Gedanken zum »Brexit«

Die Brexit-Gegner, schreibt Karl-Jürgen Müller, tun so, als stünde der

Untergang des Landes bevor. Bekanntlich stimmen die Briten am 23. Juni darüber ab, ob ihr Land in der EU verbleibt oder austritt. Für den Austritt hat sich inzwischen das Kürzel Brexit eingebürgert, dem die Gegner mit einem fast manichäischen EU-Bild begegnen. Interessant dabei ist, daß die Brexit-Gegner in den vergangenen Wochen alles aufgeboten haben, was in der Welt der ElitenRang und Namen hat.

Nachdem sich zunächst Präsident Obama und IWF-Direktorin Lagarde gegen einen Brexit ausgesprochen und ein Reich der wirtschaftlichen Finsternis für ein Großbritannien außerhalb der EU an die Wand gemalt hatten, tun sich jetzt auch Wissenschaftler hervor. Zum Beispiel Stephen Hawking. Sein Argument: »Die Zeiten sind vorbei, in denen wir noch alleine gegen die Welt bestehen können. Wir müssen Teil einer größeren Gruppe von Nationen sein, sowohl für unsere Sicherheit als auch für unseren Handel.« Daneben haben sich mehr als 300 Historiker des Landes mit einem kurzen Text über den Guardian an die Öffentlichkeit gewendet, woraufhin deren Sprecher ein paar Tage später in den Amtssitz des britischen Finanzministers eingeladen wurde, um dort vorzutragen. Diese 300 nennen sich Historians for Britain in Europe und stellen sich gegen die Historians for Britain, die einen EU-Austritt bzw. Neuverhandlungen mit der EU fordern.

Die Historians for Britain in Europe behaupten, daß mit einem Verbleib des Landes in der EU der Zusammenhalt unseres Kontinents angesichts einer gefährlichen Welt gestärkt werde. Die Geschichte lehre, »daß Großbritanniens Zukunft in Europa liege«. Das Land sei stärker, wenn »wir nach außen blicken und uns in der Welt engagieren«. Ein EU-Austritt bedeute hingegen Isolation, und die sei eben nicht splendid, eine Anspielung auf den Begriff splendid Isolation, mit dem die Weltmachtpolitik Großbritanniens vor dem Ersten Weltkrieg charakterisiert wurde.

Nun fragt man sich allerdings, was die Behauptungen von Stephen Hawking oder der britischen Historiker mit der real existierenden EU und der Mitgliedschaft darin zu tun haben sollen. Haben sie vergessen, daß die EU nicht mit Europa gleichzusetzen ist? Haben sie einmal gründlich darüber nachgedacht, daß diese Kopfgeburt eines supranationalen Behörden- und Machtapparates, die sich heute EU nennt, und deren ständige Übergriffe auf souveräne Staaten all dem widerspricht, was man als Lehren aus der europäischen Geschichte bezeichnen kann: Das unbedingte Streben nach Freiheit, Recht und Demokratie und nach einem Leben in politischen Gemeinschaften, nämlich in souveränen freiheitlichen und demokratischen Nationalstaaten.

EU gegen Freiheit und Demokratie
Kein ernstzunehmender Gegner der EU hat etwas gegen eine gleichberechtigte und friedliche Zusammenarbeit der europäischen Staaten und auch nichts gegen eine Zusammenarbeit aller Staaten der Welt und die damit einhergehenden vertraglichen Vereinbarungen souveräner Vertragspartner. Die Charta der Vereinten Nationen hat dafür die bis heute guten Grundlagen geschaffen, auch wenn sich manch ein mächtiger Staat leider nicht daran hält. Die EU hingegen hat sich  – von ihren Wurzeln in der Montanunion an  – bewu
ßt gegen Freiheit und Demokratie und stattdessen für den exekutiven Durchgriff von oben sowie für die penetrante Kontrolle souveräner Staaten und Völker entschieden. Und dies nicht etwa deswegen, weil die Völker Europas dies wollten, sondern weil Wesdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auf Dauer eingebunden werden sollte, und der Teil Europas, der nicht zum Einflußbereich der Sowjetunion gehörte, in den Griff zu nehmen und als Bollwerk im Kalten Krieg aufzubauen war. Treibende und dominierende Kraft dabei waren die USA. Alles andere ist Beschönigung und Geschichtsklitterung.   

Und heute sollen die 28 Staaten der EU erneut in einem kalten und vielleicht sogar heißen Krieg gegen Rußland in Stellung gebracht werden. Es erstaunt, für wie dumm wir Bürger verkauft werden sollen. Und noch mehr erstaunt, wer sich alles dafür hergibt, um bei diesen Verdummungsversuchen mitzuwirken, so die 300 Historians for Britain in Europe

Zusammenarbeit in Europa heißt nicht EU
Richtig ist, daß Europa kein Kontinent isolierter Staaten sein darf, die vor allem die Konkurrenz und das Gegeneinander kennen. Aber wie sieht es denn in der real existierenden EU aus? Haben nicht die mit dem Binnenmarkt und dem Vertrag von Lissabon vorgeschriebenen neoliberalen Grundsätze sowie der Euro aus EU-Europa eine Versammlung von Staaten mit dem Ellenbogen-Prinzip gemacht, die dann, wie weiland Österreich und derzeit Griechenland, kollektiv diszipliniert werden, wenn sie eigene Wege gehen wollen? Ist es nicht gerade diese real existierende EU, die immer mehr Menschen in Europa dazu bringt, nach Alternativen zu suchen? Nicht, weil man sich von Europa und der Welt isolieren will, sondern weil man endlich in Freiheit und Demokratie leben möchte, gleichberechtigt und in Frieden mit allen anderen Völkern des Kontinents und der Welt. 

Europa braucht eine neue Grundlage, eine, die nach vorne schaut. Der einfache Rückgriff auf die Zeit vor der EU ist keine Perspektive. Niemand kann ernsthaft in die Zeit vor 1945 zurück wollen. Warum nicht an einer Charta für Europa schaffen? Den institutionellen Rahmen könnte ein neu verfaßter Europarat bilden. Die nach dem Ende des ersten Kalten Krieges formulierteCharta von Paris vom November 1990 böte gute inhaltliche Anknüpfungspunkte, wobei die USA jedoch kein Wort mitzureden hätten. 

Sicher ist eines: Die heutige EU ist keineswegs alternativlos. [1] 

Die Gründe, warum der Brexit alternativlos ist
legt Ukip-Chef Nigel Farage wie folgt dar: Durch den Austritt Großbritanniens aus der EU wenden wir uns der Welt draußen zu. Das ist besser, als weiterhin im Saft der protektionistischen und dysfunktionalen EU zu schmoren. Es geht nicht darum, nostalgisch zum angestaubten Traum eines Empires zurückzuschauen. Es geht um Wachstum, Wettbewerbfähigkeit und Prosperität - jetzt im 21. Jahrhundert. Die Themen sind nicht Zuwanderung und Fremdenfeindlichkeit. So ist es beispielsweise ausgeschlossen, daß wir ausländische Ärzte oder Schwestern in unserem Gesundheitswesen ausweisen. Aber wir können endlich Terroristen und Kriminelle nach Hause schicken. Die Einwanderer haben viel zu unserem
Land beigetragen, aber ihre Zahl ist inzwischen so groß, daß sie unseren Zusammenhalt und unseren Wohlfahrtsstaat bedroht. Deswegen wollen wir gesteuerte Einwanderung mit einem Punkte-System wie in Australien.  

Großbritannien ist die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Unsere Währung ist besser als der Euro, der dem Untergang geweiht ist. Der Euro ist eine Bankrott-Maschine, der fast ganz Südeuropa wirtschaftlichen Niedergang und Arbeitslosigkeit gebracht hat. Die einzige Möglichkeit, unsere Finanzindustrie zu schützen, ist der Rückzug aus der steuerhungrigen EU und ein Ende des Abtretens nationaler Souveränität an Brüssel. Wenn wir die EU verlassen, werden wir ihr größter Exportkunde sein. Der Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ist zu wichtig, um unterbrochen zu werden. Da wir mehr von ihnen kaufen als sie von uns, ist der Handel für die EU noch wichtiger als für uns. Wir werden weiterhin BMWs und Audis kaufen, und sie unsere Toyotas und Jaguars. Sollte die Brüsseler Kommission jedoch versuchen, den Handel zu unterbinden, so werden die kontinentaleuropäischen Wirtschaftsvertreter ihr die Tür eintreten.

Die Volksabstimmung ist eine Chance, wie wir sie nur einmal im Leben erhalten: Wir können die Unabhängigkeit unserer Nation zurückerlangen. Und die 9 Milliarden £, die wir der EU jedes Jahr überweisen, werden in Schulen, Krankenhäuser und Straßen zum Wohle des britischen Volkes investiert. Wir auf der Seite der Brexit-Befürworter wollen sicherstellen, daß England auch weiterhin eine demokratische Zukunft hat, so, wie eine stolze Vergangenheit.  [2]

 

Quellen: 
[1]  https://www.seniora.org/de/902 
[2]  https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2016/darum-ist-der-brexit-alternativlos/   3. 6. 16
Ukip-Chef zum EU-Referendum  -  Darum ist der Brexit alternativlos - von Nigel Farage