
2 Interinfo Linz, Folge 353 Mai 2008
3 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28107/1.html 11. 06. 2008 Brüssel übt den Kotau Von Uwe H. Sattler  
4 http://www.americanfreepress.net/html/151_congressmen_derive_financi.html
18, May 5, 2008 - 151 Congressmen Derive Financial Profit From War -  Blood money stains the hands of more than 25% of members of the U.S. House and Senate - By Ralph Forbes
Rainer Rupp, »Mit allen Mitteln« - Verstärkte Warnungen vor US-Krieg gegen Iran. New York Times berichtet von Angriffsplänen der Bush-Administration im August 2008
http://www.jungewelt.de/2008/06-03/013.php 3. 6. 08
* Was die eigentlichen Vorstellungen Brzezinskis betrifft, so sind diese in Die US-Wahlen und mögliche Folgen - Interview mit Webster G. Tarpley, festgehalten. Letzterer meint, Brzezinski möchte den Iran benutzen, um ihn gegen Russland einzusetzen.