Gedanken zum »Brexit« 05.06.2016 22:00
Die Brexit-Gegner, schreibt Karl-Jürgen Müller, tun so, als stünde der
Untergang des Landes bevor. Bekanntlich stimmen die Briten am 23.
Juni darüber ab, ob ihr Land in der EU verbleibt oder austritt. Für den Austritt
hat sich inzwischen das Kürzel Brexit eingebürgert, dem die Gegner mit einem
fast manichäischen EU-Bild begegnen. Interessant dabei ist, daß
die Brexit-Gegner in den vergangenen Wochen alles aufgeboten haben, was in der
Welt der ›Eliten‹ Rang und Namen hat.
Nachdem sich zunächst Präsident Obama und IWF-Direktorin Lagarde
gegen einen Brexit ausgesprochen und ein Reich der wirtschaftlichen Finsternis
für ein Großbritannien außerhalb der EU an die Wand gemalt hatten, tun sich
jetzt auch Wissenschaftler hervor. Zum Beispiel Stephen Hawking. Sein Argument:
»Die Zeiten sind vorbei, in denen wir noch alleine gegen die Welt bestehen
können. Wir müssen Teil einer größeren Gruppe von Nationen sein, sowohl für
unsere Sicherheit als auch für unseren Handel.« Daneben haben sich mehr als 300
Historiker des Landes mit einem kurzen Text über den ›Guardian‹ an die
Öffentlichkeit gewendet, woraufhin deren Sprecher ein paar Tage später in den
Amtssitz des britischen Finanzministers eingeladen wurde, um dort vorzutragen.
Diese 300 nennen sich ›Historians for Britain
in
Europe‹ und stellen sich
gegen die ›Historians for Britain‹, die einen EU-Austritt bzw. Neuverhandlungen
mit der EU fordern.
Die ›Historians for Britain
in Europe‹ behaupten, daß mit
einem Verbleib des Landes in der EU der Zusammenhalt unseres Kontinents angesichts
einer gefährlichen Welt gestärkt werde. Die Geschichte lehre, »daß Großbritanniens
Zukunft in Europa liege«. Das Land sei stärker, wenn »wir nach außen blicken
und uns in der Welt engagieren«. Ein EU-Austritt bedeute hingegen Isolation,
und die sei eben nicht ›splendid‹, eine Anspielung auf den Begriff ›splendid
Isolation‹, mit dem die Weltmachtpolitik Großbritanniens vor dem
Ersten Weltkrieg charakterisiert wurde.
Nun fragt man sich allerdings, was die Behauptungen von Stephen
Hawking oder der britischen Historiker mit der real existierenden EU und der
Mitgliedschaft darin zu tun haben sollen. Haben sie vergessen, daß die EU nicht
mit Europa gleichzusetzen ist? Haben sie einmal gründlich darüber nachgedacht, daß
diese Kopfgeburt eines supranationalen Behörden- und Machtapparates, die sich
heute EU nennt, und deren ständige Übergriffe auf souveräne Staaten all dem
widerspricht, was man als Lehren aus der europäischen Geschichte bezeichnen kann:
Das unbedingte Streben nach Freiheit, Recht und Demokratie und nach einem Leben
in politischen Gemeinschaften, nämlich in souveränen freiheitlichen und
demokratischen Nationalstaaten.
EU
gegen Freiheit und Demokratie Kein ernstzunehmender Gegner der EU hat etwas gegen eine
gleichberechtigte und friedliche Zusammenarbeit der europäischen Staaten und
auch nichts gegen eine Zusammenarbeit aller Staaten der Welt und die damit
einhergehenden vertraglichen Vereinbarungen souveräner Vertragspartner. Die
Charta der Vereinten Nationen hat dafür die bis heute guten Grundlagen
geschaffen, auch wenn sich manch ein mächtiger Staat leider nicht daran hält.
Die EU hingegen hat sich – von ihren
Wurzeln in der Montanunion an – bewußt
gegen Freiheit und Demokratie und stattdessen für den exekutiven Durchgriff von
oben sowie für die penetrante Kontrolle souveräner Staaten und Völker
entschieden. Und dies nicht etwa deswegen, weil die Völker Europas dies
wollten, sondern weil Wesdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auf Dauer
eingebunden werden sollte, und der Teil Europas, der nicht zum Einflußbereich der Sowjetunion gehörte, in den Griff zu nehmen und
als Bollwerk im Kalten Krieg aufzubauen war. Treibende und dominierende Kraft
dabei waren die USA. Alles andere ist Beschönigung und Geschichtsklitterung.
Und heute sollen die 28 Staaten der EU erneut in einem kalten und
vielleicht sogar heißen Krieg gegen Rußland in Stellung gebracht werden. Es
erstaunt, für wie dumm wir Bürger verkauft werden sollen. Und noch mehr erstaunt,
wer sich alles dafür hergibt, um bei diesen Verdummungsversuchen mitzuwirken,
so die 300 ›Historians
for Britain in Europe‹.
Zusammenarbeit
in Europa heißt nicht EU Richtig ist, daß Europa kein Kontinent isolierter Staaten sein
darf, die vor allem die Konkurrenz und das Gegeneinander kennen. Aber wie sieht
es denn in der real existierenden EU aus? Haben nicht die mit dem Binnenmarkt
und dem Vertrag von Lissabon vorgeschriebenen neoliberalen Grundsätze sowie der
Euro aus EU-Europa eine Versammlung von Staaten mit dem Ellenbogen-Prinzip
gemacht, die dann, wie weiland Österreich und derzeit Griechenland, kollektiv
diszipliniert werden, wenn sie eigene Wege gehen wollen? Ist es nicht gerade
diese real existierende EU, die immer mehr Menschen in Europa dazu bringt, nach
Alternativen zu suchen? Nicht, weil man sich von Europa und der Welt isolieren
will, sondern weil man endlich in Freiheit und Demokratie leben möchte, gleichberechtigt
und in Frieden mit allen anderen Völkern des Kontinents und der Welt.
Europa braucht eine neue Grundlage, eine, die nach vorne schaut.
Der einfache Rückgriff auf die Zeit vor der EU ist keine Perspektive. Niemand
kann ernsthaft in die Zeit vor 1945 zurück wollen. Warum nicht an einer ›Charta für Europa‹ schaffen? Den
institutionellen Rahmen könnte ein neu verfaßter
Europarat bilden. Die nach dem Ende des ersten Kalten Krieges formulierte ›Charta von
Paris‹ vom November 1990 böte gute inhaltliche Anknüpfungspunkte, wobei die
USA jedoch kein Wort mitzureden hätten.
Sicher ist eines: Die heutige EU ist keineswegs alternativlos. [1]
Die
Gründe, warum der Brexit alternativlos ist, legt Ukip-Chef Nigel Farage wie folgt dar: Durch den Austritt
Großbritanniens aus der EU wenden wir uns der Welt draußen zu. Das ist besser,
als weiterhin im Saft der protektionistischen und dysfunktionalen EU zu
schmoren. Es geht nicht darum, nostalgisch zum angestaubten Traum eines Empires
zurückzuschauen. Es geht um Wachstum, Wettbewerbfähigkeit und Prosperität -
jetzt im 21. Jahrhundert. Die Themen sind nicht Zuwanderung und
Fremdenfeindlichkeit. So ist es beispielsweise ausgeschlossen, daß wir
ausländische Ärzte oder Schwestern in unserem Gesundheitswesen ausweisen. Aber
wir können endlich Terroristen und Kriminelle nach Hause schicken. Die Einwanderer
haben viel zu unserem Land beigetragen, aber ihre Zahl ist inzwischen so groß, daß sie
unseren Zusammenhalt und unseren Wohlfahrtsstaat bedroht. Deswegen wollen wir gesteuerte Einwanderung mit einem Punkte-System wie in
Australien.
Großbritannien ist die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt.
Unsere Währung ist besser als der Euro, der dem Untergang geweiht ist. Der Euro
ist eine Bankrott-Maschine, der fast ganz Südeuropa wirtschaftlichen Niedergang
und Arbeitslosigkeit gebracht hat. Die einzige Möglichkeit, unsere
Finanzindustrie zu schützen, ist der Rückzug aus der steuerhungrigen EU und ein
Ende des Abtretens nationaler Souveränität an Brüssel. Wenn wir die EU
verlassen, werden wir ihr größter Exportkunde sein. Der Handel zwischen der EU
und dem Vereinigten Königreich ist zu wichtig, um unterbrochen zu werden. Da
wir mehr von ihnen kaufen als sie von uns, ist der Handel für die EU noch
wichtiger als für uns. Wir werden weiterhin BMWs und Audis kaufen, und sie
unsere Toyotas und Jaguars. Sollte die Brüsseler Kommission jedoch versuchen,
den Handel zu unterbinden, so werden die kontinentaleuropäischen
Wirtschaftsvertreter ihr die Tür eintreten.
Die Volksabstimmung ist eine Chance, wie wir sie nur einmal im
Leben erhalten: Wir können die Unabhängigkeit unserer Nation zurückerlangen.
Und die 9 Milliarden £, die wir der EU jedes Jahr überweisen, werden in
Schulen, Krankenhäuser und Straßen zum Wohle des britischen Volkes investiert.
Wir auf der Seite der Brexit-Befürworter wollen sicherstellen, daß England auch
weiterhin eine demokratische Zukunft hat, so, wie eine stolze Vergangenheit. [2]
Quellen: [1] https://www.seniora.org/de/902
[2] https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2016/darum-ist-der-brexit-alternativlos/ 3. 6. 16
Ukip-Chef zum EU-Referendum - Darum ist der Brexit alternativlos - von Nigel Farage
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